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Informationen zum Dokument  BGer 2C_859/2019  Materielle Begründung
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BGer 2C_859/2019 vom 14.11.2019
 
 
2C_859/2019
 
 
Urteil vom 14. November 2019
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichter Zünd, Donzallaz,
 
Gerichtsschreiber Kocher.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Gemeinderat U.________/ZH 
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Grundeigentümerbeiträge 2014; Revision,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3. Abteilung, vom 22. August 2019 (VB.2019.00127).
 
 
Erwägungen:
 
1. 
1
1.1. A.________ betrieb in U.________/ZH ein landwirtschaftliches Gewerbe. In den 1970er-Jahren erstellte die Gemeinde eine Kanalisation, welche auch im Eigentum von A.________ stehende landwirtschaftliche Grundstücke tangierte. Nach der damaligen Verordnung (der Einwohnergemeinde U.________/ZH) vom 23. März 1970 über die Abwasseranlagen löste dies Grundeigentümerbeiträge (sog. "Mehrwertsbeiträge") aus. Diese wurden verfügt, aber aufgrund von Art. 11 Abs. 4 der Verordnung (noch) nicht bezogen.
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1.2. Mit Blick auf die Hofübergabe an den Sohn beschloss der örtliche Gemeinderat am 18. Februar 2014, die nach wie vor ausstehenden Grundeigentümerbeiträge von Fr. 29'759.40 zu erheben. Der Gemeinderatsbeschluss erwuchs in Rechtskraft. Am 30. August 2018 ersuchte A.________ anlässlich einer Besprechung mit dem Gemeindepräsidenten und dem Gemeindeschreiber um Aufhebung des Beschlusses vom 18. Februar 2014, worauf er am 22. September 2018 zusätzlich in schriftlicher Form an alle Mitglieder des Gemeinderates gelangte. Der Gemeinderat wies die als Revisionsgesuch entgegengenommene Eingabe vom 22. September 2018 mit Beschluss vom 2. Oktober 2018 ab, soweit er darauf eintrat. Der Bezirksrat V.________ trat am 22. Januar 2019 auf den dagegen gerichteten Rekurs nicht ein.
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1.3. In der Folge gelangte A.________ an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, dessen 3. Abteilung die Beschwerde mit Entscheid VB.2019.00127 vom 22. August 2019 abwies, soweit darauf einzutreten war. Das Verwaltungsgericht erwog, Nichtigkeit liege nicht vor. Das Revisionsgesuch scheitere zumindest an der Subsidiarität der Revision, da keine gültigen Revisionsgründe vorgebracht worden seien. Denkbar sei aber, dass das Schreiben vom 22. September 2018 als Gesuch um Wiedererwägung gedacht gewesen sei. Die Gemeinde hätte das Gesuch, so das Verwaltungsgericht, auch unter diesem Gesichtspunkt prüfen müssen, da es von einem juristischen Laien gestellt worden sei. Da ein Wiedererwägungsgesuch aber frist- und formlos möglich sei und jederzeit neu erhoben werden könne, erübrige sich eine Rückweisung an die Gemeinde. Schliesslich liege keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 1 und 2 BV) vor.
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1.4. Gemäss der elektronischen Sendungsverfolgung "Track &Trace" nahm A.________ den Entscheid vom 22. August 2019 am 16. September 2019 - und damit innerhalb der Abholfrist - in Empfang. Mit Eingabe vom 10. Oktober 2019 erhebt er beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Er beantragt sinngemäss, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, und es sei festzustellen, dass die streitbetroffene Forderung verjährt sei. Am 16. Oktober 2019 - und damit fristwahrend - ergänzt der Beschwerdeführer seine Eingabe.
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1.5. Der Abteilungspräsident als Instruktionsrichter (Art. 32 Abs. 1 BGG) hat von Instruktionsmassnahmen - insbesondere einem Schriftenwechsel - abgesehen.
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Erwägung 2
 
2.1. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten liegen vor (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
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2.2. Das Bundesgericht prüft das Bundesrecht von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 145 V 215 E. 1.1 S. 217) und mit uneingeschränkter (voller) Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 145 I 239 E. 2 S. 241).
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2.3. Die Verletzung von verfassungsmässigen Individualrechten (einschliesslich der Grundrechte) und des rein kantonalen und kommunalen Rechts prüft das Bundesgericht nur, soweit eine solche Rüge in der Beschwerde überhaupt vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG). In der Beschwerde ist daher klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, dass und inwiefern verfassungsmässige Individualrechte verletzt worden sein sollen (BGE 145 II 32 E. 5.1 S. 41). Auf bloss allgemein gehaltene, appellatorische Kritik am vorinstanzlichen Entscheid geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 145 I 121 E. 2.1 S. 133).
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2.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 145 V 215 E. 1.2 S. 217). Die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen können von Amtes wegen oder auf Rüge hin berichtigt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2 und Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 145 V 215 E. 1.2 S. 217). "Offensichtlich unrichtig" ist mit "willkürlich" gleichzusetzen (BGE 144 IV 35 E. 2.3.3 S. 42 f.). Die Anfechtung der vorinstanzlichen Feststellungen unterliegt der qualifizierten Rüge- und Begründungsobliegenheit (BGE 144 V 50 E. 4.1 S. 52 f.; vorne E. 2.3).
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2.5. Der Streitgegenstand kann vor Bundesgericht, verglichen mit dem vorinstanzlichen Verfahren, zwar eingeschränkt (minus), nicht aber ausgeweitet (plus) oder geändert (aliud) werden (Art. 99 Abs. 2 BGG; BGE 143 V 19 E. 1.1 S. 22).
11
3. 
12
3.1. Der Bezirksrat war auf den Rekurs nicht eingetreten (vorne E. 1.2). Das Verwaltungsgericht erwog, seine Prüfungsbefugnis beschränke sich vorerst auf die Frage, ob die Eintretensvoraussetzungen zu Recht verneint worden seien, es könne unter Umständen aber auch einen Sachentscheid fällen. In der Folge prüfte das Verwaltungsgericht, ob materiell ein Revisionsgrund nach § 86a des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (des Kantons Zürich) vom 24. Mai 1959 (VRG/ZH; LS 175.2) vorliege, was es verneinte. Das Verwaltungsgericht erwog, die in der Eingabe vom 22. September 2018 vorgebrachten Mängel hätten nach dem Prinzip der Subsidiarität der Revision (§ 86b Abs. 1 VRG/ZH) schon im Rechtsmittelverfahren gegen den Beschluss vom 2. Oktober 2018 vorgetragen werden können und müssen. Zudem bleibe unklar, wann der Beschwerdeführer von den angeblichen Revisionsgründen erfahren habe, weshalb nicht beurteilt werden könne, ob die gesetzliche Frist gewahrt sei. Der Gemeinderat sei folglich mit Recht auf das Revisionsgesuch nicht eingetreten. Auch die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgebrachten Argumente (Verjährung, rechtliches Gehör, Treu und Glauben) begründeten keine Revisionsgründe.
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Erwägung 3.2
 
3.2.1. Streitgegenstand im bundesgerichtlichen Verfahren ist somit einzig, ob Gründe bestanden, den Gemeinderatsbeschluss vom 18. Februar 2014 in Revision zu ziehen. Der Beschwerdeführer macht hierzu geltend, er habe erst am 2. Oktober 2018 "entdeckt", dass die angebliche Schuld längst schon, genau am 25. März 1986, verjährt sei, da es sich in Wahrheit nicht um eine gestundete, sondern um eine bedingte Forderung handle. Er bezieht sich hierzu auf Art. 134 OR. Diese Auffassung überzeugt nicht: Ob eine abgaberechtliche Schuld zu Recht besteht und, falls dies zutrifft, wann die Verjährung eintritt, ist keine Tatfrage, sondern eine Rechtsfrage. Wenngleich Art. 134 OR höchstens als subsidiäres kantonales Verwaltungsrecht herangezogen werden kann und die Lösung eher in Art. 11 Abs. 4 der seinerzeitigen örtlichen Verordnung vom 23. März 1970 und dem kantonalen Verwaltungsrecht zu finden ist, zeigt dies doch auf, dass sich auch in den Augen des Beschwerdeführers eine Rechtsfrage stellt.
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3.2.2. Aus dem Umstand, dass ihm die Rechtslage bis zum 2. Oktober 2018 nicht bekannt gewesen sein soll, vermag der Beschwerdeführer für sich nichts abzuleiten ("Nichtwissen schützt nicht"; Urteil 2C_426/2019 vom 12. Juli 2019 E. 3.3.2). Wenn die Vorinstanz (auch) in diesem Zusammenhang erwägt, den Vorbringen stehe die Subsidiarität der Revision entgegen (§ 86b Abs. 1 VRG/ZH), ist dies jedenfalls nicht willkürlich. Folglich hat die Vorinstanz entgegen der Einschätzung des Beschwerdeführers nicht prüfen müssen, ob die Grundeigen-tümerbeiträge rechtmässig verfügt worden seien, ob die Forderung verjährt sei, wie es sich mit der Umzonung des einen Grundstücks verhalte, ob die Hofübergabe überhaupt eine Veräusserung darstelle und ob der Beschluss vom 18. Februar 2014 - mit Blick auf den Grundbucheintrag, der erst im Jahr 2015 erfolgte - verfrüht getroffen worden sei. Es besteht somit kein Grund zur Revision des Gemeinderatsbeschlusses vom 18. Februar 2014. Auch das Bundesgericht hat diese Vorbringen nicht zu prüfen; sie liegen ausserhalb des Streitgegenstandes.
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3.2.3. Dasselbe trifft auf die Beschwerdeergänzung vom 16. Oktober 2019 zu, worin der Beschwerdeführer geltend macht, bei der Forderung aus dem Jahr 1976 handle es sich um eine bedingte, nicht um eine gestundete Forderung, was klarerweise aus § 44 des Einführungsgesetzes (des Kantons Zürich) vom 8. Dezember 1974 zum Gewässerschutzgesetz (EGzGSchG/ZH; LS 711.1) hervorgehe. Abgesehen davon, dass es sich nach dem Dargelegten auch hierbei um keinen Revisionsgrund handeln kann, ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, dass § 44 Abs. 2 EGzGSchG/ZH davon spricht, die 
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Erwägung 3.3
 
3.3.1. Es bleibt zu prüfen, wie es sich mit der angeblichen Nichtigkeit des gemeinderätlichen Beschlusses vom 18. Februar 2014 verhält. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes ist jederzeit und von sämtlichen staatlichen Instanzen von Amtes wegen zu berücksichtigen. Fehlerhafte amtliche Verfahrenshandlungen sind in der Regel aber nur anfechtbar (und nicht nichtig). Entsprechend werden sie durch Nichtanfechtung rechtsgültig. Nichtigkeit herrscht nur, wenn der ihnen anhaftende Mangel besonders schwer ist, wenn er sich als offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar erweist und die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird (BGE 145 IV 197 E. 1.3.2 S. 201). Zu diesem Zweck können im Beschwerdeverfahren auch neue Tatsachen vorgebracht werden, die ansonsten aufgrund des Novenverbots (Art. 99 Abs. 1 BGG) nicht zulässig wären (Urteil 5A_977/2018 vom 22. August 2019 E. 3, zur Publ. vorgesehen).
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3.3.2. Der Beschwerdeführer wiederholt unter dem Aspekt der Nichtigkeit nur jene Argumente, die er auch als Revisionsgrund anführt. Inwiefern es sich beim angeblichen Mangel, der nach dem Gesagten zu keiner Revision Anlass geben kann, weil der Beschwerdeführer nur eine neue rechtliche Beurteilung, nicht aber neue Tatsachen vorlegt, um einen Nichtigkeitsgrund handeln könnte, zeigt er indes nicht auf. Er lässt es im Wesentlichen damit bewenden, von einer "Summe gravierender Mängel" zu sprechen, die insgesamt zur Nichtigkeit des Beschlusses vom 18. Februar 2014 führen soll. Bei diesen angeblichen Mängeln handelt es sich hauptsächlich um die in den Augen des Beschwerdeführers unhaltbare Auslegung und Anwendung des kantonalen bzw. kommunalen Rechts. Demgegenüber ist die Vorinstanz davon ausgegangen, dass das Vorgehen des Gemeinderates, soweit dies zu prüfen war, verfassungsrechtlich haltbar sei. Entsprechend konnte auch keine Nichtigkeit vorliegen. Dabei hat es nach dem Gesagten zu bleiben. Auf bloss allgemein gehaltene, appellatorische Kritik am vorinstanzlichen Entscheid geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 145 I 121 E. 2.1 S. 133; vorne E. 2.3).
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3.4. Der Beschwerdeführer sieht sich schliesslich in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Die Vorinstanz hatte hierzu ausgeführt, der Beschwerdeführer rüge, er habe eine Gemeinderätin gebeten, eine bestimmte Verjährungstabelle, die er im Internet aufgegriffen habe, an die Sitzung mitzunehmen. Der Gemeinderat habe, so der Beschwerdeführer, die Tabelle in der Folge aber nicht berücksichtigt. Alleine darin liegt gemäss Vorinstanz keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Im bundesgerichtlichen Verfahren bringt der Beschwerdeführer ergänzend vor, der Gemeinderat sei auf seine Auskunftsersuchen und Anliegen nur unvollständig bzw. gar nicht eingetreten, was seinerseits eine Gehörsverletzung begründe. Ihm ist entgegenzuhalten, dass der Gemeinderat nach der für das Bundesgericht verbindlichen Feststellung der Vorinstanz durchaus auf die Verjährung eingegangen ist und abschliessend festgehalten hat, (auch) diese Rüge wäre im Rekursverfahren vorzubringen gewesen. Dadurch hat der Gemeinderat seinen Pflichten genügt und ist auch die Gehörsrüge unbegründet, soweit der Beschwerdeführer seinen formellen Obliegenheiten (Art. 106 Abs. 2 BGG; vorne E. 2.4) überhaupt nachkommt.
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3.5. Damit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Unberührt davon bleibt die Möglichkeit eines Wiedererwägungsgesuchs, das gemäss angefochtenem Entscheid jederzeit möglich ist (vgl. vorne E. 1.3).
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Erwägung 4
 
Nach dem Unterliegerprinzip sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der unterliegenden Partei aufzuerlegen (Art. 65 und Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Der Einwohnergemeinde U.________/ZH, die in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).
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 Demnach erkennt der Präsident:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 14. November 2019
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Der Gerichtsschreiber: Kocher
 
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