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Informationen zum Dokument  BGer 1C_404/2019  Materielle Begründung
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BGer 1C_404/2019 vom 31.10.2019
 
 
1C_404/2019
 
 
1C_406/2019
 
 
Urteil vom 31. Oktober 2019
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Chaix, Präsident,
 
Bundesrichter Merkli, Kneubühler,
 
Gerichtsschreiberin Hänni.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen.
 
Gegenstand
 
Verkehrsanordnung Flawil und Verkehrsanordnung an der Staatsstrasse, Niederbüren
 
Beschwerden gegen die Entscheide des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen, Abteilung III, vom 29. Juni 2019 (B 2019/88 und B 2019/58).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
Am 28. Mai 2018 verfügte das Polizeikommando des Kantons St. Gallen die Signalisation «Höchstgeschwindigkeit 60 km/h» (anstelle von bisher 80 km/h) auf der Oberen Eggstrasse in Flawil auf Höhe Obere Egg. Das Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen trat am 2. April 2019 auf einen - als «Einsprache» bezeichneten - Rekurs von A.________ gegen diese Verkehrsanordnung nicht ein, da es ihn nicht als legitimiert erachtete. Aus dem gleichen Grund trat das Departement am 4. März 2019 nicht auf einen Rekurs von A.________ ein, mit welchem dieser sich gegen die Verkehrsanordnung «Höchstgeschwindigkeit 60 km/h» (ebenfalls anstelle von 80 km/h) auf der Staatstrasse in Niederbüren auf dem Abschnitt ab der Liegenschaft Nellen 31 bis zur Dorfeinfahrt von Niederbüren gewehrt hatte.
1
 
B.
 
Beide Entscheide focht A.________ beim Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen an. Dieses wies die Beschwerden mit zwei getrennten, je vom 29. Juni 2019 datierenden Urteilen ab. Es befand, das Departement habe zu Recht erkannt, A.________ habe nicht aufgezeigt, inwiefern er von den angefochtenen Geschwindigkeitsbeschränkungen mehr als irgendein Dritter oder die Allgemeinheit betroffen sein sollte.
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Mit Eingaben vom 12. und vom 13. August 2019 führt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Er beantragt sinngemäss die Aufhebung beider Urteile des Verwaltungsgerichts vom 29. Juni 2019; es sei ihm «die Einspracheberechtigung zu erteilen». Das Verwaltungsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerden, das Departement deren Abweisung, soweit darauf einzutreten sei. Der Beschwerdeführer hat repliziert.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
Angefochten sind zwei kantonal letztinstanzliche Endentscheide eines oberen Gerichts in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, die unter keinen Ausschlussgrund gemäss Art. 83 BGG fallen und daher mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden können (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG). Weil beide Urteile in ihrer Begründung im Wesentlichen identisch sind und vom selben Beschwerdeführer mit weitgehend gleicher Begründung angefochten werden, rechtfertigt es sich, sie in einem Urteil zu behandeln. Da das Verwaltungsgericht die Nichteintretensentscheide seiner Vorinstanz geschützt hat, beschränkt sich das vorliegende Verfahren auf die Frage, ob es dies zu Recht getan hat. Der Beschwerdeführer als Adressat der angefochtenen Entscheide ist ohne weiteres befugt, dies überprüfen zu lassen. Streitgegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens ist somit einzig die Frage, ob das Departement die Rekurse des Beschwerdeführers materiell hätte behandeln müssen. Ist dies zu bejahen, sind die Beschwerden gutzuheissen und die Verfahren an die Vorinstanz zurückzuweisen; insofern ist auch der (sinngemäss) auf eine blosse Rückweisung gerichtete Antrag des Beschwerdeführers zulässig. Erweist sich der Forumsverschluss des Departements dagegen als bundesrechtskonform, hat es damit sein Bewenden.
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Erwägung 2
 
Wer zur Beschwerde an das Bundesgericht berechtigt ist, muss sich am Verfahren vor allen kantonalen Vorinstanzen als Partei beteiligen können (Art. 111 Abs. 1 BGG). Die Legitimation zum Rekurs und zur Beschwerde gegen behördliche Verkehrsanordnungen muss in den Kantonen daher mindestens im gleichen Umfang wie nach Art. 89 BGG zugelassen werden (BGE 144 I 43 E. 2.1 S. 45). Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 89 Abs. 1 BGG ist berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, wer zudem durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (Art. 89 Abs. 1 BGG). Dementsprechend ist zur Anfechtung von lokalen Verkehrsanordnungen nach der Rechtsprechung berechtigt, wer die mit der Beschränkung belegte Strasse regelmässig benutzt, z.B. als Anwohner oder Pendler, während bloss gelegentliches Befahren einer Strasse nicht genügt (BGE 136 II 539 E. 1.1 S. 542 f. mit Hinweisen; Urteil 1C_117/2017, 1C_118/2017 vom 20. März 2018 E. 2).
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Erwägung 3
 
Nach den Erwägungen der Vorinstanz ist das Departement auf die Rekurse des Beschwerdeführers nicht eingetreten, weil dieser nicht dargelegt habe, inwiefern er von den Geschwindigkeitsbeschränkungen besonders betroffen sei und weil er keinen praktischen Nutzen geltend gemacht habe, den ihm die Gutheissung der Rekurse bringen würde, und ein solcher auch nicht ersichtlich sei. Das Verwaltungsgericht hat weiter befunden, der Beschwerdeführer wohne zwar in der Gemeinde Oberbüren in der Nähe einer der beiden geplanten Verkehrsbeschränkungen (jener in Niederbüren im Verfahren 1C_406/2019), doch begründe er seine Legitimation bloss mit einer allgemeinen Kritik an den vorgesehenen Verkehrsbeschränkungen. Er mache keine näheren Angaben dazu, wie oft er die betreffenden Strassenabschnitte befahre. Schon aus diesem Grund zeige er seine besondere Beziehungsnähe zur Streitsache nicht auf. Sodann tue er nicht dar, inwiefern er durch das Nichteinholen eines Gutachtens einen konkreten Nachteil erleide.
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Somit ist die Vorinstanz aus zwei Gründen nicht auf die Beschwerden eingetreten: Zum einen hatte der Beschwerdeführer ihrer Ansicht nach vor dem Departement seine Rekursbefugnis nicht hinreichend begründet, zum andern hatte er seine Berechtigung zur Verwaltungsbeschwerde ebenfalls nicht bzw. unzureichend motiviert.
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Erwägung 4
 
Beschwerden an das Bundesgericht haben nebst den Begehren die Begründung zu enthalten. Darin ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Die Begründung braucht nicht zutreffend zu sein; verlangt wird aber, dass sich die Beschwerde mit dem angefochtenen Entscheid auseinandersetzt (BGE 143 II 283 E. 1.2.2 S. 286). Diesen Anforderungen genügen die vorliegenden Beschwerden kaum. Beide Rechtsschriften enthalten zunächst unter dem Titel «Einleitung» allgemeine Ausführungen über die Auseinandersetzungen des Beschwerdeführers mit den st. gallischen Polizeibehörden, die seiner Ansicht nach wiederholt Signalisationen angeordnet oder geändert haben, ohne die geltenden Regeln einzuhalten. Dies ist nicht Gegenstand der vorliegenden Verfahren. In einem zweiten Teil äussert er sich zwar zu den konkreten Gründen, die ihn zu den beiden Rekursen veranlasst haben und macht auch Angaben darüber, wie oft er die interessierenden Strassenstücke befährt. Mit der rechtlichen Begründung der angefochtenen Urteile setzt er sich aber nicht auseinander, auch nicht andeutungsweise. Weder behauptet er, sich in den Rekursen zur Häufigkeit, mit der er die betreffenden Strassenabschnitte nutze, geäussert zu haben noch macht er geltend, die Vorinstanz habe die Vorschriften des kantonalen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRP; sGS 951.1), welche die Beschwerdebefugnis regeln, willkürlich angewandt oder Art. 111 Abs. 1 BGG verletzt (vgl. dazu oben E. 4).
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Erwägung 5
 
Auch wenn die Begründung der Beschwerden an das Bundesgericht den Anforderungen von Art. 42 BGG genügen würde und auf die Eingaben einzutreten wäre, könnten sie nicht gutgeheissen werden. Das Verwaltungsgericht hat die beiden bei ihm anhängig gemachten Beschwerden nämlich abgewiesen, weil es (ähnlich wie das Bundesgericht in den vorliegenden Verfahren) zum Schluss gelangt ist, der Beschwerdeführer habe seiner Begründungspflicht nicht genügt. Es hat befunden, das Departement habe dessen Rechtsmittelbefugnis verneint, weil er nicht dargelegt habe, inwiefern er von den interessierenden Verkehrsbeschränkungen mehr als irgendein Dritter betroffen sei und insbesondere nicht ausführe, dass er die fraglichen Strassen regelmässig benütze. Dies bestreitet der Beschwerdeführer nicht. Er behauptet insbesondere nicht, die Vorinstanz habe den (Prozess-) Sachverhalt insofern offensichtlich unrichtig festgestellt und dies ist auch nicht ersichtlich. Damit ist das Bundesgericht an die diesbezüglichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, wenn dieses die Legitimation des Beschwerdeführers als nicht dargetan erachtet und den Nichteintretensentscheid des Departements für rechtmässig befunden hat.
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Erwägung 6
 
Damit sind die Beschwerden abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
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Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 BGG). Parteientschädigungen sind nicht zu sprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Verfahren 1C_404/2019 und 1C_406/2019 werden vereinigt.
 
2. Die Beschwerden werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
3. Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung III, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 31. Oktober 2019
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Chaix
 
Die Gerichtsschreiberin: Hänni
 
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