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Informationen zum Dokument  BGer 1C_392/2019  Materielle Begründung
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BGer 1C_392/2019 vom 28.10.2019
 
 
1C_392/2019
 
 
Urteil vom 28. Oktober 2019
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Chaix, Präsident,
 
Gerichtsschreiber Störi.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Peter Diggelmann, c/o Obergericht des Kantons Zürich,
 
Beschwerdegegner,
 
Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich,
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
 
Gegenstand
 
Ermächtigungsgesuch,
 
Beschwerde gegen den Entscheid
 
des Kantonsrats Zürich vom 4. Juli 2019
 
(Nr. 18.201).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________ erstattete am 2. Mai 2018 bei der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl Strafanzeige gegen den Oberrichter Peter Diggelmann. Diese überwies die Eingabe an die Oberstaatsanwaltschaft mit dem Antrag, bei der Geschäftsleitung des Zürcher Kantonsrates ein Ermächtigungsverfahren gegen den Magistraten einzuleiten. Am 4. Juli 2019 wies die Geschäftsleitung des Kantonsrates das Ermächtigungsgesuch gegen Peter Diggelmann ab.
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B. Mit Beschwerde vom 22. Juli 2019 beantragt A.________, diesen Entscheid der Geschäftsleitung aufzuheben und der Staatsanwaltschaft die Ermächtigung zur Eröffnung eines Strafverfahrens gegen Peter Diggelmann zu erteilen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege.
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C. Die Staatsanwaltschaft und die Oberstaatsanwaltschaft verzichten auf Vernehmlassung. Die Geschäftsleitung des Kantonsrats beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Mit dem angefochtenen Entscheid hat die Geschäftsleitung des Kantonsrates als politische Behörde die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung eines Oberrichters und damit eines Magistraten nicht erteilt, wobei er neben strafrechtlichen auch politische Gesichtspunkte mitberücksichtigen durfte (BGE 137 IV 269 E. 2.4 S. 277; 135 I 113 E. 1 S. 115, je mit Hinweisen). Damit fehlt es an einer Prozessvoraussetzung für das vom Beschwerdeführer angestrebte Strafverfahren.
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1.2. Das Ermächtigungsverfahren ist ein Verwaltungsverfahren (BGE 137 IV 269 E. 1.3.1 S. 272 mit Hinweisen). Angefochten ist dementsprechend ein öffentlich-rechtlicher Entscheid. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist ausgeschlossen, da es sich um einen Entscheid über die Verweigerung der Ermächtigung zur Strafverfolgung eines Behördenmitglieds handelt (Art. 83 lit. e BGG; BGE 137 IV 269 E. 1.3.1 S. 272 mit Hinweisen). Damit ist nach Art. 113 BGG die subsidiäre Verfassungsbeschwerde gegeben. Angefochten ist ein erst- und gleichzeitig letztinstanzlicher kantonaler Entscheid einer nicht richterlichen Behörde, mithin ein zulässiges Anfechtungsobjekt, da der kantonale Gesetzgeber Entscheide mit vorwiegend politischem Charakter von der Rechtsweggarantie von Art. 29a BV ausnehmen kann (Art. 114 i.V.m. Art. 86 Abs. 3 BGG; BGE 135 I 113 E. 1 S. 116 f. mit Hinweisen).
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1.3. Zur Verfassungsbeschwerde ist nach Art. 115 BGG befugt, wer: a. vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; und b. ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat. Der Beschwerdeführer hat darzulegen, dass die Legitimationsvoraussetzungen erfüllt sind, soweit dies nicht offensichtlich ist (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 133 II 353 E. 1; 249 E. 1.1). Der Beschwerdeführer äussert sich nicht zu den Sachurteilsvoraussetzungen. Es kann zwar ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass er die Anforderungen von Art. 115 lit. a BGG erfüllt. In Bezug auf lit. b trifft dies indessen nicht zu, es ist keineswegs offensichtlich, dass er über das erforderliche Rechtsschutzinteresse verfügt. Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten, da der Beschwerdeführer unter Verletzung der gesetzlichen Begründungspflicht nicht darlegt, dass er ein rechtlich geschütztes Interesse an ihrer Erhebung hat. Das schadet ihm allerdings insofern nicht, als ihm ein solches ohnehin abgeht:
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1.4. Gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO können die Kantone vorsehen, dass die Strafverfolgung der Mitglieder ihrer Vollziehungs- und Gerichtsbehörden wegen im Amt begangener Verbrechen oder Vergehen von der Ermächtigung einer nicht richterlichen Behörde abhängt. Von dieser Möglichkeit hat der Kanton Zürich Gebrauch gemacht. Gemäss § 38 des Kantonsratsgesetzes vom 5. April 1981 (KRG; LS 171.1) kann gegen ein Mitglied des Regierungsrates oder eines obersten kantonalen Gerichts eine Strafuntersuchung wegen eines in Ausübung seines Amtes begangenen Verbrechens oder Vergehens nur eröffnet werden, wenn der Kantonsrat dazu die Ermächtigung erteilt hat (Abs. 1). Entsprechende Anträge von Mitgliedern des Kantonsrates oder der genannten Behörden oder Gerichte sowie Anzeigen und Ermächtigungsgesuche Dritter sind an die Geschäftsleitung zu richten. Diese werden der Justizkommission zur Antragstellung an die Geschäftsleitung zugewiesen. Die Geschäftsleitung stellt dem Rat Antrag. Offensichtlich unbegründete Anzeigen und Ermächtigungsgesuche kann die Geschäftsleitung auf Antrag der Justizkommission ohne Weiterungen oder nach Beizug der Akten und einer schriftlichen Stellungnahme der betroffenen Person selbständig von der Hand weisen (Abs. 2). Die Geschäftsleitung kann auch von sich aus dem Rat Antrag stellen (Abs. 3). Beschliesst der Kantonsrat die Eröffnung einer Strafuntersuchung, kann er zu deren Durchführung einen besonderen Staatsanwalt bestimmen (Abs. 4). § 38 KRG regelt das Ermächtigungsverfahren damit nur rudimentär (BGE 135 I 113 E. 1 S. 115). Er räumt dem privaten Anzeigeerstatter und Gesuchsteller keine Parteirechte ein (Urteil 1D_2/2015 vom 4. November 2015 E. 2.3.3). Der Beschwerdeführer hat daher kein rechtlich geschütztes Interesse, den Ermächtigungsentscheid in der Sache anzufechten.
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2. Auf die Beschwerde ist somit im vereinfachten Verfahren nicht einzutreten. Auf die Erhebung von Gerichtskosten kann ausnahmsweise verzichtet werden (Art. 66 Abs. 1 BGG), womit das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos geworden ist.
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 Demnach erkennt der Präsident:
 
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2. Es werden keine Kosten erhoben.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Kantonsrat Zürich schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 28. Oktober 2019
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Chaix
 
Der Gerichtsschreiber: Störi
 
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