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Informationen zum Dokument  BGer 8C_218/2019  Materielle Begründung
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BGer 8C_218/2019 vom 15.10.2019
 
 
8C_218/2019
 
 
Urteil vom 15. Oktober 2019
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichter Wirthlin, Abrecht,
 
Gerichtsschreiberin Polla.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________ AG,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Ulrich Kobelt,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
1.  Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva),
 
2.  Ausgleichskasse Luzern,
 
Beschwerdegegnerinnen.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung; Alters- und Hinterlassenenversicherung (Beitragspflicht; Abgrenzung selbstständige und unselbstständige Erwerbstätigkeit),
 
Beschwerde gegen den Entscheid
 
des Kantonsgerichts Luzern
 
vom 7. Februar 2019 (5V 17 320/5V 17 321).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) führte am 15. Juni 2016 bei der Treuhand B.________ AG eine Arbeitgeberkontrolle betreffend das Jahr 2014 über die A.________ GmbH (ab 9. Dezember 2016: A.________ AG) durch, die ihr Personal bei ihr gesetzlich unfallversichert hat. Mit Rechnung über die Beiträge an die obligatorische Unfallversicherung vom 25. Oktober 2016 forderte die Suva aufgrund der Revisionsergebnisse Prämien in der Höhe von Fr. 63'853.95 für eine aufgerechnete Bruttolohnsumme von Fr. 934'193.- nach. Die dagegen geführte Einsprache hiess die Suva insoweit teilweise gut, als sie pauschale Unkosten im Umfang von 10 % der nacherfassten Lohnsumme für Mittagsentschädigungen und Fahrkosten anerkannte (Einspracheentscheid vom 2. Juni 2017).
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A.b. Gestützt auf die Revisionsergebnisse der Suva verpflichtete die Ausgleichskasse Luzern die A.________ GmbH zudem zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen (AHV/IV/EO/ALV/ FAK und Verwaltungskosten) für das Jahr 2014 im Umfang von Fr. 133'000.15 (basierend auf der Bruttolohnsumme von Fr. 934'193.-) sowie von Verzugszinsen für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 2. November 2016 von Fr. 12'228.65 (Verfügung vom 2. November 2016). Mit Einspracheentscheid vom 2. Juni 2017 anerkannte die Ausgleichskasse in teilweiser Gutheissung der hiergegen eingereichten Einsprache ebenfalls pauschale Unkosten im Umfang von 10 % der nacherfassten Lohnsumme.
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B. In Vereinigung der gegen beide Einspracheentscheide vom 2. Juni 2017 geführten Beschwerden hiess das Kantonsgericht Luzern diese teilweise gut, soweit es darauf eintrat. Es änderte die Einspracheentscheide dahingehend ab, dass es die der A.________ AG für das Jahr 2014 zusätzlich aufzurechnende sozialversicherungspflichtige Bruttolohnsumme im Sinne der Erwägungen auf Fr. 804'745.- festsetzte.
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C. Die A.________ AG lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, der vorinstanzliche Entscheid (Dispositiv-Ziffer 2) sei insofern abzuändern, als die für das Jahr 2014 zusätzlich aufzurechnende sozialversicherungspflichtige Bruttolohnsumme auf Fr. 15'000.- herabzusetzen und im Mehrbetrag aufzuheben sei.
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Die Suva und die Ausgleichskasse schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen und das Bun desamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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Erwägungen:
 
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Gegenstand des Verfahrens bilden Prämienforderungen der Suva und der Ausgleichskasse. Damit liegt keine Streitigkeit über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung vor. Kognitionsrechtlich kommt daher die Ausnahmeregelung in den Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG, wonach das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden ist, nicht zum Zuge. Vielmehr legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Im Übrigen wendet das Gericht das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft indessen - unter Beachtung der Begründungspflicht in Beschwerdeverfahren (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) - nur die erhobenen Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden Fragen - also auch solche, die vor Bundesgericht nicht (mehr) aufgeworfen werden - zu untersuchen (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
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Erwägung 2
 
2.1. Das kantonale Gericht setzte die sozialversicherungspflichtige Bruttolohnsumme auf Fr. 804'745.- fest. Streitig und zu prüfen ist, ob dies vor Bundesrecht standhält.
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2.2. Die sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht Erwerbstätiger richtet sich unter anderem danach, ob das in einem bestimmten Zeitraum erzielte Erwerbseinkommen als solches aus selbstständiger oder aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit zu qualifizieren ist (Art. 5 und 9 AHVG sowie Art. 6 ff. AHVV). Nach Art. 5 Abs. 2 AHVG gilt als massgebender Lohn jedes Entgelt für in unselbstständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit; als Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit gilt nach Art. 9 Abs. 1 AHVG jedes Einkommen, das nicht Entgelt für in unselbstständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt.
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Nach der Rechtsprechung beurteilt sich die Frage, ob im Einzelfall selbstständige oder unselbstständige Erwerbstätigkeit vorliegt, nicht aufgrund der Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien. Entscheidend sind vielmehr die wirtschaftlichen Gegebenheiten. Die zivilrechtlichen Verhältnisse vermögen dabei allenfalls gewisse Anhaltspunkte für die AHV-rechtliche Qualifikation zu bieten, ohne jedoch ausschlaggebend zu sein. Als unselbstständig erwerbstätig ist im Allgemeinen zu betrachten, wer von einem Arbeitgeber in betriebswirtschaftlicher bzw. arbeitsorganisatorischer Hinsicht abhängig ist und kein spezifisches Unternehmerrisiko trägt. Aus diesen Grundsätzen allein lassen sich indessen noch keine einheitlichen, schematisch anwendbaren Lösungen ableiten. Die Vielfalt der im wirtschaftlichen Leben anzutreffenden Sachverhalte zwingt dazu, die beitragsrechtliche Stellung einer erwerbstätigen Person jeweils unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Weil dabei vielfach Merkmale beider Erwerbsarten zu Tage treten, muss sich der Entscheid oft danach richten, welche dieser Merkmale im konkreten Fall überwiegen (BGE 144 V 111 E. 4.2 S. 112 f.; 123 V 161 E. 1 S. 163; 122 V 169 E. 3a S. 171, 281 E. 2a S. 283; 119 V 161 E. 2 S. 162; vgl. auch SVR 2018 UV Nr. 19 S. 66, 8C_571/2017 E. 2 und SVR 2015 UV Nr. 7 S. 25, 8C_183/2014 E. 7.1).
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3. Das kantonale Gericht erwog in seinem einlässlich begründeten Entscheid, streitbetroffen seien vier Subunternehmungen, mit denen die Beschwerdeführerin Werkverträge abgeschlossen habe:
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3.1. Die C.________ GmbH mit D.________ als einzigem Gesellschafter und Geschäftsführer seit 21. November 2012, sei infolge des am... November 2013 eröffneten Konkurses am... Juni 2014 im Handelsregister gelöscht worden. Es sei unbestritten, dass alle drei Rechnungen, die den Beschwerdegegnerinnen als Grundlage für die Aufrechnung der Bruttolohnsumme gedient hätten, im Januar und Februar 2014, somit nach Konkurseröffnung (... November 2013) und deren Publikation im Schweizerischen Handelsamtsblattes (SHAB) am... Dezember 2013, bar, teilweise an D.________, beglichen worden seien. Die Beschwerdeführerin habe damit nicht eine Forderung der C.________ GmbH beglichen, sondern eine oder mehrere Privatpersonen für Arbeiten bezahlt, die diese in eigenem Namen geleistet hätten. Die Bezahlung der aufgewendeten Arbeitszeit ohne Verrechnung von Arbeitsmaterial sowie der Beschrieb der vereinbarten und geleisteten Arbeiten (Mithilfe usw.) deuteten auf in arbeitsorganisatorischer Hinsicht von der Beschwerdeführerin abhängige Personen ohne Unternehmerrisiko hin. Es seien keine "Werke" nach Art. 363 OR zu erstellen gewesen, sondern Tätigkeiten eines Arbeitnehmenden im Rahmen eines Unterordnungsverhältnisses ausgeübt worden. Die Tatbestandselemente unselbstständiger Erwerbstätigkeit im Sinne des Vorliegens eines Arbeits- und nicht eines Werkvertrages würden überwiegen. Die von der Beschwerdeführerin im Januar/Februar 2014 geleisteten Entschädigungen in der Höhe von Fr. 59'539.- seien daher als Lohnzahlungen an Privatpersonen zu qualifizieren und unterlägen der Prämienpflicht der Sozialversicherungen.
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3.2. Betreffend die Unternehmung E.________ seien die zwei Einspracheentscheide mangels Anfechtung der diesbezüglichen Aufrechnung von Fr. 15'000.- in Teilrechtskraft erwachsen.
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3.3. Weiter sei das von F.________ als Inhaber geführte Einzelunternehmen G.________ am... März 2014 ins Handelsregister eingetragen und am... Mai 2014 über F.________ der Konkurs eröffnet worden. Am... September 2014 sei die Löschung des Einzelunternehmens im Handelsregister erfolgt. Die grundsätzliche Beitragspflicht für Zahlungen an die Einzelunternehmung G.________, zumindest seit Konkurseröffnung, sei in der Einsprache unbestritten geblieben und lediglich ein Unkostenabzug von 32 % vom aufgerechneten Betrag von Fr. 207'425.- gefordert worden. Die Einzelunternehmung G.________ sei überdies beiden Beschwerdegegnerinnen nicht bekannt gewesen; eine Anmeldung zur Anerkennung und Registrierung als selbstständig erwerbend sei nicht erfolgt. Die Frage der Registrierung der Einzelunternehmung G.________ resp. deren Inhabers sei jedoch insofern unerheblich, als ohnehin lediglich die nach der Konkurseröffnung geleisteten Zahlungen als beitragspflichtige Bruttolohnsumme aufgerechnet worden seien. Ab Konkurseröffnung erfülle der Betriebsinhaber eines Einzelunternehmens die Voraussetzungen einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nicht mehr. Der Inhaber der Einzelunternehmung G.________ wie auch allfällige weitere von Dritten beigezogene Hilfspersonen seien im Rahmen der "Aufträge" in betriebswirtschaftlicher bzw. arbeitsorganisatorischer Hinsicht von der Beschwerdeführerin abhängig gewesen. Auch bei der Einzelunternehmung G.________ sei daher vom Regelfall auszugehen, wonach der Subakkordant eine unselbstständige Erwerbstätigkeit ausübe.
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3.4. Bezüglich der verbuchten Zahlungen für H.________ (mit Wohn- und Geschäftssitz in Deutschland) und der aufgerechneten Lohnsumme von Fr. 652'229.- sei unbestritten, dass die Beschwerdeführerin Aufträge an diesen vergeben habe. Selbstständige Dienstleistungserbringer müssten dies gegenüber den zuständigen Kontrollorganen auf Verlangen gemäss Art. 1a Abs. 2 lit. a-c EntsG (vgl. E. 4.4 hernach) nachweisen. Eine Meldung für eine Unternehmung H.________ sei nach Art. 6 EntsG nie erfolgt; auch liege keine Entsendungsbescheinigung A1 vor. Die aufgelegte "Gewerbe-Ummeldung" ersetze eine solche nicht. Die für H.________ von der I.________ GmbH (mit D.________ als deren Geschäftsführer und Gesellschafter) als Subsubunternehmerin und von der J.________ GmbH und der K.________ GmbH als deren Subsubsubunternehmen erledigten Arbeiten seien rein ausführende Hilfsarbeiten mit dem von der Beschwerdeführerin bereitgestellten Material gewesen. Die Bauarbeiter seien vollumfänglich in die gesamte Arbeitsorganisation der Beschwerdeführerin ohne eigenes Unternehmerrisiko eingebunden gewesen. Ungeachtet der weiteren Vorbringen sei auch hier die Aufrechnung zu Recht erfolgt.
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3.5. Damit seien alle Zahlungen an die vier darauffolgenden Subunternehmungen als Arbeitsentgelt an in der Schweiz beschäftigte und beitragspflichtige bzw. nach UVG dem Versicherungsobligatorium unterstehende Arbeitnehmende zu qualifizieren. Berechtigt sei einzig der Einwand, dass bezüglich der sozialversicherungspflichtigen Beitragssumme für die an H.________ geleisteten Zahlungen die verbuchte Mehrwertsteuer fälschlicherweise mit eingerechnet worden sei, weshalb sich die Lohnsumme für das Jahr 2014 um Fr. 48'313.- auf einen Betrag von Fr. 603'916.- reduziere. Bei den drei anderen Subunternehmen sei bei den Buchungen der Löhne keine Mehrwertsteuer zurückgestellt worden, womit sich an der diesbezüglich angerechneten Bruttolohnsumme nichts ändere.
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Erwägung 4
 
 
Erwägung 4.1
 
4.1.1. Was die Arbeitsvergabe an die C.________ GmbH betrifft, ist zu betonen, dass nach der gesetzlichen Regelung nur an Unselbstständigerwerbende massgebender Lohn ausgerichtet werden kann. Ein Arbeitgeber kann dieselbe Arbeit durch eigene von ihm entlöhnte Angestellte ausführen lassen oder damit einen selbstständigerwerbenden Dritten oder eine juristische Person beauftragen, welche hiefür allenfalls eigene Arbeitnehmer einsetzt. Im zweiten Fall stellt die an den Dritten geleistete Entschädigung für diese Tätigkeit nicht massgebenden Lohn, sondern Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit bzw., im Falle einer juristischen Person, überhaupt kein beitragspflichtiges Einkommen dar (BGE 133 V 498 E. 5.1 S. 301). Mit einer juristischen Person kann demnach kein Arbeitsverhältnis eingegangen werden, woraus massgeblicher Lohn aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit entrichtet wird. Wurde Arbeit an die C.________ GmbH vergeben, ist grundsätzlich nicht die Entschädigung hieraus der Beitragspflicht unterworfen, sondern der Lohn, den die GmbH D.________ ausrichtet, welchen er als Arbeitnehmer aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit erhält.
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4.1.2. Ferner lässt sich daraus, dass die Beschwerdeführerin in Bezug auf Schulden gegenüber der C.________ GmbH spätestens ab Konkurspublikation nur noch mit befreiender Wirkung an das Konkursamt leisten konnte (Art. 205 SchKG), nicht ohne Weiteres schliessen, dass es sich demnach nicht um Forderungen gegenüber der Gesellschaft, sondern gegenüber D.________ als natürliche Person gehandelt habe. Mit der Leistung an D.________ geht die Beschwerdeführerin, sofern diese Leistung Schulden betrifft, die zur Konkursmasse gehören, primär das Risiko der Doppelzahlung ein. Denn mit der Zahlung an D.________ nach Publikation des Konkurses tilgte sie ihre Schulden nicht und die Konkursverwaltung kann die Erfüllung zugunsten der Konkursmasse verlangen, weshalb die Schuldnerin allenfalls ein zweites Mal leisten muss (WOHLFART/MEYER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 7 ff. zu Art. 205; SCHOBER, in: Schulthess-Kommentar SchKG, 4. Aufl. 2017, N. 12 ff. zu Art. 205).
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4.2. Bei der vorliegenden Konstellation steht indes die Frage nach einer rechtsmissbräuchlichen Umgehung der Beitragspflicht im Raum:
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4.2.1. Rechtsprechungsgemäss sind die Organe der AHV (und mit ihnen die anderen Organe der Sozialversicherung) ebenso wenig wie die Steuerbehörden verpflichtet, die zivilrechtliche Form, in der ein Sachverhalt erscheint, unter allen Umständen als verbindlich anzusehen. Dies gilt namentlich dann, wenn ein Umgehungstatbestand vorliegt (BGE 113 V 92 E. 4b S. 94 f. mit Hinweisen). Soll ein Rechtsinstitut zweckwidrig zur Verwirklichung von Interessen verwendet werden, die dieses Institut nicht schützen will, so liegt Rechtsmissbrauch vor (BGE 127 II 49 E. 5a S. 56 f. mit Hinweisen). In Analogie zu den in der steuerrechtlichen Praxis und Doktrin entwickelten Kriterien liegt eine (rechtsmissbräuchliche) Beitragsumgehung vor, wenn - erstens - die von den Beteiligten gewählte Rechtsgestaltung als ungewöhnlich, sachwidrig oder absonderlich, jedenfalls den wirtschaftlichen Gegebenheiten völlig unangemessen erscheint, wenn - zweitens - anzunehmen ist, dass diese Wahl missbräuchlich und lediglich deshalb getroffen worden ist, um Beiträge einzusparen, welche bei sachgemässer Ordnung der Verhältnisse geschuldet wären, und - drittens - wenn das gewählte Vorgehen, sofern es von den Organen der AHV hingenommen würde, tatsächlich zu einer erheblichen Beitragsersparnis führte (SVR 2002 AHV Nr. 1 S. 1 E. 4, H 20/00; AHI 1998 S. 103, H 116/97 E. 5a mit Hinweisen).
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4.2.2. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz bezahlte die Beschwerdeführerin alle drei Rechnungen nach Konkurspublikation am... Dezember 2013 hauptsächlich an D.________. Dieser war als einziger Arbeitnehmer/Geschäftsführer bei der von ihm beherrschten GmbH angestellt. Zwar ist die allgemein übliche rechtliche Ausgestaltung der eigenen Tätigkeit innerhalb einer juristischen Gesellschaft in grundsätzlicher Hinsicht weder als ungewöhnlich oder sachwidrig noch als absonderlich zu bezeichnen. So ist es einer Einzelperson ohne Weiteres erlaubt, sich der Rechtsform der Aktiengesellschaft oder der GmbH zu bedienen, um eine Haftungsbeschränkung zu erreichen (BGE 113 V 92 E. 4c S. 95 mit Hinweis). Auch andere Motive wie die (künftige) Regelung der Nachfolge oder beispielsweise explizite sozialversicherungsrechtliche und steuerrechtliche Überlegungen können sodann als legitime Beweggründe hinzugezogen werden, die wirtschaftliche oder unternehmerische Tätigkeit als Alleinaktionär einer Aktiengesellschaft oder als einziger Gesellschafter einer GmbH auszuüben. Ausweislich der Akten wurden hier aber die geflossenen Leistungen beitragsrechtlich nicht anderweitig (als Lohn, der die GmbH D.________ bezahlte) abgerechnet, was die Beschwerdeführerin auch nicht geltend macht. Weiter reichte sie die in der vorinstanzlichen Beschwerde erwähnten, von ihr angeblich erhobenen Nachweise zur Selbstständigkeit der hinzugezogenen Arbeitskräfte, trotz Aufforderung des kantonalen Gerichts hierzu, nicht ein. Die Beschwerdeführerin legte ferner zu keinem Zeitpunkt offen, an wen sie die nach Konkurspublikation erfolgten Zahlungen leistete. Soweit die Beschwerdeführerin sodann geltend macht, die Vorinstanz habe keine Feststellungen über die Kenntnis der Konkurseröffnung seitens der Beschwerdeführerin getroffen, ergibt sie hieraus nichts zu ihren Gunsten. Die positive Publizitätswirkung des Handelsregistereintrags (Art. 933 Abs. 1 OR) führt dazu, dass sich die Beschwerdeführerin nicht darauf berufen kann, ihr seien diese Vorgänge unbekannt gewesen. Der vorinstanzliche Schluss, mit den direkten Barzahlungen (mehrheitlich) an D.________ habe die Beschwerdeführerin eine Arbeitsleistung der natürlichen Person D.________ beglichen und nicht Forderungen einer GmbH, zumal anzunehmen sei, dass sie sich nicht dem Doppelzahlungsrisiko habe aussetzen wollen, hält vor Bundesrecht stand. Denn es liegen insgesamt Umstände vor, die darauf schliessen lassen, dass die Rechtsform der GmbH vorliegend nur aus versicherungsrechtlichen Motiven dazu diente, Beiträge einzusparen und die GmbH - zumindest im Verhältnis zur Beschwerdeführerin - keine eigentliche unternehmerische Tätigkeit entfaltete. Dies zeigt sich auch durch die - mangels stichhaltiger Rügen verbindlich bleibenden - Feststellungen der Vorinstanz, wonach überwiegend mehr Tatbestandselemente für die Annahme eines Arbeitsvertrags mit Arbeitnehmerstellung des D.________ vorliegen würden. Damit kommt hier die rechtliche Selbstständigkeit der GmbH aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht nicht zum Tragen.
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Erwägung 4.3
 
4.3.1. Die Einzelunternehmung G.________ wurde am... März 2014 im Handelsregister eingetragen und bereits am... Mai 2014 fiel sie in Konkurs, der am... Mai 2014 im Handelsregister publiziert wurde. Beide Beschwerdegegnerinnen erhielten, gemäss kantonalem Entscheid, keine Meldung zur beitragsrechtlichen Erfassung der Einzelunternehmung G.________ (vgl. Art. 59 UVG und BGE 132 V 257). Ungeachtet des Umstands, dass die Beschwerdeführerin in der Einsprache ihre grundsätzliche Beitragspflicht für die Einzelunternehmung G.________ seit der Konkurseröffnung anerkannte und lediglich einen Abzug von Unkosten geltend machte, der ihr im Umfang von 10 % gewährt wurde, vermag sie nicht aufzuzeigen, inwiefern die Vorinstanz willkürlich entschieden oder sonstwie Bundesrecht verletzt haben soll. Die Feststellungen im angefochtenen Entscheid, die Einzelunternehmung G.________ habe im Hinblick auf die Tätigkeit bei der Beschwerdeführerin insbesondere kein nennenswertes Unternehmerrisiko getragen, sei arbeitsorganisatorisch abhängig und weisungsgebunden gewesen, habe reine Ausführungsarbeiten ohne eigenes Baumaterial getätigt und sei somit in einem Unterordnungsverhältnis gestanden, bleiben demnach ebenfalls verbindlich. Das kantonale Gericht durfte daher in Würdigung der gesamten Umstände in Bezug auf das Verhältnis zur Beschwerdeführerin auf eine unselbstständige Erwerbstätigkeit schliessen und vom Regelfall ausgehen, wonach Akkordanten eine unselbstständige Erwerbstätigkeit ausüben und nur dann als Selbstständigerwerbende qualifiziert werden, wenn sie Inhaber eines eigenen Betriebs sind und so als gleichberechtigte Geschäftspartner mit eigenem Unternehmerrisiko für den Akkordvergeber arbeiten (ZAK 1989 S. 24 E. 3a, H 179/87; BGE 114 V 65 E. 2b S. 69; 101 V 87 E. 2 S. 89; 100 V 129 E. 1b S. 131 f.; Urteil 9C_675/2015 vom 31. Mai 2016 E. 3.2).
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4.3.2. Mit der Feststellung, dass insgesamt die Merkmale unselbstständiger Erwerbstätigkeit überwiegen, hat die Vorinstanz weder den rechtserheblichen Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt noch Bundesrecht verletzt. Dass die abgeschlossenen "Werkverträge" Elemente aufweisen, die (auch) bei einer selbstständigen Erwerbstätigkeit vorkommen, stellt die sozialversicherungsrechtliche Qualifikation durch das kantonale Gericht nicht in Frage, zumal, wie bereits dargelegt, nicht die selbst ausgewählte, sondern die tatsächliche Ausgestaltung der gegenseitigen (vertraglichen) Rechtsbeziehungen entscheidend ist (E. 2.2 hievor). Zu einem andern Ergebnis führt ebenso wenig, dass die Einzelunternehmung G.________ im Handelsregister eingetragen war und dass die Beschwerdegegnerinnen lediglich die nach Konkurspublikation ausgerichteten Lohnzahlungen beitragsrechtlich erfasst haben. Sämtliche Einwände im Zusammenhang mit dem Konkurs der Einzelunternehmung G.________ ändern am durch die Vorinstanz festgestellten Status der unselbstständigen Erwerbsarbeit nichts, weshalb nicht näher darauf einzugehen ist.
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4.4. Bezüglich der Arbeiten des H.________ stellte das kantonale Gericht fest, dass die Beschwerdeführerin H.________ (mit Wohn- und Geschäftssitz in Deutschland) für Arbeiten an verschiedenen Bauprojekten in der Schweiz einsetzte. Sodann steht fest, dass für H.________ das für einen selbstständigen Dienstleistungserbringer hier sinngemäss anwendbare Anmeldeverfahren nicht durchgeführt wurde (Art. 6 des Entsendegesetzes vom 8. Oktober 1999 [EntsG; SR 823.20] und Art. 6 der Verordnung vom 21. Mai 2003 über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer [EntsV; SR 823.201]; Art. 9 Abs. 1
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5. Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 6000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 15. Oktober 2019
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla
 
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