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Informationen zum Dokument  BGer 2C_458/2019  Materielle Begründung
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BGer 2C_458/2019 vom 27.09.2019
 
 
2C_458/2019
 
 
Urteil vom 27. September 2019
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichter Stadelmann,
 
Bundesrichterin Hänni,
 
Gerichtsschreiberin Ivanov.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.C.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Bolzli,
 
und dieser substituiert durch MLaw Carla Müller,
 
gegen
 
Migrationsamt des Kantons Zürich,
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.
 
Gegenstand
 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Abteilung, vom 20. März 2019 (VB.2018.00783).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. Die 1958 geborene türkische Staatsangehörige A.C.________ war von 1978 bis 1995 mit dem rund drei Jahre älteren Landsmann B.C.________ verheiratet. Aus dieser Ehe gingen vier inzwischen volljährige Kinder (geb. 1979, 1980, 1983 und 1986) hervor.
1
Noch im Scheidungsjahr heiratete B.C.________ die Schweizerin D.________, worauf er im Dezember 1995 in die Schweiz einreiste und ihm eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seiner Schweizer Ehefrau erteilt wurde. Anschliessend zog er im Familiennachzug seine vier Kinder nach.
2
Am 9. Mai 2001 erteilte das Migrationsamt des Kantons Zürich B.C.________ und seinen vier Kindern Niederlassungsbewilligungen.
3
A.b. Nachdem die Ehe von B.C.________ und D.________ am 11. September 2001 in der Türkei geschieden worden war, heiratete er am 12. Oktober 2001 seine frühere Ehefrau A.C.________ zum zweiten Mal.
4
A.C.________ reiste am 25. Juni 2002 in die Schweiz ein und erhielt am 8. Juli 2002 eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei ihrem Ehemann. Am 22. Mai 2007 erhielt sie eine Niederlassungsbewilligung.
5
B. Die Eheleute B.C.________ und A.C.________ mussten ab November 2003 von der Sozialhilfe unterstützt werden, weshalb das Migrationsamt A.C.________ am 29. Januar 2016 zunächst verwarnte und am 20. Juni 2017 ihre Niederlassungsbewilligung widerrief. Zugleich setzte es ihr eine Ausreisefrist bis zum 18. September 2017 an.
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Den dagegen erhobenen Rekurs von A.C.________ wies die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich am 7. November 2018 ab, unter Ansetzung einer neuen Ausreisefrist bis zum 28. Januar 2019.
7
Mit Urteil vom 20. März 2019 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, die gegen den Entscheid der Sicherheitsdirektion erhobene Beschwerde von A.C.________ ab.
8
C. Mit Eingabe vom 16. Mai 2019 reicht A.C.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht ein. Sie beantragt, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 20. März 2019 sei aufzuheben und das Migrationsamt sei anzuweisen, ihr die Niederlassungsbewilligung zu belassen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersucht sie um Erteilung der aufschiebenden Wirkung. Zudem beantragt sie die unentgeltliche Prozessführung im bundesgerichtlichen Verfahren.
9
Das Migrationsamt und die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich sowie das Staatssekretariat für Migration verzichten auf Vernehmlassung. Das Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
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Mit Verfügung vom 22. Mai 2019 hat das präsidierende Mitglied der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung erteilt.
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Erwägungen:
 
1. Gegen den Entscheid eines oberen kantonalen Gerichts betreffend den Widerruf der Niederlassungsbewilligung steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 90 BGG), weil grundsätzlich ein Anspruch auf den Fortbestand der Niederlassungsbewilligung gegeben ist (Art. 83 lit. c Ziff. 2 e contrario BGG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Die Beschwerde wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 und Art. 46 Abs. 1 lit. a BGG) formgerecht (Art. 42 BGG) eingereicht und die Beschwerdeführerin ist zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist somit einzutreten.
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Erwägung 2
 
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b BGG). Bei der Prüfung wendet das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 155 E. 4.4.5 S. 157) und verfügt über volle Kognition (Art. 95 BGG; BGE 141 V 234 E. 2 S. 236).
13
2.2. Die Verletzung von verfassungsmässigen Individualrechten (einschliesslich der Grundrechte) sowie von kantonalem Recht prüft das Bundesgericht nur, soweit eine solche Rüge in der Beschwerde überhaupt vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 I 99 E. 1.7.2 S. 106).
14
2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, sofern sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer anderen Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG).
15
 
Erwägung 3
 
3.1. Gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG; SR 142.20; bis 13. Dezember 2018: Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG]) kann die Niederlassungsbewilligung widerrufen werden, wenn die Ausländerin oder der Ausländer oder eine Person, für die sie oder er zu sorgen hat, dauerhaft und in erheblichem Mass auf Sozialhilfe angewiesen ist. Nach Art. 63 Abs. 2 AuG (in Kraft bis 31. Dezember 2018; AS 2007 5456) konnte bei Ausländern, die sich seit mehr als 15 Jahren ununterbrochen und ordungsgemäss in der Schweiz aufhielten, der Widerrufsgrund der Sozialhilfeabhängigkeit nicht mehr angerufen werden. Vorliegend wird nicht bestritten, dass der Widerruf der Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin noch innerhalb der 15-jährigen Frist erfolgt ist.
16
3.2. Beim Widerruf der Niederlassungsbewilligung eines Ausländers wegen Bedürftigkeit geht es in erster Linie darum, eine zusätzliche künftige Belastung der öffentlichen Wohlfahrt zu vermeiden. Ob dieses Ziel erreicht werden kann, ist kaum je mit Sicherheit zu ermitteln. Es muss daher die wahrscheinliche Entwicklung der finanziellen Situation der ausländischen Person berücksichtigt werden. Nach der Rechtsprechung ist eine andauernde konkrete Gefahr einer Sozialhilfeabhängigkeit erforderlich; Hypothesen und pauschalierte Gründe genügen hierzu nicht (vgl. Urteile 2C_1048/2017 vom 13. August 2018 E. 4.2.1; 2C_900/2014 vom 16. Juli 2015 E. 2.2; 2C_42/2011 vom 23. August 2012 E. 5.4; 2C_685/2010 vom 30. Mai 2011 E. 2.3.1).
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Neben den bisherigen und den aktuellen Verhältnissen ist auch die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung auf längere Sicht abzuwägen. Ein Widerruf fällt in Betracht, wenn eine Person hohe finanzielle Unterstützungsleistungen erhalten hat und nicht damit gerechnet werden kann, dass sie in Zukunft selber für ihren Lebensunterhalt sorgen wird (BGE 122 II 1 E. 3c S. 8; Urteile 2C_1048/2017 vom 13. August 2018 E. 4.2.1; 2C_260/2017 vom 2. November 2017 E. 3.3; 2C_1228/2012 vom 20. Juni 2013 E. 2.3; 2C_74/2010 vom 10. Juni 2010 E. 3.4 mit Hinweis). Ausschlaggebend ist eine Prognose zur voraussichtlichen Entwicklung der finanziellen Situation in Berücksichtigung der realisierbaren Einkommensaussichten sämtlicher Familienmitglieder (Urteile 2C_395/2017 vom 7. Juni 2018 E. 3.1; 2C_562/2016 vom 14. Dezember 2016 E. 2.1; 2C_851/2014 vom 24. April 2015 E. 3.4; 2C_31/2012 vom 15. März 2012 E. 2.2). Ehegatten sind sind im Zusammenhang mit Sozialhilfeleistungen als wirtschaftliche Einheit zu betrachten: Unterstützungsbeiträge werden für Ehepaare gemeinsam berechnet und ausgerichtet; umgekehrt schlägt das Erwerbsverhalten der Ehegatten - aufgrund der Unterstützungspflicht (Art. 159 ZGB) - auf den jeweils anderen Partner durch (vgl. Urteile 2C_900/2014 vom 16. Juli 2015 E. 2.4.2; 2C_298/2014 vom 12. Dezember 2014 E. 6.4.2; 2C_1160/2013 vom 11. Juli 2014 E. 5.1) Nach gefestigter Rechtsprechung stellen Sozialversicherungsleistungen unter Einschluss der Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung grundsätzlich keine Sozialhilfe im Sinne von Art. 63 Abs. 1 lit. c AIG dar (BGE 141 II 401 E. 6.2.3 S. 409; 135 II 265 E. 3.7 S. 272 mit Hinweis; Urteil 2C_1018/2016 vom 22. Mai 2017 E. 3.1).
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3.3. Gemäss den vorinstanzlichen unbestrittenen Feststellungen war die Beschwerdeführerin seit ihrer Einreise in die Schweiz nie erwerbstätig. Sie und ihr Ehemann wurden von November 2003 bis Ende September 2018 ohne Unterbruch mit Sozialhilfe unterstützt. Die bezogenen Leistungen betrugen im Juni 2017 knapp Fr. 280'000.-- (vgl. E. 2.2 des angefochtenen Urteils). Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass ein solcher Sozialhilfebezug als erheblich und aufgrund des verbindlich festgestellten Sachverhalts hier auch als dauerhaft zu gelten hat (vgl. auch Urteil 2C_98/2018 vom 7. November 2018 E. 4.2). Eine Rückkehr der heute 60-jährigen Beschwerdeführerin auf den ersten Arbeitsmarkt ist aufgrund ihres Alters, ihrer ungenügenden Deutschkenntnisse, der fehlenden Berufsausbildung und der langjährigen Fürsorgeabhängigkeit kaum realistisch.
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Zwar war die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils nicht mehr direkt von der Sozialhilfe abhängig. Ab Oktober 2018 konnte die Sozialhilfe gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen aufgrund der Frühpensionierung ihres Ehemannes durch dessen AHV-Rente von monatlich Fr. 535.-- und zusätzlich bezogene Ergänzungsleistungen von monatlich Fr. 1'808.-- (exklusive Prämienverbilligung Krankenkasse) abgelöst werden (vgl. E. 2.2 des angefochtenen Urteils). Die Ergänzungsleistungen schlossen somit nahtlos an die vorbestehende Sozialhilfeabhängigkeit an. Ergänzungsleistungen stellen zwar keine Sozialhilfe dar. Sie belasten aber als beitragsunabhängige Sonderleistungen die öffentlichen Finanzen (vgl. Urteil 2C_98/2018 vom 7. November 2018 E. 4.4). Die Loslösung von der Sozialhilfe konnte vorliegend ausschliesslich durch den Vorbezug einer gekürzten AHV-Rente in Verbindung mit Ergänzungsleistungen erwirkt werden. Hätte der Ehemann der Beschwerdeführerin seine AHV-Rente nicht vorbezogen, wäre das Ehepaar aller Wahrscheinlichkeit nach weiterhin auf Sozialhilfe angewiesen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie werde in etwas mehr als einem Jahr ebenfalls ihre AHV-Rente vorbeziehen und einen eigenständigen Anspruch auf Ergänzungsleistungen geltend machen können, ist deshalb zu relativieren: Selbst wenn die Beschwerdeführerin demnächst eine AHV-Rente vorbeziehen würde, würde damit auch bei ihr eine lebenslange Kürzung der Rente einhergehen. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann würden durch den voraussichtlich lebenslang andauernden Bezug von Ergänzungsleistungen die öffentliche Hand in erheblichem Umfang belasten (Urteil 2C_98/2018 vom 7. November 2018 E. 4.4, mit Hinweisen).
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3.4. Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids nicht dartun konnte, dass sie in naher oder ferner Zukunft aus eigener Kraft dauerhaft für sich würde sorgen können, was durch den Umstand nicht entkräftet wird, dass sie kurz vor der Pensionierung steht und danach eine AHV-Rente beziehen wird (vgl. auch Urteil 2C_120/2015 vom 2. Februar 2016 E. 2.2). Die Vorinstanz durfte das öffentliche Interesse am Widerruf der Niederlassungsbewilligung deshalb als erheblich einstufen (vgl. E. 4.3.2 des angefochtenen Urteils), ohne damit Bundesrecht zu verletzen (Urteile 2C_98/2018 vom 7. November 2018 E. 4.4; 2C_562/2016 vom 14. Dezember 2016 E. 3.1.2).
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4. Unter Anrufung von Art. 8 EMRK und Art. 96 AIG macht die Beschwerdeführerin geltend, der Widerruf ihrer Niederlassungsbewilligung sei unverhältnismässig.
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4.1. Unter dem Aspekt des Familienlebens sind Art. 8 Ziff. 1 EMRK und Art. 13 Abs. 1 BV berührt, wenn eine staatliche Entfernungs- oder Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser ohne Weiteres möglich bzw. zumutbar wäre, ihr Familienleben andernorts zu pflegen (BGE 144 I 266 E. 3.3 S. 272 f.; 144 II 1 E. 6.1 S. 12 f.; 139 I 330 E. 2.1 S. 335 f.; 137 I 247 E. 4.1.2 S. 249 f.). Der Ehemann der Beschwerdeführerin verfügt über eine Niederlassungsbewilligung und damit über ein gefestigtes Aufenthaltsrecht in der Schweiz. Es kann jedenfalls nicht gesagt werden, dass ihm die Ausreise in die Türkei ohne Weiteres zugemutet werden könnte; der Anspruch auf Achtung des Familienlebens ist durch den Widerruf der Niederlassungsbewilligung damit zumindest tangiert. Angesichts des über zehnjährigen Aufenthalts der Beschwerdeführerin in der Schweiz ist überdies nicht auszuschliessen, dass der Bewilligungswiderruf auch in ihren Anspruch auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 Ziff. 1 EMRK, Art. 13 Abs. 1 BV) eingreift (BGE 144 I 266 E. 3.9 S. 277 ff.). Demgegenüber kann die Beziehung zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern nur ausnahmsweise ein Anwesenheitsrecht verschaffen, nämlich dann, wenn ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis vorliegt (BGE 137 I 154 E. 3.4.2 S. 159; 129 II 11 E. 2 S. 14; Urteile 2C_1048/2017 vom 13. August 2018 E. 4.4.2; 2C_5/2017 vom 23. Juni 2017 E. 2). Ein solches wird vorliegend nicht geltend gemacht.
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4.2. Der Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäss Art. 8 Abs. 1 EMRK gilt nicht absolut, sondern kann eingeschränkt werden, falls dies gesetzlich vorgesehen ist, einem legitimen Zweck entspricht und zu dessen Realisierung in einer demokratischen Gesellschaft notwendig erscheint (Art. 8 Ziff. 2 EMRK). Die Konvention verlangt, dass die individuellen Interessen an der Erteilung bzw. am Erhalt des Anwesenheitsrechts und die öffentlichen Interessen an dessen Verweigerung sorgfältig gegeneinander abgewogen werden (BGE 143 I 21 E. 5.1 S. 26 f.; 142 II 35 E. 6.1 S. 47; 139 I 330 E. 2.2 S. 336). Die Interessenabwägung im Rahmen von Art. 8 Abs. 2 EMRK deckt sich mit jener nach Art. 96 AIG bzw. nach Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 36 Abs. 1 und 2 BV (vgl. Urteile 2C_813/2018 vom 5. April 2019 E. 4.2; 2C_633/2017 vom 2. Mai 2018 E. 3.2).
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4.3. Im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung zu berücksichtigen sind nach der Praxis des Bundesgerichts namentlich die Ursachen, warum eine Person sozialhilfeabhängig geworden ist, ihre bisherige Anwesenheitsdauer sowie der Grad ihrer Integration in der Schweiz. Ob und inwieweit die betroffene Person ein Verschulden an der Sozialhilfeabhängigkeit trifft, bildet ebenfalls eine Frage der Verhältnismässigkeit der aufenthaltsbeendenden Massnahme (vgl. Urteile 2C_1058/2013 vom 11. September 2014 E. 2.5; 2C_958/2011 vom 18. Februar 2013 E. 2.3). In die Interessenabwägung einzubeziehen sind ferner die konkreten Verhältnisse im Land, in das die betroffene Person auszureisen hätte, und die sich daraus für sie ergebenden Auswirkungen auf ihre künftigen Lebensumstände (Urteil 2C_120/2015 vom 2. Februar 2016 E. 3.2). Allgemein gebietet der Grundsatz der Verhältnismässigkeit, dass die Aufenthaltsbeendigung im öffentlichen Interesse geeignet, erforderlich und zumutbar erscheint, d.h. es muss ein sachgerechtes Verhältnis von Mittel und Zweck bestehen (BGE 134 I 92 E. 2.3.2 S. 97; 133 II 97 E. 2.2; Urteil 2C_312/2018 vom 11. Mai 2018 E. 3.3.2).
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5. Die Beschwerdeführerin entschuldigt ihre Sozialhilfeabhängigkeit mit der fehlenden Berufsausbildung und -erfahrung und den geringen Deutschkenntnissen. Sie sei im Alter von 44 Jahren in die Schweiz eingereist und habe sich darauf verlassen, dass ihr damals noch arbeitstätiger Ehemann für ihren Lebensunterhalt werde sorgen können. Sie habe sich als (Gross-) Mutter und Hausfrau um den Haushalt sowie um ihre Kinder und Enkelkinder gekümmert. Zudem gibt sie an, an gesundheitlichen Problemen zu leiden.
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5.1. Die Vorinstanz ist zum Schluss gelangt, dass die Beschwerdeführerin ihre Sozialhilfeabhängigkeit verschuldet hat.
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5.1.1. Das Verwaltungsgericht hat zunächst ausgeführt, von zugezogenen Ausländern dürfe der Erwerb hinreichender Sprachkenntnisse und von Bildung sowie die Teilhabe am Wirtschaftsleben erwartet werden. Bildungsdefizite und fehlende Deutschkenntnisse würden höchstens kurzfristig eine mangelhafte Integration auf dem Arbeitsmarkt rechtfertigen. Die betroffenen Ausländer hätten sich aktiv um die Teilnahme an Integrationsprogrammen zu bemühen. Zumindest im Niedriglohnbereich, wie z.B. in der Reinigungbranche, stünden auch fremdsprachigen und wenig ausgebildeten Ausländern Erwerbsmöglichkeiten offen. Gerade bei der Beschwerdeführerin sei eine rasche Integration zu erwarten gewesen, da ihr Ehemann sowie ihre Kinder bereits seit mehreren Jahren in der Schweiz gelebt hätten. Die Beschwerdeführerin habe jedoch nicht belegen können, dass sie sich hinreichend um eine Arbeitsstelle bemüht habe. Mit Eingabe vom 5. März 2017 habe sie lediglich fünfzehn potenzielle Arbeitgeber nennen können, bei welchen sie sich beworben habe; in welchem Zeitraum diese Bewerbungen erfolgt seien, sei aus ihren Angaben nicht hervorgegangen. Auch habe sie keine Absageschreiben oder dergleichen eingereicht, um allfällige erfolglose Bewerbungen zu belegen. Ihre tatsächlichen Sachbemühungen seien schlecht überprüfbar, da sie angegeben habe, sich vorwiegend telefonisch oder durch Bekannte beworben zu haben. Ohnehin hätten sich ihre Suchbemühungen erst unter dem Druck des Bewilligungswiderrufs intensiviert. Im Ergebnis hielt die Vorinstanz fest, die Beschwerdeführerin habe sich nicht aktiv um die Teilnahme an Integrationsprogrammen bemüht und ihre Vermittelbarkeit durch mangelhafte Anstrengungen bei der Arbeitssuche und beim Spracherwerb selbst erschwert (vgl. E. 3.1.2 und E. 3.2.3 des angefochtenen Urteils). Schliesslich vermochte die Beschwerdeführerin nach Auffassung des Verwaltungsgerichts eine allfällige dauernde Beeinträchtigung ihrer Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht glaubhaft zu belegen (vgl. E. 3.2.2 des angefochtenen Urteils).
28
5.1.2. Die Beschwerdeführerin bringt nichts vor, was geeignet wäre, die vorinstanzliche Auffassung zu entkräften. Insbesondere macht sie nicht geltend, dass sie sich bemüht hätte, Deutsch zu lernen oder eine Arbeitsstelle zu finden. Auch legt sie nicht dar, inwiefern die geltend gemachten gesundheitlichen Beschwerden sie an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gehindert hätten. Stattdessen weist sie in allgemeiner Weise darauf hin, dass es für eine Frau im Alter von 44 Jahren ohne Ausbildung schwierig sei, sich beruflich zu integrieren. Wie die Vorinstanz jedoch zu Recht ausführt, wäre es ihr zumutbar gewesen, an Integrationsprogrammen teilzunehmen und eine Arbeitsstelle im Niedriglohnbereich zu finden. Im Zeitpunkt ihrer Einreise in die Schweiz waren drei der vier Kinder der Beschwerdeführerin bereits volljährig. Das jüngste Kind war 16 Jahre alt und somit in einem Alter, in welchem es nicht mehr auf eine enge Betreuung durch die Beschwerdeführerin angewiesen gewesen wäre. Auch die geltend gemachte Betreuung ihrer Enkelkinder kann fehlende Arbeitsbemühungen nicht ersetzen bzw. ihrer Pflicht zur wirtschaftlichen Integration nicht vorgehen (vgl. auch E. 3.2.4 des angefochtenen Urteils). Schliesslich wurde die Beschwerdeführerin vom Migrationsamt mit Verfügung vom 29. Januar 2016 verwarnt, ohne dass sie dies veranlasst hätte, sich von der Sozialhilfe zu lösen.
29
5.1.3. Im Ergebnis ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die langjährige Sozialhilfeabhängigkeit der Beschwerdeführerin hauptsächlich auf ihre Passivität und fehlende Motivation, sich zu integrieren und einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, zurückzuführen und somit selbstverschuldet ist (vgl. E. 3.2.3 und 3.2.5 des angefochtenen Urteils).
30
5.2. Das private Interesse der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in der Schweiz gründet in erster Linie in der Tatsache, dass ihr Ehemann über eine Niederlassungsbewilligung verfügt.
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Art. 8 EMRK gewährt grundsätzlich weder ein Recht auf Einreise oder Aufenthalt in einem bestimmten Staat noch auf Wahl des für das Familienleben am geeignetsten erscheinenden Orts (vgl. BGE 137 I 247 E. 4.1.1 S. 249; E. 4.1 hiervor). Der Ehemann der Beschwerdeführerin lebt seit 23 Jahren in der Schweiz. Zuvor verbrachte er 40 Jahre in der Türkei. Nach den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen ist er selbst nur unzureichend sprachlich und wirtschaftlich in der Schweiz integriert (vgl. E. 4.3.2.1 des angefochtenen Urteils). Nach eigenen Angaben der Beschwerdeführerin ist er seit 2001 nicht mehr erwerbstätig und seit 2003 ausgesteuert, weshalb er anschliessend mit Sozialhilfe unterstützt werden musste. Dass er über Kontakte im aussenfamiliären Bereich verfügt, wird in der Beschwerde nicht geltend gemacht. Weshalb ihm unter diesen Umständen eine Rückkehr in die Türkei zusammen mit der Beschwerdeführerin nicht zumutbar sein soll, wird in der Beschwerde nicht weiter begründet. Insbesondere würden ihm die Ansprüche aus der AHV auch nach Verlassen der Schweiz weitgehend erhalten bleiben (vgl. Art. 8 und 10a des Abkommens vom 1. Mai 1969 zwischen der Schweiz und der Republik Türkei über soziale Sicherheit [SR 0.831.109.763.1]).
32
5.3. Nichts zu ihren Gunsten kann die Beschwerdeführerin aus ihrer langen Anwesenheit in der Schweiz ableiten. Zwar hat das Bundesgericht in einem neueren Urteil festgehalten, dass nach einer rechtmässigen Aufenthaltsdauer von rund zehn Jahren regelmässig davon ausgegangen werden könne, dass die sozialen Beziehungen in diesem Land so eng geworden seien, dass es für eine Aufenthaltsbeendigung besonderer Gründe bedarf; im Einzelfall kann es sich jedoch anders verhalten und die Integration zu wünschen übrig lassen (BGE 144 I 266 E. 3.9 S. 278). Die Beschwerdeführerin ist im Jahr 2002 im Alter von knapp 44 Jahren in die Schweiz eingereist. Angesichts der konkreten Umstände drängt sich jedoch der Schluss auf, dass die Länge ihrer Aufenthaltsdauer nicht mit ihrer wirtschaftlichen und sozialen Integration korreliert. Wie bereits erwähnt, ist sie nie einer Erwerbstätigkeit nachgegangen, hat keine Deutsch- oder Integrationskurse besucht und beherrscht die deutsche Sprache nicht (vgl. E. 4.3.1 des angefochtenen Urteils und E. 5.1.1 - 5.1.3 hiervor). Seit November 2003 bis zur Frühpensionierung ihres Ehemannes im Jahr 2018 wurde sie mit Sozialhilfe unterstützt. Dass sie Kontakte zur einheimischen Bevölkerung pflegt, macht sie nicht geltend. Es darf deshalb davon ausgegangen werden, dass sich ihre sozialen Beziehungen weitgehend auf ihre Familie und Landsleute beschränkten (vgl. E. 4.3.1 des angefochtenen Urteils). Angesichts des Umstandes, dass sich die Beschwerdeführerin in der Schweiz in keiner Weise integriert hat, durfte die Vorinstanz die Anwesenheitsdauer relativieren (vgl. E. 4.3.2.3 des angefochtenen Urteils; vgl. auch Urteil 2C_562/2016 vom 14. Dezember 2016 E. 3.2).
33
5.4. Das Verwaltungsgericht hat nicht verkannt, dass der Beschwerdeführerin die Reintegration im Heimatland voraussichtlich nicht leicht fallen wird (vgl. E. 4.3.2.3 des angefochtenen Urteils). Vor ihrer Einreise in die Schweiz verbrachte sie jedoch knapp 44 Jahre und somit den überwiegenden Teil ihres Lebens in der Türkei, so dass davon auszugehen ist, dass sie mit der Sprache, der Kultur und den dortigen Gepflogenheiten vertraut ist. Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen hielt sie sich letztmals 2016 bei ihrer Mutter in der Türkei auf, wo noch weitere Verwandte von ihr leben (vgl. E. 4.3.2.2 des angefochtenen Urteils). Ob die Mutter der Beschwerdeführerin nach wie vor in der Türkei lebt, lässt sich den Akten nicht genau entnehmen. Die Beschwerdeführerin bestreitet jedenfalls nicht, dass sie zumindest "entfernte Verwandte" in ihrem Heimatland hat. Wie die Vorinstanz zudem ausführt, kann die von ihren Kindern freiwillig geleistete finanzielle Unterstützung auch in die Türkei überwiesen werden (vgl. E. 4.3.2.2 des angefochtenen Urteils). Zudem bleiben ihr die Ansprüche aus der AHV, wie bereits dargelegt, beim Verlassen der Schweiz grundsätzlich erhalten; gleich verhält es sich mit der AHV-Rente ihres Ehemannes, sollte er mit ihr ausreisen (vgl. E. 5.2 hiervor). Der Kontakt zu ihren erwachsenen Kindern und den Enkeln kann schliesslich über die modernen Kommunikationsmittel und gegenseitige Besuche aufrechterhalten werden. Im Übrigen hatte die Beschwerdeführerin bereits während der Ehe ihres Ehemannes zu einer Schweizerin von ihren damals minderjährigen Kindern getrennt gelebt. Eine Rückkehr in das Land, in welchem sie bis zu ihrem 44. Altersjahr gelebt hat, ist der Beschwerdeführerin aufgrund der gesamten Umstände zumutbar.
34
5.5. Im Ergebnis überwiegt das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts die privaten Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in der Schweiz. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist verhältnismässig.
35
6. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als unbegründet und ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die unterliegende Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie hat ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt (Art. 64 BGG). Dieses ist begründet, da die Beschwerdeführerin bedürftig ist und das Rechtsbegehren aufgrund der Umstände (fortgeschrittenes Alter, lange Anwesenheitsdauer, Niederlassungsbewilligung des Ehemannes) nicht als aussichtslos erschien. Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
36
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird gutgeheissen. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. Der Beschwerdeführerin wird Rechtsanwalt Peter Bolzli als unentgeltlicher Rechtsbeistand beigegeben. Ihm wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- ausgerichtet.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 27. September 2019
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Die Gerichtsschreiberin: Ivanov
 
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