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Informationen zum Dokument  BGer 2C_751/2019  Materielle Begründung
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BGer 2C_751/2019 vom 12.09.2019
 
 
2C_751/2019
 
 
Urteil vom 12. September 2019
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Donzallaz,
 
Bundesrichterin Hänni,
 
Gerichtsschreiberin Mayhall.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Bachmann,
 
gegen
 
Migrationsamt des Kantons Zürich,
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.
 
Gegenstand
 
Aufenthaltsbewilligung / Wegweisung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 10. Juli 2019 (VB.2019.00369).
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
A.________ (Jahrgang 1985) ist kosovarischer Staatsangehöriger. Er ehelichte am 16. Juni 2016 in seiner Heimat eine in der Schweiz niederlassungsberechtigte kosovarische Staatsangehörige, reiste am 17. November 2016 in die Schweiz ein und erhielt eine bis 16. November 2017 gültige Aufenthaltsbewilligung. Die Ehe wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Bülach vom 13. Februar 2018 geschieden. Mit Verfügung vom 3. Dezember 2018 wies das Migrationsamt des Kantons Zürich das Gesuch von A.________ um Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung ab und setzte ihm eine Ausreisefrist an. Mit Entscheid vom 8. Mai 2019 wies die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich den von A.________ gegen die Verfügung vom 3. Dezember 2018 erhobenen Rekurs ab und setzte eine neue Ausreisefrist an. Mit Urteil vom 10. Juli 2019 wies das Verwaltungsgericht die von A.________ gegen den Entscheid vom 8. Mai 2019 geführte Beschwerde ebenfalls ab.
1
A.________ gelangt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 10. September 2019 an das Bundesgericht. Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen angeordnet worden.
2
 
Erwägung 2
 
2.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit bzw. die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gemäss Art. 29 Abs. 1 BGG von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 138 I 475 E. 1 S. 476; 138 III 46 E. 1, 471 E. 1 S. 475; 137 III 417 E. 1). Ist jedoch die Zulässigkeit eines Rechtsmittels zweifelhaft, beschlägt die der Beschwerde führenden Partei obliegende Begründungspflicht gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG grundsätzlich auch die Eintretensvoraussetzungen; die für deren Vorliegen massgeblichen Aspekte müssen diesfalls aufgezeigt werden (vgl. BGE 134 II 45 E. 2.2.3 S. 48; 133 II 249 E. 1.1 S. 251, 353 E. 1 S. 356, 400 E. 2 S. 404; s. auch BGE 138 III 46 E. 1.2 S. 47). Hängt die Zulässigkeit des Rechtsmittels vom Bestehen eines Rechtsanspruchs ab, ist ein potenzieller Anspruch in vertretbarer Weise geltend zu machen (BGE 139 I 330 E. 1.1 S. 332; 136 II 177 E. 1.1 S. 179; s. etwa auch Urteil 2C_133/2016 vom 9. Februar 2016 E. 2.2 mit weiteren Hinweisen).
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2.2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt. Nach dem Grundsatz der Einheit des Prozesses (vgl. BGE 138 II 501 E. 1.1 S. 503; 134 V 138 E. 3 S. 144; 134 II 192 E. 1.3 S. 195; 133 III 645 E. 2.2 S. 647 f.) ist sie, wenn sie gegen Sachentscheide unzulässig ist, auch ausgeschlossen gegen Entscheide verfahrensrechtlicher Natur (Nichteintretensentscheide oder Entscheide, die solche zum Gegenstand haben). Die Vorinstanz hat im angefochtenen Urteil erwogen, dem Beschwerdeführer stehe angesichts des definitiven Scheiterns seiner Ehe und seines nur rund zweieinhalbjährigen Aufenthalts weder aus Art. 8 Ziff. 1 EMRK noch aus Art. 13 BV ein Aufenthaltsanspruch zu. Ein aus Art. 50 AIG abgeleiteter nachehelicher Aufenthaltsanspruch falle schon deswegen ausser Betracht, weil der Beschwerdeführer und seine geschiedene Exgattin übereinstimmend erklärt hätten, in der Schweiz nie ein eheliches Zusammenleben aufgenommen zu haben, woran auch allfällige psychische Probleme der geschiedenen Exgattin nichts zu ändern vermöchten. Mit den Ausführungen, wonach die psychischen Probleme der geschiedenen Exgattin zweifelsohne einen wichtigen Grund für ein Getrenntleben im Sinne von Art. 49 AIG darstellen würden, unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit (Art. 8 Abs. 1 BV) zu berücksichtigen sei, dass längere Trennungszeiten gleich wie bei schweizerischen Ehepaaren eine heilsame Wirkung hätten und der ausländische Ehegatte durch das Erfordernis des Zusammenlebens nicht der Willkür des anderen Ehepartners ausgeliefert werden solle, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, inwiefern die Voraussetzungen für einen auf Art. 50 AIG gestützten Aufenthaltsanspruch erfüllt sein sollten. Er übersieht zum Vornherein, dass Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG (in der ursprünglichen, am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Fassung [AS 2007 5437]) für einen nachehelichen Aufenthaltsanspruch sowohl eine Ehegemeinschaft von mindestens drei Jahren wie auch eine erfolgreiche Integration voraussetzt; dass die zweite Voraussetzung der erfolgreichen Integration erfüllt wäre, wird in der Beschwerdeschrift mit keinem Wort thematisiert. Wichtige Gründe für einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz (Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AIG) erschöpfen sich in der angeblich psychischen Erkrankung der Ehefrau. Eine unzutreffende Anwendung des AIG in temporaler Hinsicht ist nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer hat somit nicht in vertretbarer Weise geltend gemacht, gestützt auf Art. 50 AIG über einen Anspruch auf eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu verfügen (vgl. zu dieser prozessualen Anforderung oben, E. 2.1), weshalb auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten ist.
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Erwägung 2.3
 
2.3.1. Als bundesrechtliches Rechtsmittel in Sachen Bewilligungsverweigerung kommt die subsidiäre Verfassungsbeschwerde in Betracht (Art. 113 ff. BGG). Mit diesem Rechtsmittel kann die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG). Entsprechende Rügen bedürfen spezifischer Geltendmachung und Begründung (Art. 106 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 117 BGG). Die Berechtigung zur Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der Beschwerdeführer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (Art. 115 lit. b BGG). Da er im Hinblick auf eine Bewilligungserteilung keine Rechte aus den als verletzt gerügten Grundrechten Art. 9 sowie Art. 29 Abs. 2 BV ableiten kann, fehlt es insofern an einem rechtlich geschützten Interesse (BGE 133 I 185 E. 6.2 S. 199). Der Beschwerdeführer ist zur Erhebung der subsidiären Verfassungsbeschwerde nicht legitimiert.
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2.3.2. Trotz fehlender Legitimation in der Sache selbst ist der Beschwerdeführer zur Rüge berechtigt, ihm zustehende Verfahrensgarantien seien verletzt worden. Nicht zu hören sind dabei aber Vorbringen, die im Ergebnis auf die Überprüfung des Sachentscheids abzielen (vgl. BGE 114 Ia 307 E. 3c S. 313; 129 I 217 E. 1.4 S. 222; 126 I 81 E. 7b S. 94; zur Weiterführung dieser so genannten "Star-Praxis" unter der Herrschaft des Bundesgerichtsgesetzes s. BGE 135 II 430 E. 3.2 S. 436 f.; s. auch BGE 138 IV 78 E. 1.3 S. 80; spezifisch zum Ausländerrecht BGE 133 I 185 E. 6.2 S. 198 f. und BGE 137 II 305 E. 2 S. 308). Der Beschwerdeführer rügt, der Entscheid der kantonalen Sicherheitsdirektion hätte nicht von "Rekursjuristen" unterschrieben werden dürfen. Die Auffassung der Vorinstanz, wonach die Rekursabteilung gestützt auf die genügende Kompetenzregelung von § 4 Abs. 1 lit. b der Organisationsverordnung der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich vom 5. Oktober 2012 (OV DS/ZH) sowie § 8 Abs. 3 OV DS/ZH ermächtigt gewesen seien, im Namen der Sicherheitsdirektion zu entscheiden, verletze Art. 5 BV (insbesondere in seiner Ausprägung als Gesetzmässigkeitsprinzip), Art. 29 BV sowie Art. 36 BV. Die vom Beschwerdeführer angerufenen allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze von Art. 5 BV, welche in Art. 36 BV im Zusammenhang mit der Prüfung der Zulässigkeit einer Grundrechtseinschränkung wiederholt werden, stellen für sich genommen keine verfassungsmässigen Rechte im Sinne von Art. 116 BGG dar (BGE 134 I 153 E. 4.1 S. 156 f.), weshalb ihnen hier keine über das allgemeine Willkürverbot hinausgehende Tragweite zukommt.
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Festzuhalten ist zu den gerügten Verletzungen verfassungsmässiger Rechte vorab, dass gemäss der Aktenlage nicht von einem unterinstanzlichen Entscheid auszugehen ist, der überhaupt nicht unterschrieben worden ist (vgl. dazu etwa BGE 138 II 501 E. 3.2 S. 504 f.). Der Beschwerdeführer macht vielmehr geltend, der unterinstanzliche Entscheid sei zwar im Namen der zuständigen kantonalen Sicherheitsdirektion erlassen, jedoch nur von zwei angestellten Rekursjuristen unterzeichnet worden. Mit seinen Ausführungen zu den angeblichen Verletzungen von Delegationsgrundsätzen übergeht der Beschwerdeführer die nach Rechtsprechung und Lehre massgebliche Unterscheidung zwischen der Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen (Art. 164 Abs. 2 BV, vgl. dazu BGE 137 II 409 E. 6.4 S. 413, mit Hinweis; für den Kanton Zürich Art. 38 Abs. 3 KV/ZH) und der  Kompetenzdelegation (Art. 177 Abs. 3 BV, vgl. dazu ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2016, S. 365; für den Kanton Zürich Art. 65 Abs. 4 KV/ZH). Insbesondere der Kanton Zürich kennt die Kompetenzdelegation an dem Regierungsrat nachgeordnete Verwaltungseinheiten (HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., S. 365, unter Verweis auf Art. 38 des Gesetzes des Kantons Zürich vom 6. Juni 2005 über die Organisation des Regierungsrates und der kantonalen Verwaltung [OG RR/ZH]; ISABELLE HÄNER, Kommentar zur Zürcher Kantonsverfassung, 2007, N. 14 zu Art. 65 KV/ZH). Gemäss § 38 Abs. 1 und Abs. 4 OG RR/ZH weist der Regierungsrat den Direktionen Zuständigkeitsbereiche und Aufgaben zu, wobei er festlegt, ob die nachgeordneten Verwaltungseinheiten im eigenen Namen oder im Namen der Direktion entscheiden. Nach § 66 der Verordnung vom 18. Juli 2007 über die Organisation des Regierungsrates und der kantonalen Verwaltung (VOG RR/ZH) kann die Direktionsvorsteherin oder der Direktionsvorsteher Verwaltungseinheiten und Mitarbeitende ermächtigen, in bestimmten Aufgabenbereichen namens der Direktion zu entscheiden (Abs. 2); ist eine Verwaltungseinheit zum Entscheid in eigenem Namen oder im Namen der Direktion befugt, regelt deren Leiterin oder Leiter die Delegation dieser Kompetenz innerhalb der Einheit (Abs. 3). § 8 Abs. 3 OV DS/ZH sieht vor, dass die Rekursabteilung zu den bei ihr eingegangenen Geschäften die verfahrensleitenden Anordnungen, vorsorglichen Massnahmen und Entscheide im Namen der Direktion erlässt. Die beanstandete Ermächtigung der Rekursabteilung zur Unterzeichnung von Entscheiden im Namen der Direktion, bei welcher es sich nach zutreffender Lehrmeinung nicht um eine Kompetenzdelegation im eigentlichen Sinn, sondern um eine blosse Einräumung einer Zeichnungsberechtigung handelt (PIERRE MOOR/FRANÇOIS BELLANGER/THIERRY TANQUEREL, Droit administratif, vol. III, L'organisation des activités administratives. Les biens de l'Etat, 2. Aufl. 2018, S. 48), beruht mit § 38 Abs. 4 OG RR/ZH auf einer gesetzlichen Grundlage und schliesst angesichts dessen, dass der Regierungsrat die Zeichnungsberechtigung in § 66 VOG RR/ZH nicht selbst vorschreibt, sondern deren Einräumung an Verwaltungseinheiten und Mitarbeitende der Direktionsvorsteherin oder dem Direktionsvorsteher überlässt, eine Regelung in einer Direktionsverordnung nicht aus (HÄNER, a.a.O., N. 16 zu Art. 65 KV/ZH, mit Hinweis). Das Verwaltungsgericht konnte daher in willkürfreier Auslegung des kantonalen Rechts die Rekursabteilung der Sicherheitsdirektion und die unterzeichnenden Beamten zum Entscheid bzw. zur Unterzeichnung namens der Sicherheitsdirektion für befugt erachten, womit auch keine Verletzung von Art. 29 BV vorliegt. Die Vorinstanz hatte unter dem Aspekt der verfassungsmässigen Begründungsanforderungen (Art. 29 Abs. 2 BV; vgl. dazu BGE 130 II 530 E. 4.3 S. 540; 129 I 232 E. 3.2 S. 236; 126 I 97 E. 2b S. 102 f.) auch keine Veranlassung, weiter auf diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen. Die weiteren Rügen der Verletzung von Art. 29 Abs. 2 und Art. 9 BV - unzulässige antizipierte Beweiswürdigung, unterlassene Beweisabnahme, Aktenwidrigkeit bzw. Willkür (in der Rechtsanwendung und in der Beweiswürdigung) hinsichtlich der psychischen Erkrankung der Ehefrau - zielen auf eine Überprüfung des Sachentscheids und sind nicht zu hören.
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2.3.3. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist demnach offensichtlich unbegründet und im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Art. 117 BGG abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
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Erwägung 3
 
Die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) sind entsprechend dem Verfahrensausgang dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG). Parteientschädigungen werden nicht gesprochen (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG).
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Das Bundesgericht erkennt:
 
 
Erwägung 1
 
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht eingetreten.
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Erwägung 2
 
Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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Erwägung 3
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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Erwägung 4
 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
13
Lausanne, 12. September 2019
14
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Das präsidierende Mitglied: Zünd
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Die Gerichtsschreiberin: Mayhall
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