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Informationen zum Dokument  BGer 8C_354/2019  Materielle Begründung
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BGer 8C_354/2019 vom 22.08.2019
 
 
8C_354/2019
 
 
Urteil vom 22. August 2019
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichter Wirthlin, Abrecht,
 
Gerichtsschreiberin Polla.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Aurelia Jenny,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle Schaffhausen, Oberstadt 9, 8200 Schaffhausen,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Neuanmeldung),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 9. April 2019 (63/2017/38).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. Der 1959 geborene A.________ meldete sich am 30. Juni 2006 unter Hinweis auf ein Rückenleiden und Gliederschmerzen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Schaffhausen verneinte mit Verfügung vom 16. Februar 2012 einen Anspruch auf Invalidenrente. Die dagegen geführte Beschwerde hiess das Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Entscheid vom 23. April 2013 teilweise gut, indem es die angefochtene Verfügung der IV-Stelle aufhob und die Sache im Sinne der Erwägungen an diese zurückwies. Für die Zeit vom 1. Juni 2006 bis 31. Juli 2011 sprach es A.________ überdies eine Viertelsrente zu. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab.
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A.b. Am 7. Juni 2013 ersuchte A.________ erneut um Leistungen der Invalidenversicherung. Mangels Glaubhaftmachung einer wesentlichen Veränderung in den tatsächlichen Verhältnissen trat die IV-Stelle auf die Anmeldung nicht ein. Nachdem sich der Versicherte am 16. April 2014 abermals zum Bezug einer Invalidenrente angemeldet hatte, verneinte die IV-Stelle, namentlich gestützt auf ein Gutachten der PMEDA Polydisziplinäre Medizinische Abklärungen (nachfolgend PMEDA), Zürich, vom 1. September 2016, den Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung (Verfügung vom 19. Mai 2017).
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B. Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht mit Entscheid vom 9. April 2019 ab.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihm ab 1. November 2014 eine Rente der Invalidenversicherung zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Einholung eines Gerichtsgutachtens an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
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Erwägungen:
 
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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Erwägung 2
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob nach der bis 31. Juli 2011 zugesprochenen befristeten Viertelsrente erneut ein Rentenanspruch besteht, wie dies der Beschwerdeführer mit Neuanmeldung vom 16. April 2014 geltend macht.
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2.2. Die Neuanmeldung wird - wie auch das Gesuch um Leistungsrevision - nur materiell geprüft, wenn die versicherte Person glaubhaft macht, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten, rechtskräftigen Entscheidung in einem für den Rentenanspruch erheblichen Mass verändert haben (Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV; BGE 130 V 71 E. 2.2 S. 72 mit Hinweisen). Gelingt ihr dies nicht, so wird auf das Gesuch nicht eingetreten. Ist die anspruchserhebliche Änderung glaubhaft gemacht, ist die Verwaltung verpflichtet, auf das neue Leistungsbegehren einzutreten und es in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 11; SVR 2014 IV Nr. 33 S. 121, 8C_746/2013 E. 2); sie hat demnach in analoger Weise wie bei einem Revisionsfall nach Art. 17 ATSG vorzugehen (vgl. dazu BGE 130 V 71). Stellt sie fest, dass der Invaliditätsgrad oder die Hilflosigkeit seit Erlass der früheren rechtskräftigen Verfügung keine Veränderung erfahren hat, so lehnt sie das neue Gesuch ab. Andernfalls hat sie zunächst noch zu prüfen, ob die festgestellte Veränderung genügt, um nunmehr eine anspruchsbegründende Invalidität oder Hilflosigkeit zu bejahen, und hernach zu beschliessen (vgl. Urteil 8C_407/2019 vom 13. August 2019 E. 2 mit Hinweis).
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2.3. Auf die rückwirkende Zusprechung einer abgestuften und/oder befristeten Invalidenrente sind die für die Rentenrevision geltenden Bestimmungen analog anzuwenden (BGE 133 V 263 E. 6.1 S. 263; 131 V 164 E. 2.2 S. 165; Urteil 9C_399/2016 vom 18. Januar 2017 E. 4.8.1). Dementsprechend ist bei mehreren Sachverhaltsänderungen jeweils massgeblicher Vergleichszeitpunkt jener, in welchem zuletzt eine rechtskonforme Sachverhaltsabklärung (des jeweils anspruchserheblichen Aspektes), Beweiswürdigung und Invaliditätsbemessung vorgenommen wurde und sich eine Veränderung des Rentenanspruchs ergab (Urteil 9C_226/2011 vom 15. Juli 2011 E. 4.3.1 mit Hinweisen, nicht publ. in BGE 137 V 369, aber in SVR 2012 IV Nr. 12 S. 61).
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Die Verfügung der IV-Stelle vom 16. Februar 2012 hatte den Rentenanspruch bis zu diesem Zeitpunkt zum Gegenstand. Hierüber entschied das kantonale Gericht abschliessend und verneinte einen Rentenanspruch ab 1. August 2011. Dies bedeutet, dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten im Vergleich zum Zustand im Februar 2012 in anspruchsrelevanter Weise verschlechtert haben muss. Erst in einem allfälligen zweiten Schritt ist der (Renten-) Anspruch in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend - gegebenenfalls anhand der Rechtsprechung von BGE 141 V 281 - zu prüfen (vgl. Urteil 9C_247/2017 vom 7. August 2017 E. 2.1).
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3. Das kantonale Gericht stellte in medizinischer Hinsicht im Wesentlichen auf das polydisziplinäre Gutachten der PMEDA vom 1. September 2016 ab, dem es Beweiswert zuerkannte. Es hielt in medizinischer Hinsicht fest, ausgehend von der Konsensbeurteilung der Gutachter sei gesamthaft keine Einschränkung (aus psychischen sowie somatischen Gründen) in einer körperlich leichten bis mittelschweren, wechselbelastenden oder überwiegend sitzenden Tätigkeit festzustellen
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Erwägung 4
 
4.1. Die Vorinstanz verneinte insofern dem Rechtssinne nach (implizit) einen neuanmeldungsrechtlich erheblichen Revisionstatbestand, als sie - im Unterschied zur im Entscheid vom 23. April 2013 angenommenen Leistungseinschränkung von 20 % in einer angepassten, körperlich leichten Tätigkeit - nunmehr von einer vollen Arbeitsfähigkeit in einer leidensadaptierten Tätigkeit ausging (E. 3 hievor). Dabei begründete das kantonale Gericht vorab nachvollziehbar, weshalb den Gutachtern mit Blick auf die im psychiatrischen, orthopädischen und neurologischen Teilgutachten übereinstimmend im Rahmen der Untersuchung festgestellten Diskrepanzen und Inkonsistenzen keine Voreingenommenheit und mangelhafte Begründung vorgeworfen werden kann.
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4.2. Es führte sodann zutreffend aus, dass sich der psychiatrische Gutachter med. pract. B.________ durchaus mit den zu seinen Ergebnissen divergierenden Darlegungen des Dr. med. C.________ auseinandersetzte, der im Bericht vom 25. Januar 2016 eine schwergradige depressive Episode (ICD-10 F32.2) diagnostiziert hatte. Soweit der Beschwerdeführer in Bezug auf die in der PMEDA-Expertise erwähnten methodischen Mängel bei der von Dr. med. C.________ durchgeführten klinischen Diagnostik geltend macht, dieser habe die Diagnose einer schwergradigen depressiven Episode nicht nur auf ein Selbstbeurteilungsinstrument, wie im Gutachten kritisiert werde, sondern auch auf ein Fremdbeurteilungssystem (Hamilton Depressionsskala) gestützt, kann er daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Die Schlüssigkeit der Einschätzung des med. pract. B.________ wird dadurch nicht in Zweifel gezogen. Nach sorgfältiger Darstellung der Krankheitsentwicklung und Zusammenfassung der relevanten medizinischen Unterlagen legte der Experte die von ihm erhobenen Befunde dar und begründete einleuchtend, weshalb er im Gutachtenszeitpunkt das Vorliegen weder einer depressiven Erkrankung noch einer somatoformen Schmerzstörung bestätigte. Die jeweils dafür einschlägigen Diagnosekriterien der ICD-10 erachtete er als nicht erfüllt. So konnte er, was die in den Vorakten diagnostizierte anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.4) betrifft, keinen andauernden, schweren und quälenden Schmerz und keine emotionalen Konflikte oder psychosozialen Belastungen eruieren. Daran ändert auch der Hinweis des Beschwerdeführers nichts, der Psychiater Dr. med. D.________ habe, hinsichtlich des psychischen Konflikts, angegeben, für die Entwicklung der Schmerzstörung möge beigetragen haben, dass die Eltern des Beschwerdeführers zusammen mit einem Enkel vor zweieinhalb Jahren bei einem Autounfall in Mazedonien ums Leben gekommen seien (Bericht vom 28. März 2006). Weiter, so der Versicherte, sei zudem im Gutachten des ABI vom 31. August 2009 psychiatrischerseits auf ausgeprägte psychosoziale und emotionale Belastungen hingewiesen worden. Es ist nicht ersichtlich, weshalb dadurch die PMEDA-Expertise ihre Beweiskraft verlieren sollte Anderslautende frühere ärztliche Einschätzungen vermögen am Umstand nichts zu ändern, dass in psychischer Hinsicht jedenfalls keine Verschlechterung auszumachen ist.
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Es ist vorliegend demnach auch nicht bundesrechtswidrig, wenn hinsichtlich der geltend gemachten psychischen Leiden auf die Durchführung eines strukturierten Beweisverfahrens nach BGE 141 V 281 verzichtet wurde. Denn ein solches Verfahren zur Validierung der attestierten Arbeitsunfähigkeit bleibt entbehrlich, wenn im Rahmen beweiswertiger fachärztlicher Berichte und Gutachten (vgl. BGE 125 V 351) eine invalidenversicherungsrechtlich relevante Arbeitsunfähigkeit in nachvollziehbar begründeter Weise verneint wird. Das trifft, wie ausgeführt, auf die Darlegungen des psychiatrischen Experten vollumfänglich zu, der im übrigen keine Diagnose gemäss gängigem Klassifikationssystem zu stellen vermochte. Weiterungen zu den einzelnen Standardindikatoren erübrigen sich daher.
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4.3. Was die somatischen Leiden betrifft, erkannte die Vorinstanz im Rahmen der Beweiswürdigung in nicht zu beanstandender Weise, dass der orthopädische PMEDA-Gutachter Dr. med. E.________ das Beschwerdebild mittels klinischer und bildgebender Befunde (einschliesslich der Rückenproblematik) - trotz bemängelter Kooperation des Versicherten anlässlich der Untersuchung - hinreichend erfasste. Daher kann auf seine Einschätzung, wonach aufgrund der objektiven orthopädischen Befunde (Impingement beider Schultergelenke, Rotatorenmanchettendegeneration und beidseitige Schultergelenksarthrose) einzig eine qualitative Limitation im Sinne eines Ausschlusses von körperlich häufig schwerer Arbeit resultiere, ohne weiteres abgestellt werden.
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4.4. Nach dem Gesagten beruhen die vorinstanzliche Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung nicht auf einer Rechtsverletzung. Sie sind auch nicht offensichtlich unrichtig (unhaltbar, willkürlich: BGE 135 II 145 E. 8.1 S. 153; Urteil 9C_607/2012 vom 17. April 2013 E. 5.2), weshalb sie für das Bundesgericht verbindlich bleiben (E. 1). Bei diesem Ergebnis zielen die weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers ins Leere. Sie stellen über weite Strecken einzig eine von der Vorinstanz abweichende Beweiswürdigung dar, was zur Begründung offensichtlicher Unrichtigkeit nicht genügt (vgl. Urteile 9C_714/2015 vom 29. April 2016 E. 4.3; 9C_65/2012 vom 28. Februar 2012 E. 4.3 mit Hinweisen). Das kantonale Gericht durfte daher auf zusätzliche Abklärungen in antizipierter Beweiswürdigung verzichten (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236 f. mit Hinweisen; 124 V 90 E. 4b S. 94). Dieses Vorgehen verletzt den Untersuchungsgrundsatz nicht (Art. 61 lit. c ATSG. Es bleibt bei der vorinstanzlichen Feststellung, dass keine invalidenversicherungsrechtlich relevante somatische oder psychische Leistungsbeeinträchtigung vorliegt. Eine Verschlechterung der gesundheitlichen Situation ist damit insgesamt nicht ausgewiesen. Die Beschwerde ist unbegründet.
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5. Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 22. August 2019
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla
 
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