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Informationen zum Dokument  BGer 1B_2/2019  Materielle Begründung
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BGer 1B_2/2019 vom 11.07.2019
 
 
1B_2/2019
 
 
Urteil vom 11. Juli 2019
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Chaix, Präsident,
 
Bundesrichter Merkli, Fonjallaz,
 
Gerichtsschreiber Forster.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Stefan La Ragione,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft Bischofszell.
 
Gegenstand
 
Strafverfahren; Entsiegelungsgesuch,
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Thurgau
 
vom 23. November 2018 (W1.2018.13).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
Die Staatsanwaltschaft Bischofszell führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen Urkundenfälschung, Erschleichung einer falschen Beurkundung, rechtswidriger Einreise und weiteren Delikten. Am 6. November 2018 liess die Staatsanwaltschaft am Wohnort der Beschuldigten eine Hausdurchsuchung vollziehen. Die dabei sichergestellten elektronischen Geräte (iPhone X und Laptop HP) wurden auf Begehren der Beschuldigten versiegelt.
1
 
B.
 
Am 7. November 2018 stellte die Staatsanwaltschaft das Entsiegelungsgesuch, welches das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Thurgau (ZMG) am 23. November 2018 guthiess.
2
 
C.
 
Gegen den Entsiegelungsentscheid des ZMG gelangte die Beschuldigte mit Beschwerde vom 27. Dezember 2018 an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Abweisung des Entsiegelungsgesuches.
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Das ZMG beantragt mit Stellungnahme vom 10. Januar 2019 die Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft liess sich am 11. Januar 2019 vernehmen. Am 1. Februar 2019 bewilligte das Bundesgericht das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin replizierte am 14. Februar 2019.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
Die Beschwerde in Strafsachen gegen Entsiegelungsentscheide der Zwangsmassnahmengerichte ist nur zulässig, wenn der betroffenen beschuldigten Person wegen eines Eingriffs in ihre rechtlich geschützten Geheimnisinteressen ein nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil droht (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG i.V.m. Art. 248 Abs. 1 StPO; BGE 143 I 241 E. 1 S. 244; 141 IV 289 E. 1.1-1.2 S. 291 f. mit Hinweisen; nicht amtl. publ. E. 1 von BGE 144 IV 74, E. 2.1 von BGE 143 IV 270, und E. 2 von BGE 142 IV 207; s.a. BGE 141 IV 77 E. 4.4 und E. 5 S. 82 ff.; 140 IV 28 E. 3.2 S. 32; 138 IV 225 E. 6.1 S. 227 f.). Die betreffenden Sachurteilsvoraussetzungen sind in der Beschwerdeschrift ausreichend zu substanziieren, soweit sie nicht offensichtlich erfüllt erscheinen (Art. 42 Abs. 1-2 BGG; BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 4 f.; 284 E. 2.3 S. 287; 289 E. 1.3 S. 292; je mit Hinweisen).
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In der Beschwerdeschrift erfolgen keine Ausführungen zur Eintretensvoraussetzung von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG. Auch allenfalls tangierte Geheimnisschutzinteressen werden nicht erwähnt.
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Wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, bestehen - selbst bei einer ausnahmsweise von Amtes wegen erfolgten Prüfung dieses Sachurteilserfordernisses unter Beizug der vorinstanzlichen Akten - keine Anzeichen dafür, dass der Beschwerdeführerin ein nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil drohen könnte (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Es kann daneben offen bleiben, ob sich die Beschwerdeschrift mit den materiellen Erwägungen des angefochtenen Entscheides überhaupt in gesetzeskonformer Weise auseinandersetzt (vgl. Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG) :
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Erwägung 2
 
2.1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Entscheides hat die Beschwerdeführerin ihr Siegelungsbegehren anlässlich ihrer polizeilichen Einvernahme vom 6. November 2018 damit begründet, dass sich auf dem sichergestellten Mobiltelefon "private Fotos" befänden. Im Entsiegelungsverfahren wurde sie vom ZMG am 8. November 2018 eingeladen, die von ihr geltend gemachten Entsiegelungshindernisse darzulegen. In ihrer Stellungnahme vom 19. November 2018 habe die Beschwerdeführerin die strafrechtlichen Vorwürfe bestritten. Dass der slowenische Pass gefälscht sei, müsse (ihrer Ansicht nach) als "unbelegt" gelten; aber selbst wenn er gefälscht wäre, seien der sichergestellte Laptop und das sichergestellte Smartphone "ungeeignet, einen Reisepass zu fälschen". Von einer Auswertung der Geräte seien auch sonst keine Erkenntnisse über die untersuchten Delikte zu erwarten. Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Stellungnahme ausserdem geltend gemacht, sowohl das Smartphone als auch der Laptop enthielten "private Fotos".
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Dazu erwägt die Vorinstanz, private Fotos fielen zwar in der Regel unter die "persönlichen Aufzeichnungen" im Sinne von Art. 264 Abs. 1 lit. b StPO. Daraus ergebe sich jedoch im vorliegenden Fall noch kein Entsiegelungshindernis. Ein solches setze zusätzlich voraus, dass sich aus der Interessenabwägung im Einzelfall ein überwiegendes Interesse am Persönlichkeitsschutz ergäbe. Bei Entsiegelungen habe der betroffene Inhaber oder die Inhaberin von Aufzeichnungen zudem darzulegen, inwiefern gesetzlich geschützte Geheimnisrechte betroffen seien. Das Gesetz gehe nicht davon aus, dass allen Arten von privaten Fotoaufnahmen (zum Beispiel Landschaftsbildern) per se Geheimnischarakter zukäme. Bei Aufzeichnungen, die einerseits in die Privatsphäre fallen, gleichzeitig aber untersuchungsrelevant erscheinen, müsse im Übrigen eine Interessenabwägung erfolgen zwischen dem Schutz der tangierten Persönlichkeitsrechte und dem Strafverfolgungsinteresse. Im vorliegenden Fall habe die Staatsanwaltschaft dargelegt, dass die versiegelten Aufzeichnungen grundsätzlich untersuchungsrelevant seien. Die Beschwerdeführerin habe im Entsiegelungsverfahren hingegen nicht dargetan, inwiefern in diesem Zusammenhang ein Durchsuchungshindernis bestünde. Insbesondere habe sie nicht ausgeführt, welcher Art und welchen Inhalts die allenfalls geheimnisgeschützen Fotos seien. Ebenso wenig habe sie dargelegt, welche konkreten Aufzeichnungen in der Weise unter den Schutz der Privatsphäre fielen, dass hier ein allfälliges Geheimnisschutzinteresse das Strafverfolgungsinteresse überwöge. Der pauschale und nicht weiter substanziierte Hinweis, es befänden sich auf den sichergestellten Datenträgern "private Fotos", begründe kein gesetzliches Entsiegelungshindernis.
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2.2. In der Beschwerdeschrift werden keine schutzwürdigen Geheimnisinteressen substanziiert. Insbesondere wird auch im Verfahren vor Bundesgericht nicht dargelegt, inwiefern die (im vorinstanzlichen Verfahren noch thematisierten) "privaten Fotos" geheimnisgeschützt wären.
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2.3. Nach der bundesgerichtlichen Praxis trifft den Inhaber von zu Durchsuchungszwecken sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenständen, der ein Siegelungsbegehren gestellt hat, die prozessuale Obliegenheit, die von ihm angerufenen Geheimhaltungsinteressen (im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO) ausreichend zu substanziieren. Dies gilt besonders bei grossen Datenmengen. Kommt der Betroffene seiner Mitwirkungs- und Substanziierungsobliegenheit im Entsiegelungsverfahren nicht nach, ist das Zwangsmassnahmengericht nicht gehalten, von Amtes wegen nach allfälligen materiellen Durchsuchungshindernissen zu forschen. Tangierte Geheimnisinteressen sind wenigstens kurz zu umschreiben und glaubhaft zu machen. Auch sind diejenigen Aufzeichnungen und Dateien zu benennen, die dem Geheimnisschutz unterliegen. Dabei ist der Betroffene nicht gehalten, die angerufenen Geheimnisrechte bereits inhaltlich offenzulegen (BGE 142 IV 207 E. 7.1.5 S. 211, E. 11 S. 228; 141 IV 77 E. 4.3 S. 81, E. 5.5.3 S. 86, E. 5.6 S. 87; 138 IV 225 E. 7.1 S. 229; 137 IV 189 E. 4.2 S. 195, E. 5.3.3 S. 199; nicht amtl. publ. E. 6 von BGE 144 IV 74).
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2.4. Der blosse pauschale Hinweis im Entsiegelungsverfahren, die beiden zu Beweiszwecken sichergestellten elektronischen Geräte enthielten "private Fotos", begründet keine schutzwürdigen Geheimnisinteressen im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO. Wie die kantonalen Strafbehörden nachvollziehbar darlegen, kann im vorliegenden Fall auch privates Bildmaterial grundsätzlich untersuchungsrelevant sein. Weder im vorinstanzlichen Entsiegelungsverfahren noch im Verfahren vor Bundesgericht hat die Beschwerdeführerin dargelegt, dass sich darunter höchstpersönliche private Aufnahmen befänden, die zum Vornherein nicht untersuchungsrelevant wären und an denen ein besonderes überwiegendes Geheimnisschutzinteresse im Sinne von Art. 264 Abs. 1 lit. b StPO bestünde (wie allenfalls intime Aktbilder, vgl. dazu BGE 137 IV 189 E. 5.2 S. 197 f.).
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Bei dieser Sachlage musste die Vorinstanz - mangels Substanziierung entsprechender Geheimnisschutzinteressen im Entsiegelungsverfahren - keine höchstpersönlichen Dateien von Bundesrechts wegen identifizieren und aussondern. Da die Beschwerdeführerin auch im Verfahren vor Bundesgericht keine schutzwürdigen Geheimnisinteressen darlegt, erweist sich die Beschwerde mangels drohenden nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteils als unzulässig (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG).
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Erwägung 3
 
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten.
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Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 11. Juli 2019
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Chaix
 
Der Gerichtsschreiber: Forster
 
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