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Informationen zum Dokument  BGer 8C_86/2019  Materielle Begründung
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BGer 8C_86/2019 vom 25.06.2019
 
 
8C_86/2019
 
 
Urteil vom 25. Juni 2019
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Heine, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,
 
Gerichtsschreiber Hochuli.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Christe,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich,
 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
 
vom 30. November 2018 (IV.2017.00722).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________, geboren 1967, bezieht wegen Restfolgen eines Arbeitsunfalles vom 31. Januar 2000 bei einem Invaliditätsgrad von 100 % seit 1. Januar 2001 eine ganze Rente der Invalidenversicherung (Verfügungen vom 19. April und 22. Mai 2007). Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) erbrachte für die Folgen des Sturzes von einem Baugerüst mit komplexer Fraktur des rechten Sprunggelenks und des rechten Wadenbeines die gesetzlichen Leistungen nach UVG. Seit 1. April 2004 richtet die Suva dem Versicherten für die bleibenden Unfallfolgen eine Invalidenrente basierend auf einer unfallbedingten Erwerbsunfähigkeit von 68 % aus (Verfügung vom 27. Dezember 2004). Zudem hat sie ihm für die dauerhaft verbleibende unfallbedingte Einschränkung der gesundheitlichen Unversehrtheit eine Integritätsentschädigung basierend auf einer Integritätseinbusse von 25 % ausbezahlt. Nach einer ersten revisionsweisen Überprüfung bestätigte die IV-Stelle des Kantons Zürich am 30. Juli 2008 den bisherigen Anspruch auf eine ganze Rente der Invalidenversicherung.
1
2013 leitete die IV-Stelle erneut von Amtes wegen eine Rentenrevision ein. Gestützt auf das polydisziplinäre Gutachten der BEGAZ GmbH in Binningen vom 20. Januar 2016 (nachfolgend: BEGAZ-Gutachten) veranlasste die IV-Stelle eine berufliche Potenzialabklärung für die Dauer vom 16. August bis 15. September 2016. Nachdem sich der Versicherte nicht in der Lage sah, mehr als 2,5 Stunden täglich präsent zu sein, schloss die IV-Stelle die Arbeitsvermittlung am 21. September 2016 ab. Mit Verfügung vom 26. Mai 2017 setzte sie die bis dahin ausgerichtete ganze Invalidenrente revisionsweise auf eine Viertelsrente herab.
2
B. Die hiegegen erhobene Beschwerde des A.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 30. November 2018).
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, der angefochtene Gerichtsentscheid und die Verfügung der IV-Stelle vom 26. Mai 2017 seien aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihm die bisherige ganze Invalidenrente weiterhin auszurichten.
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Während die IV-Stelle auf Beschwerdeabweisung schliesst, verzichten das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) und die Vorinstanz auf eine Vernehmlassung.
5
 
Erwägungen:
 
1. 
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1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
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1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2. Streitig ist, ob das kantonale Gericht zu Recht die Herabsetzung der Invalidenrente gemäss Verfügung der IV-Stelle vom 26. Mai 2017 bestätigt hat.
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3. Die Vorinstanz hat die massgebenden Bestimmungen und Grundsätze über die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), die Invalidität (Art. 8 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG) und den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 2 IVG) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die Ausführungen zur Revision der Invalidenrente (Art. 17 Abs. 1 ATSG), zu den zu vergleichenden Sachverhalten (BGE 134 V 131 E. 3 S. 132, 133 V 108 E. 5.4 S. 114) und zur Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG), insbesondere zur Ermittlung des Validen- (BGE 129 V 222 E. 4.3.1 S. 224; SVR 2010 UV Nr. 13 S. 51, 8C_550/2009 E. 4.1; RKUV 2005 Nr. U 554 S. 315, U 340/04) und des Invalideneinkommens (BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301). Richtig sind auch die Hinweise zur zeitlichen Grenze der richterlichen Überprüfungsbefugnis (BGE 143 V 409 E. 2.1 i.f. S. 411 mit Hinweis), zur freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) und zu den bei der Beurteilung des Beweiswerts eines ärztlichen Berichts oder Gutachtens zu beachtenden Regeln (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352). Darauf wird verwiesen.
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4. Die Frage nach dem Eintritt einer anspruchsrelevanten Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (Art. 17 Abs. 1 ATSG) ist hier unbestritten gestützt auf den Vergleich des Gesundheitszustandes im massgebenden Zeitraum zwischen dem am 30. Juli 2008 revisionsweise bestätigten Anspruch auf eine ganze Invalidenrente (bei einem Invaliditätsgrad von 100 %) und der am 26. Mai 2017 verfügten Rentenherabsetzung zu beantworten. Auszugehen ist demnach vom Gesundheitszustand gemäss orthopädischem Gutachten des Dr. med. B.________, vom 8. Juli 2008. Grundsätzlich sind sich die Parteien auch über die Beweiskraft des BEGAZ-Gutachtens einig. Demnach haben sich die gesundheitlichen Verhältnisse in diagnostischer Hinsicht im massgebenden Zeitraum nicht wesentlich verändert. Zudem bleibt die angestammte Tätigkeit dem Versicherten laut BEGAZ-Gutachten weiterhin dauerhaft nicht mehr zumutbar.
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5. Strittig ist jedoch, ob Verwaltung und Vorinstanz Bundesrecht verletzten, indem sie aus dem BEGAZ-Gutachten auf eine anspruchserbliche Verbesserung der Arbeitsfähigkeit schlossen.
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5.1. Laut Gutachten des Dr. med. B.________ war der Beschwerdeführer anlässlich der Rentenrevision im Jahre 2008 sowohl in der angestammten als auch in jeder angepassten Tätigkeit voll arbeitsunfähig. Die Ärztin med. pract Uhlig des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) der IV-Stelle Zürich teilte diese Einschätzung. Auf dieser Grundlage bestätigte die Beschwerdegegnerin im Rahmen des von Amtes wegen eingeleiteten Revisionsverfahrens 2008 den bisherigen Anspruch auf eine ganze Invalidenrente basierend auf einem Invaliditätsgrad von 100 %.
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In Bezug auf den Zeitpunkt der hier strittigen Rentenrevision hat die Vorinstanz gestützt auf das beweiskräftige BEGAZ-Gutachten in tatsächlicher Hinsicht für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich festgestellt, dass dem Versicherten nurmehr eine leidensangepasste Tätigkeit unter Berücksichtigung des erhöhten Pausenbedarfs mit einer Arbeitsfähigkeit von 70 % zumutbar ist. Der Vergleich dieser beiden Arbeitsunfähigkeitsbeurteilungen weist eine offensichtliche Verbesserung aus, die - wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt - von der Vorinstanz in bundesrechtskonformer Weise als revisionsrechtlich erheblich beurteilt werden durfte.
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5.2. Zunächst erhebt der Beschwerdeführer gegen dieses, im strittigen Revisionszeitpunkt massgebende Zumutbarkeitsprofil gemäss BEGAZ-Gutachten zu Recht keine Einwände. Was er jedoch gegen den angefochtenen Entscheid vorbringt, verfängt nicht. Zwar trifft zu, dass die BEGAZ-Gutachter basierend auf ihrer rückblickenden Aktenbeurteilung ausdrücklich die Auffassung vertraten, seitens des rechten Fusses hätte der Endzustand bereits nach der Operation vom 26. Oktober 2000 und in Bezug auf die rechte Schulter nach der Operation vom 13. Oktober 2005 erreicht werden müssen. Ab November 2006 hätten dem Versicherten demnach leidensangepasste Tätigkeiten zumutbar sein sollen. Wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht, würden diese Angaben grundsätzlich darauf schliessen lassen, dass die Leistungsfähigkeit bereits seit einem Zeitpunkt vor der letzten Rentenrevision von 2008 unverändert geblieben sei.
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5.3. Das kantonale Gericht gelangte jedoch in bundesrechtskonformer Beweiswürdigung zur Feststellung, aus dem BEGAZ-Gutachten sei auf den revisionsrechtlich relevanten Eintritt einer anspruchserheblichen Verbesserung der Arbeitsfähigkeit erst nach der letzten Rentenrevision von 2008 zu schliessen. Dies ist jedenalls nicht als bundesrechtswidrig zu beanstanden.
16
5.3.1. Der Beschwerdeführer legt nicht rechtsgenüglich dar, dass die aus dem BEGAZ-Gutachten hervorgehenden Tatsachenfeststellungen schon im Zeitpunkt der letzten Rentenrevision von 2008 bekannt waren. Zwar behauptet er, laut BEGAZ-Gutachten habe bereits Dr. med. B.________ ausdrücklich im Bereich der oberen und unteren Extremitäten keine Schonungszeichen mehr festgestellt. Die BEGAZ-Gutachter haben jedoch an der betreffenden Stelle in ihrem Gutachten zum Ausdruck gebracht, dass Dr. med. B.________ - zum Erstaunen der BEGAZ-Gutachter - in seinem Gutachten "keinerlei Angaben gemacht [habe] über Schonungszeichen". Dr. med. B.________ habe sich statt dessen offenbar auf die "geäusserten Beschwerden und die schmerzbedingten Funktionseinbussen" konzentriert. Mit anderen Worten hat Dr. med. B.________ die vom Versicherten anlässlich der Exploration im Jahre 2008 demonstrierten Einschränkungen nicht in Frage gestellt und folglich auch darauf verzichtet, anhand eigener Befunderhebungen hinsichtlich allfälliger Schonungszeichen die Validität der geklagten Beeinträchtigungen zu überprüfen.
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5.3.2. Die Vorinstanz hat nicht nur die entsprechenden Feststellungen der BEGAZ-Gutachter, sondern auch die Ergebnisse der Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL) gemäss Bericht der Klinik C.________ vom 5. Juni 2014 bundesrechtskonform in die Beweiswürdigung miteinbezogen. Insbesondere besteht laut BEGAZ-Gutachten mit Blick auf die beiden unteren Extremitäten nur eine diskrete Muskelatrophie am rechten - vom Unfall betroffenen - Bein. Trotz angeblich seit 2000 gleichbleibender therapierefraktärer Beschwerden und obwohl der Versicherte in der klinischen Untersuchung eine praktisch vollständige Unbelastbarkeit des rechten Fusses klagte, fanden die BEGAZ-Gutachter eine annähernd identisch symmetrische Beschwielung an beiden Fusssohlen. Diese Befunde decken sich gemäss angefochtenem Entscheid mit den gutachterlichen Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer ausserhalb der Praxisräumlichkeiten im spontanen Verhalten ein flüssiges Gangbild mit quasi normalem Abrollen des rechten Fusses bei vollständiger Belastung zeigte.
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Bei der Schulteruntersuchung stellten die BEGAZ-Guachter an den oberen Extremitäten die gleichen Diskrepanzen zwischen den subjektiv geklagten Beschwerden und den objektivierbaren Befunden fest. Die vom Versicherten in der klinischen Untersuchung demonstrierte, angeblich seit Jahren anhaltende, schmerzbedingte Minderbelastbarkeit des rechten Armes würde innert wenigen Tagen oder Wochen entlastungsbedingt zu einer relevanten Muskelatrophie an der betroffenen Extremität führen. Statt dessen stellten die BEGAZ-Gutachter eine beidseits symmetrisch regelrecht erhaltene Muskulatur fest.
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5.3.3. Dass der Versicherte schon seit 2006, jedenfalls aber bereits vor der letzten Revisionsbegutachtung von 2008 in der Lage gewesen sei, seinen rechten Fuss in der von den BEGAZ-Gutachtern beschriebenen Weise zu belasten, findet in den Akten keine Grundlage. Soweit das kantonale Gericht darauf schloss, dass im revisionsrechtlich ausschlaggebenden Zeitraum (E. 4) eine anspruchserhebliche Verbesserung der Arbeitsfähigkeit (E. 5.1 hievor) eintrat, ist diese Feststellung jedenfalls weder als willkürlich noch sonst wie als bundesrechtswidrig zu beanstanden. Demnach bleibt es bei dem für den Revisionszeitpunkt massgebenden Zumutbarkeitsprofil gemäss BEGAZ-Gutachten (vgl. E. 5.1 i.f.).
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6. Gegen die auf dem neu massgebenden Zumutbarkeitsprofil basierende Bemessung des Invaliditätsgrades gemäss angefochtenem Entscheid erhebt der Beschwerdeführer zu Recht keine Einwände. Ist folglich vom revisionsweise neu auf 45 % ermittelten Invaliditätsgrad auszugehen, hat das kantonale Gericht die basierend auf dem neu ermittelten Invaliditätsgrad von der IV-Stelle am 26. Mai 2017 verfügte Rentenherabsetzung zu Recht bestätigt. Die Beschwerde ist unbegründet und daher abzuweisen.
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7. Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
22
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 25. Juni 2019
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Heine
 
Der Gerichtsschreiber: Hochuli
 
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