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Informationen zum Dokument  BGer 5A_765/2018  Materielle Begründung
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BGer 5A_765/2018 vom 04.06.2019
 
 
5A_765/2018
 
 
Urteil vom 4. Juni 2019
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Herrmann, Präsident,
 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Bovey,
 
Gerichtsschreiber Zingg.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Betreibungsamt Küssnacht am Rigi.
 
Gegenstand
 
Fahrzeugpfändung,
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Schwyz, Beschwerdekammer als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibung und Konkurs, vom 28. August 2018 (BEK 2018 92).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________ (geb. 1961) führt ein eigenes Malergeschäft. Aufgrund gesundheitlicher Beschwerden ist er in seiner Erwerbstätigkeit eingeschränkt. Der Invaliditätsgrad beträgt 50 %, die monatliche IV-Rente Fr. 832.--.
1
B. Am 13. März 2018 pfändete das Betreibungsamt Küssnacht am Rigi in den beiden Pfändungen Nr. aaa und bbb einerseits die das Existenzminimum von Fr. 1'546.25 übersteigenden Einkünfte von A.________ und andererseits den Personenwagen "Porsche Cayenne Diesel" mit einem Schätzwert von Fr. 25'000.--. Den Lieferwagen "Renault Trafic T29 dCi115" überliess das Betreibungsamt dem Beschwerdeführer als zur Berufsausübung notwendiges Kompetenzgut.
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C. Am 6. April 2018 erhob A.________ beim Bezirksgericht Küssnacht Beschwerde gegen die Pfändung Nr. aaa. Er verlangte die Aufhebung der Pfändungsurkunde und die Feststellung, dass er als selbständiger Maler mit einer fünfzigprozentigen Arbeitsunfähigkeit auf den Beizug von externen temporären Malern und zur Auftragsabwicklung berufsnotwendig auf zwei Fahrzeuge angewiesen sei. Mit Verfügung vom 7. Juni 2018 wies das Bezirksgericht die Beschwerde ab.
3
D. Am 19. Juni 2018 erhob A.________ Beschwerde an das Kantonsgericht Schwyz. Er verlangte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung (Ziff. 1 der Rechtsbegehren). Es sei festzustellen, dass er gesundheitsbedingt und mit einer Arbeitsfähigkeit von nur noch 50 % auf den Beizug eines externen temporären Malers angewiesen sei, der die schweren Malerarbeiten mache, die er nicht mehr selber machen könne (Ziff. 2). Es sei festzustellen, dass er berufsnotwendig zwei Geschäftsfahrzeuge als Kompetenzfahrzeuge benötige, damit er unabhängig vom beigezogenen externen Maler seinen Beruf ausüben könne (Ziff. 3). Es sei eine neue Pfändungsurkunde zu erstellen, wonach er mit einer 50 %-Arbeitsfähigkeit und der Notwendigkeit des Beizugs eines externen temporären Malers auf zwei Kompetenzfahrzeuge angewiesen sei und ihm deshalb zwei Kompetenzfahrzeuge zustünden (Ziff. 4).
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Mit Beschluss vom 28. August 2018 wies das Kantonsgericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
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E. Am 13. September 2018 hat A.________ (Beschwerdeführer) Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Er fordert die Aufhebung des Beschlusses des Kantonsgerichts. Es sei eine neue Pfändungsurkunde zu erstellen, wonach er aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen und der beruflichen Notwendigkeit des Beizugs von temporären externen Malern für schwere Malerarbeiten auf zwei Geschäftsfahrzeuge angewiesen sei und ihm deshalb zwei unpfändbare Kompetenzfahrzeuge zustünden. Zudem ersucht er um eine Umtriebsentschädigung.
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Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen, aber keine Vernehmlassungen eingeholt.
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Erwägungen:
 
1. Gegen den angefochtenen Beschluss ist die Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich zulässig (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c, Art. 75, Art. 76, Art. 90, Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG).
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Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdebegründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Die beschwerdeführende Partei hat in gezielter Auseinandersetzung mit den für das Ergebnis des angefochtenen Entscheides massgeblichen Erwägungen plausibel aufzuzeigen, welche Rechte bzw. Rechtsnormen die Vorinstanz verletzt haben soll (BGE 140 III 86 E. 2 S. 88 f.; 140 III 115 E. 2 S. 116).
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2. Das Kantonsgericht ist zunächst auf die Feststellungsanträge (Ziff. 2 und 3 der Rechtsbegehren; vgl. oben lit. D) nicht eingetreten. Es hat sich dabei auf Art. 88 ZPO als subsidiäres kantonales Recht gestützt (Art. 20a Abs. 3 SchKG i.V.m. § 18 des Einführungsgesetzes vom 25. Oktober 1974 zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs [EGzSchKG; SRSZ 270.110] i.V.m. § 100 des Justizgesetzes vom 18. November 2009 [JG; SRSZ 231.110]). Es hat erwogen, der Beschwerdeführer lege kein Feststellungsinteresse dar. Tatsachenfeststellungen seien einem Feststellungsbegehren nicht zugänglich. Die Feststellungsbegehren stellten letztlich nur Vorfragen für die Beurteilung des Hauptbegehrens des Beschwerdeführers dar, nämlich ihm zwei Geschäftsfahrzeuge als Kompetenzgut zuzugestehen.
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Der Beschwerdeführer beanstandet dies mit der Begründung, eine Beschwerde nach SchKG könne nicht mit einem Forderungsprozess verglichen werden. Inwieweit jedoch gegen prozessuale Bestimmungen des SchKG oder des kantonalen Rechts verstossen worden sein soll, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Zudem wiederholt er seine Feststellungsbegehren vor Bundesgericht nicht mehr ausdrücklich. Einzig im Rahmen seines Antrags auf Ausstellung einer neuen Pfändungsurkunde kommt er darauf zurück (ähnlich wie bereits in Ziff. 4 seiner Rechtsbegehren vor Kantonsgericht; vgl. oben lit. D und E). Es ist demnach nicht restlos klar, ob er vor Bundesgericht an seinen Feststellungsbegehren als selbständigen Anträgen festhält, oder ob er nur unnötigerweise die Begründung seines Sachantrags (Zuweisung von zwei Kompetenzfahrzeugen) in diesen Antrag aufgenommen hat. Selbst wenn ersteres der Fall sein sollte, befasst er sich jedoch - wie gesagt - nicht in genügender Weise mit den kantonsgerichtlichen Erwägungen zur Unzulässigkeit der Feststellungsbegehren. Auf diesen Punkt ist demnach nicht weiter einzugehen.
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Erwägung 3
 
3.1. In der Sache hat das Kantonsgericht erwogen, wenn die selbständige Berufsausübung unwirtschaftlich sei, so falle der Grund der Unpfändbarkeit des Kompetenzguts gemäss Art. 92 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG, nämlich der Schutz der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners, weg. Wenn der Betrieb des Schuldners dauernd defizitär sei, so dass die Einnahmen nicht ausreichten, sowohl den Lebensunterhalt wie auch alle Geschäftsauslagen zu decken, so sei nicht zu gestatten, diesen auf Kosten der Gläubiger weiterzuführen. Den Lebensunterhalt könne der Schuldner dann bestreiten, wenn er aus dem Nettoerlös mindestens das Existenzminimum decken könne. Stelle der Betreibungsbeamte bei einem selbständig erwerbenden Schuldner, der keine Buchhaltung führe, fest, dass laufend neue Betreibungen für den Betrieb eingehen, und liefere der Schuldner über längere Zeit keine Quote ab, so dürfe er davon ausgehen, dass der Schuldner nicht wirtschaftlich arbeite. Die Beurteilung müsse sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. An die Rentabilität seien keine hohen Anforderungen zu stellen.
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Im vorliegenden Fall bestünden gemäss Betreibungsregisterauszug vom 16. Mai 2018 134 nicht getilgte Verlustscheine der letzten zwanzig Jahre von Fr. 897'600.25. Seit dem 1. Januar 2017 seien zweiundzwanzig Betreibungen erfolgt. Davon seien vierzehn im Stadium der Pfändung. Allein in den Betreibungen Nr. ccc und ddd vom April 2018 mache das Bezirkssteueramt Beträge von Fr. 124'589.70 und Fr. 101'563.40 geltend. Die Behauptung des Betreibungsbeamten, die Betreibungen Nr. eee, fff, ggg, hhh, iii, jjj, kkk, lll, mmm, nnn, ooo und ppp, bei denen als Gläubiger die Steuerbehörden, die Ausgleichskasse, die Suva und die B.________ GmbH auftreten würden, hingen mit der Geschäftstätigkeit zusammen, sei unwidersprochen geblieben. Aus der vom Steuervertreter des Beschwerdeführers eingereichten Abrechnungergebe sich, dass trotz eines Überschusses von Fr. 5'642.50 im ersten Quartal 2018 ein negativer Saldo von Fr. 6'586.95 verblieben sei. Unbestritten geblieben sei die Behauptung des Betreibungsbeamten, dass auch in den vorangegangenen Quartalen immer nur ein Negativsaldo ausgewiesen worden sei und der Schuldner in den letzten Jahren nie eine pfändbare Quote abgeliefert habe. In der angefochtenen Pfändung Nr. aaa habe denn auch keine pfändbare Einkommensquote bestimmt werden können und die Pfändungsurkunde sei als provisorischer Verlustschein ausgestellt worden.
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Die Berufsausübung des Beschwerdeführers sei demnach unwirtschaftlich. Er sei seit vielen Jahren und auch zurzeit nicht in der Lage, aus seiner Berufsausübung zusammen mit dem Renteneinkommen die notwendigen Kosten, wozu auch Steuern und AHV-Beiträge gehörten, zu decken. Damit entfalle der Schutz der Unpfändbarkeit gemäss Art. 92 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG. Bei diesem Ausgang könne dahingestellt bleiben, ob ein zweites Geschäftsfahrzeug berufsnotwendig sei und ob es sich beim Betrieb des Beschwerdeführers um ein Unternehmen handle.
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3.2. Der Beschwerdeführer setzt sich mit diesen Erwägungen mit keinem Wort auseinander. Er wirft stattdessen dem Kantonsgericht vor, es habe sein Urteil nicht unter Würdigung aller Umstände gefällt und die Argumente in seiner Beschwerde nicht behandelt. Das Kantonsgericht habe sich nicht zur Notwendigkeit eines zweiten Fahrzeugs für die Berufsausübung geäussert. Der Beschwerdeführer äussert sich denn auch in seiner Beschwerde an das Bundesgericht praktisch ausschliesslich zu seiner gesundheitlichen und beruflichen Situation und er schildert, weshalb er ein zweites Fahrzeug für die Berufsausübung benötige. Er erhofft sich vom Bundesgericht nunmehr einen Grundsatzentscheid zu diesem Thema.
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3.3. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Kantonsgericht untersucht hat, ob die Berufsausübung des Beschwerdeführers wirtschaftlich ist. Es handelt sich dabei um ein Kriterium, das bei der Anwendung von Art. 92 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG zu berücksichtigen ist (BGE 86 III 47 E. 2 S. 51 f.). Das Kantonsgericht ist wie dargestellt zum Schluss gekommen, dass die Berufsausübung des Beschwerdeführers unwirtschaftlich sei. Bei diesem Ergebnis ist es unnötig, über die Notwendigkeit des zweiten Fahrzeugs für diese Berufsausübung Erwägungen anzustellen. Allfällige Erwägungen dazu könnten nämlich am Ergebnis (Pfändbarkeit des zweiten Fahrzeugs) nichts mehr ändern. Das Kantonsgericht durfte diese Frage mithin offen lassen. Insbesondere besteht keine Pflicht, den Sachverhalt von Amtes wegen in Punkten abzuklären, die sich als unerheblich erweisen (vgl. Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2 SchKG). Sodann gebietet auch der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) nicht, dass sich das Gericht bzw. die Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen muss. Vielmehr kann sich das Gericht bzw. die Aufsichtsbehörde auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken (BGE 136 I 229 E. 5.2 S. 236; 138 I 232 E. 5.1 S. 237; 141 III 28 E. 3.2.4 S. 41; je mit Hinweisen). Auch Art. 29 Abs. 2 BV verlangt mit anderen Worten nicht, dass sich das Gericht bzw. die Aufsichtsbehörde mit Argumenten befassen müsste, die sich für die Beurteilung des Falles als unerheblich erweisen. Es wäre im Übrigen am Beschwerdeführer gelegen, sich bereits vor Kantonsgericht zur Wirtschaftlichkeit seiner Berufsausübung zu äussern. Dies hat er jedoch nicht getan, obschon bereits das Bezirksgericht - unter anderem - auf diesen Punkt abgestellt hatte.
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Da sich der Beschwerdeführer nicht mit den Erwägungen des Kantonsgerichts zur Wirtschaftlichkeit seiner Berufsausübung befasst, hat es für das Bundesgericht mit den kantonsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen zu diesem Punkt und der daraus gezogenen Schlussfolgerung sein Bewenden. Bei diesem Ergebnis besteht - wie bereits für das Kantonsgericht - auch für das Bundesgericht kein Anlass zu untersuchen, ob für den Beschwerdeführer zwei Fahrzeuge zur Berufsausübung notwendig sind.
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3.4. Der Beschwerdeführer verlangt eine Umtriebsentschädigung wegen der Verweigerungshaltung des Kantonsgerichts. Da es nach dem Gesagten beim angefochtenen Beschluss bleibt und das Kantonsgericht zu Recht die Notwendigkeit des zweiten Fahrzeugs für die Berufsausübung nicht untersucht hat, besteht kein Anlass, dem Beschwerdeführer eine Umtriebsentschädigung für das kantonale Verfahren zuzusprechen. Im Übrigen belegt er nicht, dass er vor Kantonsgericht eine Umtriebsentschädigung verlangt hätte.
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3.5. Die Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann.
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4. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Auch für das bundesgerichtliche Verfahren besteht keine Grundlage, dem Beschwerdeführer eine Umtriebsentschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Kantonsgericht Schwyz, Beschwerdekammer als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibung und Konkurs, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 4. Juni 2019
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Herrmann
 
Der Gerichtsschreiber: Zingg
 
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