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Informationen zum Dokument  BGer 1F_18/2019  Materielle Begründung
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BGer 1F_18/2019 vom 09.05.2019
 
 
1F_18/2019
 
 
Urteil vom 9. Mai 2019
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Chaix, Präsident,
 
Bundesrichter Fonjallaz, Muschietti,
 
Gerichtsschreiber Störi.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. Politische Gemeinde Wildhaus-Alt St. Johann,
 
2. A.A.________ und B. A.________,
 
Gesuchsteller,
 
alle vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Bösch,
 
gegen
 
C. C.________ und D. C.________,
 
Gesuchsgegner,
 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Beda Stähelin,
 
Baudepartement des Kantons St. Gallen, Lämmlisbrunnenstrasse 54, 9001 St. Gallen,
 
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung I, Webergasse 8, 9001 St. Gallen.
 
Gegenstand
 
Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 1C_138/2019 vom 6. März 2019.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Das Bundesgericht ist mit Urteil 1C_138/2019 vom 6. März 2019 auf eine Beschwerde der Politischen Gemeinde Wildhaus-Alt. St. Johann sowie von A.A.________ und B.A.________ wegen verspäteter Einreichung nicht eingetreten.
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B. Mit Revisionsgesuch vom 15. April 2019 beantragen die Politische Gemeinde Wildhaus-Alt. St. Johann sowie A.A.________ und B.A.________, diesen Entscheid aufzuheben und das Verfahren 1C_138/2019 wieder aufzunehmen.
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C. Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.
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Erwägungen:
 
1. Die Revision eines Bundesgerichtsurteils kann verlangt werden, wenn die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte, unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind (Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG). Die Revision kann u.a. auch verlangt werden, wenn das Bundesgericht einzelne Anträge unbeurteilt liess (Art. 121 lit. c BGG) oder in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigte (Art. 121 lit. d BGG).
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Die Beschwerdeführer machen geltend, ihre Beschwerde vom 4. März 2019 gleichentags und damit fristgerecht der Post übergeben zu haben, und nicht erst am 5. März 2019 um 10.20 Uhr, wie auf Track & Trace der Post ausgewiesen werde. Da das Bundesgericht im angefochtenen Entscheid im Vertrauen auf die Korrektheit der postalischen Angaben auf die Beschwerde ohne Weiterungen nicht eingetreten ist, konnten sich die Beschwerdeführer dazu nicht äussern. Sie dürfen daher im Revisionsverfahren geltend machen, die Beschwerde im Verfahren 1C_138/2019 fristgerecht eingereicht zu haben.
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Erwägung 2
 
 
Erwägung 2.1
 
2.1.1. Der Anwalt der Beschwerdeführer legt unter Hinweis auf die Datierung der Beschwerde und das Fristenbuch der Kanzlei dar, dass ihm und seinen Mitarbeitern der Ablauf der Beschwerdefrist am 4. März 2019 bewusst war. Er habe denn auch an diesem Tag noch mit den Beschwerdeführern für die Schlussredaktion Kontakt gehabt. Um 15.59 Uhr sei das Beweismittelverzeichnis, um 18.19 Uhr die Beschwerde und um 18.40 Uhr die Adressetikette ausgedruckt und abgespeichert worden. Wenige Minuten später sei die Beschwerde zusammen mit weiteren Sendungen von E.________ zur Hauptpost Bahnhofplatz gebracht und am Geschäftskundenschalter aufgegeben worden. Um ein Versehen am letzten Tag der Frist auszuschliessen, habe er sich persönlich vergewissert, dass seine Mitarbeiterin auch die hier zur Diskussion stehende Beschwerde mitgenommen habe. Diesen Ablauf könne sowohl er als auch E.________ bezeugen.
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2.1.2. Eine Aufgabe der Beschwerde am 5. März 2019, um 10.20 Uhr, wie von der Post ausgewiesen, könne auch deshalb nicht stimmen, weil zu diesem Zeitpunkt weder die Beschwerde noch irgendeine andere Sendung der Post übergeben worden sei, was von allen Mitarbeitern der Kanzlei bezeugt werden könne. Generell würde die eingehende Post der Kanzlei am Morgen vor der Öffnung der Kanzlei um 8 Uhr am Postfachschalter abgeholt; die ausgehende Post werde am Abend gesamthaft versandt.
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2.1.3. Die Beschwerde 1C_138/2019 sei, zusammen mit der weiteren Post der Kanzlei, wie üblich am Geschäftskundenschalter abgegeben worden. Dabei würden auf Wunsch der Post die Codelisten nicht direkt abgestempelt und dem Kunden ausgehändigt, sondern nach der Erfassung der Barcodes durch die Post gestempelt und den Postfachkunden ins Postfach gelegt. Die Quittierung der Sendung mittels gestempelter Codeliste sei für die hier zur Diskussion stehende Beschwerde (Sendungsnummer 99.60.043533.00000413) nicht erfolgt, was aber erst festgestellt worden sei, nachdem der Eingang des bundesgerichtlichen Nichteintretensentscheids Anlass zu Abklärungen gegeben habe. F.________ habe seitens der Post erklärt, es sei unverständlich, weshalb für die Sendung kein gestempelter Empfangsschein vorliege; an Unregelmässigkeiten beim Spätdienst vom 4. März 2019 und beim Scanning vom 5. März 2019 könnten sich die Mitarbeiter nicht erinnern; alle Sendungen würden "taggerecht" verarbeitet.
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2.1.4. Der Anwalt der Beschwerdeführer legt weiter dar, seine Mitarbeiterin E.________ habe zusammen mit der Beschwerde 1C_138/2019 vier Einschreibebriefe aufgegeben. Darunter habe sich zum Beispiel die Sendung 98.44.100781.05003543 befunden, die nachweislich falsch erfasst worden sei. Sie sei von der Post um 18.56 Uhr gescannt worden; die ihnen als Empfangsbestätigung ins Postfach gelegten Codelisten würden als Datum den 4. Dezember 2019 und als Uhrzeit 20 Uhr ausweisen. Laut Sendeverfolgungsausweis der Post wurde diese Sendung sowohl am 4. März 2019 um 18.56 Uhr als auch am 4. März 2019 um 10.17 Uhr aufgegeben. Wie sich aus der ins Recht gelegten E-Mail-Korrespondenz zwischen der Anwaltskanzlei und dem Gebietsleiter der Post, G.________, ergibt, wurden die Sendungen irrtümlich doppelt erfasst, da der Vermerk "bereits gescannt" gefehlt habe, sodass sie tags darauf im Back-Office nacherfasst worden seien; dabei erscheine die aktuelle Tageszeit, während das Datum manuell auf den Aufgabetag zurückgestellt werde.
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2.2. Damit ergibt sich, dass der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer glaubhaft und plausibel darlegt, dass die Beschwerde am 4. März 2019, kurz vor 19 Uhr, der Post übergeben wurde und dafür zwei Zeugen - sich selber und E.________ - anbietet. Für die weitere Behauptung, dass die Aufgabe nicht am 5. März 2019, 10.20 Uhr, erfolgt sein könne, bietet er sämtliche Kanzleimitarbeiter als Zeugen an.
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Auf der anderen Seite wurden vier von der Kanzlei am 4. März 2019 der Post übergebenen Sendungen nicht oder jedenfalls nur teilweise bzw. nicht auf Anhieb korrekt erfasst. Für die Beschwerde wurden, was die Post bestätigt, keine Empfangsquittungen ausgestellt. Eine plausible Erklärung für das Fehlen der Empfangsquittungen wäre offenkundig die, dass die Beschwerde versehentlich nicht erfasst wurde. Das erscheint auch deshalb nicht ausgeschlossen, weil ja auch bei der Erfassung von vier weiteren Sendungen unbestrittenermassen fehlerhaft gearbeitet wurde.
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Die Beschwerde wurde gemäss Track & Trace am 5. März 2019, um 10.20 Uhr, erfasst, nachdem vier andere Sendungen der Kanzlei um 10.17 Uhr "nacherfasst" worden waren. Diese zeitliche Nähe könnte daraufhin deuten, dass die Beschwerde und die vier Sendungen gemeinsam eingereicht und gemeinsam verarbeitet wurden, wobei die Beschwerde dabei möglicherweise erstmals - einen Tag zu spät - erfasst wurde. Die Post erklärt per E-Mail, sich auf ihr "Scanning" verlassen zu müssen, dessen Zuverlässigkeit sie aber wegen der fehlenden Empfangsquittungen in Bezug auf die Beschwerde nicht belegen kann. Somit bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass der Track & Trace-Auszug der Post das Datum der Aufgabe der Beschwerde am 5. März 2019, 10.20 Uhr, zutreffend festhält.
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Unter diesen Umständen ist ohne Weiterungen auf die plausible und glaubhafte Darstellung des Anwalts abzustellen, dass die Beschwerde am 4. März 2019 aufgegeben wurde. Er wird sich allerdings überlegen müssen, ob er weiterhin (fristwahrende) Einschreibesendungen aufgeben will, ohne auf einer umgehenden Quittierung des Empfangs durch die Post zu beharren.
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3. Das Revisionsgesuch ist damit gutzuheissen, das Urteil 1C_138/2019 aufzuheben und dieses Verfahren wiederaufzunehmen. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 BGG), und den Beschwerdeführern ist eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Das Revisionsgesuch wird gutgeheissen und das Urteil des Bundesgerichts 1C_138/2019 vom 6. März 2019 aufgehoben. Dieses Verfahren wird unter der neuen Nummer 1C_248/2019 wiederaufgenommen und weitergeführt.
 
2. Es werden keine Kosten erhoben.
 
3. Die Beschwerdeführer werden mit Fr. 1'000.-- aus der Bundesgerichtskasse entschädigt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Baudepartement des Kantons St. Gallen und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 9. Mai 2019
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Chaix
 
Der Gerichtsschreiber: Störi
 
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