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Informationen zum Dokument  BGer 9C_44/2019  Materielle Begründung
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BGer 9C_44/2019 vom 02.05.2019
 
 
9C_44/2019
 
 
Urteil vom 2. Mai 2019
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
 
Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino,
 
Gerichtsschreiber Grünenfelder.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Hochstrasser,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 15. November 2018 (VBE.2018.244).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Der 1964 geborene A.________ betreibt ein eigenes Reinigungsunternehmen. Im Juli 2013 meldete er sich erneut bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an, nachdem die IV-Stelle des Kantons Aargau einen Rentenanspruch am 17. April 2012 verneint hatte (bestätigt mit Urteil 9C_972/2012 vom 18. Februar 2013). Die Verwaltung liess A.________ zunächst durch Dr. med. B.________ psychiatrisch begutachten (Expertise vom 20. Juli 2015 samt ergänzender Stellungnahme vom 4. November 2015) und holte schliesslich beim Swiss Medical Assessment- and Business Center (nachfolgend: SMAB), Bern, ein orthopädisch-psychiatrisches Gutachten ein, das vom 9. Februar 2017 datiert. Gestützt darauf sprach sie A.________ nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren ab 1. August 2014 eine halbe Invalidenrente zu (Verfügung vom 19. Februar 2018).
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde des A.________ wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 15. November 2018 ab.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit den Rechtsbegehren, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihm eine ganze Invalidenrente zuzusprechen; eventualiter sei die Sache zwecks Bestimmung des Invaliditätsgrades, des funktionellen Leistungsvermögens bzw. zur Erhebung des medizinischen Sachverhaltes an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Erwägungen:
 
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2. Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Grundlagen zur Invalidität und Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 f. ATSG), zum Rentenanspruch bzw. dessen Umfang (Art. 28 Abs. 1 und 2 IVG) und zur Invaliditätsbemessung anhand der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG und Art. 28a Abs. 1 IVG) zutreffend dargelegt. Es hat überdies die Grundsätze betreffend die - analog der Rentenrevision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG vorzunehmende - Überprüfung des Anspruchs auf eine Invalidenrente im Zuge einer Neuanmeldung (BGE 133 V 108 E. 5.3 S. 112; 134 V 131 E. 3 S. 132 f.; 141 V 9 E. 2.3 S. 10 f.) richtig wiedergegeben. Korrekt sind auch die Ausführungen über die Funktion und den Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352), insbesondere was die Expertisen externer Spezialärzte anbelangt, welche im Rahmen des Verwaltungsverfahrens (vgl. Art. 44 ATSG) eingeholt wurden (BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 470). Darauf wird verwiesen.
5
3. 
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3.1. Streitgegenstand bildet in letzter Instanz einzig die Frage, ob der Beschwerdeführer Anspruch auf eine höhere als die zugesprochene halbe Invalidenrente hat, nachdem sich sein Gesundheitszustand gemäss verbindlicher (E. 1) Sachverhaltsfeststellung des kantonalen Gerichts seit der abweisenden Verfügung vom 17. April 2012 relevant verschlechtert hat.
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3.2. Die Vorinstanz hat dem bidisziplinären Gutachten des SMAB vom 9. Februar 2017 Beweiskraft zuerkannt, wonach insgesamt eine 50%ige Arbeitsfähigkeit für wechselbelastende, leichte Tätigkeiten bestehe; die psychiatrische Einschränkung der Arbeitsfähigkeit (20 %) komme angesichts des aus orthopädischer Sicht zumutbaren Halbtagespensums nicht zum Tragen. Das Invalideneinkommen hat das kantonale Gericht - unter Berücksichtigung eines 5%igen Abzugs vom Tabellenlohn (vgl. BGE 126 V 75 E. 5b S. 80) - anhand der vom Bundesamt für Statistik (BfS) herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (nachfolgend: LSE) auf Fr. 31'566.- festgelegt. Aus der Gegenüberstellung (vgl. Art. 16 ATSG) mit dem unbestritten gebliebenen Valideneinkommen (Fr. 76'372.-) hat es einen Invaliditätsgrad von (aufgerundet) 59 % ermittelt. Gestützt darauf hat die Vorinstanz die Verfügung der IV-Stelle vom 19. Februar 2018 bestätigt.
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4. Der Beschwerdeführer bringt verschiedene Rügen vor; im Wesentlichen macht er eine Verletzung von Art. 61 lit. c i.V. mit Art. 43 ATSG geltend, weil sich das kantonale Gericht nicht rechtsgenügend mit divergierenden Arztberichten auseinander gesetzt habe. Zudem seien Validen- und Invalideneinkommen nicht auf derselben Grundlage ermittelt worden. Schliesslich sei die Höhe des Leidensabzugs willkürlich tief.
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4.1. Insbesondere hat das kantonale Gericht mit Blick auf die verwaltungsinterne psychiatrische Aktenbeurteilung des med. pract. C.________ vom 13. November 2015 einlässlich begründet, weshalb das psychiatrische Gutachten des Dr. med. B.________ vom 20. Juli/4. November 2015 nicht überzeuge (vorinstanzliche Erwägung 2.1.2.1). Inwieweit in diesem Zusammenhang eine Rechtsverletzung vorliegen soll, wie dies beschwerdeweise geltend gemacht wird, ist nicht nachvollziehbar. Auf eine Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL) durfte das kantonale Gericht sodann rechtsprechungsgemäss ohne Weiteres verzichten (vgl. Urteile 8C_681/2017 vom 3. April 2018 E. 3.1.2.2 in fine und 8C_324/2016 vom 25. Juli 2016 E. 3.2.2 mit Hinweisen).
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4.2. In Bezug auf die Frage, ob dem Versicherten die Aufgabe seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit zumutbar sei, hat die Vorinstanz zu Recht auf ihren Entscheid vom 17. Oktober 2012 verwiesen, wonach der Zugang des Beschwerdeführers zum allgemeinen Arbeitsmarkt nicht erheblich erschwert sei und dessen Anstellungschancen als intakt beurteilt werden könnten. Wohl ist seither eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten (E. 3.1 in fine). Dies genügt jedoch nicht, dass die Aufgabe des eigenen Betriebs in concreto als gänzlich unzumutbar angesehen werden müsste, zumal dieser Schluss nur unter strengen - hier nicht gegebenen - Voraussetzungen zulässig ist (vgl. statt vieler: Urteil 9C_771/2017 vom 29. Mai 2018 E. 3.3.1) und ein Ausnahmefall überdies nicht ansatzweise (substanziiert) begründet wird (Art. 42 Abs. 2 BGG). Folglich bleibt es dabei, dass für das Invalideneinkommen, gegen dessen Festlegung der Beschwerdeführer weiter nichts einwendet, die LSE-Tabellenlöhne heranzuziehen sind.
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4.3. Soweit in der Beschwerde weiter moniert wird, es sei ein höherer Abzug vom Tabellenlohn vorzunehmen, betrifft dies eine reine Ermessensfrage. Die Höhe des (im konkreten Fall grundsätzlich angezeigten) Abzugs ist somit nur bei Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung durch das Bundesgericht korrigierbar (Urteil 9C_439/2018 vom 31. Januar 2019 mit Hinweis auf BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72).
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Davon kann nicht die Rede sein. Die Vorinstanz hat zutreffend erwogen, der Umstand alleine, dass der Beschwerdeführer nurmehr leichte Arbeiten ausführen könne, stelle keinen Grund für einen zusätzlichen Abzug dar, weil der herangezogene Tabellenlohn bereits eine Vielzahl derartiger Tätigkeiten umfasse (vgl. Urteil 8C_61/2018 vom 23. März 2018 E. 6.5.2 mit Hinweisen). Das Risiko für vermehrte krankheitsbedingte Absenzen gilt - anders als der Beschwerdeführer meint - sodann ebenfalls nicht als eigenständiges Abzugskriterium (Urteil 8C_91/2018 vom 14. Juni 2018 E. 6.2 mit Hinweisen). Mit Blick auf die übrigen in der Beschwerde geltend gemachten Faktoren ("multiples Beschwerdebild", psychisches Leiden, Alter) kann vollumfänglich auf die zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden. Dass die Vorinstanz abzugsrelevante Umstände übersehen hätte, ist nicht erkennbar. Somit hat es im Lichte der letztinstanzlich eingeschränkten Kognition mit einem Abzug von 5 % aufgrund der nur noch teilzeitlich zumutbaren Erwerbstätigkeit (E. 3.2) sein Bewenden (vgl. LSE 2014, Tabelle T18, Monatlicher Bruttolohn [Zentralwert] nach Beschäftigungsgrad, beruflicher Stellung und Geschlecht, Kompetenzniveau 1+2, Männer, Teilzeit [50 % - 74 %]; vgl. auch Urteil 9C_10/2019 vom 29. April 2019 E. 5.2).
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4.4. Auch anhand der sonstigen Vorbringen ist weder eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1 und 61 lit. c ATSG) noch des Art. 16 ATSG ersichtlich. Die Beschwerde ist unbegründet.
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5. Dem Verfahrensausgang entsprechend hat der unterliegende Beschwerdeführer die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 2. Mai 2019
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Pfiffner
 
Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder
 
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