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Informationen zum Dokument  BGer 9C_747/2018  Materielle Begründung
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BGer 9C_747/2018 vom 12.03.2019
 
 
9C_747/2018
 
 
Urteil vom 12. März 2019
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless,
 
Gerichtsschreiberin Dormann.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch B.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Ausgleichskasse Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, 4102 Binningen,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Ergänzungsleistung zur AHV/IV,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, vom 16. August 2018 (745 18 143 / 226).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Die 1939 geborene A.________ begab sich am 2. Mai 2017 zur stationären Langzeitpflege (Pflegestufe 5) in die Psychiatrische Klinik C.________, worauf sie sich bei der Ausgleichskasse Basel-Landschaft zum Bezug von Ergänzungsleistungen zur Rente der Alters- und Hinterlassenenversicherung anmeldete. Die Ausgleichskasse sprach ihr mit Verfügung vom 23. Mai 2017 eine Ergänzungsleistung in Höhe von Fr. 8'702.- für den Mai 2017 resp. von Fr. 9'040.- ab Juni 2017 zu.
1
Am 9. Oktober 2017 liess die durch ihre Tochter vertretene Versicherte der Ausgleichskasse mitteilen, dass sie am 5. Oktober 2017 in das Alters- und Pflegeheim D.________ eingetreten sei. Am 13. November 2017 traf bei der Verwaltung die Meldung des Alters- und Pflegeheims über die Einstufung der Versicherten in die Pflegestufe 2 und die entsprechenden Tagestaxen ein. In der Folge berechnete die Ausgleichskasse die Ergänzungsleistung neu. Mit Verfügung vom 17. November 2017 setzte sie den Anspruch für Oktober 2017 auf Fr. 2'736.- und ab November 2017 auf Fr. 1'961.- fest. Gleichzeitig verpflichtete sie A.________, im Oktober und November 2017 zu viel bezogene Ergänzungsleistungen im Betrag von Fr. 11'183.- zurückzuerstatten. Nach Erhalt einer Zahlungserinnerung zahlte die Versicherte diesen Betrag per 3. Januar 2018 der Ausgleichskasse. Diese bestätigte mit Einspracheentscheid vom 15. März 2018 ihre Verfügung vom 17. November 2017.
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 16. August 2018 ab, soweit es darauf eintrat.
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C. A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, der Entscheid vom 16. August 2018 sei aufzuheben, und die Rückforderung sei um den auf November 2017 entfallenden Teil in Höhe von Fr. 5'979.- zu reduzieren; zudem sei von der (ohne Anerkennung der Rechtmässigkeit) beglichenen Rückerstattung von Fr. 11'183.- der auf November 2017 entfallende Teil von Fr. 5'979.- zurückzuerstatten.
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Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Stellungnahme.
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Erwägungen:
 
1. 
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1.1. Nach Art. 9 Abs. 1 ELG (SR 831.30) entspricht die jährliche Ergänzungsleistung dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben (vgl. Art. 10 ELG) die anrechenbaren Einnahmen (vgl. Art. 11 ELG) übersteigen. Laut Art. 25 Abs. 1 lit. c ELV (SR 831.301; vgl. auch Art. 17 Abs. 2 ATSG [SR 830.1] i.V.m. Art. 1 Abs. 1 ELG) ist die jährliche Ergänzungsleistung insbesondere bei Eintritt einer voraussichtlich längere Zeit dauernden Verminderung der vom ELG anerkannten Ausgaben herabzusetzen. In diesem Fall ist die jährliche Ergänzungsleistung spätestens auf den Beginn des Monats, der auf die neue Verfügung folgt, neu zu verfügen; vorbehalten bleibt die Rückforderung bei Verletzung der Meldepflicht (Art. 25 Abs. 2 lit. c ELV).
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Die auf Art. 25 Abs. 2 lit. c ELV gestützte Aufhebung oder Herabsetzung der jährlichen Ergänzungsleistung erfolgt, falls keine Meldepflichtverletzung vorliegt, vom Beginn des Monats an, der dem Erlass der entsprechenden Verfügung unmittelbar folgt (Urteile 9C_305/2012 vom 6. August 2012 E. 4.4.3; P 63/02 vom 8. Mai 2003 E. 6.2.4; vgl. auch Rz. 3643.01 der vom BSV herausgegebenen Wegleitung über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV [WEL], welche Praxis durch die Rechtsprechung als verordnungskonform bezeichnet wurde [Urteil P 48/96 vom 5. Dezember 1997 E. 5b]; MARGIT MOSER-SZELESS, in: Commentaire romand, Loi sur la partie générale des assurances sociales, 2018, N. 45 zu Art. 17 ATSG; SYLVIE PÉTREMAND, in: Commentaire romand, Loi sur la partie générale des assurances sociales, 2018, N. 151 zu Art. 25 ATSG).
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1.2. Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt (Art. 25 Abs. 1 ATSG).
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Sofern die Verwaltung auf die Rückerstattung nicht verzichtet (vgl. Art. 3 Abs. 3 ATSV [SR 830.11]; SVR 2008 AHV Nr. 17 S. 51, H 168/06 E. 2), kann sie die Erlassfrage erst prüfen, wenn die Rechtsbeständigkeit der Rückerstattungsforderung feststeht (Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 4 ATSV; SVR 2015 AHV Nr. 10 S. 35, 9C_466/2014 E. 3.1 mit Hinweis). Somit sind für die Fragen nach der Rückerstattungspflicht einerseits und dem Erlass anderseits zwei getrennte Verfahren zu führen (Urteil P 62/04 vom 6. Juni 2005 E. 1.2 mit Hinweisen).
10
 
Erwägung 2
 
2.1. Das kantonale Gericht hat erwogen, die Neuberechnungen des Anspruchs auf jährliche Ergänzungsleistung infolge niedrigerer Tagestaxen ab dem 5. Oktober 2017 seien nachvollziehbar. Sodann sei "der Verfügungszeitpunkt über die Änderung des EL-Anspruchs" nicht zu beanstanden, da die Ausgleichskasse erst am 13. November 2017 Kenntnis von den neuen Heimkosten gehabt habe. Die Versicherte bestreite die "Frage bezüglich des Anspruchs auf die zu viel ausgerichteten Ergänzungsleistungen und deren Höhe" nicht. Deshalb habe die Ausgleichskasse zu Recht die zu viel ausbezahlten Ergänzungsleistungen von Fr. 11'138.- zurückgefordert. Weiter hat die Vorinstanz "im Interesse der Prozessökonomie" den Streitgegenstand ausgeweitet. Sie hat "trotz Wahrung der Meldepflicht" den guten Glauben der Versicherten beim Leistungsbezug und damit auch einen Anspruch auf Erlass der Rückerstattung verneint.
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2.2. Die - nicht anwaltlich vertretene - Beschwerdeführerin bemängelt in keiner Weise die Neuberechnung der Ergänzungsleistung an sich. Wie bereits in der vorinstanzlichen Beschwerde stellt sie sich aber auf den Standpunkt, sie sei ihrer Meldepflicht rechtzeitig nachgekommen, weshalb die Ausgleichskasse die (anschliessend) zu viel ausgerichteten Ergänzungsleistungen nicht zurückfordern dürfe. Die Verwaltung habe seit der Meldung vom 9. Oktober 2017 gewusst, dass die Tagestaxe im Heim wesentlich tiefer sei als jene in der psychiatrischen Klinik C.________, weshalb sie die Zahlung eines zu hohen Betrags im November 2017 und die entsprechende Rückforderung hätte verhindern können. Damit bestreite sie die Rechtmässigkeit der Rückforderung als solche. Erst wenn diese rechtskräftig feststehe, dürfe über den Erlass entschieden werden; im Übrigen habe sie sich keine grobe Nachlässigkeit zuschulden kommen lassen.
12
3. 
13
3.1. Ein Leistungsbezug ist rechtmässig, wenn und solange er auf einer rechtskräftigen Leistungszusprache beruht, und zwar auch, wenn diese - im Sinne von Art. 17 Abs. 2 ATSG resp. Art. 25 Abs. 1 lit. c ELV - nachträglich unrichtig geworden ist. Die für eine Rückforderung nach Art. 25 ATSG vorausgesetzte Unrechtmässigkeit des Leistungsbezugs ergibt sich in diesem Fall erst, wenn die ursprüngliche Leistungszusprache rückwirkend angepasst wird (UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 14 und 16 zu Art. 25 ATSG).
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3.2. Anders als die Vorinstanz (wie auch die Ausgleichskasse) anzunehmen scheint, beschlägt die (Nicht-) Erfüllung der Meldepflicht nicht nur die Frage nach dem guten Glauben im Zusammenhang mit dem Erlass einer Rückerstattung. Sie ist auch - vorab - für die Beurteilung der Unrechtmässigkeit des Leistungsbezugs von entscheidender Bedeutung, und zwar hinsichtlich des Zeitpunkts, auf den die hier interessierende jährliche Ergänzungsleistung herabgesetzt werden kann (vgl. E. 1.1).
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3.3. Nachdem die Versicherte (in Erfüllung ihrer Meldepflicht) der Ausgleichskasse den Wechsel in das Alters- und Pflegeheim zeitnah mitgeteilt hatte und die Anpassung der jährlichen Ergänzungsleistung am 17. November 2017 verfügt worden war, entfaltete die Herabsetzung ihre Wirkung erst ab dem 1. Dezember 2017. Damit liegt im Oktober und November 2017 kein unrechtmässiger Leistungsbezug im Sinne von Art. 25 Abs. 1 Satz 1 ATSG vor. Dies hätte das kantonale Gericht (von Amtes wegen) beachten müssen, zumal es innerhalb des umstrittenen Rechtsverhältnisses (Rückerstattungspflicht) nicht an die Begehren der Versicherten gebunden war (vgl. Art. 61 lit. d ATSG).
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3.4. Anders als die Vorinstanz darf das Bundesgericht nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen (Art. 107 Abs. 1 BGG). Die Anträge der Beschwerdeführerin betreffen explizit nur den auf November 2017 entfallenden Teil der Rückerstattungspflicht. Somit bleibt es, soweit es um im Oktober 2017 bezogene Leistungen geht, d.h. im Umfang von Fr. 5'204.-, vorerst (vgl. E. 3.5) bei der Rückerstattungspflicht. Der den November 2017 betreffende (und infolge Zahlungserinnerung vom 21. Dezember 2017 entrichtete) Betrag von Fr. 5'979.- unterliegt nicht der Rückerstattung, weshalb er der Beschwerdeführerin zurückzuzahlen ist.
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3.5. Die Ausdehnung des Anfechtungsgegenstandes auf eine ausserhalb des durch die Verfügung bestimmten Rechtsverhältnisses (hier: Rückerstattungspflicht) liegende Frage (hier: Erlass der Rückerstattung) ist unter der dreifachen Voraussetzung zulässig, dass sie (1.) spruchreif ist, (2.) mit dem bisherigen Streitgegenstand so eng zusammenhängt, dass von einer Tatbestandsgesamtheit gesprochen werden kann, und dass dazu (3.) das rechtliche Gehör gewährt worden ist (BGE 130 V 138 E. 2.1 S. 140 f., 501 E. 1.2 S. 503; Urteil 9C_594/2015 vom 29. April 2016 mit weiteren Hinweisen). Das kantonale Gericht hat verfrüht über den Erlass entschieden (E. 1.2), diesbezüglich war die Sache nicht spruchreif. Das Dispositiv des angefochtenen Entscheids enthält jedoch ohnehin keine Anordnung über den von der Versicherten bisher nicht beantragten Erlass. Nachdem die Rückerstattungsforderung erst mit diesem Urteil definitiv feststeht, ist es der Beschwerdeführerin unbenommen, bei der Ausgleichskasse um Erlass der verbleibenden Rückerstattung von Fr. 5'204.- (E. 3.4) zu ersuchen (vgl. E. 1.2; vgl. auch Urteil 9C_638/2014 vom 13. August 2015 E. 6).
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4. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 16. August 2018 und der Einspracheentscheid der Ausgleichskasse Basel-Landschaft vom 15. März 2018 werden insoweit abgeändert, als der Rückerstattungsbetrag auf Fr. 5'204.- reduziert wird. Die Beschwerdegegnerin wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin Fr. 5'979.- zurückzuzahlen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 12. März 2019
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Pfiffner
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann
 
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