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Informationen zum Dokument  BGer 8C_767/2018  Materielle Begründung
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BGer 8C_767/2018 vom 05.02.2019
 
 
8C_767/2018
 
 
Urteil vom 5. Februar 2019
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
 
Gerichtsschreiberin Schüpfer.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Katja Nikolova Hiller,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung (Rente; Integritätsentschädigung),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 5. Oktober 2018 (62/2016/1).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Der 1974 geborene A.________ arbeitete als Chauffeur bei der B.________ GmbH in C.________, als er sich am 31. Mai 2012 bei einem Treppensturz das linke Knie verletzte. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) bei der A.________ obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert war, leistete Heilbehandlung und richtete Taggeld aus. Nach erwerblichen und medizinischen Abklärungen, darunter eine kreisärztliche Untersuchung durch Prof. Dr. med. D.________, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie FMH vom 25. September 2013, verneinte die Suva mit Verfügung vom 11. November 2013 sowohl den Anspruch auf eine Invalidenrente als auch auf eine Integritätsentschädigung. Daran hielt sie auch auf Einsprache hin fest (Entscheid vom 10. Dezember 2015).
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B. Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Entscheid vom 5. Oktober 2018 ab.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, in Aufhebung des kantonalen Entscheides seien ihm eine Rente sowie eine Integritätsentschädigung von 5 % zuzusprechen. Ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren zog der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 19. November 2018 zurück.
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Das Bundesgericht holte die vorinstanzlichen Akten ein. Ein Schriftenwechsel findet nicht statt.
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Erwägungen:
 
1. 
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1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
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1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
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1.3. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 135 V 194). Das Vorbringen von Tatsachen, die sich erst nach dem angefochtenen Entscheid ereigneten oder entstanden (echte Noven), ist vor Bundesgericht unzulässig (BGE 143 V 19 E. 1.2 S. 22 f. mit Hinweisen).
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Der letztinstanzlich neu aufgelegte, erst nach dem angefochtenen Entscheid entstandene, Bericht des Dr. med. E.________, orthopädischer Chirurg FMH, vom 6. November 2018 hat als echtes Novum unbeachtlich zu bleiben. Überdies ist ohnehin lediglich der Sachverhalt zu beurteilen, wie er sich bis zum Erlass des Einspracheentscheides vom 10. Dezember 2015 entwickelt hat.
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2. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletze, indem sie in Bestätigung des Einspracheentscheides sowohl einen Rentenanspruch als auch einen solchen auf eine Integritätsentschädigung verneinte. Im Rahmen der Bemessung des Invaliditätsgrades nach Methode des Einkommensvergleichs beanstandet der Versicherte im Wesentlichen einzig die Festsetzung der beiden Vergleichseinkommen.
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3. 
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3.1. Ist eine versicherte Person infolge des Unfalls mindestens zu 10 Prozent invalid, so hat sie gemäss Art. 18 Abs. 1 UVG Anspruch auf eine Invalidenrente. Zur Bestimmung des Invaliditätsgrades wird gemäss Art. 16 ATSG das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der unfallbedingten Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (sog. Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (sog. Valideneinkommen).
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3.2. Zur Ermittlung des Valideneinkommens ist entscheidend, was die versicherte Person im Zeitpunkt des frühest möglichen Rentenbeginns nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde tatsächlich verdient hätte. Dabei wird in der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Verdienst angeknüpft, da es empirischer Erfahrung entspricht, dass die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre. Ausnahmen müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sein (BGE 129 V 222 E. 4.3.1 S. 224 mit Hinweisen; SVR 2016 UV Nr. 13 S. 39, 8C_215/2015 E. 4.2).
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3.3. Für die Festsetzung des Invalideneinkommens ist nach der Rechtsprechung primär von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die versicherte Person konkret steht. Übt sie nach Eintritt der Invalidität eine Erwerbstätigkeit aus, bei der - kumulativ - besonders stabile Arbeitsverhältnisse gegeben sind und anzunehmen ist, dass sie die ihr verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft, und erscheint zudem das Einkommen aus der Arbeitsleistung als angemessen und nicht als Soziallohn, gilt grundsätzlich der tatsächlich erzielte Verdienst als Invalidenlohn. Ist kein solches tatsächlich erzieltes Erwerbseinkommen gegeben, namentlich weil die versicherte Person nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit aufgenommen hat, so können nach der Rechtsprechung entweder Tabellenlöhne gemäss den vom Bundesamt für Statistik periodisch herausgegebenen Lohnstrukturerhebungen (LSE) oder die DAP-Zahlen (Dokumentation von Arbeitsplätzen durch die Suva) herangezogen werden (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475 mit Hinweisen). Die DAP-Datenbank steht allerdings nur der Suva, nicht aber den anderen zugelassenen Unfallversicherern im Sinne von Art. 58 UVG zur Verfügung (BGE 143 V 295 E. 2.2 S. 296 f.;139 V 592 E. 7.1 S. 596).
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3.4. Das Bundesgericht prüft eine Streitsache auch im Unfallversicherungsbereich, wo keine Bindung an den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt besteht (E. 1.2 hievor), nicht wie eine erstinstanzliche Behörde umfassend von Neuem, sondern hat nur zu untersuchen, ob die vorinstanzliche Entscheidung einer bundesgerichtlichen Überprüfung standzuhalten vermag (BGE 143 V 295 E. 2.4 S. 297 mit Hinweis).
15
4. 
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Erwägung 4.1
 
4.1.1. Das kantonale Gericht legte seinem Entscheid bezüglich des vom Beschwerdeführer zu erzielenden Invalideneinkommens das Zumutbarkeitsprofil gemäss dem kreisärztlichen Abschlussbericht vom 27. September 2013 zu Grunde. Demnach waren zu jenem Zeitpunkt nur noch minime Bewegungseinschränkungen des linken Kniegelenks festzustellen. Dem Versicherten seien leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Ausschluss von häufigem Knien, Hocken sowie Treppensteigen ganztags zumutbar. Gemäss Feststellung der Vorinstanz steht diese kreisärztliche Beurteilung auch nicht im Widerspruch zu weiteren in den Akten liegenden Arztberichten. Sie bestätigte das von der Suva unter Beizug der DAP ermittelte Invalideneinkommen von Fr. 64'892.- für das Jahr 2013 (1 E. 5.6).
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4.1.2. Der Beschwerdeführer rügt eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung. Die von der Suva ausgewählten DAP-Arbeitsplätze entsprächen nicht seinem medizinischen Zumutbarkeitsprofil.
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Das kantonale Gericht hat sich mit der schon im vorinstanzlichen Verfahren vorgetragenen Kritik an der Bemessung des Invalideneinkommens basierend auf den DAP-Lohnangaben der Beschwerdegegnerin eingehend auseinander gesetzt. Es hat insbesondere überzeugend dargelegt, weshalb von einer Verletzung des Auswahlermessens seitens der Suva keine Rede sein kann. Was der Versicherte hiegegen vorbringt, ist unbegründet. Insbesondere wird im angefochtenen Entscheid bereits ausführlich dargelegt, dass dem Beschwerdeführer auch rein stehende Tätigkeiten zumutbar und selbst Rotationen nicht ausgeschlossen sind. Eine blosse Wiederholung des bereits vor dem kantonalen Gericht vorgebrachten kann daran jedenfalls nichts ändern. Zu beachten ist bezüglich der kreisärztlichen Zumutbarkeitsbeurteilung denn auch, dass im Untersuchungszeitpunkt ein Status quo sine erreicht war und die Suva für den retropatellaren Knorpeldefekt und die bereits im Unfallzeitpunkt sichtbare Retropatellararthrose nicht aufzukommen hat. Inwiefern die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie den von der Suva auf Fr. 64'892.- festgesetzten Invalidenlohn bestätigte, ist daher nicht ersichtlich und wird auch nicht dargetan.
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4.2. Umstritten ist weiter das Valideneinkommen. Im angefochtenen Entscheid wurde dieses wie bereits im Einspracheentscheid aufgrund statistischer Werte (LSE 2012, Kompetenzniveau 1) ermittelt und auf Fr 71'212.- beziffert. Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei auf seinen zuletzt erzielten Lohn bei der B.________ GmbH, bei welcher er auch als Geschäftsführer gewirkt hatte, abzustellen. Er habe dabei einen durchschnittlichen Lohn von Fr. 9'570.- monatlich erzielt.
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4.2.1. Zwar wird das Valideneinkommen in der Regel auf der Basis des zuletzt erzielten Verdienstes ermittelt (E. 3.2 hievor). Dies ist indessen vorliegend nicht möglich, weil die B.________ GmbH am 27. August 2012 Konkurs angemeldet hat und der Versicherte damit im Verfügungszeitpunkt nicht mehr bei der bisherigen Arbeitgeberin tätig gewesen wäre. Weiter ist aufgrund der Akten auch nicht klar ersichtlich, wieviel der Beschwerdeführer bei dieser Firma zuletzt verdient hatte. In der Unfallmeldung vom 19. Juni 2012 wird der Lohn mit Fr. 6'000.- x 12 beziffert. Derselbe Lohn ist auch den Angaben im Fragebogen für Arbeitgebende der Invalidenversicherung zu entnehmen, wo vermerkt ist, der Beschwerdeführer habe seit dem Jahre 2008 Fr. 72'000.- pro Jahr verdient. Aus der Steuererklärung für das Jahr 2011ergibt sich, dass der Versicherte aus unselbstständiger Tätigkeit Fr. 59'159.- erzielte. Damit ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage der vom Beschwerdeführer behauptete Monatslohn von Fr. 9'570.- beruht. Ein Auszug aus einer Lohnliste für das Jahr 2007 kann jedenfalls nicht belegen, dass er ohne Unfall im Jahre 2013 diesen Betrag verdient hätte. Ebensowenig vermag der geltend gemachte Umstand, dass verschiedene Familienmitglieder des Beschwerdeführers eine Transportfirma betreiben, zu belegen, dass dieser ohne Unfall einen Lohn in der geltend gemachten Höhe verdienen würde.
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4.2.2. Damit steht fest, dass die Unfallversicherung und das kantonale Gericht zu Recht auf statistische Werte abgestellt haben. Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers liegt im Umstand, dass sie dabei auf das Kompetenzniveau 1 und nicht wie beantragt auf Niveau 3 abstellten, keine Bundesrechtsverletzung. Eine solche wird denn auch nicht begründet. Indem die Vorinstanz würdigte, dass der Versicherte weder eine Berufslehre abschloss noch Weiterbildungen vorweisen kann und auch keinen Fahrausweis für Lastwagen mit einem Gewicht von über 7,5 Tonen besitzt, hat sie sich im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens gehalten. Von einer bundesrechtswidrigen Rechtsanwendung beziehungsweise einem Verstoss gegen das Gleichbehandlungsgebot kann keine Rede sein. Damit hat es beim vorinstanzlich ermittelten Valideneinkommen und dem daraus resultierenden Invaliditätsgrad von 9 % sein Bewenden.
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5. Weiter macht der Beschwerdeführer die Ausrichtung einer Integritätsentschädigung geltend.
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5.1. Gemäss Art. 24 Abs. 1 UVG hat ein Versicherter Anspruch auf eine Integritätsentschädigung, wenn er durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität erleidet. Die Integritätsentschädigung bezweckt somit den Ausgleich immaterieller Unbill, die der Versicherte über den Zeitraum der medizinischen Behandlung hinaus fortbestehend und voraussichtlich das Leben lang erleidet (BGE 133 V 224 E. 5.1 S. 230).
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5.2. Der Beschwerdeführer legt nicht substantiiert dar, weshalb er Anspruch auf eine Integritätsentschädigung haben sollte. Auf dieses Rechtsbegehren ist folglich auch nicht weiter einzugehen (vgl. zur Rüge- und Begründungspflicht E. 1.1). Jedenfalls vermag ein letztinstanzlich nicht zu beachtender Arztbericht (vgl. E. 1.3) keinen solchen zu begründen. Entgegen den Vorbringen in der Beschwerde steht der Anspruch auf eine Integritätsentschädigung auch in keinem Zusammenhang mit einer möglichen Invalidiät.
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6. Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 5. Februar 2019
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Maillard
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Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer
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