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Informationen zum Dokument  BGer 6B_660/2018  Materielle Begründung
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BGer 6B_660/2018 vom 18.01.2019
 
 
6B_660/2018
 
 
Urteil vom 18. Januar 2019
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Bundesrichter Rüedi,
 
Bundesrichterin Jametti,
 
Gerichtsschreiberin Unseld.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Fatih Aslantas,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Widerhandlung gegen das Waffengesetz,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 23. Mai 2018
 
(SK 17 384).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Das Regionalgericht Oberland verurteilte X.________ mit Urteil vom 7. Juli 2017 wegen Vergehens gegen das Waffengesetz zu einer bedingten Geldstrafe von 8 Tagessätzen zu Fr. 100.-- und einer Busse von Fr. 200.--. Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte am 23. Mai 2018 auf Berufung von X.________ das erstinstanzliche Urteil. Es wirft X.________ vor, er habe im Internet ein Klappmesser vom Typ "Kershaw Brawler" bestellt und dieses ohne Ausnahmebewilligung sowie ohne Einfuhrbewilligung auf dem Postweg in die Schweiz eingeführt.
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B. X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil vom 23. Mai 2018 sei aufzuheben und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen.
2
C. Das Obergericht des Kantons Bern verzichtete auf eine Stellungnahme. Die Staatsanwaltschaft liess sich nicht vernehmen.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt, das von ihm erworbene Messer "Kershaw Brawler" sei keine Waffe im Sinne des Waffengesetzes, weshalb er weder eine Ausnahmebewilligung noch eine Einfuhrbewilligung benötigt habe, um das Messer zu erwerben und in die Schweiz einzuführen. Die Vorinstanz habe ihn ohne hinreichende gesetzliche Grundlage schuldig gesprochen. Zur Begründung argumentiert er im Wesentlichen, es sei zwischen Messern mit federbasierter Öffnung (welche via Knopfdruck ausgelöst werde) und solchen mit federassistierter Öffnung (die via manuelle Vorarbeiten eingeleitet werde) zu unterscheiden. Erstere seien klar verbotene Springmesser mit einhändig bedienbarem automatischem Auslösemechanismus im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1997 über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG; SR 514.54) sowie Art. 7 Abs. 1 lit. a und Art. 10 Abs. 1 lit. b der Verordnung vom 2. Juli 2008 über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffenverordnung, WV; SR 514.541). Letztere - wozu auch das beanstandete Messer des Typs "Kershaw Brawler" gehöre - würden demgegenüber nicht unter den Begriff der Waffen im Sinne des Waffengesetzes fallen. Komme die Klingenbewegung nicht ohne Muskelkraft und Geschicklichkeit aus, liege kein automatischer, sondern ein manueller Auslösemechanismus vor.
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1.2. Des Vergehens gegen das Waffengesetz im Sinne von Art. 33 Abs. 1 lit. a WG macht sich u.a. strafbar, wer ohne Berechtigung Waffen erwirbt oder in das schweizerische Staatsgebiet verbringt. Als Waffen gelten gemäss Art. 4 Abs. 1 lit. c WG u.a. Messer, deren Klinge mit einem einhändig bedienbaren automatischen Mechanismus ausgefahren werden kann. Art. 7 Abs. 1 WV präzisiert Art. 4 Abs. 1 lit. c WG dahingehend, dass Messer als Waffen gelten, wenn sie einen einhändig bedienbaren Spring- oder anderen automatischen Auslösemechanismus aufweisen (lit. a), geöffnet insgesamt mehr als 12 cm lang sind (lit. b) und eine Klinge haben, die mehr als 5 cm lang ist (lit. c). Der Erwerb von Messern im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. c WG bzw. von Messern, deren Klinge durch einen einhändig bedienbaren Auslösemechanismus, namentlich durch Feder, Gasdruck oder Gummiband, automatisch ausgelöst wird, und deren Verbringen in das schweizerische Staatsgebiet ist verboten (Art. 5 Abs. 1 lit. c WG und Art. 10 Abs. 1 lit. b WV).
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1.3. Beim Messer des Typs "Kershaw Brawler" handelt es sich um ein einhändig bedienbares, federunterstütztes Klappmesser mit einer Gesamtlänge von 18,7 cm und einer Klingenlänge von 8,3 cm. Geöffnet wird es mit einem sogenannten Flipper, das heisst einer Art Vorsprung/Klappmechanismus, der aus dem Griff des Messers herausragt und rückseitiger Bestandteil der Klinge ist. Dieser Flipper wird mit dem Zeigefinger in Richtung "hinten" gedrückt. Wird ein gewisser Anfangsdruck ausgeübt, beginnt die Klinge sich auszufahren. Bei einem Winkel von ca. 30 Grad (von 180 Grad) setzt die Federunterstützung ein und die Klinge klappt aufgrund der in das Gehäuse eingebauten Federspannung sofort vollständig aus (vgl. angefochtenes Urteil E. 9 S. 6 f.; Beschwerde S. 4 f.).
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Erwägung 1.4
 
1.4.1. Das Messer des Typs "Kershaw Brawler" kann folglich dank der Federunterstützung einhändig geöffnet werden. Es verfügt demnach über einen einhändig bedienbaren automatischen Auslösemechanismus im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. c WG sowie Art. 7 Abs. 1 lit. a und Art. 10 Abs. 1 lit. b WV. Federn sind in der nicht abschliessenden Aufzählung von Art. 10 Abs. 1 lit. b WV ausdrücklich als Beispiel für einhändig bedienbare automatische Auslösemechanismen genannt.
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1.4.2. Das beurteilte Messer unterscheidet sich entgegen der Kritik des Beschwerdeführers kaum von dem vom Beschwerdeführer beschriebenen Springmesser, das via Knopfdruck geöffnet wird, und typischerweise als Waffe im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. c WG gilt. Auch die Betätigung eines Druckknopfes erfolgt durch den Einsatz von Muskelkraft; auch insofern ist ein gewisser manueller Druck nötig, damit der Anfangswiderstand überwunden und die Klinge ausgefahren werden kann. Zudem setzt jede Initiierung eines Auslösemechanismus - wie der Beschwerdeführer selber anerkennt - ein menschliches Zutun voraus. Das Nach-hinten-Drücken des Flippers mit dem Zeigefinger beim Messer des Typs "Kershaw Brawler" ist mit einem Knopfdruck praktisch identisch. Dieser Vorgang bedarf entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers kaum feinmotorischer Geschicklichkeit und kommt insofern dem Drücken eines Knopfes gleich. Die Vorinstanz stellt zudem verbindlich fest, für die Betätigung des Flippers mit dem Zeigefinger genüge "wenig Muskelkraft" (angefochtenes Urteil E. 9 S. 7). Im Übrigen kann auch nicht entscheidend sein, ob man für die einhändige Bedienung eines automatischen Auslösemechanismus eines Messers eher geschickt sein muss. Ebenfalls unerheblich ist, dass die Klinge durch das Nach-hinten-Drücken des Flippers bereits ein kleines Stück (ca. 30 Grad) geöffnet wird, bevor die Federunterstützung einsetzt. Dieser Vorgang ist beim beanstandeten Messer Bestandteil des automatischen Auslösemechanismus und ändert nichts daran, dass das Messer insgesamt nur aufgrund der Federunterstützung einfach einhändig geöffnet werden kann. Beim fraglichen Messer ist rein praktisch zudem kaum zu unterscheiden zwischen der zunächst manuellen Öffnung und der danach einsetzenden Federunterstützung, da sich das Messer nach dem Nach-hinten-Drücken des Flippers sofort wie von alleine öffnet (vgl. angefochtenes Urteil E. 13.1 S. 11 f.). Die vorinstanzliche Auslegung ist mit dem Gesetzeswortlaut ohne Weiteres vereinbar.
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1.4.3. Zu keinem anderen Ergebnis führt die teleologische Gesetzesauslegung. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass Messer, die mit einer Vorrichtung versehen sind, welche erlaubt, die Klinge einhändig einsatzbereit zu machen, gefährlich sind, da sie ohne Verletzungsgefahr für den Träger verdeckt mitgeführt werden können und dank ihrer speziellen Öffnungsvorrichtungen dennoch sofort einsatzbereit sind (Botschaft vom 24. Januar 1996 zum Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition, BBl 1996 I 1053 ff., 1058). Dies trifft auf das vorliegend zu beurteilende Messer des Typs "Kershaw Brawler" offensichtlich zu. Der Gesetzgeber sah nur in Ausnahmefällen (z.B. für Behinderte oder bestimmte Berufsgruppen) eine Notwendigkeit, Messer solcher Konstruktionsweise für bestimmte Verrichtungen zu verwenden. Er wollte solche Messer mit Art. 4 Abs. 1 lit. c WG daher dem Waffengesetz unterstellen (BBl 1996 I 1058).
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1.5. Die übrigen Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 1 WV betreffend die Messer- und Klingenlänge sind ebenfalls erfüllt. Der Beschwerdeführer bestreitet vor Bundesgericht zudem nicht, dass er das beanstandete Messer erwarb und in die Schweiz einführte und dass er mit Vorsatz handelte. Die Vorinstanz sprach diesen daher zu Recht des Vergehens gegen das Waffengesetz im Sinne von Art. 33 Abs. 1 lit. a WG schuldig.
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2. Die Beschwerde ist abzuweisen. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 18. Januar 2019
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Die Gerichtsschreiberin: Unseld
 
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