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Informationen zum Dokument  BGer 9C_658/2018  Materielle Begründung
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BGer 9C_658/2018 vom 11.01.2019
 
 
9C_658/2018
 
 
Urteil vom 11. Januar 2019
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless,
 
Gerichtsschreiber Fessler.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Schneeberger,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (Rente),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 21. August 2018 (200 18 14 IV).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________ meldete sich im November 2014 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Berufliche Integration/Rente) an. Die IV-Stelle Bern liess den Versicherten bidisziplinär (orthopädisch und psychiatrisch) untersuchen (Expertise Dres. med. B.________ und C.________ vom 13. Juli 2015). Weiter ordnete sie eine psychiatrische Verlaufsbegutachtung an (Expertise Dr. med. C.________ vom 16. Juni 2017). Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren wies die IV-Stelle mit Verfügung vom 21. November 2017 das Leistungsbegehren ab.
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B. Die Beschwerde des A.________ mit dem Antrag auf Zusprechung einer Rente wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, mit Entscheid vom 21. August 2018 ab.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, der Entscheid vom 21. August 2018 sei aufzuheben, und es sei ihm ab 1. Februar 2017 mindestens eine halbe Rente zuzusprechen.
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Die IV-Stelle Bern ersucht um Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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Erwägungen:
 
1. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem wegen Verletzung von Bundesrecht erhoben werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig [willkürlich; BGE 142 II 433 E. 4.4 S. 444] ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG).
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Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). In diesem Rahmen prüft es grundsätzlich frei, ob ein medizinisches Gutachten Beweiswert hat, d.h. den diesbezüglichen Anforderungen genügt (vgl. dazu BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; Urteil 9C_203/2018 vom 23. Juli 2018 E. 1 mit Hinweis).
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2. Der angefochtene Entscheid verneint den Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Rente der Invalidenversicherung (Art. 28 Abs. 2 IVG) ab dem frühest möglichen Leistungsbeginn am 1. August 2015 (Art. 28 Abs. 1 lit. b und Art. 29 Abs. 1 und 3 IVG). Dieser beantragt mindestens eine halbe Rente ab 1. Februar 2017. Aus der Begründung ergibt sich bei Stichhaltigkeit seiner Vorbringen ein Rentenbeginn am 1. Februar 2016.
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3. Die Vorinstanz hat im Wesentlichen erwogen, gemäss der beweiskräftigen Einschätzung des orthopädischen Gutachters in der Expertise vom 13. Juli 2015 sei dem Beschwerdeführer zufolge der verminderten Belastbarkeit vor allem der unteren Wirbelsäule die angestammte Arbeit als Metallbauschlosser seit August 2014 nicht mehr zumutbar, während er in leidensangepassten Tätigkeiten nie längerdauernd eingeschränkt gewesen sei. Der psychiatrische Gutachter habe in seiner Verlaufsexpertise vom 16. Juni 2017 als Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10 F33.1) und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.4) genannt. Er habe seit der Aufnahme der psychiatrischen Behandlung im Februar 2016 sowohl für die bisherige als auch eine Verweisungstätigkeit eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % bescheinigt. Es könne offenbleiben, ob die klassifikatorischen Vorgaben einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung eingehalten seien. Es seien Ausschlussgründe im Sinne von BGE 141 V 281 E. 2.2.1 S. 287 gegeben, welche gegen die Annahme einer psychisch bedingten invalidisierenden Gesundheitsbeeinträchtigung sprächen; zudem falle die Indikatorenprüfung nach BGE 141 V 281 zuungunsten des Beschwerdeführers aus. In der Gesamtbetrachtung fehle es am erforderlichen funktionellen Schweregrad der diagnostizierten psychischen Störung. Vor diesem Hintergrund erübrige sich eine Konsistenzprüfung (BGE 141 V 281 E. 4.4 S. 303 f.). Somit verbleibe aus rechtlicher Sicht allein die somatisch begründete qualitative Einschränkung im medizinischen Zumutbarkeitsprofil bei 100%iger Arbeitsfähigkeit massgebend. Auf dieser Grundlage ermittelte die Vorinstanz durch Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG i.V.m. Art. 28a Abs. 1 IVG) einen Invaliditätsgrad von maximal 34 %, was für den Anspruch auf eine Rente nicht ausreicht (Art. 28 Abs. 2 IVG).
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4. Die Begründung der Vorinstanz, weshalb rechtlich von einer aus psychiatrischer Sicht nicht eingeschränkten Arbeitsfähigkeit auszugehen sei, verletzt Bundesrecht:
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4.1. Beruht die Leistungseinschränkung auf Aggravation oder einer ähnlichen Konstellation, die eindeutig über die blosse (unbewusste) Tendenz zur Schmerzausweitung und -verdeutlichung hinausgeht, ohne dass das aggravatorische Verhalten auf eine verselbständigte, krankheitswertige psychische Störung zurückzuführen wäre, fällt eine versicherte Gesundheitsschädigung ausser Betracht und ein Rentenanspruch ist ausgeschlossen (BGE 141 V 281 E. 2.2.1 S. 287). Ob ein Ausschlussgrund gegeben ist, bedarf einer sorgfältigen Prüfung auf möglichst breiter Beobachtungsbasis auch in zeitlicher Hinsicht (Urteil 9C_899/2014 vom 29. Juni 2015 E. 4.2.3, in: SVR 2015 IV Nr. 38 S. 121; vgl. auch Urteil 9C_621/2018 vom 27. November 2018 E. 5.3.3).
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4.1.1. Nach insoweit unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz gelangte der orthopädische Gutachter im Rahmen der bidisziplinären Begutachtung von 2015 zum Schluss, dass sich die völlig diffus unter anderem den ganzen Bewegungsapparat umfassenden, permanent auftretenden und unablässig zunehmenden Beschwerden in keiner Weise begründen liessen. Die anamnestische und klinische Präsentation mit massivem, zum Teil grotesk anmutendem Schmerzgebaren sei keinesfalls nachvollziehbar. Es bestehe eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Schmerzschilderungen einerseits und den objektivierbaren Befunden andererseits. Der psychiatrische Gutachter habe aus seiner Optik konstatiert, dass anlässlich der Exploration eine erhebliche Diskrepanz zwischen den als sehr einschränkend geklagten Schmerzen und der psychischen Befindlichkeit bestanden habe. In der bidisziplinären Beurteilung sei er mit dem Orthopäden einig gegangen, dass das übertriebene Schmerzgebaren auch als aggravatorisches Verhalten zu werten sei.
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4.1.2. Wie der Beschwerdeführer vorbringt, hielt derselbe psychiatrische Experte im Verlaufsgutachten vom 16. Juni 2017 indessen fest, dass keine Hinweise auf Aggravation vorhanden und in der Untersuchung keine Diskrepanzen aufgefallen seien. Dieser Umstand verbietet die Annahme, es liege ein Ausschlussgrund vor. Daran vermögen sämtliche von der Vorinstanz angeführten Gründe, welche für die gegenteilige Auffassung sprechen sollen, nichts zu ändern, zumal auch sie zutreffend davon ausgeht, dass die Feststellung von Aggravation, Simulation oder Somatisierung grundsätzlich Sache des psychiatrischen Facharztes ist.
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Erwägung 4.2
 
4.2.1. Will, weiter, die Frage offengelassen werden, ob die klassifikatorischen Vorgaben einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung nach ICD-10 F45.4 gegeben sind (vgl. BGE 130 V 396 E. 6.1 S. 400 und BGE 141 V 281 E. 2.1.1-2 S. 285 ff.), muss konsequenterweise bei der Indikatorenprüfung vom Vorliegen dieses Beschwerdebildes ausgegangen werden. Indessen hat die Vorinstanz den Indikator "Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde und Diagnosen" (Kategorie "funktioneller Schweregrad, Komplex "Gesundheitsschädigung"; BGE 141 V 281 E. 4.1.3 S. 297) eingeschränkt auf das mittelgradige depressive Zustandsbild geprüft. Im Übrigen kann die Frage, ob die klassifikatorischen Vorgaben einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung nach ICD-10 F45.4 gegeben sind, in der Regel jedenfalls dann nicht offengelassen werden, wenn auf eine Prüfung der beweisrechtlich entscheidenden Kategorie "Konsistenz (Gesichtspunkte des Verhaltens) " (BGE 141 V 281 E. 4.1.3 und E. 4.4 S. 298 ff.) verzichtet wird, wie das die Vorinstanz getan hat, sinngemäss weil es am Ergebnis einer aus rechtlicher Sicht fehlenden psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit nichts änderte.
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4.2.2. Als einen wesentlichen Grund gegen das Vorliegen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung hat die Vorinstanz angeführt, das Schmerzgeschehen habe bereits im Zeitpunkt der ersten Begutachtung im Jahre 2015 bestanden. Es sei nicht erkennbar, inwieweit die emotionalen Konflikte und psychosozialen Probleme, welche gemäss dem psychiatrischen Experten seither hinzugetreten waren, hier ursächliche Einflüsse des Schmerzgeschehens seien. Dagegen wendet der Beschwerdeführer zu Recht ein, dass es für die Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung nach ICD-10 F45.4 insoweit genügt, wenn die Schmerzen durch die emotionalen Konflikte oder psychosozialen Belastungen aufrechterhalten werden (BGE 141 V 281 E. 4.3.1.1 S. 298 f.). Im Übrigen habe der psychiatrische Experte im Rahmen der Verlaufsbegutachtung erstmals von seiner schwierigen und gewaltbeladenen Kindheit erfahren. Er sei von seinem Vater geschlagen, von seinen Eltern nie richtig akzeptiert und als Versager beschimpft worden. Obschon vom psychiatrischen Experten als relevanter Faktor für die psychischen Störungen eingestuft, habe die Vorinstanz seine traumatische Kindheit einfach ignoriert.
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4.3. Sodann hat die Vorinstanz in gewisser Weise folgerichtig, jedoch unzutreffend, beim Indikator "Komorbiditäten" (BGE 141 V 281 E. 4.3.1.3 S. 300) lediglich die degenerativen Veränderungen am Bewegungsapparat als körperliche Begleiterkrankung zur depressiven Störung in die Prüfung miteinbezogen. Diesen hat sie keine Bedeutung beigemessen, weil sie nicht zu einer quantitativen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit führten. Indessen gibt der Umstand, dass die Arbeitsfähigkeit in einer dem Belastungsprofil entsprechenden Tätigkeit nicht eingeschränkt ist, keine Antwort auf die im Kontext interessierende Frage, inwiefern sich körperliche (oder psychische Begleit-) Erkrankungen auf die Ressourcen bzw. deren Mobilisierung auswirken (BGE 143 V 418 E. 8.1 S. 429; Urteil 9C_636/2018 vom 20. Dezember 2018 E. 6.2.3). Im Übrigen kann gemäss Vorinstanz dem depressiven Zustandsbild nicht jegliche ressourcenhemmende Wirkung abgesprochen werden. Ihre Feststellung, dass es sich dabei hauptsächlich um ein reaktives Geschehen handle, beruhend auf psychosozialen Belastungsfaktoren, welche als invaliditätsfremd auszuklammern seien, nimmt sie in erster Linie eine dem medizinischen Sachverständigen vorbehaltene Beurteilung vor. Abgesehen davon hielt der psychiatrische Experte in seinem Verlaufsgutachten vom 16. Juni 2017 (S. 14 Z. 8.3) bei der Frage nach invaliditätsfremden Faktoren fest, der Explorand sei arbeitslos, er befinde sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Diese invaliditätsfremden Faktoren lägen indessen deutlich im Hintergrund. Daraus ist zu folgern, dass der Gutachter von einer Verselbständigung des psychischen Leidens ausging (vgl. BGE 127 V 294 E. 5a S. 299).
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Erwägung 4.4
 
4.4.1. Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid ist der Beschwerdeführer "in der Lage, Freude an seinem Hund zu empfinden, täglich um 06.00 Uhr aufzustehen, um diesen zu füttern, spazieren zu gehen, in die Natur zu fahren und mit dem Hund zu spielen, Einkäufe zu erledigen, regelmässigen Besuch von seiner Mutter zu erhalten, ab und zu - wenn auch selten - zu kochen, die Wäsche zu erledigen, ein wenig zu putzen und sich gelegentlich mit Spielen auf dem Computer zu beschäftigen". Dies deute gemäss Vorinstanz auf in weiten Teilen erhaltene Alltagsfunktionen hin, was mit den Schmerzangaben (diffuse ubiquitäre Schmerzen bei blosser Palpation) nicht vereinbar sei. Vor diesem Hintergrund falle eine schwere Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde und Symptome ausser Betracht (unter Hinweis auf das Urteil 9C_367/2015 vom 21. April 2016 E. 3.3.2).
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Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, er habe dem psychiatrischen Gutachter gegenüber angegeben, die einzige Freude bereite ihm noch sein Hund. Es sei stossend, diese Äusserung als erhebliche positive Ressource auszulegen. Verständlicher erscheine, dass der Experte unter anderem aus dieser Feststellung auf eine Depression und dadurch verminderte Ressourcen schloss. Des Weitern lasse die Vorinstanz wesentliche Umstände unerwähnt. So habe er angegeben, nachts nicht regelmässig zu schlafen, auch tagsüber zum Teil einige Stunden zu schlafen, keinen festen Rhythmus zu haben. Die Spaziergänge mit dem Hund müssten meistens mit dem Elektromobil ausgeführt werden. Die Einkäufe erledige er mit seinem Fahrzeug. Bei schwereren Einkäufen helfe ihm seine Mutter, die ihn ca. alle vierzehn Tage besuche. Benütze er nicht das Elektromobil, sei er zur Fortbewegung auf zwei Stöcke angewiesen. Der mehr oder weniger regelmässige Besuch einer Gassenküche könne sodann nicht als Indiz für in weiten Teilen erhaltene Alltagsfunktionen gewertet werden. Schliesslich würdige die Vorinstanz zwar positiv, dass er sich gelegentlich mit Spielen auf dem Computer beschäftige; sie verschweige jedoch, dass er ausgesagt hatte, Mühe zu haben, sich zu konzentrieren und keine richtigen Filme mehr ansehen könne.
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Vor dem Hintergrund des in E. 4.2 Gesagten erscheint fraglich, ob die von der Vorinstanz angeführten Aktivitäten im Alltag den Schluss auf eine nicht schwere Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde und Symptome zulassen. Das im angefochtenen Entscheid zitierte Urteil 9C_367/2015 vom 21. April 2016 E. 3.3.2 ist nicht einschlägig, wie in der Beschwerde vorgebracht wird. Im Übrigen ist zu beachten, dass der Beschwerdeführer aus psychiatrischer Sicht lediglich zu 50 % arbeitsunfähig ist, was ein bestimmtes Mass an (Freizeit-) Aktivitäten zulässt (Urteil 9C_636/2018 vom 20. Dezember 2018 E. 6.3.1.2).
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4.4.2. Zum Indikator "Behandlungserfolg oder -resistenz" (BGE 141 V 281 E. 4.3.1.2 S. 299) hat die Vorinstanz festgestellt, der Versicherte habe erstmals im Februar 2016 eine ambulante psychiatrische Behandlung in Anspruch genommen. Gemäss dem Verlaufsgutachten sei die bisherige Therapie lege artis durchgeführt worden und es sollen keine weiteren Therapieoptionen bestehen. Abgesehen von einer kurzen Hospitalisation im Rahmen einer fürsorgerischen Unterbringung hätten keine stationären oder teilstationären Massnahmen stattgefunden. Sodann bestünden keine Anhaltspunkte, dass der Komplex "Persönlichkeit" (Persönlichkeitsdiagnostik, persönliche Ressourcen; BGE 141 V 281 E. 4.3.2 S. 302) einer Erwerbstätigkeit entgegenstehen würden. Schliesslich spreche der Komplex "Sozialer Kontext" (BGE 141 V 281 E. 4.3.3 S. 303) gegen die rechtliche Anerkennung der geltend gemachten Einschränkungen. Das soziale Umfeld halte weiterhin gewisse Ressourcen bereit. Zu berücksichtigen sei, dass der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben im Rahmen der ersten Begutachtung 2015 schon immer eher zurückgezogen gelebt und sich in seiner Freizeit um das (mittlerweile verkaufte) Haus mit Garten gekümmert habe. Zudem sei eine gewisse Isolation auf die Ehetrennung bzw. -scheidung zurückzuführen. Immerhin treffe er sich regelmässig mit seiner Mutter und gehe mehr oder weniger regelmässig in einer Gassenküche essen.
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Aus diesen Erwägungen lässt sich nichts Entscheidendes in Bezug auf den funktionellen Schweregrad der psychischen Beeinträchtigung ableiten. Insbesondere ist davon auszugehen, dass der psychiatrische Gutachter in der Verlaufsexpertise vom 16. Juni 2017 in Kenntnis der Expertise vom 13. Juli 2015 einen ausgeprägten sozialen Rückzug feststellte, wie der Beschwerdeführer unter anderem vorbringt.
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5. Nach den Darlegungen in E. 4 hiervor vermag die Indikatorenprüfung der Vorinstanz in verschiedenen Punkten nicht zu überzeugen. Umgekehrt kann nicht ohne weiteres (auch) aus rechtlicher Sicht auf die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit von 50 % in einer körperlich angepassten Tätigkeit im psychiatrischen Verlaufsgutachten vom 16. Juni 2017 abgestellt werden: Es besteht Erklärungsbedarf, weshalb der Versicherte erst im Rahmen der zweiten psychiatrischen Begutachtung von seiner schwierigen Kindheit erzählte und im Unterschied zur Untersuchung im Jahre 2015 kein aggravatorisches Verhalten (mehr) festgestellt werden konnte. Sodann ist zu beachten, dass der psychiatrische Experte zwar festhielt, die invaliditätsfremden Gründe würden gegenüber den Funktionseinschränkungen, welche direkte Folge der Gesundheitsschädigung seien, deutlich im Hintergrund stehen, dabei jedoch lediglich die Arbeitslosigkeit und die schwierige wirtschaftliche Lage des Exploranden erwähnte. Es bestanden indessen noch weitere belastende Umstände, namentlich die Trennung und Scheidung sowie der Hausverkauf. Weiter fehlen im Verlaufsgutachten einlässlichere Ausführungen zu den Ressourcen des Beschwerdeführers, welche die schmerzbedingte Belastung kompensieren können und damit die Leistungsfähigkeit begünstigen (BGE 141 V 281 E. 4.1.1 S. 296). Der Experte stellte lediglich fest, der Explorand habe psychisch wenig Ressourcen, er sei im Alltag und in deren Umsetzung durch die depressive Störung beeinträchtigt. Insofern bleibt die Einschätzung einer psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit von 50 % ohne nachvollziehbare Begründung. Schliesslich stellt sich die Frage der Behandelbarkeit der psychischen Störung, wozu sich das Verlaufsgutachten nicht schlüssig äussert (vgl. BGE 143 V 409 E. 4.2.1 S. 412, wonach die Therapierbarkeit eines Leidens dem Eintritt einer rentenbegründenden Invalidität nicht absolut entgegensteht).
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Die Sache ist daher an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie ein Gerichtsgutachten einhole oder allenfalls das Verlaufsgutachten ergänzen lasse und danach über den Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Rente der Invalidenversicherung neu entscheide. Die Beschwerde ist im Eventualstandpunkt begründet
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6. Ausgangsgemäss hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 21. August 2018 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an dieses zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
 
3. Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 11. Januar 2019
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Pfiffner
 
Der Gerichtsschreiber: Fessler
 
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