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Informationen zum Dokument  BGer 9C_705/2018  Materielle Begründung
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BGer 9C_705/2018 vom 08.01.2019
 
 
9C_705/2018
 
 
Urteil vom 8. Januar 2019
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
 
Bundesrichter Meyer, Parrino,
 
Gerichtsschreiber R. Widmer.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Philipp Gressly,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Aargau,
 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
 
vom 5. September 2018 (VBE.2018.159).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Der 1958 geborene A.________ erlitt am 12. August 2003 einen Verkehrsunfall mit einer Hirnerschütterung (commotio cerebri) und weiteren Verletzungen. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), bei welcher er obligatorisch gegen Unfälle versichert war, erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Mit Verfügung vom 28. Januar 2011, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 22. März 2012, sprach sie dem Versicherten ab 1. März 2011 eine Invalidenrente auf der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 50 % zu. Die IV-Stelle des Kantons Aargau gewährte A.________ für die erwerblichen Folgen des Unfalls vom 12. August 2003 gemäss Verfügung vom 25. Juli 2011 ab 1. August 2004 eine ganze Invalidenrente, die ab 1. März 2007 auf eine halbe Rente herabgesetzt wurde.
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Im Rahmen einer Rentenrevision veranlasste die IV-Stelle des Kantons Aargau eine polydisziplinäre Expertise des Ärztlichen Begutachtungsinstituts GmbH, Basel (ABI), vom 8. November 2016. Dr. med. B.________ vom Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) nahm am 30. November 2016 Stellung zum Gutachten. Mit Verfügung vom 23. Januar 2018 hob die IV-Stelle die laufende halbe Invalidenrente auf Ende Februar 2018 auf mit der Begründung, der Gesundheitszustand des Versicherten habe sich gemäss Feststellungen des ABI verbessert; Diagnosen mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit fänden sich nicht mehr.
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B. Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher A.________ beantragt hatte, unter Aufhebung der angefochtenen Verfügung sei ihm über Ende Februar 2018 hinaus eine halbe Invalidenrente zuzusprechen, eventuell sei die Sache zu ergänzenden Abklärungen, Gewährung von Eingliederungsmassnahmen und neuer Verfügung an die IV-Stelle zurückzuweisen, wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau ab (Entscheid vom 5. September 2018).
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern.
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Erwägungen:
 
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2. Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über den Anspruch auf eine Invalidenrente und deren Abstufung (Art. 28 Abs. 2 IVG), die Revision der Invalidenrente (Art. 17 Abs. 1 ATSG) sowie die Rechtsprechung zu den dabei zu vergleichenden Sachverhalten (BGE 133 V 108; Urteil 9C_193/2015 vom 7. August 2015 E. 1.1) zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.
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Erwägung 3
 
3.1. Das kantonale Gericht wählte als Referenzzeitpunkt richtigerweise die Rentenverfügung vom 25. Juli 2011 und prüfte, ob es seither zu einer wesentlichen Verbesserung des Gesundheitszustandes des Versicherten mit Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit gekommen sei. Diese Frage bejahte es gestützt auf das Gutachten des ABI vom 8. November 2016 und die Stellungnahme des RAD-Arztes Dr. med. B.________ (vom 30. November 2016).
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3.2. Der Beschwerdeführer widersetzt sich dieser Betrachtungsweise, indem er in erster Linie geltend macht, bei der von den medizinischen Vorakten abweichenden Beurteilung des ABI handle es sich bloss um eine andere Würdigung eines im Wesentlichen unverändert gebliebenen Sachverhalts. Eine Besserung der gesundheitlichen Situation des Versicherten sei im massgeblichen Vergleichszeitraum nicht eingetreten.
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Erwägung 4
 
4.1. Dem Versicherten ist insoweit beizupflichten, dass die Gutachter des ABI die medizinische Beurteilung vor Erlass der Verfügung der Suva medizinisch retrospektiv nicht als nachvollziehbar erachten. Die frühere Einschätzung der gesundheitlichen Situation ist aufgrund der polydisziplinären Expertise indessen nicht als zweifellos unrichtig zu betrachten, was gegebenenfalls eine Prüfung unter dem Gesichtswinkel der Wiedererwägung nahelegen könnte. Der Psychiater des ABI hält zwar fest, in dem zuhanden der Suva erstellten psychiatrischen Gutachten des Dr. med. C.________ vom 25. Juni 2009 sei ein psychoorganisches Syndrom beschrieben worden, dessen Symptome weitgehend auf den Angaben des Versicherten beruhten. Von einem solchen Gesundheitsschaden könne nunmehr nicht mehr gesprochen werden. Aus psychiatrischer Sicht bestehe sowohl aktuell als auch retrospektiv eine volle Arbeitsfähigkeit. Der Neurologe des ABI, Dr. med. D.________, hielt fest, aus neurologischer Sicht habe - ausser posttraumatisch im Jahr 2003 - nie eine längerfristige Einschränkung der Arbeitsfähigkeit vorgelegen. Laut dem Neuropsychologen des ABI, lic. phil. E.________, werfen die meisten vorbestehenden neuropsychologischen Untersuchungen die Frage nach der Validität der Ergebnisse auf. Es finde sich zurzeit ein sehr viel besseres kognitives Leistungsprofil als in den vorhergehenden neuropsychologischen Untersuchungen. Aufgrund dieser Folgerungen kann als erstellt gelten, dass im Zeitraum zwischen dem 25. Juli 2011 (Zusprechung der Invalidenrente) und dem 23. Januar 2018 (Rentenaufhebung) eine Verbesserung im Gesundheitszustand eingetreten ist; eine bloss unterschiedliche medizinische Einschätzung einer im Wesentlichen unveränderten gesundheitlichen Situation liegt entgegen den Vorbringen in der Beschwerde nicht vor.
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4.2. Wenn die Vorinstanz gestützt auf das zitierte Gutachten des ABI und die Stellungnahme des RAD-Arztes Dr. med. B.________, der die Folgerungen der Experten in allen Teilen bestätigt und ebenfalls dafür hält, dass für Suva wie Invalidenversicherung subjektive Angaben des Versicherten massgebend waren, davon ausgegangen ist, dass im Vergleichszeitraum eine Verbesserung des Gesundheitszustands zu erkennen ist, lässt sich dies nicht als willkürliche Sachverhaltsfeststellung bezeichnen. Ebenso wenig liegt eine anderweitige Bundesrechtsverletzung vor. Zu beachten ist auch, dass das ABI und Dr. med. B.________ keinen Anlass sehen, die ursprüngliche Diagnose einer depressiven Störung in Zweifel zu ziehen, weshalb zumindest in Bezug auf diesen psychischen Gesundheitsschaden, der nunmehr nicht mehr diagnostiziert wurde, eine Besserung festzustellen ist.
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4.3. Gestützt auf das insofern klare und eindeutige Gutachten des ABI durfte die Vorinstanz sodann annehmen, dass dem Beschwerdeführer die frühere Tätigkeit als Werkzeugmaschinist oder eine entsprechende Arbeit wieder in vollem Umfang zumutbar seien. Die Expertise des ABI, die in dieser Beziehung eindeutig ist, erklärt ausführlich und unter Bezugnahme auf die Untersuchungen in allen Disziplinen, dass der Beschwerdeführer in einem entsprechenden Beruf voll einsetzbar ist. Da keine Gründe gegen die Beweiskraft der von der IV-Stelle eingeholten Expertise sprechen, durfte das Versicherungsgericht auf die medizinische Einschätzung des ABI abstellen. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die entsprechenden Erwägungen wendet, handelt es sich um im Rahmen der dem Bundesgericht zustehenden Überprüfungsbefugnis (E. 1 hievor) unzulässige appellatorische Kritik an einzelnen Punkten des Administrativgutachtens sowie an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung. Eine Bundesrechtswidrigkeit vermag er mit seinen Ausführungen nirgends darzutun.
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5. In erwerblicher Hinsicht hat die Vorinstanz für den Revisionszeitpunkt gemäss Verfügung der IV-Stelle vom 23. Januar 2018 den von dieser ermittelten Invaliditätsgrad von 9 % und demzufolge auch die Aufhebung der halben Invalidenrente auf Ende Februar 2018 bestätigt, wogegen der Versicherte keine Einwendungen vorbringt.
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Erwägung 6
 
6.1. Des Weiteren hat das kantonale Gericht in Übereinstimmung mit der IV-Stelle dargelegt, dass der Beschwerdeführer keine beruflichen Massnahmen beanspruchen könne, sondern seine Arbeitsfähigkeit auf dem Wege der Selbsteingliederung zu verwerten habe. Zu diesem Ergebnis gelangte es u.a. gestützt auf ein früheres Gespräch der IV-Stelle mit dem Versicherten (vom 23. Oktober 2009) sowie die Feststellungen des ABI in der Expertise vom 8. November 2016, worin eine subjektive Eingliederungsfähigkeit verneint wurde, aber auch aufgrund der Ausführungen in der Beschwerde, aus welchen auf das Fehlen der Bereitschaft, an beruflichen Massnahmen mitzuwirken, zu schliessen sei.
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6.2. Was der Beschwerdeführer hiegegen einwendet, überzeugt nicht und vermag zu keinem abweichenden Resultat zu führen. Namentlich lassen auch die Ausführungen in der letztinstanzlichen Beschwerde keine subjektive Eingliederungsbereitschaft erkennen. Ebenso nennt er keine stichhaltigen Argumente, die eine Selbsteingliederung als unzumutbar erscheinen lassen. Wie sodann im Falle einer nicht zumutbaren Selbsteingliederung vorzugehen wäre, ist im vorliegenden Fall ohne Belang. Im Übrigen erschöpfen sich die Vorbringen des Versicherten auch im Zusammenhang mit der beantragten beruflichen Eingliederung in einer appellatorischen Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung, womit sich das Bundesgericht nicht zu befassen hat.
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6.3. Der Eventualantrag auf Rückweisung der Sache an die IV-Stelle, damit sie ergänzende Abklärungen vornehme, ist unbegründet, da die Vorinstanz den rechtserheblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat.
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7. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der AXA Stiftung Berufliche Vorsorge, Winterthur, schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 8. Januar 2019
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Pfiffner
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer
 
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