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Informationen zum Dokument  BGer 9C_669/2016  Materielle Begründung
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BGer 9C_669/2016 vom 20.12.2016
 
9C_669/2016   {T 0/2}
 
 
Urteil vom 20. Dezember 2016
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
 
Bundesrichter Parrino,
 
Bundesrichterin Moser-Szeless,
 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Frick,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Gemeinsame Einrichtung KVG,
 
Gibelinstrasse 25, 4500 Solothurn,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Krankenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juli 2016.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Der 1944 geborene A.________, bis 6. Juli 2014 in der Schweiz und seither in Deutschland wohnhaft, ist Bezüger einer Altersrente der schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung. Im Jahr 2014 war er bei einem schweizerischen Krankenversicherer versichert.
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Am 24. Juni 2014 stellte A.________ ein Gesuch um Prämienverbilligung durch den Bund für das Jahr 2014. Die Gemeinsame Einrichtung KVG forderte bei ihm mit E-Mail vom 26. August 2014 fehlende Unterlagen ein. Sie traf weitere Abklärungen. Unter Hinweis darauf, dass er gemäss den Angaben der Ausgleichskasse Zug bis 2002 einen BVG-pflichtigen Lohn bezogen habe, forderte sie A.________ mit E-Mail vom 14. November 2014 auf, weitere Angaben zu seiner BVG-Versicherung zu machen und entsprechende Belege einzureichen. Des Weitern verlangte sie von ihm Informationen zu seinem Geschäftseinkommen bzw. -vermögen und entsprechende Belege. In seinem Antwortmail selben Datums äusserte sich A.________ dahingehend, dass er nie BVG-Beiträge entrichtet und auch keine Auszahlung erhalten habe. Hinsichtlich der verlangten Angaben zu Geschäftseinkünften bzw. -vermögen erklärte er, die Firma B.________ habe nichts mit ihm zu tun; er habe dort nur gearbeitet.
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Mit Vorbescheid vom 1. Dezember 2014 stellte die Gemeinsame Einrichtung KVG A.________ Nichteintreten auf sein Gesuch um Prämienverbilligung in Aussicht, sofern er die von ihm am 26. August und am 14. November 2014 verlangten Unterlagen betreffend BVG-Versicherung und Geschäftseinkommen bzw. -vermögen nicht bis 1. Januar 2015 einreiche. In seinem Schreiben vom 29. Dezember 2014 machte A.________ sinngemäss geltend, sein Anspruch auf Prämienverbilligung sei ausgewiesen; des Weitern beschwerte er sich über die fallführende Mitarbeiterin. Die Verwaltung erstreckte die Frist zur Einreichung der erforderlichen Unterlagen bis 20. Februar 2015, mit der Androhung, dass sein Gesuch im Unterlassungsfalle abgewiesen werde (Schreiben vom 12. Januar 2015). Nach weiterem Brief- und Mailverkehr trat die Gemeinsame Einrichtung KVG auf das Gesuch um Prämienverbilligung für das Jahr 2014 nicht ein (Verfügung vom 3. März 2015).
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B. Beschwerdeweise beantragte A.________, die Verfügung vom 3. März 2015 sei aufzuheben und die Gemeinsame Einrichtung KVG anzuweisen, auf sein Gesuch einzutreten, falls erforderlich Beweise abzunehmen und sein Gesuch gutzuheissen. Mit Entscheid vom 14. Juli 2016 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und das Rechtsbegehren stellen, der kantonale Entscheid sei aufzuheben. Es sei auf seinen Antrag um Prämienverbilligung einzutreten und ihm eine Prämienverbilligung zu gewähren. Eventualiter sei die Sache an die Gemeinsame Einrichtung KVG zurückzuweisen.
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Erwägungen:
 
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2. Wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren will der Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis nehmen, dass bei einer Beschwerde gegen eine Nichteintretensverfügung oder einen Nichteintretensentscheid Streitgegenstand einzig die Frage bildet, ob die Vorinstanz zu Recht nicht auf die Beschwerde eingetreten ist. Soweit er in der Eingabe beim Bundesgericht wiederum eine materielle Beurteilung seines Anspruchs auf Prämienverbilligung beantragt, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
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3. Im angefochtenen Entscheid werden die Bestimmungen über die Prämienverbilligung durch den Bund (Art. 66a Abs. 1 KVG), namentlich auch jene der Verordnung vom 3. Juli 2001 über die Prämienverbilligung in der Krankenversicherung für Rentner und Rentnerinnen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft, in Island oder Norwegen wohnen (VPVKEG, SR 832.112.5), zutreffend dargelegt. Es handelt sich dabei insbesondere um die Bestimmungen zum anrechenbaren Einkommen (Art. 4 VPVKEG), zum Antrag (Art. 8 Abs. 1 VPVKEG), zur Pflicht zur wahrheitsgetreuen Erteilung der nötigen Auskünfte und zur Einreichung der erforderlichen Belege (Art. 10 Abs. 1 VPVKEG) sowie zur Ermächtigung zuständiger Behörden und Institutionen, Auskunft zu erteilen (Art. 10 Abs. 3 VPVKEG). Darauf wird verwiesen.
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4. Streitig und zu prüfen ist, ob die Gemeinsame Einrichtung KVG zu Recht nicht auf das Begehren des Beschwerdeführers um Prämienverbilligung für das Jahr 2014 eintrat, nachdem sie ihn mehrmals erfolglos aufgefordert hatte, die von ihr im Einzelnen bezeichneten Unterlagen einzureichen.
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Erwägung 5
 
5.1. Die Vorinstanz schützte den angefochtenen Nichteintretensentscheid mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe die für die Anspruchsprüfung erforderlichen Unterlagen nicht vollständig eingereicht und sei damit seiner Mitwirkungspflicht (Art. 10 Abs. 1 VPVKEG und Art. 13 Abs. 1 lit. a VwVG) nicht nachgekommen. Seine durch nichts belegte Behauptung, er habe nie BVG-Beiträge entrichtet und auch keine Auszahlung erhalten, genüge unter den gegebenen Umständen nicht. Die Beschwerdegegnerin habe in Erfahrung gebracht, dass der Beschwerdeführer vor 2002 einen BVG-pflichtigen Lohn bezogen habe. Des Weitern sei er von März 1993 bis Januar 2015 als Prokurist bei der Firma B.________ im Handelsregister eingetragen gewesen. Aufgrund dieser Funktion hätte man von ihm erwarten dürfen, dass er wusste oder mindestens hätte in Erfahrung bringen können, bei welcher Vorsorgeeinrichtung seine Arbeitgeberin angeschlossen war, und dass er von dieser eine Bestätigung betreffend seine BVG-Unterstellung eingeholt hätte.
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5.2. Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, er habe Auskunft erteilt und Belege eingereicht, soweit er über solche verfügt habe. Seines Wissens habe sich die Firma B.________ nie einer Pensionskasse angeschlossen, es seien ihm nie BVG-Beiträge abgezogen worden und er habe nie BVG-Leistungen bezogen. Deshalb könne er keine entsprechende Bestätigung beibringen. Er habe im hier massgebenden Jahr 2014 keine BVG-Rente bezogen und ein Vermögen von knapp Fr. 5'000.- gehabt. Wären ihm je BVG-Leistungen ausgerichtet worden, so würden diese aus den aktuellen und massgeblichen Steuererklärungen hervorgehen. Als neues Beweismittel reicht er im letztinstanzlichen Verfahren seine Steuererklärung 2014 ein. Er hält dies für (novenrechtlich) zulässig mit der Begründung, die Beschwerdegegnerin habe von ihm nie "irgendwelche Steuerunterlagen" verlangt.
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Erwägung 6
 
6.1. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt, was in der Beschwerde näher darzulegen ist (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 134 V 223 E. 2.2.1 S. 226).
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6.2. Die vom Beschwerdeführer angegebene Begründung, weshalb es zulässig sein soll, Steuerakten erst im letztinstanzlichen Verfahren einzureichen, beruht auf einer aktenwidrigen Tatsachendarstellung: Bereits im Antragsformular, welches der Beschwerdeführer am 23. Juni 2014 unterzeichnet hat, war unter den Beilagen vorgesehen, dass der letzte rechtskräftige Steuerbescheid (Veranlagung) einzureichen sei. Die Gemeinsame Einrichtung KVG hat den Beschwerdeführer im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens mehrmals zur Einreichung der im Einzelnen aufgeführten Unterlagen aufgefordert, wobei sie ihn insbesondere am 26. August 2014 nochmals explizit darauf hinwies, dass sie den letzten rechtskräftigen Steuerbescheid aus der Schweiz benötige. Des Weitern bildete die Frage, ob der Beschwerdeführer der Gemeinsamen Einrichtung KVG über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse ausreichend Auskunft geben hatte  (Art. 10 VPVKEG), den zentralen Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht, so dass - entgegen dem Beschwerdeführer - nicht gesagt werden kann, erst die Begründung des angefochtenen Entscheides habe Anlass zur Anrufung eines Beweismittels aus den Steuerakten gegeben. Es handelt sich damit um ein unzulässiges Novum, welches das Bundesgericht von Vornherein nicht berücksichtigen kann. Abgesehen davon hätte die vom Beschwerdeführer nun eingereichte, auf seiner Selbstdeklaration beruhende, nicht einmal unterzeichnete Steuererklärung 2014 (anders als der verlangte rechtskräftige Steuerbescheid) kaum Beweiswert.
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Erwägung 7
 
7.1. Soweit der Beschwerdeführer dafürhält, es wäre an der Beschwerdegegnerin und nicht an ihm gewesen, bei der Firma B.________ oder bei der Ausgleichskasse weitere Informationen einzuholen, übersieht er noch immer, dass die im Verwaltungsverfahren geltende Untersuchungsmaxime nicht uneingeschränkt gilt, sondern durch die Mitwirkungspflicht der Parteien ergänzt wird (BGE 138 V 86 E. 5.2.3 S. 97; 125 V 193 E. 2 S. 195), dies namentlich in Verfahren, welche - wie hier - die Parteien selber durch ihr Begehren einleiten (Art. 13 Abs. 1 lit. a VwVG). Dabei erstreckt sich die Mitwirkungspflicht insbesondere auf Tatsachen, welche die gesuchstellende Partei besser kennt als die Behörde und welche diese ohne die Mitwirkung der Betroffenen gar nicht oder nicht mit vernünftigem Aufwand erheben kann (BGE 138 II 465 E. 8.6.4 S. 497). Dies trifft auf die hier unklaren Fragen, bei welcher Vorsorgeeinrichtung sein Arbeitgeber angeschlossen war und ob BVG-Beiträge entrichtet bzw. entsprechende Leistungen erbracht wurden, ohne weiteres zu. Ohne Mitwirkung des Beschwerdeführers war die Beschwerdegegnerin kaum in der Lage, die entsprechenden Informationen zu beschaffen, konnte ihr doch insbesondere auch die um Auskunft angefragte Ausgleichskasse Zug keine weiterführenden Angaben machen. Seiner Mitwirkungspflicht konnte sich der Beschwerdeführer nicht mit der durch nichts belegten Behauptung entziehen, er habe seines Wissens nie BVG-Beiträge geleistet bzw. BVG-Abzüge gehabt und auch keine Auszahlung erhalten (E-Mails vom 14. November 2014 und 16. Februar 2015). Obwohl ihn die Beschwerdegegnerin (in Erfüllung ihrer Aufklärungspflicht) darauf hingewiesen hatte, dass sie nicht nur seine Angabe, sondern eine schriftliche Bestätigung, Abrechnung oder etwas Ähnliches der Pensionskasse des ehemaligen Arbeitgebers benötige (E-Mail vom 18. Februar 2015), wurde der Beschwerdeführer nicht aktiv. Selbst im kantonalen Verfahren beschränkte er sich darauf, an die C.________ AG zu verweisen, welche für seinen Arbeitgeber tätig gewesen sei und "möglicherweise" bestätigen könne, dass er nie Beiträge an eine Pensionskasse bezahlt habe. Vor Bundesgericht wiederholt der Beschwerdeführer einmal mehr seine durch nichts belegten Behauptungen. Um den von der Beschwerdegegnerin verlangten schriftlichen Beleg, welcher Klarheit geschaffen hätte, hat sich der Beschwerdeführer nie bemüht und damit seinerseits nichts zur Ermittlung des Sachverhalts beigetragen. Dass die Beschwerdegegnerin auf sein Gesuch schliesslich wegen Verweigerung der notwendigen und zumutbaren Mitwirkung nicht eingetreten ist (Art. 13 Abs. 2 VwVG), lässt sich bei dieser Sachlage nicht beanstanden.
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7.2. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet sind, den angefochtenen Entscheid als auf einer willkürlichen Feststellung des Sachverhalts beruhend oder anderweitig bundesrechtswidrig (E. 1 hievor) erscheinen zu lassen.
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8. Entsprechend dem Prozessausgang hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 20. Dezember 2016
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Glanzmann
 
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann
 
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