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Informationen zum Dokument  BGer 9C_512/2016  Materielle Begründung
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BGer 9C_512/2016 vom 19.10.2016
 
{T 0/2}
 
9C_512/2016
 
 
Urteil vom 19. Oktober 2016
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
 
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
 
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin
 
Ursula Reger-Wyttenbach,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich,
 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des
 
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
 
vom 10. Juni 2016.
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________, geboren 1973, war zuletzt ab Februar 2011 bei der B.________ AG, als Buffetmitarbeiter angestellt. Am 20. März 2013 meldete er sich wegen einer Diskushernie, bestehend seit 6. Juni 2012, bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich führte erwerbliche und medizinische Abklärungen durch. Insbesondere liess sie A.________ am 17. September 2013 durch RAD-Arzt Dr. med. C.________, Facharzt Orthopädische Chirurgie und Traumatologie, untersuchen, und forderte ihn am 19. Mai 2014 auf, sich in Nachachtung seiner Mitwirkungspflicht in fachärztliche Behandlung zu begeben. Nach Eingang weiterer Arztberichte veranlasste die IV-Stelle eine bidisziplinäre medizinische Untersuchung. Das internistisch-rheumatologische Gutachten der Dr. med. D.________, Innere Medizin FMH, speziell Rheumaerkrankungen, erging am 28. März 2015, das psychiatrische Gutachten des Dr. med. E.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, Chefarzt der Klinik F.________, datiert vom 16. April 2015. Nach abschliessender Stellungnahme des RAD-Arztes Dr. med. C.________ am 21. April 2015 stellte die IV-Stelle mit Vorbescheid vom 5. Juni 2015 in Aussicht, es bestehe kein Anspruch auf IV-Leistungen. A.________ liess dagegen Einwände erheben und ein Schreiben der behandelnden Dr. med. G.________, FMH Physikalische Medizin und Rehablitation, vom 15. Juni 2015 zu den Akten reichen. Nach erneuter Stellungnahme des Dr. med. C.________ vom 26. August 2015 verfügte die IV-Stelle am 28. August 2015 entsprechend dem Vorbescheid.
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B. Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 10. Juni 2016 ab.
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C. A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie der Verfügung vom 28. August 2015 und die Rückweisung der Sache an die IV-Stelle zur weiteren Abklärung und Neubeurteilung.
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Erwägungen:
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1.
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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1.2. Die dargelegten Grundsätze gelten auch mit Bezug auf die konkrete Beweiswürdigung. Das Bundesgericht greift in die vorinstanzliche Beweiswürdigung lediglich dann ein, wenn diese im Sinne von Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 2 BGG offensichtlich unrichtig (willkürlich) ist (z.B. Urteil 9C_114/2016 vom 8. August 2016 E. 1.2 mit Hinweisen). Nicht Aufgabe des Bundesgerichts ist es, die schon vorinstanzlich gewürdigten ärztlichen Berichte neu zu beurteilen und die rechtsfehlerfreie Sachverhaltsfeststellung des kantonalen Gerichts hinsichtlich der medizinisch begründeten Verminderung des Leistungsvermögens und des Ausmasses der trotz gesundheitlicher Beeinträchtigungen verbleibenden Arbeitsfähigkeit zu korrigieren (Art. 97 Abs. 1 BGG).
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2. Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht die leistungsabweisende Verfügung vom 28. August 2015 bundesrechtskonform geschützt hat.
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2.1. Die Vorinstanz erachtete das bidisziplinäre Gutachten vom 28. März/16. April 2015 als uneingeschränkt beweiskräftig. Es stellte fest, nach Einschätzung der Rheumatologin Dr. med. D.________ sei die Funktion der unteren Brust- und der Lendenwirbelsäule eingeschränkt. Sofern der Versicherte nicht mit Lasten über 10 kg (leichtes Belastungsniveau) hantieren müsse, bestehe eine volle Arbeitsfähigkeit. Bei Einhaltung dieser Limite erachtete die Gutachterin auch die angestammte Tätigkeit als vollumfänglich zumutbar. Dies scheine nachvollziehbar, da bei der zuletzt ausgeübten Arbeit als Bar-/Restaurant- und Buffetmitarbeiter eine Gewichtsbelastung über 10 kg nicht zu erwarten sei. In psychischer Hinsicht stimme die Beurteilung des Gutachters Dr. med. E.________, wonach die Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion gemischt die Arbeitsfähigkeit nicht einschränke, mit früheren ärztlichen Einschätzungen insoweit überein, als auch dem von Dr. med. H.________, Facharzt Anästhesiologie/Interventionelle Schmerztherapie, Klinik I.________, geäusserten Verdacht auf eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (Bericht vom 20. Oktober 2014) und der im Austrittsbericht der psychiatrischen Klinik K.________ vom 27. Oktober 2014 festgehaltenen mittelgradigen depressiven Episode keine Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit zuerkannt worden seien. Mangels eines psychosomatischen Leidens sei die mit BGE 141 V 281 geänderte Schmerzrechtsprechung nicht anwendbar, woran auch das für die Gerichte nicht verbindliche IV-Rundschreiben Nr. 339 vom 9. September 2015 des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) nichts zu ändern vermöge.
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2.2. Der Beschwerdeführer rügt eine unkorrekte Sachverhaltsermittlung sowie eine Verletzung von Bundesrecht und von Art. 6 EMRK. Das kantonale Gericht habe zu Unrecht und willkürlich auf die bidisziplinäre Expertise abgestellt, obwohl sowohl das rheumatologische Teilgutachten wie auch die psychiatrische Beurteilung zahlreiche, im Einzelnen gerügte Mängel (dazu nachfolgende E. 3) enthielten. Nachdem eine Schmerzstörung ausgewiesen sei, habe die Vorinstanz bundesrechtswidrig auf eine Prüfung anhand der Indikatoren von BGE 141 V 281 verzichtet. Die Akten liessen eine abschliessende Beurteilung anhand der neuen Standardindikatoren ohnehin gar nicht zu, weshalb die IV-Stelle zu weiteren diesbezüglichen Abklärungen zu verpflichten sei. Die unterlassene Anspruchsprüfung und der fehlende Einbezug behandelnder Spezialisten (Dr. med. H.________ sowie der Ärzte der psychiatrischen Klinik K.________) verletzten zugleich Art. 6 EMRK.
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3. Die Rügen des Versicherten vermögen weder eine unvollständige Sachverhaltsfeststellung noch eine willkürliche Beweiswürdigung oder einen Art. 6 EMRK verletzenden Verfahrensmangel darzutun. Wenn die Vorinstanz die nach dem abschlägigen Vorbescheid datierende Beurteilung der behandelnden Ärztin Dr. med. G.________ gestützt auf die entsprechende Einschätzung des RAD, der ausdrücklich darauf hinwies, dass die behandelnde Fachärztin keine bislang unbekannt gewesenen medizinischen Tatsachen habe nennen können, für weniger beweiskräftig erachtete als die Beurteilung der Gutachterin Dr. med. D.________, liegt darin jedenfalls keine willkürliche Beweiswürdigung. Es trifft zu, dass RAD-Arzt Dr. med. C.________ am 17. September 2013 in Anbetracht der damals im Raum gestandenen Rückenoperation vorerst von einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit ausgegangen war. Nachdem genauere Abklärungen in der Klinik L.________ aber Befunde ergeben hatten (insgesamt wenig fortgeschrittene beginnende Segmentdegeneration L4/5 und L5/S1), die auch angesichts des noch jungen Alters des Versicherten klar gegen eine Operationsindikation sprachen, schloss sich Dr. med. C.________ am 21. April 2015 indes mit nachvollziehbarer Begründung vorbehaltlos der Beurteilung von Dr. med. D.________ an, weshalb der Versicherte aus der ursprünglichen Beurteilung des RAD nichts zu seinen Gunsten abzuleiten vermag. Sodann ist aktenkundig, dass der Beschwerdeführer im Begutachtungszeitpunkt einerseits seit längerem keine Physiotherapie mehr absolviert und anderseits seine Beschwerden nicht nur stark verdeutlicht, sondern auch wahrheitswidrig die Einnahme der verordneten Medikamente angegeben hatte.
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Was die von Dr. med. H.________ lediglich verdachtsweise geäusserte Schmerzstörung betrifft, durfte das kantonale Gericht bereits mangels fachärztlich schlüssig festgestellter Diagnose auf eine Indikatorenprüfung gemäss BGE 141 V 281 verzichten. Dies gilt umso mehr, als der psychiatrische Gutachter Dr. med. E.________ entgegen den Rügen des Versicherten im Einzelnen dargelegt hatte, dass und welche psychosozialen Faktoren (namentlich das Unverständnis des Versicherten über die verweigerte Rückenoperation sowie die als belastend empfundene Anspruchshaltung der ebenfalls gesundheitlich beeinträchtigten Ehefrau) - die im Übrigen auch zur Hospitalisation in der Psychiatrischen Klinik K.________ vom 22. bis 27. Oktober 2014 geführt hatten - das Beschwerdebild auslösten. Dr. med. E.________ führte nachvollziehbar aus, es handle sich bei der psychischen Beeinträchtigung um eine Anpassungsstörung vor dem Hintergrund einer Belastungssituation, die bei "auch objektiv ganz unauffälligen psychokognitiven Funktionen" keine Arbeitsunfähigkeit bewirke und die sich bei fachgerechter Therapie vollständig zurückbilden dürfte (zu den weiterhin invaliditätsfremden psychosozialen und soziokulturellen Belastungsfaktoren vgl. Urteile 9C_190/2016 vom 20. Juni 2016 E. 4.2 und 9C_534/2015 vom 1. März 2016 E. 1.4).
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4. Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG mit summarischer Begründung und unter Hinweis auf den kantonalen Gerichtsentscheid (Abs. 3) erledigt.
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5. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der unterliegende Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 19. Oktober 2016
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Glanzmann
 
Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle
 
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