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Informationen zum Dokument  BGer 6B_955/2016  Materielle Begründung
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BGer 6B_955/2016 vom 12.10.2016
 
{T 0/2}
 
6B_955/2016
 
 
Urteil vom 12. Oktober 2016
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Bundesrichter Oberholzer,
 
Gerichtsschreiber Held.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510 Frauenfeld,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Erlass von Verfahrenskosten,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 28. Juli 2016.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
Das Obergericht des Kantons Thurgau verurteilte X.________ am 9. Dezember 2014 in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils wegen Misswirtschaft zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten und auferlegte ihm die Kosten des Strafverfahrens von Fr. 17'067.-. Eine gegen das obergerichtliche Urteil erhobene Beschwerde in Strafsachen wies das Bundesgericht am 6. Oktober 2015 kostenpflichtig ab (6B_242/2015).
1
 
Erwägung 2
 
Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau wies das Gesuch von X.________ um Erlass der Verfahrenskosten ab, gewährte ihm aber eine monatliche Ratenzahlung von Fr. 200.-.
2
Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Thurgau am 28. Juli 2016 ab. Es führt aus, eine Stundung oder der Erlass von Verfahrenskosten gemäss Art. 425 StPO komme nur in Betracht, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse der kostentragungspflichtigen Person derart angespannt sind, dass deren Resozialisierung und deren finanzielles Weiterkommen ernsthaft gefährdet würden. Dies sei bei X.________ nicht der Fall. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb er bei einem 100%-Pensum als Geschäftsführer der A.________ GmbH ein Monatsgehalt von lediglich Fr. 1'646.- erziele. Bei voller Arbeitsfähigkeit wäre es ihm ohne Weiteres möglich, ein Einkommen zu erzielen, dass die (ratenweise) Rückzahlung der Verfahrenskosten erlaube, zumal X.________ über eine akademische Ausbildung mit Doktortitel verfüge. Das betreibungsrechtliche Minimum betrage bei X.________ nicht einmal Fr. 2'400.-. Selbst bei einem unter dem Durchschnitt liegendem Einkommen stelle die monatliche Ratenzahlung von Fr. 200.- angesichts der bescheidenen Lebenshaltungskosten keine einschneidende oder unbillige Belastung dar.
3
 
Erwägung 3
 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, die Verfahrenskosten seien ihm zu erlassen. Seine finanzielle Situation erlaube keine Ratenzahlung. Selbst die Staatsanwaltschaft erkenne seine Überschuldung an und habe im Beschwerdeverfahren eine Stundung der Verfahrenskosten bis zum 31. Mai 2017 beantragt. X.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege.
4
 
Erwägung 4
 
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet, soweit überhaupt auf sie eingetreten werden kann (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführer wendet sich in weiten Teilen seiner Beschwerde gegen den ablehnenden Entscheid der Beschwerdegegnerin. Er verkennt, dass dieser nicht Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens ist (vgl. Art. 80 Abs. 1 BGG). Auf die diesbezüglichen weitschweifigen Ausführungen ist nicht einzutreten. Soweit der Beschwerdeführer auf den vorinstanzlichen Entscheid Bezug nimmt, beschränken sich seine Ausführungen auf eine oberflächliche Kritik ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit den angefochtenen Erwägungen. Der Beschwerdeführer wiederholt im Wesentlichen seine bereits vor den kantonalen Strafbehörden vorgebrachten Argumente und Rechtsauffassungen, ohne aufzuzeigen, inwieweit der vorinstanzliche Entscheid Bundesrecht verletzen soll.
5
Dies ist auch nicht ersichtlich. Unabhängig davon, dass ein Monatslohn von Fr. 1'646.- bei voller Arbeitszeit für einen Geschäftsführer nicht realistisch erscheint, hält die Vorinstanz zutreffend fest, dass der Beschwerdeführer mit seinem Arbeitspensum von 100 % problemlos ein Einkommen generieren kann, dass über dem Pfändungsminimum von Fr. 2'400.- liegt, und zwar unabhängig davon, ob er eine Anstellung in seinem erlernten Beruf findet oder nicht. Unzutreffend und zudem unerheblich ist die Behauptung, die Beschwerdegegnerin "anerkenne" seine Überschuldung und habe vor Vorinstanz die Stundung der Ratenzahlung beantragt. Der Beschwerdeführer scheint zu übersehen, dass die Beschwerdegegnerin den Antrag lediglich eventualiter für den Fall gestellt hat, dass die Beschwerde nicht vollumfänglich abgewiesen wird. Nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz besteht Grund zur Annahme, der Beschwerdeführer verfüge über Vermögen, denn er ist hälftiger Miteigentümer einer Liegenschaft. Hierzu äussert er sich nicht. Der Beschwerdeführer kann auch aus dem Umstand, dass das Bundesgericht ihm für die bundesgerichtlichen Verfahrenskosten Stundung gewährt hat, nichts zu seinen Gunsten ableiten. Zum einen findet Art. 425 StPO im bundesgerichtlichen Verfahren keine Anwendung und zum anderen verfügt die Vorinstanz bei ihrem Kostenentscheid über einen grossen Ermessens- und Beurteilungsspielraum (THOMAS DOMEISEN, in Basler Kommentar, Schweizerische Prozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 5 zu Art. 425 StPO). Die grosszügige Stundung seitens des Bundesgerichts führt nicht dazu, dass der Entscheid der Vorinstanz hinsichtlich der kantonalen Verfahrenskosten ermessensfehlerhaft ist.
6
 
Erwägung 5
 
Die Beschwerde ist im Verfahren gemäss Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seiner finanziellen Lage ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
7
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 12. Oktober 2016
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Der Gerichtsschreiber: Held
 
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