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Informationen zum Dokument  BGer 6B_745/2016  Materielle Begründung
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BGer 6B_745/2016 vom 22.09.2016
 
{T 0/2}
 
6B_745/2016
 
 
Urteil vom 22. September 2016
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Jacquemoud-Rossari, Jametti,
 
Gerichtsschreiberin Unseld.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Gattlen,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,
 
2. A.________,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Nichtanhandnahme (Nötigung),
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 25. Mai 2016.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
X.________ erhob am 16. Dezember 2014 Strafanzeige gegen A.________ betreffend versuchte Nötigung und Verletzung des Berufsgeheimnisses.
1
 
B.
 
Mit Verfügung vom 10. Februar 2016 nahm die Staatsanwaltschaft die Strafuntersuchung nicht an die Hand.
2
Dagegen erhob X.________ Beschwerde, die das Obergericht des Kantons Zürich hinsichtlich der versuchten Nötigung mit Beschluss vom 25. Mai 2016 abwies.
3
Dem Beschluss liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
4
X.________ hat eine Freiheitsstrafe von 17 Jahren verbüsst und befindet sich in Verwahrung. Sein Verteidiger, A.________, erhob am 1. August 2014 im Namen seines Klienten Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Die entsprechende Eingabe wurde jedoch von der Kanzlei des Gerichtshofs zurückgewiesen, da sie den Anforderungen der Verfahrensordnung des Gerichtshofs nicht genügte. Auf die ergänzende Eingabe trat der EGMR ebenfalls nicht ein, weil inzwischen die Frist zur Anhebung der Beschwerde verfallen war. Am 13. Oktober 2014 ersuchte der neue Verteidiger von X.________ A.________ um Herausgabe sämtlicher Akten. X.________ sieht eine versuchte Nötigung darin, dass sein ehemaliger Verteidiger die Herausgabe von Akten und Aktenkopien von der Zusicherung der Bezahlung von Fr. 1.-- pro Kopie und der allfälligen Transportkosten abhängig machte.
5
 
C.
 
X.________ erhebt gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 25. Mai 2016 Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, ein Strafverfahren gegen A.________ wegen des Verdachts der Nötigung, eventuell der versuchten Nötigung, zu führen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege.
6
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde gegen eine Nichtanhandnahmeverfügung nur legitimiert, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung seiner Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). In erster Linie geht es um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR, die üblicherweise vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden müssen. Gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass die gesetzlichen Legitimationsvoraussetzungen erfüllt sind. Auch wenn der Beschwerdeführer bereits vor den Schlichtungsbehörden Zivilforderungen erhoben hat, muss er im Verfahren vor Bundesgericht darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderungen auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen Begründungsanforderungen nicht, kann darauf nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um welche Zivilforderungen es geht (vgl. BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen).
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1.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, ihm stünden Zivilforderungen gegen den Beschwerdegegner 2 zu und er habe diesbezüglich bereits den zuständigen Friedensrichter angerufen, um die Verjährung zu unterbrechen. Es gehe um die Rückzahlung des Honorars an den Beschwerdegegner 2 für die EMRK-Beschwerde in der Höhe von etwa Fr. 8'000.-- und um einen Betrag von Fr. 33'000.--. Letzterer enthalte eine Genugtuung, weil die EMRK-Beschwerde im Falle ihres Erfolgs aller Voraussicht nach zu einer Verkürzung der Verwahrung hätte führen müssen. Darüber hinaus werde er noch Schadenersatz in einem noch zu beziffernden Betrag für die Mehrkosten der Beschaffung der nicht zur Verfügung gestellten Unterlagen der vorinstanzlichen Verfahren und für die Aufwendungen im Zusammenhang mit den Bemühungen und Gesprächen zwischen den beteiligten Anwälten im Anwaltsverband und ausserhalb der Verbandsgremien geltend machen. Der bereits zivilrechtlich geltend gemachte Betrag von Fr. 33'000.-- werde aufgrund des Ausgangs des Strafverfahrens definitiv festzulegen sein. Werde der Vorwurf der Nötigung bestätigt, werde der Schadenersatz grösser sein und er werde mit Aussicht auf Erfolg eine Genugtuung für die erlittene Nötigung in einer existenziellen Frage geltend machen können.
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Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer seine Legitimation zur Beschwerde in Strafsachen gegen den vorinstanzlichen Beschluss aus den nachstehenden Gründen nicht darzulegen.
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1.3. Eine Nötigung liegt vor, wenn jemand durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfähigkeit genötigt wird, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden (Art. 181 StGB). Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, der Beschwerdegegner 2 habe mit seinem Hinweis, Aktenkopien nur gegen Bezahlung der damit verbundenen Kosten herauszugeben, ihm gegenüber eine Nötigung oder allenfalls eine versuchte Nötigung begangen. Wohl scheint der Streit um die Herausgabe von Akten eine Folge der erfolglosen Beschwerdeeingabe vor dem EGMR durch den Beschwerdegegner 2 zu sein. Die vom Beschwerdeführer angerufene Rückzahlung des Anwaltshonorars in der Höhe von rund Fr. 8'000.-- steht indessen in keinem direkten Verhältnis zum Vorwurf der Nötigung. Für die Begründung zivilrechtlicher Forderungen im Hinblick auf seine Beschwerdelegitimation für den Vorwurf der Nötigung bzw. der versuchten Nötigung kann der Beschwerdeführer die angepeilte Honorarrückzahlung nicht geltend machen.
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1.4. Soweit der Beschwerdeführer Schadenersatzbegehren im Zusammenhang mit Aufwendungen wegen der Gespräche und Bemühungen mit Anwälten des kantonalen Anwaltsverbandes anspricht, fehlt es ebenso am notwendigen Zusammenhang zwischen der angezeigten Nötigung und den damit verbundenen zivilrechtlichen Forderungen. Allfällige Schadenersatzbegehren als Folge der Verletzung des Berufsgeheimnisses sind hier unerheblich, da die Vorinstanz die Nichtanhandnahme hinsichtlich dieses strafrechtlichen Vorwurfs aufgehoben hat.
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1.5. Der Beschwerdeführer zeigt auch nicht auf, inwiefern ihm für eine allfällige anderweitige Beschaffung der Unterlagen (Mehr-) Kosten entstanden sind. Er behält sich vielmehr lediglich vor, Schadenersatz in einem noch zu beziffernden Betrag geltend zu machen "für die Mehrkosten der Beschaffung von nicht zur Verfügung gestellten Unterlagen der vorinstanzlichen Verfahren, soweit sie für andere prozessuale Schritte benötigt werden". Damit ist nicht erstellt, dass er solche Kosten hatte, ansonsten er diese ohne Weiteres hätte benennen und beziffern können.
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1.6. Schliesslich macht der Beschwerdeführer Genugtuungsansprüche für die erlittene Nötigung geltend, da eine gutgeheissene EMRK-Beschwerde aller Voraussicht nach zu einer Verkürzung der Verwahrung führen müsste. Auch diesbezüglich fehlt es an einer ausreichenden Begründung, die den strengen Anforderungen des Bundesgerichts hinsichtlich der Beschwerdelegitimation Rechnung trägt. Der Beschwerdeführer legt selber dar, dass die Frist für die Beschwerde an den EGMR im Zeitpunkt, als der Beschwerdegegner 2 das Mandat niederlegte, bereits abgelaufen war (Beschwerde Ziff. 5 S. 6). Da der EGMR auf die vom Beschwerdegegner 2 verfasste Beschwerde offenbar wegen formaler Mängel nicht eingetreten war und anschliessend die zusätzliche Eingabe wegen abgelaufener Beschwerdefrist ebenfalls nicht an die Hand nahm, ist es müssig anzunehmen, was die Folge einer allfällig gutgeheissenen Beschwerde sein würde.
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Erwägung 2
 
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von Art. 64 BGG abzuweisen, weil die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
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Dem Beschwerdegegner 2 ist keine Entschädigung zuzusprechen, da ihm im bundesgerichtlichen Verfahren keine Umtriebe entstanden sind.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 22. September 2016
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Die Gerichtsschreiberin: Unseld
 
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