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Informationen zum Dokument  BGer 6B_581/2016  Materielle Begründung
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BGer 6B_581/2016 vom 13.06.2016
 
{T 0/2}
 
6B_581/2016
 
 
Urteil vom 13. Juni 2016
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Nichtanhandnahme (Prozessbetrug, falsches Gutachten, falsches ärztliches Zeugnis, Amtsmissbrauch etc.),
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 15. April 2016.
 
 
Der Präsident zieht in Erwägung:
 
 
1.
 
Der Beschwerdeführer wirft dem Leiter und einem Angestellten des Regionalen Ärztlichen Dienstes der IV-Stelle des Kantons Bern in der Strafanzeige vom 29. Mai bzw. 5. Juni 2015 unter anderem Prozessbetrug, falsches Gutachten, falsches ärztliches Zeugnis und Amtsmissbrauch vor. Die Regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland nahm das Verfahren mit Verfügung vom 15. Oktober 2015 nicht an die Hand. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Bern mit Beschluss vom 15. April 2016 ab.
 
Der Beschwerdeführer wendet sich mit Beschwerde an das Bundesgericht und beantragt, es sei der Beschluss des Obergerichts vom 15. April 2016 aufzuheben und ein Strafverfahren gegen die Bean-zeigten einzuleiten. Er bringt vor, er erhalte lediglich eine geringe BVG-Rente und auch keine volle AHV-Rente. Die ihm zustehenden Leistungen würden aufgrund eines ärztlichen Berichts des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) der IV-Stelle des Kantons Bern nicht zur Auszahlung bzw. zum Einsatz kommen.
 
 
2.
 
2.1. Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist der Privatkläger zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung seiner Zivilansprüche auswirken kann. Richtet sich die Beschwerde gegen die Einstellung oder Nichtanhandnahme eines Verfahrens, hat der Privatkläger nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden eine Zivilforderung geltend gemacht. Indessen muss er in jedem Fall im Verfahren vor Bundesgericht darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderungen auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen Begründungsanforderungen nicht, kann darauf nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um welche Zivilforderungen es geht (BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen).
 
2.2. Als Zivilansprüche im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG gelten solche, die ihren Grund im Zivilrecht haben und deshalb ordentlicherweise vor dem Zivilgericht durchgesetzt werden müssen. In erster Linie handelt es sich um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung nach Art. 41 ff. OR. Nicht in diese Kategorie gehören Ansprüche, die sich aus öffentlichem Recht ergeben. Öffentlich-rechtliche Ansprüche, auch solche aus öffentlichem Staatshaftungsrecht, können nicht adhäsionsweise im Strafprozess geltend gemacht werden und zählen nicht zu den Zivilansprüchen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG (Urteil 6B_530/2013 vom 13. September 2013).
 
2.3. Der Bund sorgt für die Errichtung kantonaler IV-Stellen (Art. 54 Abs. 1 IVG). Die Kantone errichten die IV-Stellen in der Form kantonaler öffentlich-rechtlicher Anstalten mit eigener Rechtspersönlichkeit (Art. 54 Abs. 2 IVG). Es handelt sich grundsätzlich um kantonale Vollzugsorgane, funktionell bilden sie jedoch dezentralisierte Verwaltungseinheiten des Bundes. Im Bereich der AHV/IV haftet - aufgrund des im öffentlichen Recht allgemein gültigen Prinzips der Verantwortlichkeitshaftung - grundsätzlich der Kanton als hinter den Versicherungsträgern stehende öffentliche Körperschaft für die von den IV-Stellen verursachten Schäden (vgl. Art. 78 ATSG; vgl. BURCH/GÄCHTER, Die kantonale IV-Stelle - eine Organsationsform eigener Art, in: Verwaltungsorganisationsrecht - Staatshaftungsrecht - öffentliches Dienstrecht, Jahrbuch 2012, S. 19 ff., S. 69 f.). Eine direkte externe Haftung des schädigenden Subjekts ist ausgeschlossen (BURCH/GÄCHTER, a.a.o., S. 69).
 
2.4. Die vom Beschwerdeführer gegen den Leiter und einen Angestellten des RAD der IV-Stelle des Kantons Bern erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe können allenfalls Haftungsansprüche öffentlich-rechtlicher Natur betreffen. Aus der Beschwerdeschrift ergibt sich nicht, dass und weshalb die fraglichen Ansprüche zivilrechtlich sein sollten. Wie dargelegt (E. 2.1), läge es am Beschwerdeführer diesen Zusammenhang darzutun. Ein Verzicht auf solche Ausführungen kommt hier nicht in Frage, da sich die privatrechtlichen Auswirkungen aufgrund der in Frage stehenden Vorwürfe gerade nicht ohne Weiteres aus den Akten ergeben, sondern im Gegenteil von der öffentlich-rechtlichen Natur der Ansprüche auszugehen ist.
 
2.5. Auf die Beschwerde kann demnach mangels Legitimation des Beschwerdeführers im Verfahren nach Art. 108 BGG nicht eingetreten werden.
 
 
3.
 
Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst kann der Privatkläger die Verletzung jener Parteirechte geltend machen, die ihm nach dem Verfahrensrecht, der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung bedeutet. Soweit eine Rüge zulässig ist, ist klar und detailliert darzulegen, inwieweit das angerufene Recht verletzt worden sein soll (Art. 106 Abs. 2 BGG).
 
Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu Art. 9, 29 und 29a BV sowie zu Art. 6 EMRK genügen den Anforderungen nicht. Daraus ergibt sich z.B. nicht im Ansatz, dass und inwiefern ihm der effektive Zugang zum Gericht verwehrt worden sein könnte, das angerufene Gericht nicht unabhängig und unparteiisch bzw. das Verfahren nicht fair sein sollte und die gerichtliche Beurteilung nicht innerhalb angemessener Frist erfolgt sein könnte.
 
 
4.
 
Bei diesem Verfahrensausgang wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 65 BGG).
 
 
Demnach erkennt der Präsident:
 
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2. Dem Beschwerdeführer werden die Gerichtskosten von Fr. 800.-- auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 13. Juni 2016
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill
 
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