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Informationen zum Dokument  BGer 9C_644/2015  Materielle Begründung
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BGer 9C_644/2015 vom 03.05.2016
 
9C_644/2015   {T 0/2}
 
 
Urteil vom 3. Mai 2016
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
 
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless,
 
Gerichtsschreiberin Dormann.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Sandra Nussbaumer,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle Bern,
 
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
 
vom 8. Juli 2015.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Der 1965 geborene A.________, gelernter Landwirt und Zimmermann, übernahm 1993 den elterlichen Hof und ist seither als selbstständiger Landwirt tätig; daneben betreibt er seit 1995 auf dem Hof eine Schreinerei/Zimmerei (Werkstatt). Im Oktober 1998 erlitt er einen Verkehrsunfall. In der Folge sprach ihm die IV-Stelle Bern mit Verfügung vom 19. November 2002 rückwirkend eine halbe, vom 1. Oktober 1999 bis 29. Februar 2000 befristete Invalidenrente zu. Im Juni 2011 meldete er sich erneut bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen und Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 28. März 2014 einen Rentenanspruch.
1
B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 8. Juli 2015 ab.
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C. A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, unter Aufhebung des Entscheids vom 8. Juli 2015 sei die IV-Stelle zu verpflichten, ihm zumindest eine halbe Invalidenrente ab 1. Dezember 2011 auszurichten; eventualiter sei die Streitsache zu ergänzenden Abklärungen (Betätigungsvergleich und medizinische Abklärung) an die Verwaltung zurückzuweisen.
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Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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Erwägungen:
 
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht  (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2. Die Vorinstanz hat den Gutachten der Dres. med. B.________ (Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Rheumatologie) und C.________ (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie) vom 18. Oktober 2012 Beweiskraft beigemessen und gestützt darauf festgestellt, dass der Versicherte aus somatischer Sicht in einer leidensangepassten Tätigkeit (leichte bis maximal mittelgradig körperlich belastende Arbeiten) uneingeschränkt arbeitsfähig sei, während aus psychiatrischer Sicht eine Einschränkung von maximal 40 % bestehe. In der Folge hat sie die Aufgabe des Betriebes (Landwirtschaft und Werkstatt) für zumutbar gehalten und einen Einkommensvergleich durchgeführt. Dabei hat sie das Valideneinkommen auf Fr. 33'900.- und das Invalideneinkommen auf Fr. 37'661.- festgesetzt. Mangels Erwerbsunfähigkeit (vgl. Art. 7 Abs. 1 ATSG) hat sie einen Rentenanspruch verneint.
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3. 
7
3.1. Der Beschwerdeführer bestreitet zunächst die Beweiskraft des Gutachtens des Dr. med. B.________; gegen die psychiatrische Expertise des Dr. med. C.________ hingegen bringt er nichts vor.
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3.2. Bei der Beurteilung der Arbeits (un) fähigkeit stützt sich die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen, die von ärztlichen und gegebenenfalls auch anderen Fachleuten zur Verfügung zu stellen sind. Ärztliche Aufgabe ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der Experten begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351   E. 3a S. 352 mit Hinweis).
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3.3. Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um Entscheidungen über eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.), welche das Bundesgericht seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat (E. 2). Die konkrete Beweiswürdigung stellt ebenfalls eine Tatfrage dar. Dagegen ist die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 4 mit Hinweisen), die das Bundesgericht im Rahmen der den Parteien obliegenden Begründungs- bzw. Rügepflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 und 1.4.2 S. 254) frei überprüfen kann (Art. 106 Abs. 1 BGG).
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3.4. Dr. med. B.________ attestierte "aus rein somatischer Sicht" für eine angepasste Tätigkeit eine uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit, während er die bisherige Arbeit nur noch eingeschränkt für zumutbar hielt. Inwiefern er fachlich nicht resp. ungenügend qualifiziert sein soll, dem Leiden des Versicherten in somatischer Hinsicht Rechnung zu tragen, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht substanziiert dargelegt. Insbesondere war eine Begutachtung durch einen Orthopäden verzichtbar, bilden doch (chronische) Schmerzen des Bewegungsapparates Gegenstand sowohl der Rheumatologie als auch der Orthopädie (Urteile 9C_320/2015 vom 25. August 2015 E. 3.3.3; 9C_270/2012 vom 23. Mai 2012 E. 4.2; 9C_547/2010 vom 26. Januar 2011 E. 4.1). In Bezug auf den medizinischen Sachverhalt gibt es denn auch keine wesentlichen Differenzen zum Kurzgutachten des Dr. med. D.________ vom 15. Oktober 2013; lediglich die Einschätzungen der Arbeitsfähigkeit weichen erheblich voneinander ab. Dr. med. D.________ erläuterte indessen mit keinem Wort, weshalb die Arbeitsfähigkeit in angepassten Tätigkeiten in gleichem Umfang wie in der angestammten Arbeit eingeschränkt sein soll. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers beruht die Arbeitsfähigkeitsschätzung des Dr. med. B.________ auch nicht auf der Hypothese resp. Voraussetzung, dass eine Kniegelenkprothese eingesetzt wird; ein solches Vorgehen wurde lediglich als therapeutische Option vorgeschlagen. Auch im Übrigen genügt das Gutachten des Dr. med. B.________ den bundesrechtlichen Anforderungen an die Beweiskraft (E. 3.2).
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Sodann fehlt es an konkreten Anhaltspunkten für eine gesundheitliche Verschlechterung zwischen der Begutachtung und dem Erlass der Verfügung vom 28. März 2014: Einerseits betreffen die Behauptungen des Versicherten im Zusammenhang mit der Operation vom 23. Juni 2014 nicht den massgeblichen Prüfungszeitraum (vgl. BGE 131 V 407 E. 2.1.2.1 S. 412; 116 V 246 E. 1a S. 248; Urteil 9C_768/2013 vom 12. Mai 2014 E. 3.2.2 mit weiteren Hinweisen). Anderseits sind sie, wie auch der Bericht des Dr. med. D.________ vom 31. März 2015 neu und daher ohnehin unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG). Somit erübrigt sich eine weitere medizinische Abklärung.
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3.5. Nach dem Gesagten bleiben die auf den Gutachten der Dres. med. B.________ und C.________ beruhenden vorinstanzlichen Feststellungen betreffend die Arbeitsfähigkeit (E. 2) für das Bundesgericht verbindlich (E. 1).
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4. 
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4.1. Weiter kritisiert der Versicherte die vorinstanzliche Invaliditätsbemessung. Er macht geltend, die Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebs sei nicht zumutbar. Es sei ein (neuer) Betätigungsvergleich mit Ermittlung der erwerblichen Auswirkungen sowohl hinsichtlich der Landwirtschaft als auch bezüglich der Werkstatt erforderlich. Schliesslich hält er das vorinstanzlich festgesetzte Valideneinkommen für "unrealistisch tief".
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4.2. Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Art. 16 ATSG).
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Der Einkommensvergleich hat in der Regel in der Weise zu erfolgen, dass die beiden hypothetischen Erwerbseinkommen ziffernmässig möglichst genau ermittelt und einander gegenübergestellt werden, worauf sich aus der Einkommensdifferenz der Invaliditätsgrad bestimmen lässt. Insoweit die fraglichen Erwerbseinkommen ziffernmässig nicht genau ermittelt werden können, sind sie nach Massgabe der im Einzelfall bekannten Umstände zu schätzen und die so gewonnenen Annäherungswerte miteinander zu vergleichen. Lassen sich die beiden hypothetischen Erwerbseinkommen nicht zuverlässig ermitteln oder schätzen, so ist in Anlehnung an die spezifische Methode für Nichterwerbstätige ein Betätigungsvergleich anzustellen und der Invaliditätsgrad nach Massgabe der erwerblichen Auswirkungen der verminderten Leistungsfähigkeit in der konkreten erwerblichen Situation zu bestimmen (ausserordentliches Bemessungsverfahren; BGE 128 V 29 E. 1 S. 30 mit Hinweisen; Urteil 8C_492/2015 vom 17. November 2015 E. 2.1).
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Erwägung 4.3
 
4.3.1. Bevor die versicherte Person Leistungen verlangt, hat sie aufgrund der Schadenminderungspflicht alles ihr Zumutbare selber vorzukehren, um die Folgen der Invalidität bestmöglich zu mindern. Ein Rentenanspruch ist zu verneinen, wenn sie selbst ohne Eingliederungsmassnahmen, nötigenfalls mit einem Berufswechsel, zumutbarerweise in der Lage ist, ein rentenausschliessendes Erwerbseinkommen zu erzielen. Für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der zumutbaren Tätigkeit im Allgemeinen, wie bei der Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit im Besonderen, sind die gesamten subjektiven und objektiven Gegebenheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen. Im Vordergrund stehen bei den subjektiven Umständen die verbliebene Leistungsfähigkeit sowie die weiteren persönlichen Verhältnisse, wie Alter, berufliche Stellung, Verwurzelung am Wohnort etc. Bei den objektiven Umständen sind insbesondere der ausgeglichene Arbeitsmarkt und die noch zu erwartende Aktivitätsdauer massgeblich (SVR 2010 IV Nr. 11 S. 35, 9C_236/2009 E. 4.1 und 4.3; 2007 IV Nr. 1 S. 1, I 750/04 E. 5.3; Urteile 9C_834/2011 vom 2. April 2012 E. 2; 8C_482/2010 vom 27. September 2010 E. 4.2). Eine Betriebsaufgabe ist nur unter strengen Voraussetzungen unzumutbar, und es kann ein Betrieb selbst dann nicht auf Kosten der Invalidenversicherung aufrecht erhalten werden, wenn die versicherte Person darin Arbeit von einer gewissen erwerblichen Bedeutung leistet (Urteile 9C_624/2013 vom 11. Dezember 2013 E. 3.1.1; 8C_492/2015 vom 17. November 2015 E. 2.2; 9C_834/2011 vom 2. April 2012 E. 4 mit Hinweis).
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4.3.2. Die Frage nach der Zumutbarkeit eines Berufswechsels resp. der Betriebsaufgabe im Rahmen der Schadenminderung ist als Rechtsfrage vom Bundesgericht frei überprüfbar (Urteil 9C_624/2013 vom 11. Dezember 2013 E. 3.1.1).
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Erwägung 4.4
 
4.4.1. Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass der Versicherte als Angestellter (auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt) ein höheres Einkommen als bei Weiterführung des Betriebs erzielen könnte, was nicht in Abrede gestellt wird.
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Das kantonale Gericht hat die Zumutbarkeit einer Betriebsaufgabe insbesondere mit der Begründung bejaht, das Alter des Versicherten resp. dessen verbleibende Aktivitätsdauer (im Verfügungszeitpunkt rund 16 Jahre) sprächen nicht dagegen. Es sei verständlich, dass die Aufgabe des Hofes schwerfalle, da er seit Generationen von der Familie betrieben werde und durch den Sohn übernommen werden solle. Die Invalidenversicherung habe aber nicht den - keineswegs sicheren - Übergang des Hofes an die nächste Generation sicherzustellen. Sodann könne nicht berücksichtigt werden, wenn die Eltern des Versicherten von der Hofaufgabe finanziell betroffen wären.
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4.4.2. Diese Begründung ist nicht bundesrechtswidrig. Auch bei Berücksichtigung der subjektiven Gegebenheiten ist ein objektiver Massstab anzuwenden, welcher etwa der Berücksichtigung einer starken Verbundenheit mit dem bereits von den Eltern bewirtschafteten Hof oder dem nachvollziehbaren Wunsch, den Hof dereinst an einen Nachkommen weiterzugeben, grundsätzlich entgegen steht (Urteil 9C_834/2011 vom 2. April 2012 E. 4). Hinzu kommt, dass der Versicherte anlässlich der Abklärung vor Ort in Bezug auf die Betriebsverhältnisse angab, dass er lediglich noch zu "ca. 40 %" in der Landwirtschaft tätig sei und 60 % seiner Arbeit auf die Schreinerei entfielen (Abklärungsbericht Landwirtschaft vom 11. Mai 2012). Weiter ist fraglich, ob angesichts des Umstandes, dass der Versicherte nicht Pächter, sondern Eigentümer des Hofes zu sein scheint (vgl. die Aufwandkonten im Jahresabschluss 1999 und die Angaben über die Betriebsverhältnisse vom 17. Januar 2001), eine Änderung der Wohnsituation tatsächlich unvermeidlich wäre. Dies braucht indessen nicht beantwortet zu werden: Bei objektiver Betrachtung ist nicht ersichtlich, weshalb neue Wohnverhältnisse unzumutbar sein sollen, auch wenn davon neben dem Versicherten selbst seine Ehefrau, die Kinder und seine Eltern betroffen wären. Andere Aspekte, die gegen die Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit sprechen, werden nicht geltend gemacht.
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4.5. Nach dem Gesagten hat es die Vorinstanz zu Recht als zumutbar erachtet, dass der Versicherte den Landwirtschaftsbetrieb samt Werkstatt aufgibt und eine unselbstständige Tätigkeit aufnimmt. Demzufolge war es möglich, das Invalideneinkommen gestützt auf Tabellenlöhne gemäss den vom Bundesamt für Statistik periodisch herausgegebenen Lohnstrukturerhebungen (LSE; BGE 139 V 592   E. 2.3 S. 593 f. mit Hinweis) zuverlässig zu ermitteln (E. 4.2). Die Vorinstanz hat denn auch das entsprechende Vorgehen der IV-Stelle bestätigt. Gegen die Höhe des Invalideneinkommens (im massgeblichen Vergleichsjahr 2011; vgl. BGE 128 V 174; 129 V 222 E. 4.2   S. 224) von Fr. 37'661.- bringt der Beschwerdeführer nichts vor; sie bleibt für das Bundesgericht verbindlich (E. 1).
23
4.6. 
24
4.6.1. Für die Ermittlung des Valideneinkommens ist entscheidend, was die versicherte Person im massgebenden Zeitpunkt des Rentenbeginns nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde tatsächlich verdienen würde, und nicht, was sie bestenfalls verdienen könnte. Dabei wird in der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Verdienst angeknüpft, da erfahrungsgemäss die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre. Ausnahmen von diesem Erfahrungssatz müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sein (BGE 135 V 58 E. 3.1 S. 59; 134 V 322 E. 4.1 S. 325 mit Hinweisen).
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4.6.2. Angesichts der in Art. 25 Abs. 1 IVV (SR 831.201) vorgesehenen Gleichstellung der invalidenversicherungsrechtlich massgebenden hypothetischen Vergleichseinkommen mit den AHV-rechtlich beitragspflichtigen Erwerbseinkommen kann das Valideneinkommen von Selbstständigerwerbenden zumeist auf Grund der Einträge im Individuellen Konto bestimmt werden. Weist das bis zum Eintritt der Invalidität erzielte Einkommen starke und verhältnismässig kurzfristig in Erscheinung getretene Schwankungen auf, ist dabei auf den während einer längeren Zeitspanne erzielten Durchschnittsverdienst abzustellen (SVR 2010 IV Nr. 26 S. 79, 8C_9/2009 E. 3.3; Urteil 8C_576/2008 vom 10. Februar 2009 E. 6.2 mit Hinweisen).
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Die bundesgerichtliche Rechtsprechung schliesst nicht aus, dass auch bei Erwerbstätigen unter Umständen nicht auf das zuletzt erzielte Einkommen abgestellt wird. Das trifft bei selbstständig Erwerbenden etwa dann zu, wenn die vor der Gesundheitsbeeinträchtigung ausgeübte selbstständige Tätigkeit wegen ihrer kurzen Dauer keine genügende Grundlage für die Bestimmung des Valideneinkommens darstellt, zumal in den ersten Jahren nach Aufnahme der selbstständigen Erwerbstätigkeit üblicherweise aus verschiedenen Gründen (hohe Abschreibungsquote auf Neuinvestitionen etc.) die Betriebsgewinne gering sind (BGE 135 V 58 E. 3.6.4 S. 64 mit Hinweisen).
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Erwägung 4.7
 
4.7.1. Das kantonale Gericht hat das Valideneinkommen von Fr. 33'900.-, welches die IV-Stelle gestützt auf die Beitragsverfügung der Ausgleichskasse vom 27. August 2011 für das Jahr 2009 feststellte, bestätigt. Zudem hat es erwogen, auch wenn das höchste im Individuellen Konto ausgewiesene Jahreseinkommen von Fr. 40'000.- berücksichtigt würde, resultiere kein rentenbegründender Invaliditätsgrad.
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4.7.2. Der Beschwerdeführer rügt zu Recht, dass das berücksichtigte Einkommen des Jahres 2009 erzielt wurde, als er bereits gesundheitlich eingeschränkt war. Laut Einschätzung des Dr. med. B.________ war die Arbeitsfähigkeit aus somatischer Sicht seit dem 1998 erlittenen Unfall ununterbrochen mindestens zu "circa 10 bis 15 %" eingeschränkt. Sodann diagnostizierte Dr. med. E.________ eine rezidivierende depressive Störung, wobei "die depressiven Symptome seit dem Jahr 1999 kontinuierlich bestehen". Das beitragspflichtige Einkommen 2009 entspricht daher nicht dem hypothetischen Einkommen des Jahres 2011 ohne Gesundheitsschaden. Die entsprechende vorinstanzliche Feststellung beruht auf einer Rechtsverletzung (E. 1).
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4.8. Auch wenn grundsätzlich auf die Einträge im Individuellen Konto abgestellt werden darf, ist in concreto eine Anknüpfung an die vor dem Unfall erzielten Einkommen nicht sachgerecht (E. 4.6.2) : Einerseits erfolgte die Hofübernahme nur rund fünf Jahre und die Eröffnung der Werkstatt nur rund drei Jahre vor dem Unfall. Anderseits wurden selbst mit dem Gesundheitsschaden deutlich höhere Einkommen als vor dessen Eintritt erzielt. Aus den übrigen Unterlagen, insbesondere aus den Abklärungsberichten vom 10. September 2002, 11. Mai 2012 und 5. Mai 2013 (die im Übrigen weder einen vollständigen Betätigungsvergleich noch eine überzeugende Einschätzung der erwerblichen Auswirkungen des Gesundheitsschadens in der bisherigen Tätigkeit enthalten), kann das Valideneinkommen ebenfalls nicht hergeleitet werden.
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Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er als Gesunder zu 40 % in der Landwirtschaft und zu 60 % in der Werkstatt wäre und dabei ein Einkommen von Fr. 75'389.- erzielen könnte. Für den Landwirtschaftsbereich beruft er sich auf die (neu eingereichten; vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG) "Hauptergebnisse der Buchhaltungsdaten nach Regionen" in einer nicht näher bezeichneten Publikation der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon. Auf das darin ausgewiesene Durchschnittseinkommen "Talregion" - das im Übrigen auch ausserlandwirtschaftliches Einkommen enthält - kann nicht abgestellt werden, zumal dabei nur nach der Region, nicht aber nach weiteren entscheidenden Kriterien wie der Grösse der landwirtschaftlichen Nutzfläche oder der Art der Bewirtschaftung differenziert wird. Für den Bereich Werkstatt verweist der Versicherte auf einen Durchschnittslohn gemäss LSE. Dabei verkennt er, dass aus dem Lohn von Angestellten nicht (direkt) auf das Einkommen als Selbstständigerwerbender geschlossen werden kann.
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4.9. Demnach sind in Bezug auf das Valideneinkommen weitere Abklärungen angezeigt, welche die IV-Stelle zu treffen hat. Zu denken ist etwa an eine Befragung des Versicherten betreffend die Art der Bewirtschaftung oder der Tätigkeiten (unter der Hypothese, dass kein Gesundheitsschaden eingetreten wäre). In Betracht fallen weiter Auskünfte oder Gutachten, die beispielsweise bei den einschlägigen Berufsverbänden oder bei sachkundigen kantonalen Stellen eingeholt werden können. Auf solcher Grundlage ist das Valideneinkommen des Jahres 2011 zu schätzen. Anschliessend ist erneut der Invaliditätsgrad zu ermitteln (vgl. zum Invalideneinkommen E. 4.5 in fine) und der Rentenanspruch nach Art. 28 IVG zu beurteilen.
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5. Eine Rückweisung zu erneutem Entscheid mit offenem Ausgang gilt in Bezug auf die Verfahrenskosten als Obsiegen (Urteil 2C_60/2011 vom 12. Mai 2011 E. 2.4 mit Hinweis auf BGE 131 II 72 E. 4 S. 80 betreffend das öffentliche Recht). Die unterliegende Beschwerdegegnerin hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 65 Abs. 4 lit. a i.V.m. Art. 66 Abs. 1 BGG). Ausserdem hat sie dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG).
33
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 8. Juli 2015 und die Verfügung der IV-Stelle Bern vom 28. März 2014 werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung an die IV-Stelle Bern zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
 
3. Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.
 
4. Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung zurückgewiesen.
 
5. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 3. Mai 2016
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Glanzmann
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann
 
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