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Informationen zum Dokument  BGer 2C_701/2015  Materielle Begründung
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BGer 2C_701/2015 vom 22.04.2016
 
{T 0/2}
 
2C_701/2015 / 2C_702/2015
 
 
Urteil vom 22. April 2016
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichterin Aubry Girardin,
 
Bundesrichter Donzallaz,
 
Gerichtsschreiber Kocher.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________ AG,
 
Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Y.________ AG,
 
handelnd durch Herrn A.________, Verwaltungsrat,
 
gegen
 
Kantonales Steueramt Nidwalden.
 
Gegenstand
 
Kantons- und Gemeindesteuern 2011/2012 sowie
 
direkte Bundessteuer 2011/2012 (Beteiligungsabzug
 
auf Veräusserungsgewinn),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungs-gerichts des Kantons Nidwalden, Steuerabteilung,
 
vom 13. April 2015.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
Die X.________ AG (nachfolgend: die Steuerpflichtige) mit Sitz in U.________/NW hielt seit einiger Zeit eine Beteiligung von 23,55 Prozent an der Z.________ SA, V.________/GL. Im Verlauf des Geschäftsjahrs vom 1. Juli 2011 bis zum 30. Juni 2012 veräusserte sie einen Anteil von 1,25 Prozent an der Z.________ SA. Bei einem Erlös von Fr. 3 Mio. ergab sich ein Nettogewinn von rund Fr. 2,7 Mio. Zurück blieb eine Rest-Beteiligungsquote von 22,3 Prozent. Die Steuerpflichtige machte in ihrer Steuererklärung 2011/2012 den Beteiligungsabzug geltend. Das Kantonale Steueramt Nidwalden (nachfolgend: das Steueramt) war gegenteiliger Auffassung und nahm eine Aufrechnung auf (Veranlagungsverfügung vom 14. Januar 2014 bzw. Einspracheentscheid vom 16. September 2014).
1
 
B.
 
Dagegen gelangte die Steuerpflichtige an das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden. Mit Entscheid ST 14 8 vom 13. April 2015 wies dieses die Beschwerde für alle betroffenen Steuerarten ab. Die verwaltungsgerichtliche Steuerabteilung erkannte, die Veräusserung eines Beteiligungsanteils im Umfang von 1,25 Prozent vermöge für den Beteiligungsabzug nicht zu qualifizieren, zumal keine früheren Veräusserungen zu berücksichtigen seien und die Beteiligungsquote auch nicht unter zehn Prozent gefallen sei, was unter Umständen zu einer anderen Beurteilung hätte führen können.
2
 
C.
 
Mit einer als "Staatsrechtliche Beschwerde" bezeichneten Eingabe vom 26. August 2015 (Poststempel) beim Bundesgericht beantragt die Steuerpflichtige die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Die Vorinstanz sieht von einer Vernehmlassung ab. Das Steueramt schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit die direkte Bundessteuer betreffend, und verzichtet auf eine Stellungnahme zur Frage der kantonalen und kommunalen Steuer.
3
 
Erwägungen:
 
I. Prozessuales
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Erwägung 1
 
1.1. Die Vorinstanz hat zum Steuerjahr 2011/2012 betreffend die Kantons- und Gemeindesteuern einerseits und die direkte Bundessteuer anderseits ein einziges Urteil gefällt, ohne im Dispositiv zwischen den beiden Steuerarten zu unterscheiden. Die Steuerpflichtige ficht dieses Urteil mit einer einzigen Beschwerdeeingabe an. Praxisgemäss eröffnet das Bundesgericht in solchen Fällen zwei Dossiers. Im vorliegenden Fall stellen sich bezüglich derselben steuerpflichtigen Person dieselben Tatfragen und sind die aufgeworfenen Rechtsfragen im Bundesrecht und im harmonisierten kantonalen Steuerrecht übereinstimmend geregelt. Es rechtfertigt sich daher, die beiden Verfahren zu vereinigen und die Beschwerde in einem einzigen Urteil zu erledigen (vgl. Art. 71 BGG [SR 173.110] i. V. m. Art. 24 BZP [SR 273]; Urteil 2C_1012/2014 / 2C_1013/2014 vom 14. November 2014 E. 1.5).
5
 
Erwägung 1.2
 
1.2.1. Die Beschwerde richtet sich gegen den verfahrensabschliessenden Entscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten liegen vor (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90 BGG i. V. m. Art. 146 DBG [SR 642.11] sowie Art. 73 StHG [SR 642.14]). Die falsche Bezeichnung des Rechtsmittels schadet nicht. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
6
1.2.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b BGG). Bei der Prüfung verfügt das Bundesgericht über uneingeschränkte (volle) Kognition und wendet es das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht prüft auch das harmonisierte kantonale Steuerrecht grundsätzlich mit voller Kognition, damit in gleicher Weise, wie es dies im Fall von Bundesrecht täte (Art. 95 lit. a BGG).
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1.2.3. Die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem (einschliesslich kommunalem) und interkantonalem Recht prüft das Bundesgericht in jedem Fall nur, falls eine solche Rüge in der Beschwerde überhaupt vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 140 IV 57 E. 2.2 S. 60).
8
1.2.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG).
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Erwägung 2
 
Formelle Rügen und Sachverhaltsrügen sind vorab zu behandeln (BGE 138 I 232 E. 5.1 S. 237). Die Steuerpflichtige macht neben den materiellrechtlichen Einwänden (hinten E. 3 und 4) eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) geltend (Beschwerde, S. 7 zu E. 5.4.3). Die Steuerpflichtige lässt es aber damit bewenden, in kürzester Weise ihre Auffassung aufzuzeigen, ohne die zentrale Verfassungsfrage überhaupt anzusprechen. Auf diesen Kritikpunkt ist daher nicht einzutreten (vorne E. 1.2.3).
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II. Direkte Bundessteuer
11
 
Erwägung 3
 
3.1. In der Sache selbst streitig und zu prüfen ist die bundesrechtliche Rechtsfrage, ob die isolierte, also von keinen weiteren Abgängen begleitete Veräusserung von 1,25 Prozent an einer Beteiligung von ursprünglich 23,55 Prozent zur Vornahme des Beteiligungsabzugs berechtigt.
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3.2. Der einschlägige Art. 70 Abs. 4 lit. b DBG in der Fassung vom 23. März 2007 und in Kraft seit dem 1. Januar 2011 (AS 2008 2893, "UStR II"; nachfolgend: 
13
 
Erwägung 3.3
 
3.3.1. Das Bundesgericht konnte sich mit der streitbetroffenen Norm schon verschiedentlich auseinandersetzen. Im Urteil 2C_787/2012 / 2C_788/2012 vom 15. Januar 2013 E. 3 (publ. in: RDAF 2013 II 380, StE 2013 B 72.11 Nr. 23), das allerdings noch Art. 70 Abs. 4 lit. b DBG in der Fassung vom 10. Oktober 1997 und in Kraft seit dem 1. Januar 1998 (AS 1998 669, "UStR I"; nachfolgend: 
14
3.3.2. Im eben zitierten Urteil 2C_469/2015 stellte sich dem Bundesgericht unter Herrschaft des Rechts von 2007 die Frage nach der 
15
3.3.3. Im vorliegenden Fall ist die Frage nach der 
16
3.3.4. Ausgangspunkt jeder Auslegung eines Gesetzes bildet der Wortlaut der Bestimmung ( 
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3.3.5. Nichts Anderes ergibt sich, wenn dem hiervor ausgelegten Normalfall (Art. 70 Abs. 4 lit. b Teilsatz 1 DBG 2007) der Sonderfall (Art. 70 Abs. 4 lit. b Teilsatz 2 DBG 2007) entgegengehalten wird. Die Wendung "fällt die Beteiligungsquote infolge Teilveräusserung unter 10 Prozent" bestätigt vielmehr das bisherige Auslegungsergebnis und verdeutlicht, dass der Beteiligungsabzug gemäss Teilsatz 2 (nur noch) beansprucht werden kann, wenn "die Beteiligungsrechte am Ende des Steuerjahres vor dem Verkauf einen Verkehrswert von mindestens einer Million Franken hatten".
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3.4. Die vorinstanzliche Auslegung und Anwendung von Art. 70 Abs. 4 DBG erweist sich damit als bundesrechtskonform. Entsprechend ist die Beschwerde unbegründet und daher abzuweisen.
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III. Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Nidwalden
20
 
Erwägung 4
 
Art. 28 Abs. 1bis Satz 1 StHG in der Fassung vom 23. März 2007 und in Kraft seit dem 1. Januar 2009 (AS 2008 2893, "UStR II") ermächtigt die Kantone, den Beteiligungsabzug auf Kapitalgewinne aus Beteiligungen auszudehnen, "wenn die veräusserte Beteiligung mindestens 10 Prozent des Grund- oder Stammkapitals einer anderen Gesellschaft betrug (...) ". Der Wortlaut entspricht insofern genau jenem von Art. 70 Abs. 4 lit. b Teilsatz 1 DBG 2007. Der Kanton Nidwalden hat von der optionalen Möglichkeit zur Ausdehnung des Beteiligungsabzugs auf Kapitalgewinne Gebrauch gemacht. Artikel 87 Abs. 4 Ziff. 2 des Gesetzes (des Kantons Nidwalden) vom 22. März 2000 über die Steuern des Kantons und der Gemeinden (StG/NW; NG 521.1) in der Fassung vom 17. März 2010 und in Kraft seit dem 1. Januar 2011 spricht im Einklang mit der harmonisierungsrechtlichen Vorgabe in Art. 28 Abs. 1bis Satz 1 StHG von einer "veräusserten Beteiligung" von "mindestens 10 Prozent (...) ". Es kann damit in allen Teilen auf das zur direkten Bundessteuer Gesagte verwiesen werden. Die Beschwerde ist damit auch hinsichtlich der Staats- und Gemeindesteuern abzuweisen.
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IV. Kosten und Entschädigung
22
 
Erwägung 5
 
5.1. Nach dem Unterliegerprinzip sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der Steuerpflichtigen aufzuerlegen (Art. 65 i. V. m. Art. 66 Abs. 1 BGG).
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5.2. Der Eidgenössischen Steuerverwaltung und dem Kanton Nidwalden, die in ihrem jeweiligen amtlichen Wirkungskreis obsiegen, ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Verfahren 2C_701/2015 und 2C_702/2015 werden vereinigt.
 
2. Die Beschwerde betreffend die direkte Bundessteuer 2011/2012 (Verfahren 2C_702/2015) wird abgewiesen.
 
3. Die Beschwerde betreffend die Staats- und Gemeindesteuern 2011/2012 des Kantons Nidwalden (Verfahren 2C_701/2015) wird abgewiesen.
 
4. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 6'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
5. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Steuerabteilung, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 22. April 2016
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Der Gerichtsschreiber: Kocher
 
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