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Informationen zum Dokument  BGer 2C_147/2015  Materielle Begründung
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BGer 2C_147/2015 vom 22.03.2016
 
{T 0/2}
 
2C_147/2015
 
 
Urteil vom 22. März 2016
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Seiler,
 
Bundesrichter Donzallaz,
 
Bundesrichter Stadelmann,
 
Bundesrichter Haag,
 
Gerichtsschreiberin Fuchs.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. A.________,
 
2. B.________, handelnd durch A.________, Beschwerdeführer,
 
beide vertreten durch Herrn Samuel Häberli, Freizeitplatzaktion Zürich, Rechtshilfe Asyl und Migration,
 
gegen
 
Migrationsamt des Kantons Zürich,
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.
 
Gegenstand
 
Aufenthaltsbewilligung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 19. November 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Der vietnamesische Staatsangehörige A.________ (geb. 1957) reiste 1981 in die Schweiz ein, wo ihm Asyl gewährt und er als Flüchtling anerkannt wurde. In der Folge erhielt er die Niederlassungsbewilligung. Er verheiratete sich insgesamt drei Mal mit Landsfrauen. Im September 2004 wurde seine Tochter B.________ geboren, die seit Geburt an einer genetisch bedingten Entwicklungsstörung (Angelman-Syndrom) leidet und auf intensive Pflege angewiesen ist. Auch sie erhielt die Niederlassungsbewilligung. Die Ehe zwischen A.________ und C.________, der Mutter von B.________, wurde am 30. Januar 2009 nach knapp siebenjähriger Dauer rechtskräftig geschieden. Dabei wurde die elterliche Sorge für die Tochter dem Vater zugeteilt. Am 7. Dezember 2010 reiste A.________ mit seiner Tochter aus der Schweiz aus, um nach Vietnam zurückzukehren. Zuvor hatte dieser auf seine Flüchtlingseigenschaft und das ihm in der Schweiz gewährte Asyl verzichtet. Gesuche um Aufrechterhaltung der Niederlassungsbewilligungen stellten sie nicht.
1
B. Nach eigenen Angaben reisten A.________ und seine Tochter im Juni 2013 wieder in die Schweiz ein. Ihr Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung wies das Migrationsamt des Kantons Zürich mit Verfügung vom 23. Oktober 2013 ab und wies die beiden aus der Schweiz weg. Gleichzeitig stellte das Amt fest, dass die Niederlassungsbewilligungen erloschen waren. Gegen die Nichterteilung der Aufenthaltsbewilligung beschwerten sich A.________ und B.________ erfolglos bei der Sicherheitsdirektion (Entscheid vom 1. Juli 2014) und beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, das die Beschwerde mit Urteil vom 19. November 2014 abwies.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 14. Februar 2015 (recte: 12. Februar 2015) beantragen A.________ und B.________ die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts. Die Sache sei zu weiteren Abklärungen an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen bzw. das Migrationsamt anzuweisen, den Sachverhalt im Sinne der Begründung vollständig festzustellen und einen erneuten Entscheid zu treffen. Eventualiter sei das Migrationsamt anzuweisen, die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.
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Das Verwaltungsgericht und die Sicherheitsdirektion verzichten auf eine Vernehmlassung, das Staatssekretariat für Migration schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Migrationsamt hat sich nicht vernehmen lassen.
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Mit Verfügung vom 13. Februar 2015 wurde der Beschwerde antragsgemäss aufschiebende Wirkung zuerkannt.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit bzw. die Zulässigkeit des Rechtsmittels von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (BGE 138 I 475 E. 1 S. 476).
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1.2. Der angefochtene Entscheid wurde von einer letzten kantonalen Gerichtsinstanz in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts erlassen und schliesst das kantonale Verfahren ab, weshalb die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich offen steht (vgl. Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 90 BGG). Gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt. Die Beschwerdeführer berufen sich auf das Recht auf Familienleben nach Art. 8 EMRK. Im Verhältnis zwischen Mutter und Tochter liege eine geschützte Beziehung vor, was mittelbar auch dem Vater zu einem Anwesenheitsanspruch verhelfe. Die Beschwerdeführer berufen sich somit gestützt auf den konventions- und verfassungsrechtlich verankerten Schutz des Familienlebens in vertretbarerweise auf einen potenziellen Bewilligungsanspruch. In diesem Fall bildet die Frage, ob die Aufenthaltsbewilligungen tatsächlich zu erteilen sind, nicht Eintretensfrage, sondern Gegenstand der materiellen Beurteilung (BGE 137 I 305 E. 2.5 S. 315 f.; 136 II 177 E. 1.1 S. 179 f.; 128 II 145 E. 1.1.5 S. 149 f.).
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1.3. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116). Die beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des Sachverhalts unter den gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge ist substanziiert vorzubringen (BGE 137 II 353 E. 5.1 S. 356; 136 II 304 E. 2.5 S. 314).
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2. Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung ihres Rechts auf Familienleben. Das angefochtene Urteil äussere sich nicht mit der erforderlichen Klarheit zum Aufenthaltsstatus der Mutter der Beschwerdeführerin. Diese würde wohl über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht in der Schweiz verfügen, nachdem die Ehe mit dem bis im Juni 2011 niederlassungsberechtigten Beschwerdeführer beinahe sieben Jahre gedauert habe. Mit Blick auf Art. 50 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 43 Abs. 2 AuG (SR 142.20) lasse sich auf ein entsprechendes Recht schliessen. Bezüglich der Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter, welcher zwar weder die elterliche Sorge noch die Obhut zukomme, lägen zudem Hinweise vor, dass nicht nur eine tatsächlich gelebte Beziehung bestehe, sondern diese auch eine besondere Intensität in affektiver und wirtschaftlicher Hinsicht aufweise. Die Vorinstanz hätte berücksichtigen müssen, dass neben dem üblichen Besuchsrecht tatsächlich ein intensiverer Kontakt zwischen Mutter und Tochter bestehen dürfte. Denn diese hätten bis zur Ausreise der Beschwerdeführer Mitte 2013 (recte: 2010) zusammengelebt.
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2.1. Der Beschwerdeführer hat keinen selbständigen Anspruch auf eine Anwesenheitsbewilligung in der Schweiz. Ebensowenig verfügt die Beschwerdeführerin, die als Tochter des sorgeberechtigten Beschwerdeführers ausländerrechtlich dessen Schicksal teilt, über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht in der Schweiz (vgl. BGE 139 II 393 E. 5.1 S. 402). Fraglich ist allerdings, ob sich aus dem Verhältnis zur Mutter der Beschwerdeführerin Anwesenheitsansprüche aus Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV ableiten lassen.
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Erwägung 2.2
 
2.2.1. Die EMRK verschafft praxisgemäss keinen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt oder auf einen besonderen Aufenthaltstitel (vgl. BGE 139 I 330 E. 2 S. 335 ff.; 138 I 246 E. 3.2.1 S. 250; 137 I 247 E. 4.1.1 S. 249; 130 II 281 E. 3.1 S. 285 f.). Das darin geschützte Recht auf Privat- und Familienleben ist aber berührt, wenn eine staatliche Entfernungs- oder Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser ohne Weiteres möglich bzw. zumutbar wäre, ihr Familienleben andernorts zu pflegen (BGE 139 I 330 E. 2.1 S. 335 f.; 137 I 247 E. 4.1.2 S. 249 f.; 116 Ib 353 E. 3c S. 357). Der sich hier aufhaltende Familienangehörige muss nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügen, was praxisgemäss der Fall ist, wenn er das Schweizer Bürgerrecht besitzt, ihm die Niederlassungsbewilligung gewährt wurde oder er über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt, die ihrerseits auf einem gefestigten Rechtsanspruch beruht (BGE 135 I 143 E. 1.3.1 S. 145 f.; 130 II 281 E. 3.1 S. 285 f.). Der Anspruch gilt aber auch dann nicht absolut: Liegt eine aufenthaltsbeendende oder -verweigernde Massnahme im Schutz- und Anwendungsbereich von Art. 8 EMRK, erweist sich diese als zulässig, falls sie gesetzlich vorgesehen ist, einem legitimen Zweck im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK entspricht und zu dessen Realisierung in einer demokratischen Gesellschaft "notwendig" erscheint (BGE 139 I 330 E. 2.2 S. 336; 135 I 143 E. 2.1 S. 147).
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2.2.2. Der nicht sorge- bzw. obhutsberechtigte ausländische Elternteil kann die familiäre Beziehung mit seinem Kind von vornherein nur in beschränktem Rahmen pflegen, nämlich durch Ausübung des ihm eingeräumten Besuchsrechts. Um dieses wahrnehmen zu können, ist es in der Regel nicht erforderlich, dass der ausländische Elternteil dauerhaft im selben Land wie das Kind lebt und dort über ein Anwesenheitsrecht verfügt. Unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs auf Familienleben genügt es grundsätzlich, wenn das Besuchsrecht im Rahmen von Kurzaufenthalten vom Ausland her ausgeübt werden kann, wobei allenfalls dessen Modalitäten entsprechend anzupassen sind. Gemäss der ständigen bisherigen Rechtsprechung kann ein weitergehender Anspruch nur dann in Betracht fallen, wenn in wirtschaftlicher und affektiver Hinsicht eine besonders enge Beziehung zum Kind besteht, diese Beziehung wegen der Distanz zum Heimatland des Ausländers praktisch nicht aufrecht erhalten werden könnte und das bisherige Verhalten des Ausländers in der Schweiz zu keinerlei Klagen Anlass gegeben hat (BGE 139 I 315 E. 2.2 S. 319; 120 Ib 1 E. 3c S. 5). Geht es umgekehrt darum, dass der sorge- oder obhutsberechtigte Elternteil seine Bewilligung einzig zur Erleichterung der Ausübung des Besuchsrechts zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil erhältlich machen will, so ist mit noch grösserer Zurückhaltung auf eine Pflicht zu schliessen, ihm eine Bewilligung zu erteilen, als im Falle des besuchsberechtigten Ausländers, der selber, im Hinblick auf die Ausübung seines Besuchsrechts, um die Bewilligung nachsucht (Urteil 2C_716/ 2014 vom 26. November 2015 E. 6.2, zur Publikation vorgesehen). Dies soll nur bei Vorliegen besonderer Umstände möglich sein (BGE 137 I 247 E. 4.2.3 S. 251; Urteil 2C_648/2014 vom 6. Juli 2015 E. 2.2).
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2.2.3. Im vorliegenden Fall wurde von den Vorinstanzen der Aufenthaltsstatus der Mutter der Beschwerdeführerin nicht abgeklärt. Angesichts der Dauer ihres Aufenthalts in der Schweiz (Einreise am 20. Februar 2002) und der knapp siebenjährigen Ehe (Heirat am 22. April 2002, rechtskräftige Scheidung am 30. Januar 2009) mit dem ehemals hier niederlassungsberechtigten Beschwerdeführer, ist nicht auszuschliessen, dass sie im Besitz der Niederlassungsbewilligung ist und damit über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht in der Schweiz verfügt. Diesfalls wäre der Schutzbereich von Art. 8 EMRK betroffen. Weiter bestehen Anhaltspunkte, die auf eine intensive Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter sowohl in wirtschaftlicher als auch affektiver Hinsicht hindeuten. So wurde mit der Scheidung die elterliche Sorge zwar dem Vater übertragen. Der Mutter wurde aber ein Besuchsrecht eingeräumt (jedes zweite Wochenende, alternierend an Feiertagen, während der Schulferien für die Dauer von zwei Wochen pro Jahr). Zudem lebten die Beschwerdeführer offenbar selbst nach der Scheidung noch ein Jahr bei der Kindsmutter. Während diese arbeitstätig war, widmete sich der Vater hauptsächlich der Betreuung der behinderten und pflegebedürftigen Tochter. Nach ihrer Wiedereinreise in die Schweiz im Juni 2013 zogen sie sodann (zumindest vorübergehend) wieder bei der Mutter ein. Auch war diese, wie der publizierten Minderheitsmeinung der Vorinstanz zu entnehmen ist, zwei Mal für Besuche der Tochter nach Vietnam gereist und hat mit ihr bzw. dem Beschwerdeführer in regelmässigem telefonischen Kontakt gestanden. Schliesslich habe der Beschwerdeführer seine Tochter zurück in die Schweiz zu ihrer Mutter bringen wollen, da sie dort ihre Medikamente erhalten könne. Es liegen demnach Hinweise vor, wonach zwischen Mutter und Tochter nicht nur eine tatsächlich gelebte Beziehung besteht, sondern diese auch eine besondere Intensität aufweist. Der Sachverhalt wurde allerdings auch in dieser Hinsicht nicht genügend abgeklärt. Unklar geblieben ist somit auch, ob die vorliegende Situation die von der Rechtsprechung geforderten besonderen Umstände zu begründen vermag, damit den Beschwerdeführern - zur Ausübung des Besuchsrechts der Mutter - eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden müsste. Hierfür sprechen würden einerseits die Behinderung der Beschwerdeführerin und ihre sich daraus ergebenden besonderen Bedürfnisse an Pflege und Betreuung, andererseits aber auch die lange Aufenthaltsdauer in der Schweiz von knapp 30 Jahren im Falle des Beschwerdeführers sowie den ersten sechs Lebensjahren der Beschwerdeführerin.
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2.3. Der Sachverhalt wurde somit in verschiedener Hinsicht ungenügend abgeklärt, um feststellen zu können, ob sich grundsätzlich ein Aufenthaltsrecht aus Art. 8 EMRK ableiten liesse. Die Sache wäre daher an sich zur Vornahme zusätzlicher Sachverhaltsabklärungen an die Vorinstanz bzw. das Migrationsamt zurückzuweisen (vgl. Art. 107 Abs. 2 BGG; Urteil 2C_504/2014 vom 13. Januar 2015 E. 2.2 mit Hinweisen). Allerdings ist die Beschwerde so oder anders aus folgenden Überlegungen abzuweisen:
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Erwägung 2.4
 
2.4.1. Art. 47 AuG sieht für den Familiennachzug von Art. 42 ff. AuG Fristen vor, innert derer die Nachzugsansprüche geltend zu machen sind. Sinn und Zweck der Fristenregelung ist, die Integration der Kinder zu erleichtern. Durch einen frühzeitigen Nachzug sollen diese unter anderem eine möglichst umfassende Schulbildung in der Schweiz geniessen können (Botschaft vom 8. März 2002 zum AuG, BBl 2002 3754 Ziff. 1.3.7.7; BGE 133 II 6 E. 5.4 S. 20; Urteile 2C_201/2015 vom 16. Juli 2015 E. 3.4; 2C_303/2014 vom 20. Februar 2015 E. 6). Die Regelung des Familiennachzugs ist, wie aus der parlamentarischen Debatte hervorgeht, zudem ein Kompromiss zwischen den konträren Anliegen, das Familienleben zu ermöglichen und die Einwanderung zu begrenzen (AB 2004 N 739 ff., 2005 S 305 ff.). Den Fristen in Art. 47 AuG kommt somit auch die Funktion der Einwanderungsbegrenzung zu. Auch hierbei handelt es sich um ein legitimes Interesse, um im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK das Recht auf Familienleben einzuschränken (BGE 137 I 284 E. 2.1 S. 288; Urteil 2C_914/2014 vom 18. Mai 2015 E. 4.1).
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2.4.2. Nach Art. 47 Abs. 1 AuG muss der Anspruch auf Familiennachzug innerhalb von fünf Jahren geltend gemacht werden (Satz 1). Kinder über zwölf Jahre müssen innerhalb von zwölf Monaten nachgezogen werden (Satz 2). Die Fristen beginnen bei Familienangehörigen von Ausländerinnen und Ausländern mit der Erteilung der Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung oder der Entstehung des Familienverhältnisses (Art. 47 Abs. 3 lit. b AuG). Die Fristen nach Art. 47 Abs. 1 AuG beginnen allerdings erst mit dem Inkrafttreten des Ausländergesetzes - am 1. Januar 2008 (AS 2007 5489) -, sofern vor diesem Zeitpunkt die Einreise erfolgte oder das Familienverhältnis entstand (Art. 126 Abs. 3 AuG). Vorliegend war die Mutter der Beschwerdeführerin im Februar 2002 in die Schweiz eingereist. Die Beschwerdeführerin wurde im September 2004 geboren. Die fünfjährige Frist gemäss Art. 47 Abs. 1 Satz 1 AuG bemisst sich vorliegend somit aufgrund der Übergangsbestimmung von Art. 126 Abs. 3 AuG ab 1. Januar 2008 und endete am 31. Dezember 2012. Ein Nachzugsgesuch hätte somit bis zu diesem Zeitpunkt eingereicht werden müssen, was indessen nicht geschehen ist. Da die Beschwerdeführer mit ihrer Ausreise im Dezember 2010 freiwillig auf einen Aufenthalt verzichtet haben, können sie sich für den Beginn des Fristenlaufs auch nicht auf einen späteren Zeitpunkt, etwa die Wiedereinreise im Sommer 2013, berufen. Die Nachzugsfrist ist somit ungenutzt abgelaufen.
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2.4.3. Es stellt sich höchstens noch die Frage, ob wichtige Gründe im Sinne von Art. 47 Abs. 4 AuG vorliegen, um einen verspäteten Nachzug ausnahmsweise zu bewilligen. Solche liegen dann vor, wenn das Kindeswohl letztlich nur durch einen Nachzug in die Schweiz sachgerecht gewahrt werden kann (vgl. Art. 75 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR 142.201]; BGE 137 I 284 E. 2.3.1 S. 291). Die Bewilligung des Nachzugs nach Ablauf der Fristen hat nach dem Willen des Gesetzgebers die Ausnahme zu bleiben; dabei ist Art. 47 Abs. 4 Satz 1 AuG (bzw. Art. 73 Abs. 3 VZAE) jeweils aber dennoch so zu handhaben, dass der Anspruch auf Schutz des Familienlebens nach Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV nicht verletzt wird (Urteile 2C_303/2014 vom 20. Februar 2015 E. 6.1; 2C_97/2013 vom 26. August 2013 E. 2.3). Ein wichtiger Grund liegt gemäss der Rechtsprechung vor, wenn die weiterhin notwendige Betreuung der Kinder im Herkunftsland beispielsweise wegen des Todes oder der Krankheit der betreuenden Person nicht mehr gewährleistet ist (Urteile 2C_303/2014 vom 20. Februar 2015 E. 6.1; 2C_205/2011 vom 3. Oktober 2011 E. 4.2 mit Hinweis). In der Beschwerde ans Bundesgericht wird einzig geltend gemacht, der Beschwerdeführer habe die Beschwerdeführerin zurück in die Schweiz zu ihrer Mutter bringen wollen, da sie hier Medikamente erhalten könne. Angesichts der Behinderung der Beschwerdeführerin und der entsprechenden Betreuungsbedürftigkeit ist vorliegend zwar von einer besonderen Situation auszugehen. Der Beschwerdeführer und seine Tochter lebten jedoch stets zusammen, in der Schweiz noch und später auch in Vietnam. Inwiefern sich die Betreuungsverhältnisse in Vietnam nun derart verändert hätten, dass sie einen Nachzug der Beschwerdeführerin in die Schweiz erfordern, machen sie aber nicht geltend. Ein wichtiger Grund im Sinne von Art. 47 Abs. 4 AuG ist damit nicht substanziiert vorgebracht worden, so dass auch nicht ausnahmsweise ein Nachzug nach Ablauf der Fristen bewilligt werden könnte.
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2.5. Nach dem Gesagten ist vorliegend die Nachzugsfrist nicht eingehalten worden und es werden auch keine wichtigen Gründe geltend gemacht, die ausnahmsweise einen verspäteten Nachzug zu rechtfertigen vermögen. Um Situationen, wie die vorliegend eingetretene, zu vermeiden, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit vorgesehen, die Aufrechterhaltung der Niederlassungsbewilligung bei der Ausreise aus der Schweiz zu beantragen (vgl. Art. 61 Abs. 2 Satz 2 AuG). Davon haben die Beschwerdeführer indes nicht Gebrauch gemacht. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen. Vorliegend offen zu bleiben hat die Frage, ob den Beschwerdeführern gestützt auf Art. 30 Abs. 1 lit. k AuG (Wiederzulassung) oder Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG (schwerwiegender persönlicher Härtefall) ein Anwesenheitsrecht (wieder) erteilt werden könnte. Da weder Art. 30 Abs. 1 lit. b noch lit. k AuG einen Bewilligungsanspruch verschaffen, kann dies vom Bundesgericht nicht überprüft werden (vgl. BGE 137 II 345 E. 3.2.1 S. 348 e contrario; Urteile 2C_133/2016 vom 9. Februar 2016 E. 2.2; 2C_1123/2012 vom 11. Juli 2013 E. 5.1).
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3. Bei diesem Verfahrensausgang hätten die unterliegenden Beschwerdeführer die Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG); sie haben indessen um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht. Angesichts der Umstände des Falles kann das Begehren nicht als geradezu aussichtslos bezeichnet werden. Da auch die Mittellosigkeit zu bejahen ist, ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestützt auf Art. 64 Abs. 1 BGG gutzuheissen und die Beschwerdeführer sind von der Bezahlung der Gerichtskosten zu befreien. Ausgangsgemäss besteht kein Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.
 
3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 22. März 2016
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Die Gerichtsschreiberin: Fuchs
 
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