VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 6B_741/2015  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 6B_741/2015 vom 14.03.2016
 
{T 0/2}
 
6B_741/2015
 
 
Urteil vom 14. März 2016
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Bundesrichter Rüedi,
 
Gerichtsschreiberin Andres.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.B.X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Pascal Felchlin,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
 
2. A.X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Paul Peyrot,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Mehrfache Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1 StGB); Strafzumessung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 2. Juni 2015.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
Das Bezirksgericht Zürich verurteilte A.B.X.________ am 2. Dezember 2014 wegen gewerbsmässigen betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage und mehrfacher Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren.
1
 
B.
 
Auf Berufung von A.B.X.________ hin bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am 2. Juni 2015 den Schuldspruch, soweit er angefochten war, und sprach eine Freiheitsstrafe von 3 ½ Jahren aus.
2
 
C.
 
A.B.X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche Urteil sei teilweise aufzuheben. Er sei vom Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung freizusprechen und unter Anrechnung der erstandenen Haft mit einer Freiheitsstrafe von 2 ½ Jahren zu bestrafen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege.
3
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung.
4
1.1. Die Vorinstanz stellt fest, der Beschwerdeführer habe am 1. und 28. November 2012 eine Unterschrift auf ein Unterschriftenpad am Postschalter gesetzt, um damit die Post des gleichnamigen Beschwerdegegners auf sich umzuleiten. Er habe gegenüber den Schalterangestellten den Anschein erweckt, er sei der Beschwerdegegner. Damit habe er beabsichtigt, Einblick in die Briefpost und insbesondere in die Bankunterlagen des Beschwerdegegners zu erhalten. Am 8. November 2012 habe er per Telefon Kundenkarten für zwei bestehende Konten des Beschwerdegegners bestellt. Die per Post samt PIN-Codes erhaltenen Karten habe er vom 17. November 2012 bis am 11. März 2013 immer wieder am Geldautomaten und am Bankschalter verwendet. So habe er Fr. 435'459.40 bezogen.
5
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig und damit willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist (BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445 mit Hinweisen; zum Begriff der Willkür BGE 141 IV 305 E. 1.2 S. 308 f.; 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f.; je mit Hinweisen) oder wenn sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht, und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge muss klar vorgebracht und substanziiert begründet werden. Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (vgl. Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253 mit Hinweisen).
6
1.3. Der Beschwerdeführer beanstandet die vorinstanzliche Feststellung, er habe unter Ausnützung der Namensgleichheit den Anschein erwecken wollen, er sei der Beschwerdegegner. Dass er die Schalterangestellten in ein Gespräch verwickelt hätte, habe er nur zu deren Schutz ausgesagt. Aus dem Umstand, dass er sie in ein Gespräch verwickelt habe, könne nicht geschlossen werden, er habe sie davon abhalten wollen, seine Personalien näher zu überprüfen. Seine Aussage, er habe es einfach einmal probiert, lasse nicht darauf schliessen, er habe beabsichtigt, die Schalterangestellten über seine wahre Identität zu täuschen; vielmehr habe er ausprobieren wollen, ob er für den Beschwerdegegner einen Nachsendeauftrag aufgeben könne. Die Unterschriften auf den Unterschriftenpads seien nur schwer lesbar. Dass seine Ausweisnummer nicht auf den Urkunden erscheine, ändere nichts daran, dass er deren Urheber sei.
7
1.4. Soweit sich die Ausführungen des Beschwerdeführers nicht in einer unzulässigen appellatorischen Kritik am vorinstanzlichen Urteil erschöpfen, sind sie nicht geeignet, Willkür darzutun. Die Vorinstanz erwägt, unter Hinweis auf das erstinstanzliche Urteil, das Vorgehen des Beschwerdeführers und die gesamten Umstände deuteten darauf hin, dass er von den Schalterangestellten als Beschwerdegegner wahrgenommen werden wollte. Bei der Erteilung der Nachsendeaufträge habe er sich wohl mit seiner eigenen Identitätskarte ausgewiesen, aufgrund der Namensgleichheit mit dem Beschwerdegegner habe er die Schalterangestellten aber glauben lassen, er sei der Beschwerdegegner. Dies ergebe sich auch aus seiner Aussage, er müsse gestehen, dass er die Schalterangestellten in ein Gespräch verwickelt habe. Es habe somit zur Vorgehensweise des Beschwerdeführers gehört, die Schalterangestellten abzulenken, um mit seinem Täuschungsmanöver durchzudringen. Dies wäre nicht nötig gewesen, hätte er tatsächlich seine eigene Identität offenlegen wollen, zumal er dann weder eine falsche Telefonnummer hätte angeben noch darauf hätte hinweisen müssen, dass er in die Ferien verreise und die Post zurückbehalten wolle. Der vorinstanzliche Schluss, der Beschwerdeführer habe sich am Postschalter unter Ausnutzung der Namensgleichheit als Beschwerdegegner ausgegeben, ist keinesfalls willkürlich.
8
 
Erwägung 2
 
Den beantragten Freispruch vom Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung begründet der Beschwerdeführer auf der Grundlage eines Sachverhalts, der von den willkürfreien Feststellungen der Vorinstanz abweicht (vgl. oben E. 1). Darauf ist nicht einzutreten.
9
 
Erwägung 3
 
Der Beschwerdeführer beanstandet die vorinstanzliche Strafzumessung.
10
3.1. Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung nach Art. 47 ff. StGB und die an sie gestellten Begründungsanforderungen wiederholt dargelegt (BGE 136 IV 55 E. 5.4 ff. S. 59 ff. mit Hinweisen). Darauf kann verwiesen werden. Es liegt im Ermessen des Sachgerichts, in welchem Umfang es die verschiedenen Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin nur in die Strafzumessung ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen beziehungsweise in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 136 IV 55 E. 5.6 S. 61 mit Hinweis).
11
3.2. Die Vorinstanz geht vom gewerbsmässigen betrügerischen Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage als schwerstem Delikt aus und legt den Strafrahmen korrekt auf Geldstrafe nicht unter 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren fest. Sie erwägt, es lägen auch unter Berücksichtigung der Deliktsmehrheit und der mehrfachen Tatbegehung keine ausserordentlichen Gegebenheiten vor, welche ein Verlassen des ordentlichen Strafrahmens erforderten. Indessen sei diesen Umständen innerhalb des ordentlichen Strafrahmens straferhöhend Rechnung zu tragen.
12
Die Vorinstanz schätzt das objektive Verschulden als keineswegs mehr leicht bis erheblich ein. Dabei trägt sie der Dauer der Delinquenz, der Anzahl Einzelbezügen und deren Höhe sowie der Gesamtdeliktssumme Rechnung. Erschwerend berücksichtigt sie, dass der Beschwerdeführer zum Nachteil einer einzigen Person gehandelt habe, seine deliktische Tätigkeit nicht von sich aus beendet habe und planmässig sowie bedacht vorgegangen sei.
13
Die Vorinstanz erwägt in subjektiver Hinsicht, der Beschwerdeführer habe aus rein finanziellen und egoistischen Motiven sowie direktvorsätzlich gehandelt. Von einer finanziellen Notlage könne nicht ausgegangen werden, zumal er mit dem deliktisch erworbenen Geld nicht nur Schulden beglichen, sondern sich auch im grossen Stil Luxusgüter geleistet habe. Leicht verschuldensmindernd wirke sich seine Persönlichkeitsakzentuierung mit narzisstischen, histrionischen und dissozialen Merkmalen aus. Insgesamt vermöge die subjektive Komponente die objektive Tatschwere leicht zu relativieren, weshalb das Verschulden insgesamt als keineswegs mehr leicht zu qualifizieren sei. Eine Einsatzstrafe von 3 Jahren erweise sich als angemessen.
14
Weiter führt die Vorinstanz aus, wenngleich es sich bei der mehrfachen Urkundenfälschung um ein Begleitdelikt handle, sei das Unrecht nicht bereits durch den gewerbsmässigen betrügerischen Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage erfasst, da die Tatbestände nicht das gleiche Rechtsgut schützten. Der Beschwerdeführer habe keinen allzu grossen Aufwand betreiben müssen, um die Urkundenfälschung verwirklichen zu können. Er habe die Namensgleichheit mit dem Beschwerdegegner ausgenutzt, wobei ihm dieser Umstand zufällig zugekommen sei. Im Übrigen habe er auf die Unaufmerksamkeit der Postangestellten vertraut, welche er durch ein Gespräch ablenkte. Die objektive Tatschwere sei noch als leicht einzustufen. Der Beschwerdeführer habe aus der Umleitung der Post Profit schlagen wollen, womit er aus finanziellen und damit egoistischen Motiven gehandelt habe. Die subjektive Tatschwere entspreche dem objektiven Verschulden. Eine Erhöhung der Freiheitsstrafe um drei Monate auf 3 ¼ Jahre trage dem Verschulden und dem Asperationsprinzip angemessen Rechnung.
15
Hinsichtlich des Vorlebens und der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers erwägt die Vorinstanz, dass sich daraus keine strafzumessungsrelevanten Faktoren ableiten liessen.
16
Sie erkennt beim Beschwerdeführer keine strafmindernde Reue oder Einsicht. Der psychiatrische Gutachter halte fest, der Beschwerdeführer sei kaum bereit, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Er schiebe die Schuld für sein Verhalten auf andere. Zwar sei ein Schuldbewusstsein vorhanden, aber keine umfassende Reue.
17
Im Gegensatz zur ersten Instanz würdigt die Vorinstanz strafmindernd, dass der Beschwerdeführer die Bargeldbezüge nicht mehr in Frage gestellt und eine gewisse Kooperationsbereitschaft gezeigt habe. Dem stünden die einschlägigen Vorstrafen gegenüber, welche das Geständnis überwögen. Insgesamt rechtfertige es sich somit, die Strafe um drei Monate zu erhöhen, womit eine Freiheitsstrafe von 3 ½ Jahren resultiere.
18
3.3. Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, dass die Vorinstanz bei der Strafzumessung die Verurteilung wegen mehrfacher Urkundenfälschung berücksichtigt, ist darauf nicht einzutreten (vgl. oben E. 1 und 2). Im Übrigen stellt der Beschwerdeführer der vorinstanzlichen Strafzumessung im Wesentlichen seine eigene Gewichtung der Strafzumessungsfaktoren gegenüber, ohne aufzuzeigen, inwiefern die Vorinstanz ihr Ermessen überschritten haben soll.
19
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers darf die Vorinstanz sein Vorgehen als äusserst dreist werten und von einer erheblichen kriminellen Energie ausgehen. Daran ändert nichts, dass er zufällig auf die Steuerunterlagen seines Namensvetters aufmerksam wurde und Kenntnis von dessen Kontonummern erhielt. Auch das Doppelverwertungsverbot verletzt die Vorinstanz nicht (vgl. dazu BGE 120 IV 67 E. 2b S. 71 f.). Ebenso wenig ist ersichtlich, inwiefern sich strafmindernd auswirken sollte, dass der Beschwerdeführer bei der Bestellung der Kontokarten und PIN-Codes die Sicherheitsfragen richtig erriet. Die Vorinstanz erwägt zutreffend, der Beschwerdeführer sei planmässig vorgegangen, indem er für die Bargeldbezüge nicht überwachte Bankomaten aufsuchte und sich mit Schal, Mütze und Sonnenbrille ausstattete, um nicht erkannt zu werden. Er habe stets einen Betrag von knapp unter Fr. 10'000.-- bezogen, weil er aufgrund einer Erkundigung bei einem ehemaligen Bankangestellten wusste, dass man sich bei diesen Beträgen nicht ausweisen müsse.
20
Der besonderen Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers trägt die Vorinstanz gebührend Rechnung, indem sie die narzisstischen, histrionischen und dissozialen Merkmale verschuldensmindernd berücksichtigt.
21
Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers beachtet die Vorinstanz hinreichend, dass die Urkundenfälschungen in einem engen Zusammenhang zum gewerbsmässigen betrügerischen Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage stehen und notwendige Vortaten waren. Sie erwägt, erst die dadurch erzielte Einsicht in die Korrespondenz des Beschwerdegegners und die so erhaltenen Bankdaten hätten den gewerbsmässigen betrügerischen Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage überhaupt ermöglicht.
22
Die Vorinstanz berücksichtigt das Geständnis des Beschwerdeführers und seine Kooperationsbereitschaft in genügendem Umfang strafmindernd, zumal die Beweislage im Zeitpunkt seines Geständnisses erdrückend war. Es ist nicht zu beanstanden, wenn sie die Vorstrafen im Rahmen der Täterkomponenten stärker gewichtet als das Geständnis.
23
Der Beschwerdeführer bringt vor, dass die ambulante Massnahme, welche das Kreisgericht Bern-Laupen angeordnet hatte, nie vollzogen worden sei. Die damalige Gutachterin habe mindestens zwei Sitzungen pro Woche empfohlen. Da der Therapie eine "gewisse potentielle Wirkung (...) allemal zuzugestehen" sei, wäre strafmindernd zu berücksichtigen gewesen, dass die Vollzugsbehörden den Beschwerdeführer nie dazu aufgeboten hätten. In dem Gutachten, welches im vorliegenden Verfahren erstellt wurde, wird ausgeführt, es sei kaum möglich, zu beantworten, wie sich der Vollzug der Massnahme auf den Beschwerdeführer ausgewirkt hätte. Somit erscheint die vorinstanzliche Strafzumessung auch unter diesem Blickwinkel nicht als bundesrechtswidrig.
24
 
Erwägung 4
 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seiner finanziellen Lage ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
25
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 14. März 2016
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).