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Informationen zum Dokument  BGer 9C_468/2015  Materielle Begründung
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BGer 9C_468/2015 vom 29.01.2016
 
{T 0/2}
 
9C_468/2015
 
 
Urteil vom 29. Januar 2016
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless,
 
Gerichtsschreiber Williner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Advokat Dr. Georg Schürmann,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. IV-Stelle Basel-Landschaft,
 
Hauptstrasse 109, 4102 Binningen,
 
2. Personalvorsorgestiftung der B.________,
 
Beschwerdegegnerinnen.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 12. März 2015.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Der 1964 geborene A.________ war (bis April 2013 in der Geschäftsleitung und ab Mai 2013 als Kundenberater) bei der B.________ AG angestellt. Seit Juli 2013 ist er bei der C.________ AG (wiederum als Kundenberater) tätig. Im April 2013 meldete er sich unter Hinweis auf Depressionen, Burnout und Blutentzündungen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Basel-Land führte verschiedene berufliche und medizinische Abklärungen durch, namentlich veranlasste sie eine psychiatrische Begutachtung bei den Kliniken D.________ (Gutachten vom 16. Dezember 2013), und sprach A.________ mit Verfügung vom 17. Juni 2014 eine Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung ab dem 1. Juli 2014 zu (Invaliditätsgrad 60 %).
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B. Das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, hiess die von der Personalvorsorgestiftung der B.________ dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 12. März 2015 gut und stellte fest, A.________ habe keinen Anspruch auf eine Invalidenrente.
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C. A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, es sei der Entscheid vom 12. März 2015 aufzuheben und damit die Verfügung der IV-Stelle vom 17. Juni 2014 zu bestätigen, wonach ihm eine Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung ab dem 1. Juli 2014 auszurichten sei. Eventualiter sei die Angelegenheit zur weiteren Abklärung, insbesondere zur Einholung eines weiteren medizinischen Gutachtens, an die Vorinstanz, subeventualiter an die IV-Stelle zurückzuweisen.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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1.2. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit handelt es sich grundsätzlich um Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Gleiches gilt für die konkrete Beweiswürdigung (Urteil 9C_204/2009 vom 6. Juli 2009 E. 4.1, nicht publ. in BGE 135 V 254, aber in: SVR 2009 IV Nr. 53 S. 164). Dagegen sind die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG Rechtsfragen.
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1.3. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Solche Umstände können namentlich in formellrechtlichen Mängeln des angefochtenen Entscheides liegen, mit denen die Partei nicht rechnete und nach Treu und Glauben nicht zu rechnen brauchte, oder darin, dass die Vorinstanz materiell in einer Weise urteilt, dass bestimmte Sachumstände neu und erstmals rechtserheblich werden. Der vorinstanzliche Verfahrensausgang allein bildet noch keinen hinreichenden Anlass im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG für die Zulässigkeit von unechten Noven, die bereits im kantonalen Verfahren ohne Weiteres hätten vorgebracht werden können. Das Vorbringen von Tatsachen, die sich erst nach dem angefochtenen Entscheid ereigneten oder entstanden (echte Noven), ist vor Bundesgericht unzulässig (Urteil 8C_412/2015 vom 5. November 2015 E. 4 mit Hinweis).
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Erwägung 2
 
2.1. Die Vorinstanz mass dem Gutachten der Kliniken D.________ vom 16. Dezember 2013 Beweiskraft zu und stellte gestützt darauf fest, der Beschwerdeführer sei zu 100 % arbeitsfähig, wobei die von den Gutachtern festgestellte qualitative Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit im Rahmen der IV-Rentenabklärung aufgrund Fehlens eines invalidisierenden Gesundheitsschadens nicht berücksichtigt werden könne.
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2.2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 8 ATSG und Art. 61 lit. c ATSG, weil die Vorinstanz unberücksichtigt gelassen habe, dass der verbesserte Gesundheitszustand, wie er sich anlässlich der Begutachtung der Kliniken D.________ präsentiert habe, lediglich eine Momentaufnahme darstelle. Zudem habe das kantonale Gericht den Widerspruch in der Expertise der Kliniken D.________ zwischen attestierter voller Arbeitsfähigkeit einerseits und qualitativen Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit andererseits übergangen.
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Erwägung 3
 
3.1. Einem ärztlichen Bericht kommt Beweiswert zu, wenn er für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt und in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, wenn die Beschreibung der medizinischen Situation und Zusammenhänge einleuchtet und die Schlussfolgerungen des Arztes begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232 mit Hinweis). Im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholten Gutachten externer Spezialärzte, welche diesen Anforderungen entsprechen, kommt grundsätzlich (voller) Beweiswert zu, solange nicht konkrete Indizien gegen deren Zuverlässigkeit sprechen (BGE 125 V 351 E. 3b/bb S. 353 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 470).
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3.2. Das Gutachten der Kliniken D.________ vom 16. Dezember 2013 genügt - wie die Vorinstanz richtig erwogen hat - den rechtsprechungsgemässen Anforderungen an ein Administrativgutachten (vgl. E. 3.1 hievor). Der dagegen vom Beschwerdeführer vorgebrachte Einwand, das Gutachten sei widersprüchlich, weil darin einerseits eine Arbeitsunfähigkeit im Untersuchungszeitpunkt verneint, andererseits aber auf qualitative Einschränkung bei gewissen Tätigkeiten geschlossen werde, verfängt nicht. Die Arbeitsfähigkeitseinschätzungen der Gutachter tragen nachvollziehbar dem Umstand Rechnung, dass sie zwischen Diagnosen und blossen Z-codierten Belastungsfaktoren unterschieden haben. Letztere können zwar - wie hier - den Gesundheitszustand beeinflussen und zu einer Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen (Urteil 8C_302/2011 vom 20. September 2011 E. 2.3), stellen aber keine rechtserheblichen Gesundheitsbeeinträchtigungen dar (vgl. nachfolgend E. 4.1).
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Erwägung 4
 
4.1. Eine leistungs-, insbesondere rentenbegründende Invalidität setzt auch nach neuester Rechtsprechung eine psychiatrische, lege artis gestellte Diagnose voraus (BGE 141 V 281 E. 2 S. 285 ff.). An diesem Grunderfordernis fehlt es im vorliegenden Fall. Die Gutachter der Kliniken D.________ vermochten einzig Diagnosen 
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4.2. Was die Beschwerde hiegegen vorträgt, hält nicht Stich. Es ist ein Widerspruch in sich, einerseits zu behaupten, das Gutachten der Kliniken D.________ stelle eine blosse Momentaufnahme zufolge kurzzeitiger Remission des Gesundheitszustandes dar und gleichzeitig der Vorinstanz vorzuwerfen, sie habe "das Moment des stabilen Gesundheitszustands unbeachtet" gelassen und verkannt, dass "eine bleibende, invalidenrechtlich relevante Beeinträchtigung des Gesundheitszustands" bestehe. Bei Beschwerden wie den hier von den Kliniken D.________ diagnostizierten Burnout-Symptomatik, Akzentuierung von narzisstischen Persönlichkeitszügen, Nikotinabhängigkeit und Status nach mittelgradig depressiver Episode ist die Annahme eines zumindest relativ stabilisierten Gesundheitsschadens im IV-rechtlichen Sinne und damit eine bleibende Erwerbsunfähigkeit rechtlich ausgeschlossen. Sämtliche in der Vergangenheit aufgetretenen gesundheitlichen Krisen und die vom Beschwerdeführer befürchteten bzw. schon eingetretenen gesundheitlichen Verschlechterungen sind soziogener Natur (insbesondere berufliche Überforderung) und können infolge ihrer reaktiven Natur und Behandelbarkeit nicht als invalidisierende gesundheitliche Beeinträchtigungen anerkannt werden (SVR 2008 IV Nr. 8 S. 23, I 649/06 E. 3.3.1; Urteile 9C_125/2015 vom 18. November 2015 E. 7.2.1; 8C_302/2011 E. 2.3; je mit Hinweisen).
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4.3. An diesem Ergebnis vermöchte nichts zu ändern, wenn der Behauptung des Beschwerdeführers folgend von einer lediglich kurzzeitigen Remission der depressiven Episode im Begutachtungszeitpunkt ausgegangen würde. Mittelgradige depressive Episoden - wie sie zuvor in den Berichten der Klinik E.________ vom 4. Februar 2013 und vom 6. März 2013, des Dr. med. F.________, FMH Allgemeine Medizin, vom 10. Mai 2013 sowie im undatierten Bericht des lic. phil. G.________ diagnostiziert worden waren - gelten als therapierbare Störungen, welche als solche nicht zu einer rentenbegründenden Invalidität führen (vgl. Urteil 9C_125/2015 E. 7.2.1 mit Hinweisen).
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4.4. Nichts zu seinen Gunsten abzuleiten vermag der Beschwerdeführer schliesslich aus den letztinstanzlich erstmals eingereichten Berichten des Spitals H.________ vom 8. Dezember 2014 und der Klinik E.________ vom 7. Januar 2015. Es handelt sich dabei um unechte Noven (vgl. E. 1.3 hievor), deren Einreichung nur im Rahmen von Art. 99 Abs. 1 BGG zulässig ist. Indessen macht der Beschwerdeführer keine nach dieser Bestimmung relevanten Gründe geltend. Im Übrigen bleibt anzumerken, dass sich - wie die Vorinstanz zu Recht erwogen hat - der gerichtliche Überprüfungszeitraum grundsätzlich nur auf den Sachverhalt erstreckt, wie er sich bis zum Erlass der streitigen Verwaltungsverfügung (hier: 17. Juni 2014) verwirklicht hat (BGE 130 V 138 E. 1.2 S. 140). Die genannten Berichte wurden nach dem Zeitraum erstellt, der für die richterliche Beurteilung praxisgemäss massgeblich ist, lassen entgegen den Einwänden des Beschwerdeführers keine Rückschlüsse auf den massgebenden Sachverhalt bis zum Verfügungserlass zu und sind daher unbeachtlich.
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5. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 29. Januar 2016
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Glanzmann
 
Der Gerichtsschreiber: Williner
 
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