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Informationen zum Dokument  BGer 8C_451/2015  Materielle Begründung
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BGer 8C_451/2015 vom 29.01.2016
 
{T 0/2}
 
8C_451/2015
 
 
Urteil vom 29. Januar 2016
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
 
Gerichtsschreiber Nabold.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Prof. Dr. Isabelle Häner,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Römisch-katholische Kirchgemeinde B.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Ruggle,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Öffentliches Personalrecht (Prozessvoraussetzung),
 
Beschwerde gegen den Entscheid
 
der Rekurskommission der Katholischen Kirche
 
im Kanton Zürich vom 13. Mai 2015.
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________ war ab 1. Januar 2008 zunächst auf ein Jahr befristet (Anstellungsverfügung vom 28. Oktober 2007), ab 1. Januar 2009 unbefristet (Anstellungsverfügung vom 15. Dezember 2008) von der Römisch-katholischen Kirchgemeinde B.________ als Pfarreiadministrator angestellt. In beiden Anstellungsverfügungen war ein Lohnabzug von Fr. 1'500.- für die Miete der Pfarrwohnung vorgesehen. Am 16. Dezember 2013 teilte die Römisch-katholische Kirchgemeinde B.________ A.________ mit, der Mietzins der Wohnung werde von Fr. 1'500.- auf Fr. 1'650.- erhöht, die Nebenkosten für Heizung und Warmwasser würden mit Fr. 100.- monatlich akonto verrechnet und für den Parkplatz in der Tiefgarage seien neu Fr. 100.- monatlich zu bezahlen. Auf Einwand von A.________ hin beschloss die Kirchpflege B.________ am 24. Februar 2014, den monatlichen Mietzins bei Fr. 1'500.- zu belassen, hielt jedoch an der Rechnungsstellung für den Parkplatz und der Verrechnung der Nebenkosten ab 1. Juni 2014 fest.
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B. Gegen diesen Entscheid erhob A.________ Rekurs beim Synodalrat der Katholischen Kirche im Kanton Zürich und beantragte unter anderem die rückwirkende Anpassung des Mietzinses seiner Pfarrwohnung für die Zeit ab September 2008 an die tatsächliche Zimmerzahl und eine Erstattung des zu viel bezahlten Mietzinses. Mit Entscheid vom 23. Juni 2014 trat der Synodalrat auf die Begehren von A.________, soweit die Zeit zwischen September 2008 und März 2014 betreffend, nicht ein. Gleichzeitig hiess der Synodalrat den Rekurs in dem Sinne teilweise gut, als er betreffend den Mietzins ab April 2014 die Sache an die Kirchgemeinde zurückwies, damit diese kläre, ob es sich beim umgebauten Estrichzimmer im Dachgeschoss der Pfarrwohnung um einen Wohnraum im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen handelt. Im Übrigen wies er den Rekurs ab.
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C. Den von A.________ hiegegen erhobenen Rekurs wies die Rekurskommission der Katholischen Kirche im Kanton Zürich mit Entscheid vom 13. Mai 2015 ab, soweit sie darauf eintrat.
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D. Mit Beschwerde beantragt A.________, die Sache sei unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheide an den Synodalrat oder die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit diese den Mietzins ab September 2008 bis und mit März 2014 neu festsetze. In Bezug auf die Miete ab April 2014 sei die Rekurskommission zu verpflichten, auf den Rekurs einzutreten. Eventualiter sei die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, dem Beschwerdeführer Fr. 33'500.- für zu viel bezahlte Miete von September 2008 bis und mit März 2014 zuzüglich Verzugszinsen zu bezahlen.
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In ihrer Eingabe vom 13. Oktober 2015 beantragt die Römisch-katholische Kirchgemeinde B.________ die Abweisung der Beschwerde.
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Mit Verfügung vom 24. August 2015 gab das Bundesgericht den Parteien, der Rekurskommission der Katholischen Kirche im Kanton Zürich und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich Gelegenheit, sich zur Frage zu äussern, ob die Rekurskommission eine Vorinstanz des Bundesgerichts im Sinne von Art. 86 Abs. 2 BGG ist. Diese Frage wurde in der Folge von allen Seiten bejaht.
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In ihren weiteren Eingaben hielten die Parteien an ihren Anträgen fest.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die (weiteren) Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 139 V 42 E. 1 S. 44 mit Hinweisen).
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Erwägung 2
 
2.1. Gemäss Art. 86 Abs. 2 BGG setzen die Kantone als unmittelbare Vorinstanzen des Bundesgerichts obere Gerichte ein, soweit nicht nach einem anderen Bundesgesetz Entscheide anderer richterlicher Behörden der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen. Die Qualifikation als "Gericht" im Sinne von Art. 86 Abs. 2 BGG bedingt insbesondere, dass die kantonale Justizbehörde den Anforderungen von Art. 110 BGG (freie Prüfung des Sachverhalts, Anwendung des Rechts von Amtes wegen) genügt. Der Begriff des "oberen" Gerichts erfordert, dass die Justizbehörde für das ganze Kantonsgebiet zuständig und hierarchisch keiner anderen Gerichtsinstanz unterstellt ist. Sieht das kantonale Recht lediglich einen einstufigen Instanzenzug vor, gelten praxisgemäss bei erfüllten Voraussetzungen die als einzige kantonale gerichtliche Behörde wirkenden Gerichte oder Rekurskommissionen als "oberes" Gericht, auch wenn sie nur für ein Spezialgebiet zuständig sind (vgl. ASA 82 S. 379, 2C_124/2013 E. 1.3 mit weiteren Hinweisen).
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2.2. Im Kanton Zürich gilt, dass die kantonalen kirchlichen Körperschaften einen dem (weltlichen) kantonalen Recht gleichwertigen Rechtsschutz gewährleisten. In der Römisch-katholischen Körperschaft des Kantons Zürich ernennt die von den Stimmberechtigten gewählte Synode die Mitglieder der Rekurskommission (Art. 27 Abs. 1 lit. c der Kirchenordnung der Römisch-katholischen Körperschaft des Kantons Zürich vom 29. Januar 2009 [KO]). Die Mitgliedschaft in der Rekurskommission ist mit jedem anderen Amt und jeder Anstellung in der Landeskirche unvereinbar (Art. 45 KO). Die Kommission ist in ihrer rechtsprechenden Tätigkeit unabhängig und nur dem Recht verpflichtet (Art. 43 Abs. 1 KO). Gemäss Art. 48 Abs. 1 KO finden für das Rekursverfahren die für das Verwaltungsgericht geltenden Bestimmungen des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Zürich Anwendung. Die Rekurskommission ist als Justizbehörde der Römisch-katholischen Körperschaft des Kantons Zürich für das ganze Kantonsgebiet zuständig. Es besteht keine Weiterzugsmöglichkeit von der Rekurskommission an das Verwaltungsgericht, womit die Rekurskommission im Kanton Zürich hierarchisch keiner anderen Gerichtsbehörde unterstellt ist. Die Rekurskommission der Katholischen Kirche im Kanton Zürich ist somit als oberes kantonales Gericht im Sinne von Art. 86 Abs. 2 BGG zu qualifizieren.
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Erwägung 3
 
3.1. Das BGG unterscheidet in Art. 90 bis 93 zwischen End-, Teil- sowie Vor- und Zwischenentscheiden und schafft damit eine für alle Verfahren einheitliche Terminologie. Ein Endentscheid ist ein Entscheid, der das Verfahren prozessual abschliesst (Art. 90 BGG), sei dies mit einem materiellen Entscheid oder Nichteintreten, z.B. mangels Zuständigkeit. Der Teilentscheid ist eine Variante des Endentscheids. Mit ihm wird über eines oder einige von mehreren Rechtsbegehren (objektive und subjektive Klagehäufung) abschliessend befunden. Es handelt sich dabei nicht um verschiedene materiellrechtliche Teilfragen eines Rechtsbegehrens, sondern um verschiedene Rechtsbegehren. Vor- und Zwischenentscheide sind alle Entscheide, die das Verfahren nicht abschliessen und daher weder End- noch Teilentscheid sind; sie können formell- und materiellrechtlicher Natur sein. Voraussetzung für die selbstständige Anfechtbarkeit materiellrechtlicher Zwischenentscheide ist gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG zunächst, dass sie selbstständig eröffnet worden sind. Erforderlich ist sodann alternativ, dass der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder dass die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).
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3.2. Damit ein Entscheid der Vorinstanz als Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG qualifiziert werden kann, muss er das Verfahren vor der ersten Instanz abschliessen. Befindet das kantonale Gericht oder das Bundesverwaltungsgericht über einen Zwischenentscheid einer unteren Instanz, so stellt der Rechtsmittelentscheid regelmässig ebenfalls einen Zwischenentscheid dar: Mit einem solchen Entscheid wird nicht über ein Rechtsverhältnis endgültig entschieden, sondern nur über einen Schritt auf dem Weg zum Endentscheid. Anders ist lediglich dann zu entscheiden, wenn durch den Entscheid der letzten kantonalen Instanz ein Zwischenentscheid der ersten Instanz umgestossen und das Verfahren vor erster Instanz damit abgeschlossen wird (BGE 139 V 339 E. 3.2 S. 341 mit weiteren Hinweisen).
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3.3. Soweit den Mietzins für die Zeit ab April 2014 betreffend, hiess der Synodalrat den Rekurs des Beschwerdeführers gut und wies die Sache zu weiteren Abklärungen an die Kirchgemeinde zurück. Der entsprechende Entscheid vom 23. Juni 2014 und damit auch der angefochtene Entscheid der Rekurskommission der Katholischen Kirche im Kanton Zürich vom 13. Mai 2015 schliessen das Verfahren nicht ab und sind damit als Zwischenentscheide zu qualifizieren. Der angefochtene Entscheid betrifft weder den Ausstand noch die Zuständigkeit; es wird nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich, dass er einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil für den Beschwerdeführer verursachen würde. Zwar würde eine Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen; es ist indessen nicht ersichtlich, dass damit ein bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart würde (vgl. auch SVR 2012 IV Nr. 23 S. 97, 9C_329/2011 E. 3.3 mit weiteren Hinweisen). Soweit den Mietzins ab April 2014 betreffend, ist auf die Beschwerde somit nicht einzutreten.
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4. Soweit den Mietzins für die Zeit von September 2008 bis März 2014 betreffend, trat der Synodalrat auf den Rekurs nicht ein; die Rekurskommission wies das Rechtsmittel gegen diesen Entscheid ab. Diesbezüglich stellt der angefochtene Entscheid einen Teilentscheid dar.
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4.1. Ein Entscheid, der nur einen Teil der gestellten Begehren (abschliessend) behandelt, ist nur dann vor Bundesgericht anfechtbar, wenn diese Begehren unabhängig von den anderen beurteilt werden können (Art. 91 lit. a BGG). Unabhängigkeit im Sinne dieser Norm setzt unter anderem voraus, dass keine Gefahr besteht, dass das Schlussurteil über den verbliebenen Prozessgegenstand im Widerspruch zum bereits rechtskräftig ausgefällten Teilurteil steht (BGE 135 III 212 E. 1.2.3 S. 217).
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4.2. Materiell verlangt der Beschwerdeführer für die Zeit von September 2008 bis März 2014 eine Rückerstattung von Fr. 33'500.- nebst Zinsen für zu viel bezahlten Mietzins. Höhe und Bestand dieser Forderung hängen unter anderem davon ab, ob es sich beim umgebauten Estrichzimmer im Dachgeschoss der Pfarrwohnung um einen Wohnraum in Sinne der gesetzlichen Bestimmungen handelt. Für die Zeit ab April 2014 hat der Synodalrat die Sache zur Klärung eben dieser Frage an die Kirchgemeinde zurückgewiesen; auf die vom Beschwerdeführer hiegegen erhobene Beschwerde ist nicht einzutreten (vgl. E. 3 hievor). Da die Bewohnbarkeit des Estrichzimmers somit sowohl für die Zeit von September 2008 bis März 2014 als auch für jene ab April 2014 von Bedeutung sein kann, bestünde bei einem Eintreten des Bundesgerichts für die Zeit vor April 2014 die Gefahr widersprüchlicher Urteile. Daraus folgt, dass sich das vom Beschwerdeführer für die Zeit zwischen September 2008 und März 2014 gestellte Begehren nicht unabhängig von dem im Verfahren für die Zeit ab April 2014 gestellten beurteilen lässt. Ist somit der Tatbestand von Art. 91 lit. a BGG nicht erfüllt, so ist auch für die Zeit zwischen September 2008 bis März 2014 auf die Beschwerde nicht einzutreten.
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5. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegende Beschwerdegegnerin hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG, Urteil 8C_151/2010 vom 31. August 2010, E. 6.2).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, der Rekurskommission der Katholischen Kirche im Kanton Zürich und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 29. Januar 2016
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold
 
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