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Informationen zum Dokument  BGer 9C_772/2015  Materielle Begründung
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BGer 9C_772/2015 vom 25.01.2016
 
9C_772/2015 {T 0/2}
 
 
Urteil vom 25. Januar 2016
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
 
Bundesrichter Meyer, Parrino,
 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Ernst Reber,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle Bern,
 
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
 
vom 10. September 2015.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Mit Verfügung vom 13. März 2014 lehnte die IV-Stelle des Kantons Bern den Anspruch auf eine Invalidenrente des A.________ (geb. 1958) gestützt auf eine Untersuchung vom 7. Oktober 2013 durch Dr. med. B.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, Regionaler Ärztlicher Dienst (RAD), mangels invalidisierender gesundheitlicher Beeinträchtigung (leichte depressive Episode) ab.
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B. Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 10. September 2015 ab.
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C. A.________ lässt hiegegen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten einlegen und beantragen, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und die Sache zu weiteren medizinischen Abklärungen und neuer Entscheidung an die Vorinstanz, eventualiter an die Verwaltung zurückzuweisen.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Der Beschwerde an das Bundesgericht liegt ein vom 24. Mai 2015 datiertes Gutachten bei, das Dr. med. C.________ dem Regionalgericht Bern-Mittelland im zivilrechtlichen Krankentaggeldprozess des Beschwerdeführers gegen die Versicherung F.________ AG erstattet hat und welches den Parteien mit prozessleitender Verfügung vom 29. Mai 2015 zugestellt worden ist. Auf Anfrage vom 7. September 2015 nahm Dr. med. C.________ mit Schreiben vom 28. September 2015 Stellung zur Arbeitsunfähigkeit, wovon Rechtsanwalt Reber Mitte Oktober 2015 Kenntnis erhielt (Übermittlungsformular des Regionalgerichts vom 13. Oktober 2015). Entgegen den diesbezüglichen Vorbringen in der Beschwerde (S. 8 Ziff. 16) handelt es sich hiebei um unter jedem Titel unzulässige Noven (Art. 99 Abs. 1 BGG), ist doch in keiner Weise ersichtlich, dass und inwiefern die Beibringung dieser Unterlagen erst durch den angefochtenen Entscheid verursacht worden wäre.
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1.2. Nach ständiger Rechtsprechung beschränkt sich die Prüfung des Sozialversicherungsgerichts auf die Verhältnisse, wie sie sich bis zum Erlass der angefochtenen Verwaltungsverfügung (hier: am 13. März 2014) entwickelt haben (BGE 132 V 215 E. 3.1.1 S. 220; 130 V 138 E. 2.1 S. 140; 121 V 366). Die Vorbringen und Beweise bezüglich der seitherigen gesundheitlichen Entwicklung, insbesondere der Hinweis auf einen erneuten operativen Eingriff gemäss Berichten des Spitals G.________ vom 6. Mai und 5. Juni 2015 (Beschwerde S. 6 Ziff. 11), gehen folglich über das Prozessthema hinaus.
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Erwägung 2
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist aufgrund der Beschwerdevorbringen (Art. 42 Abs. 2 zweiter Satz BGG) einzig, ob das kantonale Gericht dadurch Bundesrecht verletzt hat (Art. 95 lit. a BGG), dass es gestützt auf die vorhandenen medizinisch-psychiatrischen und weitere Beweise den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 ff. IVG) abschliessend beurteilt und - mangels psychisch bedingter Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG) - verworfen hat.
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2.2. Die Beschwerde, soweit nicht im Rahmen von Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG unzulässige appellatorische Kritik, bringt an verschiedenen Stellen (S. 5 f. Ziff. 8-10, S. 7 Ziff. 13 und 14) wiederholend vor, Hausarzt (Dr. med. D.________, Innere Medizin FMH, Psychosomatische Medizin SAPPM) und behandelnder Psychiater (Dr. med. E.________, Facharzt Psychiatrie/Psychotherapie FMH) hätten eine Anpassungsstörung mit Depression und Angst sowie eine mittel- bis schwergradige depressive Episode diagnostiziert, wogegen RAD-Arzt Dr. med. B.________ nur eine leichte depressive Episode festgestellt habe, aufgrund welcher "Diskrepanz der Diagnosen" wiederholt Antrag auf eine externe Begutachtung gestellt worden sei. Eine solche habe die Vorinstanz zu Unrecht abgelehnt, da im Rahmen praxisgemäss verlangter strenger Beweiswürdigung (BGE 122 V 157) schon geringe Zweifel eine externe Expertise geböten, wie sie sich hier aus "drei ärztliche (n) Meinungen, mit zwei unterschiedlichen Diagnosen" ergäben.
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Lege artis erstellte RAD-Untersuchungsberichte, die nach der Rechtsprechung einen mit Administrativexpertisen vergleichbaren Beweiswert haben (BGE 137 V 210 E. 1.2.1 S. 219; 135 V 254 E. 3.3.2 S. 257), können nicht stets dann in Frage gestellt werden, wenn die behandelnden Ärzte in der Folgenabschätzung zu abweichenden Ergebnissen gelangen. Weitere Beweise sind nur angezeigt, falls objektive Gesichtspunkte namhaft gemacht werden, die dem Amtsarzt entgangen sind (vgl. statt vieler Urteil 9C_495/2012 vom 4. Oktober 2012 E. 2.4 mit Hinweisen, auszugsweise publ. in: plädoyer 2012/6 S. 67). Solche sind, zumindest was die allein massgebliche Zeit bis zum Verfügungserlass am 13. März 2014 anbelangt (E. 1.2), in keiner Art und Weise ersichtlich und werden seitens des Beschwerdeführers auch nicht dargetan, zumal er selber einräumt, die ärztlichen Beurteilungen widersprächen sich "einzig bezüglich des Ausmasses der Depression", was eine typische der psychiatrischen Beurteilung inhärente Ermessensfrage ist (BGE 140 V 193 E. 3.1 in fine S. 195). Aus dem vom Beschwerdeführer angerufenen BGE 137 V 210 ergibt sich nichts anderes. Das von ihm ebenfalls angeführte Argument, für die psychische Erkrankung gebe es als äusseren auslösenden Grund eine körperliche Erkrankung (Tumor im linken Harnleiter), verkennt einerseits die aktenmässig ausgewiesene Remission des Leidens bis zum Verfügungszeitpunkt, andererseits die episodische Natur solch depressiver Reaktionen, die therapierbar sind (statt vieler: BGE 140 V 193 E. 3.3 S. 197). Im Vordergrund stehen als Belastungsfaktoren Besorgnis und Ängstlichkeit vor möglichen Erkrankungen, geschäftliche Schwierigkeiten mit der eigenen Firma, eine massive Überschuldung und ein hängiges Gerichtsverfahren (mit der Versicherung F.________ AG), wie sie RAD-Arzt Dr. med. B.________ in seinem Untersuchungsbericht vom 14. Oktober 2013 beschrieb.
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2.3. Schliesslich wendet sich die Beschwerde (S. 8 ff. Ziff. 15-18) gegen Beizug und Würdigung eines Teils der aus dem Krankentaggeld-Verfahren der Versicherung F.________ AG stammenden Observationsakten durch die Vorinstanzen. Die Art und Weise, wie der RAD bei der Untersuchung damit umgegangen sei, erwecke objektiv den Anschein der Befangenheit, was der Entscheid des Verwaltungsgerichts zu Unrecht unberücksichtigt lasse.
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Auch dieser Einwand sticht nicht. Es entspricht vielmehr den von der Vorinstanz zutreffend dargelegten Grundsätzen der freien Beweiswürdigung nach Art. 61 lit. c ATSG, dass alle Beweismittel in die Prüfung einfliessen. Es ist daher kein Anstoss daran zu nehmen, dass die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), dass der Beschwerdeführer in der Observationszeit vom 12. bis 14. Juni 2012 "jeweils mehr als zehn Stunden unterwegs" und "in der Lage" war, "geschäftliche Tätigkeiten auszuführen" (Aufenthalt in beiden Firmen in U.________ und V.________, Bankfilialen und Post). Solche Aktivitäten mögen, wie etwa Dr. med. C.________ in seinem Gerichtsgutachten vom 24. Mai 2015 meint, eine mittelschwere bis sogar schwere Depression psychiatrisch nicht ausschliessen; sie stehen jedoch dem konsistenten Beweis einer erheblichen Arbeitsunfähigkeit diametral entgegen, worauf es für die Belange der Invaliditätsbemessung einzig ankommt (BGE 141 V 281). Jedenfalls ist eine 20 % übersteigende Arbeitsunfähigkeit gemäss Einschätzung von RAD-Arzt Dr. med. B.________ weder bewiesen noch beweisbar, weshalb ein Rentenanspruch ohne weiteres entfällt (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 104 V 135).
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3. Die Beschwerde ist unbegründet. Als unterliegende Partei hat der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 25. Januar 2016
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Glanzmann
 
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann
 
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