VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 9C_477/2015  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 9C_477/2015 vom 05.11.2015
 
{T 0/2}
 
9C_477/2015
 
 
Urteil vom 5. November 2015
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
 
Gerichtsschreiber Williner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Advokat Stephan Müller,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle Basel-Stadt,
 
Lange Gasse 7, 4052 Basel,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 18. März 2015.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. Der 1971 geborene A.________, welcher über keine Berufsbildung verfügt, war zwischen 1992 und 1997 bei verschiedenen Arbeitgebern tätig, vorwiegend als Ersatzteil-Logistiker. Er bezog im Zeitraum zwischen März 1997 und September 1998 Arbeitslosenentschädigung und wird seit Mai 1997 durch die Sozialhilfe unterstützt. Mit Ausnahme kleinerer Arbeitseinsätze ist er seit anfangs 1997 keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen und im Wesentlichen als Hausmann und allein erziehender Vater seines im November 1998 geborenen Sohnes tätig.
1
A.b. A.________ meldete sich im Januar 2012 nach entsprechender Aufforderung durch die Sozialhilfe bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an und beantragte eine Rente der Invalidenversicherung. Die IV-Stelle Basel-Stadt führte verschiedene erwerbliche und medizinische Abklärungen durch, namentlich veranlasste sie eine psychiatrische Begutachtung bei Dr. med. B.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, (Gutachten vom 29. September 2012) und eine Abklärung im Haushalt (Bericht vom 21. Januar 2014 sowie ergänzende Stellungnahmen vom 7. Februar 2014 und vom 23. Mai 2014). Nachdem die Verwaltung die Arbeitsvermittlung am 4. Juni 2013 abgeschlossen hatte, weil sich der Versicherte nach seinen Angaben "subjektiv nicht arbeitsfähig" fühlte, verneinte sie mit Verfügung vom 28. Mai 2014 den Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung (Invaliditätsgrad 15 %).
2
B. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 18. März 2015 ab.
3
C. A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag auf Zusprechung einer Viertelsrente der Invalidenversicherung ab 1. Juli 2012.
4
 
Erwägungen:
 
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
5
2. Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze zum Anspruch und zum Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 2 IVG), zur Beurteilung der sog. Statusfrage und damit zur anwendbaren Invaliditätsbemessungsmethode (bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode [Art. 28a Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG]; bei teilerwerbstätigen Versicherten nach der gemischten Methode [Art. 28a Abs. 3 IVG]) sowie zum Beweiswert medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3 S. 252) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
6
3. Einigkeit besteht in Bezug darauf, dass der Beschwerdeführer im Gesundheitsfall in einem Pensum von 80 % einer Erwerbstätigkeit nachginge. Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht in Bezug auf das verbleibende Pensum von 20 % zu Recht vom Bestehen eines Aufgabenbereichs und damit von der Anwendbarkeit der gemischten Methode ausgegangen ist.
7
 
Erwägung 4
 
4.1. Die Vorinstanz erwog, es sei beim Beschwerdeführer vom Vorliegen eines anerkannten Aufgabenbereichs (Art. 28a Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 27 IVV) auszugehen, wobei sie insbesondere seinen Betreuungspflichten gegenüber dem Sohn, seiner seit Jahren ausgeübten Tätigkeit im Haushalt sowie den Aussagen im Abklärungsbericht Haushalt vom 21. Januar 2014 Rechnung trug. Die Feststellung, es liege ein anerkannter Aufgabenbereich vor, beruht somit auf konkreter Beweiswürdigung und ist für das Bundesgericht verbindlich (SVR 2010 IV Nr. 35 S. 111, 9C_559/2009 E. 3), ausser wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht (vgl. E. 1 hievor).
8
4.2. Der Beschwerdeführer wendet ein, er hätte sein Arbeitspensum im Gesundheitsfall überwiegend wahrscheinlich zwecks Gewinnung von Freizeit reduziert, weshalb die Einkommensvergleichsmethode anzuwenden sei. Konkrete Hinweise, welche diese Behauptung stützten, finden sich in den Akten nicht. Die Vorbringen des Beschwerdeführers erschöpfen sich indessen in Überlegungen allgemeiner Natur über den notwendigen Betreuungsaufwand für einen knapp 16-jährigen Jugendlichen sowie über gängige Motive einer Pensumsreduktion. Eine offensichtlich unrichtige oder auf einer Rechtsverletzung beruhende Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz lässt sich damit nicht begründen.
9
4.3. Nichts zu seinen Gunsten abzuleiten vermag der Beschwerdeführer aus der Rüge, die Vorinstanz habe bei der Frage nach dem Vorliegen eines Aufgabenbereichs willkürlich auf seine subjektiven Aussagen abgestellt, obwohl diese zuvor bei der Frage nach dem hypothetischen Erwerbspensum als nicht beweiskräftig erachtet worden seien. Die Vorinstanz hat den Aussagen des Beschwerdeführers weder in Bezug auf die eine noch auf die andere Frage den Beweiswert abgesprochen. Sie hat vielmehr erwogen, seine subjektiven Angaben dürften aufgrund der Persönlichkeitsstörung nicht unbesehen übernommen werden. Diesem Vorbehalt hat das kantonale Gericht Rechnung getragen, indem es die Aussagen des Beschwerdeführers anlässlich des Erstabklärungsgesprächs ("Intake") vom 22. Februar 2012, wonach er Arbeit grundsätzlich ablehne, nicht unbesehen übernommen hat. Stattdessen ging die Vorinstanz bei der Festlegung des hypothetischen Erwerbseinkommens vom konkreten Bedarf aus. Dieses Vorgehen steht entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers in Einklang mit seinen Angaben im Abklärungsbericht Haushalt vom 21. Januar 2014. Damals hatte er ausgeführt, er würde bei guter Gesundheit nur gerade so viel arbeiten, um den Lebensunterhalt für sich und seinen Sohn unabhängig von der Sozialhilfe bestreiten zu können. Das kantonale Gericht hat die im Abklärungsbericht Haushalt vom 21. Januar 2014 protokollierten Aussagen des Beschwerdeführers somit willkürfrei für sämtliche sich stellenden Fragen und mit der krankheitsbedingt gebotenen Zurückhaltung berücksichtigt.
10
4.4. Erwerbstätigkeit und nichterwerblicher Aufgabenbereich sind rechtsprechungsgemäss in dem Sinne komplementär, als die beiden Bereiche im Regelfall einen Wert von 100 % ergeben, unabhängig davon, wie viel Zeit sich die versicherte Person für die Hausarbeiten nimmt (BGE 141 V 15 E. 4.5 S. 22 f.). Auf diese Rechtsprechung hat auch der Beschwerdeführer hingewiesen. Inwiefern hier abweichend vom Regelfall eine Ausnahme vorliegen soll, vermag er jedoch nicht darzulegen. Der stattdessen zitierten abweichenden Auffassung eines Teiles der neueren Literatur, wonach die Tätigkeit im Haushalt nur dann zum anspruchsrelevanten Aufgabenbereich gehöre, wenn sie neben einem Vollzeitpensum nicht mehr bewältigt werden könne und die versicherte Person deswegen auf eine Erwerbstätigkeit verzichte, was weder bei den teilzeiterwerbstätigen noch bei den nichterwerbstätigen Personen zwingend der Fall sei, ist das Bundesgericht bereits in BGE 141 V 15 sowie im Urteil 9C_866/2013 vom 15. April 2014 nicht gefolgt. Gründe für ein Abweichen von dieser Praxis sind nicht ersichtlich.
11
4.5. Unbegründet ist die Rüge des Beschwerdeführers, seine Angaben im Abklärungsbericht Haushalt vom 21. Januar 2014 seien unter Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zustande gekommen. Der Beschwerdeführer verkennt, dass er im Vorbescheidverfahren Gelegenheit erhielt, zum Abklärungsbericht Haushalt vom 21. Januar 2014 Stellung zu nehmen (vgl. Einwandschreiben vom 18. Februar 2014). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt offenkundig nicht vor. Eine solche lässt sich auch nicht im Umstand erblicken, dass die Vorinstanz auf eine Auseinandersetzung mit demselben Vorwurf im kantonalen Verfahren verzichtete. So ist das kantonale Gericht zwar verpflichtet, seinen Entscheid zu begründen, darf sich dabei aber auf die für diesen wesentlichen Punkte beschränken (BGE 139 V 496 E. 5.1 S. 503 f.).
12
4.6. Schliesslich verfängt auch der Einwand nicht, die IV-Stelle habe ihre Aufklärungspflicht verletzt, weil das Schreiben vom 8. Januar 2014 keinerlei Angaben zum Zweck des Besuchs oder zur Bedeutung der dabei festzustellenden Tatsachen im Hinblick auf die Beurteilung des Leistungsanspruchs enthalte. Die Verwaltung wies im entsprechenden Schreiben explizit darauf hin, der Besuch vor Ort diene der Abklärung von Ansprüchen auf IV-Leistungen. Weiter gehende Ausführungen waren im Rahmen dieses Ankündigungsschreibens nicht notwendig. Dass die Abklärungsperson im Rahmen des Besuchs vom 20. Januar 2014 nicht umfassend über den Zweck der Abklärung oder über den hypothetischen Charakter der Frage nach der Erwerbstätigkeit im Gesundheitsfall aufgeklärt hätte, wird vom Beschwerdeführer demgegenüber nicht geltend gemacht.
13
5. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
14
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 5. November 2015
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Meyer
 
Der Gerichtsschreiber: Williner
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).