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Informationen zum Dokument  BGer 1B_256/2015  Materielle Begründung
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BGer 1B_256/2015 vom 04.11.2015
 
{T 1/2}
 
1B_256/2015
 
 
Urteil vom 4. November 2015
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Merkli, Karlen, Chaix, Kneubühler,
 
Gerichtsschreiber Forster.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Bern,
 
Besondere Aufgaben, Hodlerstrasse 7, 3011 Bern,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Kantonales Zwangsmassnahmengericht
 
des Kantons Bern, Präsident, Hodlerstrasse 7, 3011 Bern.
 
Gegenstand
 
Nichtgenehmigung der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs,
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 10. Juli 2015
 
des Kantonalen Zwangsmassnahmengerichts
 
des Kantons Bern, Präsident.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Besondere Aufgaben, führt eine Strafuntersuchung gegen einen beschuldigten Polizisten wegen des Verdachtes der einfachen Körperverletzung, Beschimpfung und Drohung sowie des Amtsmissbrauchs. Am 8. Juli 2015 verfügte die Staatsanwaltschaft die rückwirkende Randdatenerhebung (vom 10.-13. März 2015) betreffend einen Mobiltelefon-Anschluss des 15 Jahre alten Privatklägers. Mit Entscheid vom 10. Juli 2015 verweigerte das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Bern, Präsident, die Genehmigung der Überwachungsmassnahme.
1
B. Gegen den Entscheid des Zwangsmassnahmengerichtes gelangte die Staatsanwaltschaft mit Beschwerde vom 30. Juli (Posteingang: 3. August) 2015 an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Genehmigung der rückwirkenden Überwachung. Eventualiter sei festzustellen, dass gar keine Genehmigung der Überwachungsmassnahme durch das kantonale Zwangsmassnahmengericht notwendig sei, wenn die Zustimmung des Inhabers des überwachten Fernmeldeanschlusses zur Randdatenerhebung vorliege.
2
Das Zwangsmassnahmengericht hat am 11. August 2015 auf eine Stellungnahme ausdrücklich verzichtet. Das Bundesgericht urteilte am 4. November 2015 nach einer öffentlichen Beratung (Art. 58-59 BGG).
3
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Gegen (Nicht-) Bewilligungsentscheide des kantonalen Zwangsmassnahmengerichtes nach Art. 274 Abs. 2 StPO sieht das Gesetz keine StPO-Beschwerde an die kantonale Beschwerdeinstanz (im Sinne von Art. 393 Abs. 1 lit. c StPO) vor. Solche Entscheide bilden somit eine zulässige Ausnahme vom Grundsatz des doppelten kantonalen Instanzenzuges für die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht (Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BGG; BGE 137 IV 340 E. 2.2.2 S. 343).
4
1.2. Nichtgenehmigungen oder Beschränkungen von Überwachungsmassnahmen kann die verfahrensleitende bzw. gesuchstellende Staatsanwaltschaft grundsätzlich mit Beschwerde in Strafsachen anfechten (vgl. BGE 137 IV 340 E. 2.3 S. 344-346; je nicht amtl. publ. Erwägungen 1 von BGE 141 IV 108 und 138 IV 232; Urteile 1B_237/ 2015 vom 11. August 2015 E. 1.2; 1B_19/2014 vom 28. Mai 2014 E. 1.3; 1B_441/2013 vom 6. Januar 2014 E. 1). Im vorliegenden Fall ist insbesondere das Sachurteilserfordernis des drohenden nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteils (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) erfüllt. Die Staatsanwaltschaft legt dar, dass die streitige Nichtgenehmigung der Überwachung die Untersuchung beeinträchtigen und zu einem empfindlichen Beweisverlust führen könnte (vgl. unten, E. 3).
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1.3. Auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind grundsätzlich erfüllt und geben zu keinen Vorbemerkungen Anlass.
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2. Im angefochtenen Entscheid wird erwogen, die Voraussetzungen von Art. 270 lit. a und lit. b Ziff. 1 StPO müssten auch bei rückwirkenden Drittüberwachungen (im Sinne von Art. 273 StPO) erfüllt sein. Da im vorliegenden Fall ein "kommunikativer Bezug" zwischen der beschuldigten Person und dem Inhaber des betroffenen Mobiltelefon-Anschlusses weder bestehe, noch bestanden habe, sei die Überwachung gesetzlich unzulässig. Die gegenteilige Auffassung der Staatsanwaltschaft laufe darauf hinaus, dass rückwirkende Randdatenerhebungen bei jedwelchen Drittpersonen schon dann zulässig wären, wenn der dringende Tatverdacht einer strafbaren Handlung bestünde. Ob von der Strafbehörde das Einverständnis der betroffenen Drittperson eingeholt wurde oder nicht, ändere an den gesetzlichen Voraussetzungen nichts. Allerdings könne sich diesfalls "ein Vorgehen nach Art. 45 Fernmeldegesetz" anbieten.
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3. Die beschwerdeführende Staatsanwaltschaft macht Folgendes geltend:
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Am Morgen des 13. März 2015 (09.30 Uhr) habe der beschuldigte Polizist zusammen mit einem Berufskollegen den 15-jährigen Privatkläger an dessen Wohnort angehalten. Anschliessend sei eine Hausdurchsuchung beim Angehaltenen vorgesehen gewesen. Der Privatkläger habe ausgesagt, der Beschuldigte habe ihn mehrmals mit der Handfläche und der Faust geschlagen. Sowohl der Beschuldigte als auch der ihn begleitende Polizist hätten dies bestritten. Der Privatkläger habe zwar am Mittag des 13. März 2015 unbestrittenermassen Verletzungen im Gesicht und am Hinterkopf aufgewiesen. Schon am Nachmittag des 10. März 2015 sei er jedoch mit dem Fahrrad gestürzt. Er sei deswegen am 11. März 2015 von seinem Arzt untersucht und geröntgt und am Nachmittag des 12. März 2015 am Mittelhandknochen der rechten Hand im Spital operiert worden.
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Der behandelnde Arzt habe als Zeuge zu Protokoll gegeben, dass er mit Sicherheit ausschliessen könne, dass zwischen dem 11. und 12. März 2015 (bis zum Spitalaustritt des Privatklägers um ca. 16.30 Uhr) Verletzungen im Gesicht des Privatklägers erkennbar gewesen wären. Gemäss seiner langjährigen ärztlichen Erfahrung würden stumpfe Gesichtsverletzungen innert Minuten bis einer Stunde sichtbar. Laut Befund des bernischen Instituts für Rechtsmedizin, dessen ärztliches Personal den Privatkläger am Nachmittag des 13. März 2015 untersucht habe, könnten die festgestellten Verletzungen im Gesicht und am Hinterkopf in einem Zeitfenster von einigen Stunden bis zwei Tagen vor dieser Untersuchung erlitten worden sein. Völlig ausgeschlossen werden könne aber auch der 10. März 2015 als Verletzungszeitpunkt nicht.
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Um die Aktivitäten des Privatklägers im besagten Zeitraum zu klären und allfällige bereits vor der polizeilichen Anhaltung vom 13. März 2015 vorhandene Verletzungen zu ermitteln, seien der Privatkläger und diverse Zeugen, darunter dessen geschiedene Eltern, die ihn im Zeitraum zwischen dem 10. und 13. März 2015 gesehen hätten, staatsanwaltlich einvernommen worden. Diese seien darüber befragt worden, mit wem der Privatkläger im genannten Zeitraum Kontakt hatte, wo er sich aufgehalten und was er gemacht habe. Diese Beweiserhebungen hätten zum Ziel gehabt, andere mögliche Verletzungsursachen (als eine allfällige Gewalteinwirkung durch den Beschuldigten) auszuschliessen.
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Da die Zeugen zum "Umfeld des Privatklägers" gehörten, müssten ihre Aussagen objektiviert werden. Zu diesem Zweck habe die Staatsanwaltschaft zunächst die direkte Durchsuchung des Mobiltelefons des Privatklägers verfügt, mit der dieser einverstanden gewesen sei. Aus technischen Gründen hätten (mittels Durchsuchung der auf dem Mobiltelefon noch gespeicherten Daten) die fraglichen Aktivitäten jedoch nicht mehr rekonstruiert werden können. Aus diesem Grund und auch weil Kenntnisse über die Antennenstandorte des Mobiltelefons von hohem Untersuchungsinteresse seien, habe die Staatsanwaltschaft am 8. Juli 2015 die hier streitige rückwirkende Randdatenerhebung für den Zeitraum vom 10.-13. März 2015 verfügt. Die Untersuchungsmassnahme sei unumgänglich und diene der Überprüfung und Objektivierung der Aussagen der Tatbeteiligten und Zeugen. Ohne die beantragte Randdatenerhebung drohe eine erhebliche Gefährdung der Erforschung der Wahrheit bzw. eine Nichtaufklärung der untersuchten Delikte.
12
Die Vorinstanz habe Art. 273 i.V.m. Art. 269 Abs. 1 lit. b und c StPO unrichtig angewendet, indem sie die Zulässigkeit der Randdatenerhebung zu Unrecht verneint habe. Im "Interesse der Rechtssicherheit" möchte die beschwerdeführende Staatsanwaltschaft (im Eventualstandpunkt) auch noch die Frage prüfen lassen, ob bei Vorliegen einer ausdrücklichen Einwilligung des Anschlussinhabers in die rückwirkende Randdatenerhebung überhaupt eine Genehmigung durch das Zwangsmassnahmengericht nötig sei.
13
 
Erwägung 4
 
4.1. Unter den Voraussetzungen von Art. 269 Abs. 1-3 i.V.m. Art. 270-279 StPO kann der Fernmeldeverkehr 
14
4.2. Zunächst ist zu klären, welche gesetzliche 
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4.2.1. Beim Anschluss eines Privatklägers handelt es sich zwar um denjenigen einer "Drittperson" im Sinne von Art. 270 lit. b StPO (vgl. Bundesgerichtsurteil 1B_251/2013 vom 30. August 2013 E. 5.5). Für die aktive Abhörung von Gesprächen über Drittanschlüsse wären daher die Voraussetzungen von Art. 269 und Art. 270 lit. b StPO zu erfüllen (vgl. BGE 138 IV 232). Die Staatsanwaltschaft hat hier jedoch keine geheime Überwachung von Nachrichteninhalten verfügt, sondern eine rückwirkende, nicht geheime Erhebung von Verbindungs-Randdaten der Kommunikation (Art. 273 Abs. 1 lit. a i.V.m. Abs. 3 StPO). Die Staatsanwaltschaft hat den Privatkläger über die in Aussicht genommene Überwachungsmassnahme informiert.
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4.2.2. Die Wortlaute von Art. 270 lit. b Ziff. 1 und Ziff. 2 StPO sind zunächst auf die aktive (während des Kommunikationsvorganges) und inhaltliche (Kommunikationsinhalte) geheime Überwachung von Fernmeldeanschlüssen zugeschnitten (vgl. BGE 138 IV 232; Urteil 1B_251/ 2013 vom 30. August 2013 E. 5.3-5.5). Gemäss diesen Bestimmungen darf der Telefonanschluss von Drittpersonen geheim überwacht werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen angenommen werden muss, dass entweder die beschuldigte Person den Anschluss der Drittperson benutzt (Ziff. 1, sogenannter "Anschlussüberlasser") oder die Drittperson für die beschuldigte Person bestimmte Mitteilungen entgegennimmt oder von dieser stammende Mitteilungen an eine weitere Person weiterleitet (Ziff. 2, sogenannter "Nachrichtenmittler"). Bei der rückwirkenden Randdatenerhebung (Art. 273 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 StPO) geht es weder um eine zu erwartende "Benutzung" des Drittanschlusses durch den Beschuldigten (Art. 270 lit. b Ziff. 1 StPO, vgl. BGE 138 IV 232), noch um eine voraussichtliche Entgegennahme oder Weiterleitung von "Mitteilungen" (vom Beschuldigten oder an ihn) durch die Drittperson (Art. 270 lit. b Ziff. 2 StPO; vgl. Bundesgerichtsurteil 1B_441/2013 vom 6. Januar 2014). Die Kommunikation ist bei der rückwirkenden Randdatenerhebung vielmehr bereits abgeschlossen. Die erhobenen Randdaten sind hier - im Gegensatz zur (geheimen) aktiven Randdatenerhebung in Echtzeit - bereits bei der Fernmeldedienst-Anbieterin sicher gespeichert und verwahrt, weshalb diesbezüglich keine Kollusion mehr droht. Überdies bezieht sich die Randdatenerhebung (im Gegensatz zur aktiven Gesprächsüberwachung) nicht auf Nachrichteninhalte (vgl. BGE 137 IV 340 E. 5.1-5.2 S. 346 f., E. 5.5 S. 348, E. 6.1 S. 349 f.; Urteil 1B_251/2013 vom 30. August 2013 E. 5.3).
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4.2.3. Art. 270 lit. b StPO dient dem 
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4.3. Art. 273 StPO ist im Übrigen im 
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4.3.1. Die Überwachungsmassnahmen nach Art. 269-273 StPO dienen der Aufklärung von Straftaten, insbesondere der Beweissicherung (Art. 196 lit. a StPO). Sie können nur ergriffen werden, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind, ein hinreichender Tatverdacht vorliegt, die mit der Zwangsmassnahme angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können und die Bedeutung der Straftat die Zwangsmassnahme rechtfertigt (Art. 197 Abs. 1 StPO). Zwangsmassnahmen, die in die Grundrechte nicht beschuldigter Personen eingreifen, sind besonders zurückhaltend einzusetzen (Art. 197 Abs. 2 StPO). Diese gesetzlichen Grundvoraussetzungen werden für die Überwachung des Fernmeldeverkehrs in den oben erörterten Art. 269-273 StPO näher konkretisiert (für die Randdatenerhebung insbes. in Art. 269 Abs. 1 lit. b und c und Art. 273 Abs. 1 StPO).
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4.3.2. Auch rückwirkende Randdatenerhebungen nach Art. 273 StPO können nach dem Gesagten zu einem Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen (Art. 13 Abs. 1 BV) führen. Zwar werden hier keine Kommunikationsinhalte behördlich überwacht und erfolgt (im Gegensatz zur inhaltlichen Gesprächsüberwachung oder zur aktiven Randdatenerhebung in Echtzeit) keine geheime Untersuchungsmassnahme. Deswegen gilt der Eingriff nach der Praxis des Bundesgerichtes in der Regel als deutlich weniger einschneidend (BGE 139 IV 98 E. 4.2 S. 99; 137 IV 340 E. 5.5 S. 348; je mit Hinweisen). Auch hier ist jedoch den oben dargelegten gesetzlichen Schranken und Eingriffsvoraussetzungen ausreichend Rechnung zu tragen.
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4.3.3. Der Wortlaut von Art. 273 Abs. 1 lit. a StPO erlaubt schliesslich nur Erhebungen darüber, wann und mit welchen Personen oder Anschlüssen die überwachte Person über den Fernmeldeverkehr Verbindung gehabt hat (oder - im hier nicht gegebenen Fall der aktiven Randdatenerhebung - noch Verbindung hat). Die Randdatenerhebung nach Art. 273 Abs. 1 lit. a StPO setzt somit eine untersuchungsrelevante Kommunikationsverbindung zu Personen oder Fernmeldeanschlüssen voraus (vgl. BGE 141 IV 108 E. 5.6 S. 123 f., E. 6.2 S. 128; 137 IV 340 E. 5.2 S. 347). Nach der einschlägigen Praxis des Bundesgerichtes verlangt eine rückwirkende Randdatenerhebung (wie jede Überwachungsmassnahme) ausserdem einen direkten Sachzusammenhang zwischen der Überwachungsmassnahme und dem untersuchten Delikt (vgl. Urteil des Bundesgerichtes 1B_251/2013 vom 30. August 2013 E. 5.5).
22
 
Erwägung 4.4
 
4.4.1. Wie die Staatsanwaltschaft darlegt, sei es das Ziel der Überwachung, Zeugenaussagen mit anderen objektivierbaren Beweisergebnissen abzugleichen, da die Zeugen zum "Umfeld" des Privatklägers gehörten. Zu diesem Zweck sei eine Randdatenerhebung auf dem Mobiltelefon des Privatklägers nötig, insbesondere zur Eruierung seiner Standorte zwischen dem 10. und 13. März 2015. Neben dem Privatkläger seien diverse Zeugen einvernommen worden, darunter dessen geschiedene Eltern, die ihn im Zeitraum zwischen dem 10. und 13. März 2015 gesehen hätten. Diese seien darüber befragt worden, mit wem der Privatkläger im genannten Zeitraum Kontakt hatte, wo er sich aufgehalten und was er gemacht habe.
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4.4.2. Die Strafuntersuchung richtet sich gegen den beschuldigten Polizisten. Diesem wird vorgeworfen, er habe den 15 Jahre alten Privatkläger anlässlich der polizeilichen Anhaltung vom 13. März 2015 (09.30 Uhr) mehrmals mit der Handfläche und der Faust geschlagen. Nach den bisherigen Untersuchungsergebnissen hat der Privatkläger zwar bereits am 10. März 2015 einen Fahrradunfall erlitten, weswegen er am 11. März 2015 von seinem Arzt untersucht und geröntgt und am Nachmittag des 12. März 2015 am Mittelhandknochen der rechten Hand im Spital operiert wurde. Es bestehen jedoch Zeugenaussagen des behandelnden Arztes, wonach dieser mit Sicherheit ausschliessen könne, dass zwischen dem 11. und 12. März 2015 (bis zum Spitalaustritt des Privatklägers am 12. März 2015 um ca. 16.30 Uhr) Verletzungen im Gesicht des Privatklägers erkennbar gewesen wären. Gemäss seiner langjährigen ärztlichen Erfahrung würden stumpfe Gesichtsverletzungen innert Minuten bis einer Stunde sichtbar. Laut Befund des bernischen Instituts für Rechtsmedizin, dessen ärztliches Personal den Privatkläger am Nachmittag des 13. März 2015 untersuchte, könnten die festgestellten Verletzungen im Gesicht und am Hinterkopf in einem Zeitfenster von einigen Stunden bis zwei Tagen vor dieser Untersuchung erlitten worden sein. Völlig ausgeschlossen werden könne aber auch der 10. März 2015 als Verletzungszeitpunkt nicht.
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4.4.3. Mit der beantragten Randdatenerhebung möchte die Staatsanwaltschaft somit ihre These (zugunsten des Beschuldigten) stützen, wonach der Privatstrafkläger seine Gesichts- und Kopfverletzungen schon vor dem Morgen des 13. März 2015 erlitten haben könnte, insbesondere in der Zeit zwischen dem Nachmittag des 12. März 2015 (nach dem Spitalaustritt des Privatklägers um ca. 16.30 Uhr) und der polizeilichen Anhaltung am 13. März 2015 (09.30 Uhr). Diese These widerspricht den protokollierten Aussagen des Privatklägers und seiner als Zeugen befragten Eltern. Zwar hat die Untersuchungsbehörde auch allfälligen entlastenden Indizien nachzugehen (vgl. Art. 6 Abs. 2 StPO). Im Ergebnis dient die hier streitige Überwachungsmassnahme jedoch bloss 
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4.4.4. Bei gesamthafter Würdigung dieser Sachlage ist die Gesetzes- und Verhältnismässigkeit der streitigen Überwachungsmassnahme zu verneinen. Die Nichtgenehmigung des Überwachungsgesuches erweist sich im Ergebnis als bundesrechtskonform. Der Zwangsmassnahmenrichter hatte die Verhältnismässigkeit der Überwachungsmassnahme aufgrund der Aktenlage im Zeitpunkt seines Entscheides zu prüfen. Im Genehmigungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft die wesentlichen Verfahrensakten innert 24 Stunden seit Anordnung der Überwachung dem Zwangsmassnahmengericht zu unterbreiten (Art. 274 Abs. 1 lit. b StPO). Die Staatsanwaltschaft hat die schriftliche Zustimmungserklärung des Privatklägers unbestrittenermassen erst am 15. Juli 2015 eingeholt, damit fünf Tage nach dem erfolgten Nichtgenehmigungsentscheid. Insofern ist die nachgereichte Zustimmungserklärung hier als unzulässiges Novum zu behandeln (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG).
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4.5. Im Eventualstandpunkt macht die Staatsanwaltschaft noch geltend, bei Vorliegen einer ausdrücklichen Einwilligung des Anschlussinhabers in die rückwirkende Randdatenerhebung sei gar keine Genehmigung durch das Zwangsmassnahmengericht nötig. Dieser Argumentation ist nicht zu folgen: Die oben dargelegten gesetzlichen Voraussetzungen einer behördlich verfügten strafprozessualen Randdatenerhebung bei Dritten, insbesondere das richterliche Genehmigungserfordernis (Art. 273 Abs. 2 StPO), sind grundsätzlich auch dann zu beachten, wenn die verfahrensleitende Staatsanwaltschaft sich um eine "Zustimmung" des Inhabers des überwachten Fernmeldeanschlusses bemüht hat. Strafverfahren können nur in den vom Gesetz vorgesehenen Formen durchgeführt werden (Art. 2 Abs. 2 StPO). Dies muss namentlich für strafprozessuale Überwachungen gelten (Art. 197 Abs. 1 lit. a StPO). Ausserdem ist der Untersuchungsgrundsatz zu beachten (Art. 6 Abs. 1 und Art. 311 Abs. 1 StPO). Dafür, dass der Gesetzgeber die strafprozessuale Randdatenerhebung bei Dritten in die freie und von Art. 269-273 StPO abweichende Disposition zwischen der Staatsanwaltschaft und betroffenen Anschlussinhabern hätte legen wollen, findet sich im Gesetz keinerlei Anhaltspunkt. Wie der vorliegende Fall zeigt, empfiehlt es sich im Übrigen, dass die Staatsanwaltschaft eine allfällige schriftliche Zustimmung des von der rückwirkenden Randdatenerhebung betroffenen Dritten zusammen mit dem Genehmigungsgesuch beim Zwangsmassnahmengericht einreicht.
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Erwägung 5
 
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen. Gerichtskosten sind nicht zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Es werden keine Kosten erhoben.
 
3. Dieses Urteil wird der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Besondere Aufgaben, und dem Kantonalen Zwangsmassnahmengericht des Kantons Bern, Präsident, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 4. November 2015
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Forster
 
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