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Informationen zum Dokument  BGer 1C_408/2015  Materielle Begründung
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BGer 1C_408/2015 vom 14.10.2015
 
{T 0/2}
 
1C_408/2015
 
 
Urteil vom 14. Oktober 2015
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Merkli, Eusebio
 
Gerichtsschreiberin Pedretti.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Einwohnergemeinde Wynau, Baupolizeibehörde,
 
Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern.
 
Gegenstand
 
Ablagerung von Gegenständen; Wiederherstellung; unentgeltliche Rechtspflege,
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 10. Juni 2015 des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Einzelrichter.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
D.
 
 
E.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Prozessentscheid. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG offen; ein Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG).
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1.2. Mit der Beschwerde können Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Allerdings prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Bezüglich der Verletzung von verfassungsmässigen Rechten - einschliesslich der willkürlichen Anwendung von kantonalem Recht - gilt eine qualifizierte Rügepflicht: Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 171 E. 1.4 S. 176 mit Hinweisen).
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1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel können nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Unbeachtlich sind deshalb die vom Beschwerdeführer in der Replik, und damit ohnehin verspätet (Art. 42 Abs. 2 BGG), vorgebrachten Ausführungen zu den erst nach Ergehen des angefochtenen Entscheids erhobenen Einsprachen gegen die Veranlagungsverfügungen 2011 und 2012.
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1.4. Streitgegenstand vor Bundesgericht ist einzig, ob das Verwaltungsgericht zu Recht nicht auf die Beschwerde eingetreten ist. Trifft seine Erwägung zu, dass der Beschwerdeführer seine Prozessarmut nicht hinreichend belegt hat, diese nicht ersichtlich ist und der Kostenvorschuss nicht innert Nachfrist bezahlt wurde, hat es damit sein Bewenden.
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Erwägung 2
 
2.1. Nach Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. Dass sich aus dem kantonalen Recht - mithin Art. 111 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG/BE; BSG 155.21) - ein weitergehender Anspruch ergeben würde, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Als bedürftig im Sinne von Art. 29 Abs. 3 BV gilt eine Person dann, wenn sie die Kosten eines Prozesses nicht aufzubringen vermag, ohne jene Mittel anzugreifen, die für die Deckung des eigenen notwendigen Lebensunterhalts und desjenigen ihrer Familie erforderlich sind (BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223; 128 I 225 E. 2.5.1 S. 232; je mit Hinweis). Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt sich grundsätzlich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs. Dazu gehören einerseits sämtliche finanzielle Verpflichtungen, anderseits die Einkommens- und Vermögensverhältnisse (BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223 f.).
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2.2. Nach der Rechtsprechung hat der Gesuchsteller zur Glaubhaftmachung seiner Bedürftigkeit seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darzustellen und soweit möglich auch zu belegen (BGE 125 IV 161 E. 4a S. 164 f.; 120 Ia 179 E. 3a S. 181 f. mit Hinweis). Dabei dürfen umso höhere Anforderungen an eine umfassende und klare Darstellung der finanziellen Situation durch den Gesuchsteller selbst gestellt werden, je komplexer diese Verhältnisse sind. Die entscheidende Behörde hat allenfalls unbeholfene Rechtsuchende auf die Angaben hinzuweisen, die sie zur Beurteilung des Gesuches benötigt (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 182 f.). Aus den eingereichten Belegen muss der aktuelle Grundbedarf des Gesuchstellers hervorgehen. Die Belege haben zudem über sämtliche finanzielle Verpflichtungen des Gesuchstellers sowie über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse Aufschluss zu geben. Verweigert der Gesuchsteller die zur Beurteilung seiner aktuellen Gesamtsituation erforderlichen Angaben oder Belege, resp. kommt er seiner Obliegenheit nicht nach, so kann die Behörde die Bedürftigkeit ohne Verletzung des verfassungsmässigen Anspruchs verneinen und das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abweisen (BGE 125 IV 161 E. 4a S. 164 f.; 120 Ia 179 E. 3a S. 181 f.).
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2.3. Angesichts dieser Rechtsprechung trifft den Gesuchsteller eine umfassende Mitwirkungsobliegenheit. Vorliegend ist zwar zugunsten des Beschwerdeführers zu würdigen, dass dieser in seinem Schreiben vom 19. Mai 2015 seine Einkünfte und Auslagen aufgelistet und im Gesuchsformular des Verwaltungsgerichts Angaben zur wirtschaftlichen Lage gemacht hat. Er unterliess es jedoch, alle zur Beurteilung der finanziellen Verhältnisse nötigen Beweisstücke vorzuweisen. Seine Prozessarmut hätte beispielsweise anhand einer aktuellen Steuererklärung oder mithilfe von Ausgabenbelegen, Kontoauszügen und Einkommensnachweisen belegt werden können. Auch ging aus dem Gesuchsformular des Verwaltungsgerichts hinreichend klar hervor, welche Belege zur Feststellung der wirtschaftlichen Gesamtsituation des Gesuchstellers vorgelegt werden müssen. Indes reichte er trotz mehrmaliger Aufforderung bloss eine Bescheinigung der Steuerbehörde der Wohnsitzgemeinde ein, aus der hervorgeht, dass das steuerbare Einkommen in den letzten drei Jahren jeweils mit Fr. 180'000.-- veranlagt wurde und dass er in dieser Zeitspanne über kein steuerbares Vermögen verfügte. Unterlagen zu den übrigen Positionen und insbesondere zu den Ausgaben und zu weiteren finanziellen Verpflichtungen wurden - wie die Vorinstanz zu Recht festgestellt hat - nicht beigebracht. Dass ihm diese einzureichen nicht möglich gewesen sein soll, macht der Beschwerdeführer nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich. Insoweit ist er seiner Beleg- bzw. Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, wodurch eine Überprüfung seiner finanziellen Gesamtsituation verunmöglicht wurde.
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Überdies ist die Vorinstanz nicht in überspitzten Formalismus verfallen, indem sie vom Beschwerdeführer verlangt hat, die zur Beurteilung der finanziellen Verhältnisse nötigen Belege beizubringen. Als besondere Form der Rechtsverweigerung liegt überspitzter Formalismus insbesondere dann vor, wenn die Behörde an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und damit dem Bürger den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt (BGE 135 I 6 E. 2.1 S. 9 mit Hinweisen ). Nach der Rechtsprechung darf die Behörde die Beweismittel für die Feststellung der wirtschaftlichen Situation nicht formalistisch beschränken und etwa nur amtliche Belege über die finanziellen Verhältnisse zulassen (vgl. BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 181 f.; 119 III 28 E. 3b S. 31). Dass die Vorinstanz ausschliesslich offizielle Dokumente als Nachweis für die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers entgegengenommen hätte, wird zu Recht nicht behauptet. Im Gegenteil, gemäss Gesuchsformular wären auch aktuelle Kontoauszüge oder andere Nachweise über die Einkommenssituation, die Auslagen und die Schulden als Belege in Frage gekommen. Die Gesuchsabweisung durch die Vorinstanz beruht auf dem Umstand, dass sie vom Beschwerdeführer nur unvollständig über seine finanziellen Verhältnisse in Kenntnis gesetzt wurde, was - angesichts der dargelegten Rechtsprechung - nicht zu beanstanden ist.
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Im Übrigen ist seine Bedürftigkeit dem ersten Anschein nach auch nicht ersichtlich. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer in den letzten Jahren ein beachtliches Einkommen vorzuweisen vermochte, verfügt er nachweislich über Grundeigentum in der Gemeinde Roggwil im Wert von über einer halben Million Franken. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er besitze vorübergehend nicht genügend liquide Mittel, da sein Vermögen in Grundstücke investiert sei, vermag er damit nicht durchzudringen. Nach der Rechtsprechung ist es dem Gesuchsteller unbesehen der Art der Vermögensanlage zumutbar, das Vermögen, das einen angemessenen "Notgroschen" übersteigt, zur Finanzierung des Prozesses zu verwenden. Die Art der Vermögensanlage beeinflusst allenfalls die Verfügbarkeit der Mittel, nicht aber die Zumutbarkeit, sie vor der Beanspruchung des Rechts auf unentgeltliche Prozessführung anzugreifen. Der um unentgeltliche Rechtspflege ersuchende Grundeigentümer hat sich daher die für den Prozess benötigten Mittel allenfalls durch Belehnung der Liegenschaft zu beschaffen (BGE 119 Ia 11 E. 5 S. 12 f.). Vorliegend hat der Beschwerdeführer nicht dargetan, dass ihm eine Hypothekarbelastung des Grundeigentums zwecks Begleichung der Verfahrenskosten unmöglich oder unzumutbar sei.
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Die Vorinstanz durfte demnach die unentgeltliche Rechtspflege zu Recht verweigern und nicht auf die Beschwerde eintreten.
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Erwägung 3
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. 
 
3. 
 
4. 
 
5. 
 
Lausanne, 14. Oktober 2015
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Die Gerichtsschreiberin: Pedretti
 
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