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Informationen zum Dokument  BGer 2C_865/2015  Materielle Begründung
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BGer 2C_865/2015 vom 01.10.2015
 
{T 0/2}
 
2C_865/2015
 
 
Urteil vom 1. Oktober 2015
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Stadelmann,
 
Bundesrichter Haag,
 
Gerichtsschreiber Errass.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. A.A.________,
 
2. B.A.________,
 
3. C.A.________,
 
4. D.A.________,
 
5. E.A.________,
 
6. F.A.________,
 
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Rechtsanwalt Donato Del Duca,
 
gegen
 
Migrationsamt des Kantons Solothurn.
 
Gegenstand
 
Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 27. August 2015.
 
 
Erwägungen:
 
1. A.A.________ (Serbe; 1965) reiste am 31. Januar 1992 in die Schweiz ein, wo er am 1. Mai 1992 G.________ heiratete und eine Aufenthaltsbewilligung erhielt. Die kinderlose Ehe wurde am 23. März 2001 geschieden. Am 10. Dezember 2001 erhielt A.A.________ die Niederlassungsbewilligung.
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2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, welche zulässig (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario) und die eventualiter erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde dementsprechend unzulässig ist (Art. 113 BGG), ist offensichtlich unbegründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren unter Verweisung auf den angefochtenen Entscheid nach Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG abgewiesen wird.
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2.1. Nach Art. 63 Abs. 2 AuG kann die Niederlassungsbewilligung von Ausländerinnen und Ausländern, die sich seit mehr als 15 Jahren ununterbrochen und ordnungsgemäss in der Schweiz aufhalten, nur widerrufen werden, wenn die Ausländerin oder der Ausländer in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet (Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG) oder zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde oder gegen sie eine strafrechtliche Massnahme im Sinne von Artikel 64 oder Artikel 61 des Strafgesetzbuches angeordnet wurde. Liegt ein Widerrufsgrund vor, so ist anschliessend zu prüfen, ob diese Massnahme auch als verhältnismässig erscheint (vgl. Art. 96 AuG; BGE 139 I 145 E. 2.2 S. 147 f.).
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Erwägung 2.2
 
2.2.1. Das Verwaltungsgericht hat den Widerruf des Beschwerdeführers 1 vor allem mit Art. 63 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 lit. b AuG begründet, weshalb dessen Ausführungen zu Art. 63 Abs. 2 i.V.m. Art 62 lit. b AuG an der Sache vorbei zielen.
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2.2.2. Der Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG ist nach der Praxis erfüllt, wenn die ausländische Person durch ihr Handeln besonders hochwertige Rechtsgüter - wie namentlich die körperliche, psychische und sexuelle Integrität eines Menschen - verletzt oder in Gefahr gebracht hat, sich von strafrechtlichen Massnahmen nicht beeindrucken lässt und sich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zeigt, dass sie auch künftig weder gewillt noch fähig ist, sich an die Rechtsordnung zu halten (BGE 139 I 16 E. 2.1 S. 18 f.; Urteil 2D_37/2014 vom 9. Februar 2015 E. 2.2). Dies bedeutet, dass auch eine Summierung von Verstössen, die für sich genommen für einen Widerruf nicht ausreichen würden, einen Bewilligungsentzug rechtfertigen können (vgl. Urteil 2C_310/2011 vom 17. November 2011 E. 5.1). Sogar das Bestehen von privatrechtlichen Schulden kann gegebenenfalls einen schwerwiegenden Verstoss gegen die öffentliche Ordnung darstellen. Die Verschuldung muss indessen selbstverschuldet und qualifiziert vorwerfbar sein (vgl. Art. 80 Abs. 1 lit. b VZAE; Urteil 2D_37/2014 vom 9. Februar 2015 E. 2.2 m.H.).
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2.2.3. Die Vorinstanz hat den Widerrufsgrund korrekt festgestellt: Trotz viermaliger Verwarnung bzw. Widerrufsandrohungen haben die Beschwerdeführer keine Anstalten für eine Besserung gezeigt; das Verschulden ist selbstverschuldet und qualifiziert vorwerfbar. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auch in neuerer Zeit weitere Strafverurteilungen, welche zwar gering sind, vorliegen: so hat der Beschwerdeführer 1 zuletzt zu Unrecht einen beträchtlichen Betrag an Sozialhilfe bezogen (Fr. 16'708.60), während er gleichzeitig Arbeitslosentaggelder bezog. Entgegen der lediglich appellatorischen Kritik der Beschwerdeführer sind die Schulden selbstverschuldet: ein grosser Teil ist durch kriminelle Tätigkeiten entstanden; sodann haben sich die Schulden trotz Mahnungen der Migrationsbehörden in den letzten Jahren erhöht. Dasselbe gilt auch in Bezug auf die Beiträge der Sozialhilfe. Sowohl in Bezug auf diese als auch auf jene haben die Beschwerdeführer nichts dafür getan, sie abzubauen: So ist zwar in einem Vergleich der aus dem Vermögensdelikt teilweise resultierende geschuldete Betrag von Fr. 219'546.10 auf Fr. 100'000.-- reduziert worden unter der Bedingung, monatlich Fr. 500.-- zurück zu zahlen, doch ist der Beschwerdeführer 1 seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen, weshalb weiterhin der gesamte Betrag geschuldet ist. Daneben bestehen auch zahlreiche Ausstände aus öffentlich- und privatrechtlichen Verpflichtungen beim Bund, beim Kanton, bei Gemeinden und bei Krankenkassen. Auch wenn die Beschwerdeführerin 2 eine Arbeit angenommen hat, trifft die vorinstanzliche Auffassung zu, dass damit die Schulden nicht abgebaut werden können; diesbezüglich wären weitere Anstrengungen nötig. Der Beschwerdeführer 1 hat allerdings alles unterlassen, um eine Arbeitsstelle zu erlangen: So musste er etwa aus dem Soziallohnprojekt wegen Nichteinhaltens von Zielvereinbarungen, wegen Verweigerung, sich aktiv um die Stellensuche zu kümmern, und wegen unkorrektem Sozialverhalten im Umgang mit Projektteilnehmerinnen ausgeschlossen werden.
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2.3. In Bezug auf die Verhältnismässigkeit des Widerrufs hat die Vorinstanz die öffentlichen und privaten Interessen ausführlich dargestellt, korrekt gewichtet und gegeneinander abgewogen. Was die privaten Interessen betrifft, ist hervorzuheben, dass die Beschwerdeführerin nach dem Wegweisungsentscheid des Migrationsamtes eine Arbeitsstelle angenommen hat; der Beschwerdeführer 1 hat indes keine Anstalten für eine Arbeitsaufnahme gemacht. Die vor Bundesgericht eingereichten Bewerbungen datieren während des vorinstanzlichen Verfahrens oder danach. Als Noven können sie nicht berücksichtigt werden (Art. 99 BGG). Zudem handelt es sich um Blindbewerbungen. Die lange Anwesenheitsdauer ist berücksichtigt worden; allerdings ist mangels genügender Integration deren Gewicht nicht besonders schwer. Auch die Rückkehr nach Mazedonien ist - unter Berücksichtigung, dass der Beschwerdeführer einen serbischen Pass besitzt - korrekt gewürdigt worden. Rechnung getragen wurde ebenso den Kindern. Insgesamt überwiegen die öffentlichen Interessen, und eine Wohnsitznahme der gesamten Familie in Mazedonien ist möglich. Für alles weitere kann auf den ausführlichen und korrekten vorinstanzlichen Entscheid verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG).
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2.4. Da dem Beschwerdeführer 1 somit die Niederlassungsbewilligung widerrufen wird, fehlt es der Ehefrau an einem Rechtsanspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung.
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3. Bei diesem Verfahrensausgang ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG). Damit sind die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind keine geschuldet.
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.
 
2. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
 
3. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
4. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung auferlegt.
 
5. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 1. Oktober 2015
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Der Gerichtsschreiber: Errass
 
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