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Informationen zum Dokument  BGer 4A_263/2015  Materielle Begründung
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BGer 4A_263/2015 vom 29.09.2015
 
{T 0/2}
 
4A_263/2015
 
 
Urteil vom 29. September 2015
 
 
I. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
 
Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Niquille,
 
Gerichtsschreiber Luczak.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Advokat Dr. Jean-Louis von Planta,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. B.________,
 
vertreten durch Advokat Dr. Alex Hediger,
 
2. C.________ AG,
 
vertreten durch Advokat Dr. Luzius Müller,
 
Beschwerdegegnerinnen.
 
Gegenstand
 
Forderung aus Haftpflicht,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
 
vom 1. April 2015.
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________ (Kläger, Beschwerdeführer) erlitt am 15. Juli 1989 einen ersten Verkehrsunfall. Dabei zog er sich eine Distorsion der Halswirbelsäule zu. Die B.________ (Beklagte 1, Beschwerdegegnerin 1; heute: D.________ AG) ist die Haftpflichtversicherung des Verursachers dieses Unfalls. Am 14. Dezember 1995 erlitt der Kläger einen zweiten Unfall. Dabei zog er sich eine Hirnerschütterung zu. Die C.________ AG (Beklagte 2, Beschwerdegegnerin 2) ist die Haftpflichtversicherung des Verursachers dieses zweiten Unfalls. Im Juni 2005 schloss der Kläger mit den Beklagten einen Vergleich. Vom Vergleich nicht erfasst wurden die Heilungs- und Transportkosten.
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B. Am 28. Dezember 2006 reichte der Kläger beim Zivilgericht Basel-Stadt Klage ein und beantragte im Wesentlichen, die Beklagte 1 sei zur Zahlung eines Fr. 1 Mio. übersteigenden Betrages nebst Zins und die Beklagte 2 zur Zahlung eines Fr. 500'000.-- übersteigenden Betrages nebst Zins zu verpflichten. In der Folge erhöhte er den von der Beklagten 1 verlangten Betrag auf Fr. 2'886'000.-- und den von der Beklagten 2 verlangten Betrag auf Fr. 1'924'000.--. Gegenstand der Klage sind aufgelaufene und zukünftige Heilungs- und Transportkosten. Das Zivilgericht wartete das Vorliegen eines durch das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt angeordneten Gutachtens ab. Nachdem das Gutachten der Academy of Swiss Insurance Medicine (asim, Begutachtungstelle des Universitätsspitals Basel; nachfolgend: asim-Gutachten) eingereicht worden war, wies es die Klage mit Entscheid vom 26. Februar 2014 ab.
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Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt wies die gegen diesen Entscheid vom Kläger erhobene Berufung am 1. April 2015 ab.
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C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Beschwerdeführer dem Bundesgericht im Wesentlichen, der Entscheid des Appellationsgerichts sei aufzuheben und die Klage zu schützen. Es sei eine erneute umfassende Begutachtung des Beschwerdeführers durch eine neutrale, mit diesem abgesprochene, medizinische Institution zu verfügen. Die Beschwerdegegnerin 1 beantragt Abweisung der Beschwerde, die Beschwerdegegnerin 2 deren Abweisung, soweit darauf einzutreten sei. Das Appellationsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Der Beschwerdeführer hat unaufgefordert eine Replik eingereicht. Die Beschwerdegegnerinnen haben auf eine inhaltliche Stellungnahme dazu verzichtet.
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Erwägungen:
 
1. Mit der Beschwerde reicht der Beschwerdeführer drei Arztberichte von März bzw. Mai 2015 ein. Er macht geltend, diese seien als Reaktion auf den Entscheid des Appellationsgerichts vom 1. April 2015 eingeholt worden.
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Der vorinstanzliche Verfahrensausgang allein bildet noch keinen hinreichenden Anlass im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG für die Zulässigkeit von unechten Noven, die bereits im kantonalen Verfahren ohne Weiteres hätten vorgebracht werden können. Das Vorbringen von Tatsachen, die sich erst nach dem angefochtenen Entscheid ereigneten oder entstanden (echte Noven), ist sodann vor Bundesgericht unzulässig (Urteil 8C_277/2014 vom 30. Januar 2015 E. 2 mit Hinweis). Die Noven sind daher unzulässig.
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Erwägung 2
 
2.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Mit Blick auf die Begründungspflicht des Beschwerdeführers (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) behandelt es aber grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind; es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 140 III 86 E. 2 S. 88 f., 115 E. 2 S. 116).
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Unerlässlich ist im Hinblick auf Art. 42 Abs. 2 BGG, dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine Rechtsverletzung liegt. Der Beschwerdeführer soll in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die er im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit seiner Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 140 III 86 E. 2 S. 89, 115 E. 2 S. 116).
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2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher darzulegen ist (BGE 133 III 393 E. 3 S. 395).
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Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten will, muss substantiiert darlegen, inwiefern die Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen wäre; andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden. Ausserdem hat die Partei mit Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen genannt hat. Auf eine Kritik an den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die diesen Anforderungen nicht genügt, ist nicht einzutreten (vgl. BGE 140 III 86 E. 2 S. 90 mit Hinweisen ).
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Zu beachten ist, dass das Bundesgericht in die Beweiswürdigung des Sachgerichts nur eingreift, wenn diese willkürlich ist. Willkür liegt nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls in Betracht zu ziehen oder gar vorzuziehen wäre, sondern nur, wenn der angefochtene Entscheid im Ergebnis offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f.; 129 I 8 E. 2.1 S. 9; je mit Hinweisen). Dass die von Sachgerichten gezogenen Schlüsse nicht mit der eigenen Darstellung der betreffenden Partei übereinstimmen, belegt keine Willkür (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266 mit Hinweisen).
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Erwägung 3
 
Der Beschwerdeführer erhebt keine rechtsgenügende Sachverhaltsrüge, indem er ausführt, es werde in der Beschwerde "an dem Sachverhalt festgehalten, der durch die Kombination des Entscheids und der Berufung zum Ausdruck kommt ". Wenn er sodann die Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Urteil rügt und ausführt, dort würden die beiden Unfälle "bagatellisiert ", insbesondere wenn die Vorinstanz die Folgen des zweiten Unfalls als "Hirnerschütterung" zusammenfasse, behauptet er selber nicht einmal eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung (vgl. E. 2.2 hiervor). Indem er im Zusammenhang mit der geltend gemachten Bagatellisierung auf die Art des Transports des Beschwerdeführers nach dem zweiten Unfall hinweist, erweitert er zudem unzulässig den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt. Darauf ist nicht einzutreten.
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4. Nach Art. 317 Abs. 1 ZPO werden neue Tatsachen und Beweismittel im Berufungsverfahren nur noch berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden (lit. a) und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten (lit. b).
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4.1. Mit der Berufung hatte der Beschwerdeführer neun Berichte und Stellungnahmen von ihn behandelnden Ärzten eingereicht, welche zwischen dem 3. Januar 2014 und dem 13. Mai 2014 erstellt worden waren. Die Vorinstanz hat diese Noven nicht zugelassen, da nicht dargelegt sei, dass sie bei zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz hätten vorgebracht werden können. Der Beschwerdeführer habe seine neuen Beweismittel damit begründet, dass die ärztlichen Stellungnahmen eine Reaktion auf ein Urteil des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 18. Dezember 2013 seien, habe dieses Urteil aber nicht eingereicht und es sei auch nicht aktenkundig.
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4.2. Der Beschwerdeführer rügt die Nicht-Zulassung, geht aber nicht auf diese Begründung der Vorinstanz ein, weshalb schon die Begründungsanforderungen nicht erfüllt sind und insoweit auf die Beschwerde nicht eingetreten werden kann. Im Übrigen behauptet er schlicht, die Noven seien als Reaktion auf den erstinstanzlichen Entscheid eingeholt und eingereicht worden, um diesen zu entkräften. Gerade dies ist aber - ohne weitere Begründung - nicht genügend, um die Zulässigkeit von Noven zu begründen, denn damit wären Noven praktisch ohne Einschränkung immer zulässig (vgl. Urteil 4A_569/2013 vom 24. März 2014 E. 2.3).
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Erwägung 5
 
5.1. Nach den Feststellungen der Vorinstanz hatte das Zivilgericht einen natürlichen Kausalzusammenhang zwischen beiden Unfällen und den geklagten Beschwerden verneint, in erster Linie gestützt auf das asim-Gutachten, aber auch gestützt auf das - bereits früher eingeholte - ZMB-Gutachten vom 30. November 1999, die Videoaufnahmen und die Vorgeschichte. Die Vorinstanz bestätigte diese Würdigung, wobei sie sich einlässlich noch einmal mit den beiden Gutachten auseinandersetzte und auch die vom Beschwerdeführer eingereichte Stellungnahme des behandelnden Neurologen Dr. E.________ vom 31. März 2011 berücksichtigte, die das asim-Gutachten kritisiert. Die Vorinstanz geht wie das Zivilgericht davon aus, dass beim Beschwerdeführer auf dem Boden einer Persönlichkeitsakzentuierung mit histrionen und narzisstischen Zügen schon vor den Unfällen eine Somatisierungsstörung bestand, die auch Ursache der heute geklagten Beschwerden sei. Die bereits im Parteigutachten Dr. E.________s vom 19. November 2007 vertretene These einer Frontalhirnstörung als Folge des Unfalls von 1995 werde durch das asim-Gutachten und die dort eingehend beschriebene vorbestehende psychische Störung entkräftet. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, erschöpft sich in appellatorischer Kritik am angefochtenen Entscheid (vgl. E. 2.1 hiervor) bzw. einer Kritik an der Beweiswürdigung, mit der aber Willkür nicht dargetan ist. Der Beschwerdeführer beruft sich zwar auf die theoretische Umschreibung der Kognition des Bundesgerichts betreffend den Sachverhalt (E. 2.2 hiervor), konkret argumentiert er aber, als ob dem Bundesgericht diesbezüglich eine uneingeschränkte Prüfungsbefugnis zustünde.
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5.2. Darüber hinaus haben die kantonalen Gerichte auch die Adäquanz verneint.
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5.2.1. Die Vorinstanz stellte fest, der Beschwerdeführer habe die erstinstanzlichen Erwägungen zur Adäquanz nicht angefochten. Selbst wenn entgegen ihren Ausführungen zum natürlichen Kausalzusammenhang ein solcher zu bejahen wäre, würde die Berufung daher daran scheitern, dass der Beschwerdeführer die zivilgerichtlichen Erwägungen zur Adäquanz nicht angefochten habe.
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5.2.2. Zwar wendet das Gericht auf die Berufung das Recht von Amtes wegen an (Art. 57 ZPO), es obliegt aber der Partei, die Berufung erhebt, diese rechtsgenüglich zu begründen (Art. 311 ZPO), ansonsten nicht darauf einzutreten ist (BGE 138 III 374 S. 375; Urteile 4A_290/2014 vom 1. September 2014 E. 3.1 und 5 und 4A_651/2012 vom 7. Februar 2013 E. 4.3). Der erstinstanzliche Prozess wird nicht einfach fortgeführt oder gar wiederholt, sondern es geht um die Überprüfung des vom Erstgericht getroffenen Entscheids aufgrund von erhobenen Beanstandungen (zit. Urteil 4A_651/2012 E. 4.3). Die Vorinstanz ging daher zu Recht davon aus, dass der Beschwerdeführer sich zur Begründung der fehlenden Adäquanz im erstinstanzlichen Urteil hätte äussern müssen. Der Beschwerdeführer müsste daher in seiner Beschwerde darlegen, wo er in seiner Berufungsschrift entgegen der vorinstanzlichen Feststellung die erstinstanzlichen Ausführungen zur Adäquanz gerügt hätte. Dazu äussert er sich nicht. Die in der Beschwerdereplik erhobene Behauptung, der Beschwerdeführer habe mehrmals in seinen kantonalen Rechtsschriften begründet, weshalb sowohl die natürliche als auch die adäquate Kausalität gegeben sei, genügt dazu nicht und wäre zudem verspätet, da die beschwerdeführende Partei die Replik nicht dazu verwenden darf, ihre Beschwerde zu ergänzen oder zu verbessern, und nur Vorbringen zulässig sind, zu denen erst die Ausführungen in der Vernehmlassung eines anderen Verfahrensbeteiligten Anlass geben (vgl. BGE 135 I 19 E. 2.2 S. 21; 132 I 42 E. 3.3.4 S. 47). Die Vorinstanz ging somit zu Recht davon aus, dass bereits aufgrund der fehlenden Auseinandersetzung mit den erstinstanzlichen Ausführungen zur Adäquanz die Berufung hätte abgewiesen werden können.
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6. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens wird der Beschwerdeführer dafür kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). Da die Beschwerdeantwort der Beschwerdegegnerin 1 keinen übermässigen Aufwand erforderte, besteht kein Anlass, die praxisgemäss festgesetzte Parteientschädigung entsprechend der vom Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin 1 eingereichten Kostennote zu erhöhen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 20'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin 1 mit Fr. 22'000.-- und die Beschwerdegegnerin 2 mit Fr. 15'000.-- zu entschädigen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 29. September 2015
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Kiss
 
Der Gerichtsschreiber: Luczak
 
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