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Informationen zum Dokument  BGer 1C_630/2014  Materielle Begründung
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BGer 1C_630/2014 vom 18.09.2015
 
{T 0/2}
 
1C_630/2014
 
 
Urteil vom 18. September 2015
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Merkli, Eusebio,
 
Gerichtsschreiberin Pedretti.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Helvetia Nostra, handelnd durch den Vereinsvorstand, präsidiert von Verena Weber,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Rudolf Schaller,
 
gegen
 
A.________ AG,
 
Beschwerdegegnerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Vincent Augustin,
 
Gemeinde Breil/Brigels,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Otmar Bänziger.
 
Gegenstand
 
Baueinsprache,
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 11. November 2014 des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 5. Kammer.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
D.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerdeführerin ist als beschwerdeberechtigte Organisation im Bereich des Natur- und Heimatschutzes nach Art. 12 Abs. 1 lit. b NHG (vgl. Anhang der Verordnung über die Bezeichnung der im Bereich des Umweltschutzes sowie des Natur- und Heimatschutzes beschwerdeberechtigten Organisationen, VBO; SR. 814.076) zur Beschwerde gegen Verfügungen befugt, die in Erfüllung einer Bundesaufgabe im Sinne von Art. 78 Abs. 2 BV und Art. 2 NHG ergehen (BGE 139 II 271 E. 3 S. 273; 123 II 5 E. 2c S. 7 f.). Das Bundesgericht hat in BGE 139 II 271 ausgeführt, dass die Plafonierung des Zweitwohnungsbaus gemäss Art. 75b BV eine Bundesaufgabe darstellt, die der Schonung der Natur und Landschaft dient (E. 11 S. 276 ff.). Baubewilligungen können daher von der Beschwerdeführerin wegen Verletzung von Art. 75b und seiner Übergangs- und Ausführungsbestimmungen mit Beschwerde gemäss Art. 12 NHG angefochten werden.
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1.2. Soweit die Vorinstanz auf die Anträge der Beschwerdeführerin nicht eingetreten ist, ist diese - unabhängig von ihrer Legitimation in der Sache - zur Beschwerde nach Art. 89 Abs. 1 BGG befugt. Allerdings beschränkt sich der Streitgegenstand vor Bundesgericht auf die Eintretensfrage. Soweit die Beschwerdeführerin einen Sachentscheid des Bundesgerichts auch zu den Anträgen verlangt, auf welche die Vorinstanzen nicht eingetreten sind, kann darauf nicht eingetreten werden (Urteil 1C_134/2014 vom 15. Juli 2014 E. 1.2). Dies trifft vorliegend insbesondere auf die Ausführungen zum Vertrauensschutz und zur Interessenabwägung im Rahmen des Widerrufs der Baubewilligung zu.
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1.3. Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde auch insoweit, als sie sich gegen den Entscheid der Vorinstanz des Verwaltungsgerichts richtet. Dieser ist im Rahmen des Streitgegenstands durch dessen Urteil ersetzt worden (Devolutiveffekt) und gilt als inhaltlich mitangefochten (BGE 134 II 142 E. 1.4 S. 144).
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1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel können nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Unbeachtlich sind deshalb die von der Beschwerdeführerin in der Replik, und damit ohnehin verspätet (Art. 42 Abs. 2 BGG), vorgebrachten Ausführungen zur Gesamtrevision der Ortsplanung der Gemeinde Breil/Brigels.
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Erwägung 2
 
2.1. Die Vorinstanz erwog, dass die Verfahrensvorschriften des Raumplanungsgesetzes für den Kanton Graubünden (KRG; BR 801.100) und der entsprechenden Raumplanungsverordnung (KRVO; BR 801.110) anwendbar seien. Zwar stelle die Verhinderung des Zweitwohnungsbaus eine Bundesaufgabe dar; dies bedeute aber nicht, dass die kantonalen Bestimmungen für das Bauen innerhalb der Bauzone und insbesondere die Verfahrensvorschriften für die Publikation solcher Vorhaben nicht mehr anwendbar seien. Dies widerspiegle auch die Auffassung des Bundesgerichts. Selbst der Entwurf des Bundesrats für ein Zweitwohnungsgesetz vom 19. Februar 2014 sehe vor, dass sich unter anderem das Verfahren - unter Vorbehalt der Bestimmungen dieses Gesetzes - nach dem RPG (SR 700) und den dazugehörigen Ausführungsbestimmungen der Kantone richteten. Betrachte man Art. 12b NHG genauer, werde zudem klar, dass dieser nicht für die Eröffnung von Entscheiden von Gemeinden konzipiert sei. Mit der öffentlichen Auflage des Baugesuchs im Amtsblatt der Surselva seien die kantonalen Verfahrensvorschriften eingehalten worden; ein Fall der Publikation im Amtsblatt des Kantons liege nicht vor. Die Beschwerdeführerin hätte demnach während des Auflageverfahrens Einsprache erheben müssen. Da dies nicht geschehen sei, gelte das Beschwerderecht als verwirkt, weshalb die Baubewilligung vom 11. Dezember 2012 in Rechtskraft erwachsen sei.
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2.2. Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, Art. 12b NHG sei verletzt worden. Diese Bestimmung gelte auch für das Baubewilligungsverfahren, wenn es sich wie hier in Anwendung von Art. 75b BV um eine Bundesaufgabe handle. Sie ermögliche den legitimierten Organisationen die Teilnahme am Einsprache- und nicht erst am Beschwerdeverfahren. Dies sei gemäss Art. 12c NHG sogar Voraussetzung für die Möglichkeit der Beschwerdeführung. Wenn Organisationen einsprache- und beschwerdelegitimiert seien, gälten selbstredend auch die entsprechenden Ausführungsbestimmungen nach Art. 12a bis 12d NHG. Der Bestimmung im Entwurf des Bundesrats für ein Zweitwohnungsgesetz komme nur subsidiäre Geltung zu. Es liege somit ein gewichtiger Verfahrensfehler vor.
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Erwägung 2.3
 
2.3.1. Wie bereits ausgeführt, hat das Bundesgericht in BGE 139 II 271 die Beschränkung des Zweitwohnungsbaus als Bundesaufgabe qualifiziert und die Beschwerdelegitimation von Organisationen im Bereich des Natur- und Heimatschutzes im Sinne von Art. 12 NHG bejaht. Diese können daher Baubewilligungen wegen Verletzung von Art. 75b BV, welcher einen Höchstanteil für Zweitwohnungen von 20 % pro Gemeinde festsetzt, und seiner Übergangs- und Ausführungsbestimmungen mit Beschwerde anfechten (E. 11 S. 276 ff.). Ausschlaggebend für die Annahme einer Bundesaufgabe ist in erster Linie, dass die angefochtene Verfügung eine Rechtsmaterie betrifft, die in die Zuständigkeit des Bundes fällt und bundesrechtlich geregelt ist. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann deshalb auch dann eine Bundesaufgabe vorliegen, wenn eine kantonale oder kommunale Behörde entschieden hat (E. 9.2 f. S. 273 f.). Sprachliche Unebenheiten (Art. 12 Abs. 1 NHG spricht von "Verfügungen der kantonalen Behörden oder der Bundesbehörden") stehen dem nicht entgegen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für Art. 12b NHG: Daraus, dass es wenig stimmig wäre, wenn eine Gemeinde als "Behörde" im Sinne von Abs. 1 ihre Verfügungen "den Gemeinden" eröffnen müsste, lässt sich nicht schliessen, diese Publikationsvorschrift sei generell nicht anwendbar, denn gegenüber Organisationen behält sie ihren Sinngehalt.
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2.3.2. Das Bundesgericht hat in BGE 139 II 271 zwar nicht ausdrücklich festgehalten, dass Art. 12b NHG anwendbar ist, doch ergibt sich dies bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung. Art. 12b NHG nimmt Bezug auf Art. 12 Abs. 1 NHG, womit zum Ausdruck kommt, dass Verfügungen, die dem Verbandsbeschwerderecht im Bereich des Natur- und Heimatschutzes unterliegen, durch schriftliche Mitteilung oder durch Veröffentlichung im Bundesblatt oder im kantonalen Publikationsorgan zu eröffnen sind. Gleiches gilt für Gesuche, wenn ein Einspracheverfahren nach Bundes- oder kantonalem Recht vorgesehen ist (Abs. 2 von Art. 12b NHG). Der Zusammenhang zwischen der Beschwerdelegitimation von Organisationen und der Veröffentlichung von Verfügungen resp. Gesuchen ergibt sich auch unter gesetzessystematischen Gesichtspunkten: Die Artikel 12 ff. NHG stehen alle unter dem Titel "Beschwerderecht der Gemeinden und Organisationen", der in verschiedene Teilaspekte aufgeteilt ist. Besteht das Verbandsbeschwerderecht, sind die entsprechenden Verfügungen und Gesuche folglich in den in Art. 12b NHG vorgesehenen Publikationsorganen zu veröffentlichen. Sollen sich gesamtschweizerisch tätige Organisationen als Partei am Verfahren beteiligen können, müssen sie in überblickbarer Weise über die geplanten Vorhaben informiert werden. Dies wird durch die schriftliche Mitteilung bzw. die Publikation im Bundesblatt oder im kantonalen Publikationsorgan erreicht. Diese Publikationsformen sind das notwendige Korrelat zur Obliegenheit der Organisation, sich von Anfang an am kantonalen Verfahren zu beteiligen. Bereits die Botschaft über die Änderung des NHG vom 26. Juni 1991 hielt dazu fest, mit einer solchen Veröffentlichung solle verhindert werden, dass beschwerdeberechtigte Organisationen sämtliche Publikationsorgane bis hin zu Gemeindeanzeigern und öffentlichen Aushängen regelmässig einsehen müssen, um nicht Gefahr zu laufen, ihr Beschwerderecht zu verwirken (BBl 1991 III 1121 S. 1141). Sinn und Zweck von Art. 12b NHG ist es, sicherzustellen, dass das Verbandsbeschwerderecht effektiv gewährleistet ist. Auch im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, wenn gesamtschweizerischen Organisationen das Beschwerderecht nach Art. 12 NHG zustehe und ein Einspracheverfahren vorgesehen sei, müsse das Gesuch mindestens im kantonalen Publikationsorgan bekannt gemacht werden, wenn es nicht schriftlich mitgeteilt werde (vgl. Peter Hänni, Planungs-, Bau- und besonderes Umweltschutzrecht, 5. Auflage 2008, S. 331; Peter M. Keller, in: Kommentar NHG, 1997, N. 12 zu Art. 12a NHG).
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2.3.3. Da das Beschwerderecht von Natur- und Heimatschutzverbänden im Bereich der Beschränkungen von Zweitwohnungen besteht, müssen demnach entsprechende Baugesuche und -bewilligungen den Organisationen mitgeteilt oder aber im kantonalen Amts- oder Bundesblatt publiziert werden. Aus dem Wortlaut von Art. 12b NHG, der vom "kantonalen Publikationsorgan" in der Einzahl spricht, ergibt sich, dass Veröffentlichungen von Zweitwohnungsbauvorhaben in einem regionalen oder kommunalen Amtsblatt davon nicht erfasst werden. Entgegenstehendes kantonales Recht, das eine Publikation in diesen Amtsblättern vorschreibt, tritt im Sinne des Vorrangs des Bundesrechts (Art. 49 Abs. 1 BV) hinter Art. 12b NHG zurück.
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2.4. Dieser Beurteilung steht der Einwand nicht entgegen, dass im Zeitpunkt der öffentlichen Auflage des vorliegenden Baugesuchs resp. der Bewilligungserteilung Ende 2012 aufgrund des erst am 22. Mai 2013 getroffenen Leitentscheids des Bundesgerichts noch nicht erkennbar gewesen sei, dass die strittige Baubewilligung dem Verbandsbeschwerderecht unterliege. Aus rechtlicher Sicht ist massgeblich, dass Art. 75b BV am 11. März 2012 in Kraft getreten ist (Art. 195 BV und Art. 15 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die politischen Rechte, BPR; SR 161.1). Da damit im Sinne einer Plafonierung des Zweitwohnungsbaus eine Bundesaufgabe geschaffen wurde, die dem Schutz der Natur und des heimatlichen Landschaftsbildes dient, sind gesamtschweizerische Natur- und Heimatschutzverbände ab diesem Zeitpunkt nach Art. 12 NHG beschwerdeberechtigt. Damit einher geht die Verpflichtung der Behörden, Baugesuche und -bewilligungen für Zweitwohnungen nach den Vorgaben von Art. 12b NHG zu publizieren. Das Bundesgericht hat in seinem Grundsatzentscheid vom 22. Mai 2013 keine Rechts- oder Praxisänderung herbeigeführt, sondern bloss geltendes Recht angewendet.
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2.5. Wie es sich mit Art. 20 Abs. 1 ZWG verhält, der Art. 21 des Entwurfs des Bundesrats konkretisiert, kann vorliegend offen bleiben. Dieser bestimmt, dass die Ausschreibung von Baugesuchen und die Mitteilung von Bauentscheiden sich abschliessend nach den jeweiligen kantonalen Vorgaben richten (Satz 1). Das neue Recht ist aber noch nicht in Kraft und entfaltet im Bereich der Publikationsvorschriften keine Vorwirkung (vgl. BGE 136 I 142 E. 3.2 S. 145; 125 II 278 E. 3c S. 282; je mit Hinweisen).
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2.6. Vorliegend wurde das Baugesuch am 9. November 2012 öffentlich aufgelegt und die Baubewilligung am 11. Dezember 2012 erteilt. Es ist unstreitig, dass der Zweitwohnungsanteil der Gemeinde Breil/Brigels über 20 % beträgt (vgl. Anhang zur ZwV; Gemeinde Nr. 3981). Weder das (in den Akten liegende) Baugesuch noch die Baubewilligung enthalten eine Nutzungsbeschränkung, womit sie eine Zweitwohnungsnutzung zulassen. Dies wird von der Beschwerdegegnerin und der Gemeinde in ihren Stellungnahmen auch nicht in Abrede gestellt. Das Baugesuch hätte demnach gemäss Art. 12b Abs. 2 NHG im kantonalen Publikationsorgan (resp. im Bundesblatt) oder durch schriftliche Mitteilung veröffentlicht werden müssen. Gleiches gilt nach Art. 12b Abs. 1 NHG für die Eröffnung der Baubewilligung. Da das Baugesuch lediglich im regionalen Amtsblatt der Surselva publiziert wurde, liegt ein Verstoss gegen Art. 12b NHG vor.
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Erwägung 3
 
3.1. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung verlangt gestützt auf den auch für Private geltenden Grundsatz von Treu und Glauben und das Verbot des Rechtsmissbrauchs (Art. 5 Abs. 3 BV; BGE 137 V 394 E. 7.1 S. 403 mit Hinweisen), dass verfahrensrechtliche Einwendungen so früh wie möglich, das heisst nach Kenntnisnahme eines Mangels bei erster Gelegenheit, vorzubringen sind. Es verstösst gegen Treu und Glauben, Mängel dieser Art erst in einem späteren Verfahrensstadium oder sogar erst in einem nachfolgenden Verfahren geltend zu machen, wenn der Einwand schon vorher hätte festgestellt und gerügt werden können. Wer sich auf das Verfahren einlässt, ohne einen Verfahrensmangel bei erster Gelegenheit vorzubringen, verwirkt in der Regel den Anspruch auf spätere Anrufung der vermeintlich verletzten Verfahrensvorschrift (vgl. BGE 135 III 334 E. 2.2 S. 336; 134 I 20 E. 4.3.1 S. 21; 132 II 485 E. 4.3 S. 496 f.; 130 III 66 E. 4.3 S. 75; je mit Hinweisen).
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3.2. Die Gemeinde Breil/Brigels führt in ihrer Stellungnahme vor Bundesgericht aus, im Kanton Graubünden sei bisher noch keine kommunale Baubewilligung für Zweitwohnungen innerhalb der Bauzone im kantonalen Publikationsorgan bekannt gegeben resp. eröffnet worden, und zwar auch dann nicht, wenn ein offensichtlicher Bezug zur Natur- und Heimatschutzgesetzgebung bestanden habe. Ebenso wenig schreibe dies die vom Departement für Volkswirtschaft und Soziales (DVS) herausgegebene Praxishilfe vor. Die Beschwerdeführerin habe in den zahlreichen Einsprachen, die sie gegen im Jahr 2012 publizierte Baugesuche erhoben habe, nie eine mangelhafte Eröffnung gerügt. Dieser Darstellung widerspricht die Beschwerdeführerin in ihrer Replik nicht. Mit anderen Worten räumt sie damit ein, sich derart organisiert zu haben, dass es ihr möglich war, fristgerecht Einsprache gegen in regionalen Amtsblättern wie demjenigen für die Surselva publizierte Baugesuche zu erheben. Dies wird auch durch die zahlreichen, bis vor Bundesgericht geführten Beschwerden gegen Zweitwohnungsvorhaben, insbesondere auch in den Gemeinden der Region Surselva, bestätigt. Dabei unterblieb bisher der Einwand, diese Baugesuche müssten im kantonalen Publikationsorgan veröffentlicht werden oder ihr direkt mitgeteilt werden. Da die Beschwerdeführerin erst im vorliegenden Verfahren, das sie fast anderthalb Jahre nach Erteilung der Baubewilligung angehoben hat, zum ersten Mal eine Verletzung von Art. 12b NHG geltend macht, obwohl dies vorzubringen ihr - wie aufgezeigt - bereits früher bzw. in einem früheren Verfahren möglich gewesen wäre, erweist sich ihr Vorbringen als treuwidrig und kann sie insoweit keinen Rechtsschutz beanspruchen.
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3.3. Im Übrigen leidet die Baubewilligung entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin aufgrund der mangelhaften Publikation nicht an einem derart schweren Mangel, dass gesamthaft betrachtet von ihrer Nichtigkeit auszugehen wäre, die von sämtlichen rechtsanwendenden Behörden jederzeit von Amtes wegen zu beachten wäre. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind rechtswidrige Entscheide nichtig, wenn der ihnen anhaftende Mangel besonders schwer ist, wenn er offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und wenn zudem die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird (BGE 138 II 501 E. 3.1 S. 503 f.; 137 I 273 E. 3.1 S. 275 f.; je mit Hinweisen). In der Regel führen aber Verfahrensmängel nur zur Anfechtbarkeit des entsprechenden Entscheids (vgl. BGE 129 I 361 E. 2.1 S. 363 mit Hinweisen). Dies trifft grundsätzlich auch auf Baubewilligungen zu, die nicht ordnungsgemäss publiziert worden sind. Gemäss Praxis des Bundesgerichts sind Baubewilligungen in Fällen fehlender bzw. mangelhafter Veröffentlichung anfechtbar und nicht nichtig (BGE 134 V 306 E. 4.2 S. 312 f.; 116 Ib 321 E. 3a S. 326; 107 Ia 72 E. 4a S. 76; Urteil P.883/1983 vom 14. März 1984 E. 3, in: ZBl 85/1984 S. 425; je mit Hinweisen). Dies gilt insbesondere auch in Bereichen, in denen Baugesuche bzw. -bewilligungen Verbänden mitgeteilt werden müssen (Urteile 1C_150/2012 vom 6. März 2013 E. 2; 1A.136/2004 vom 5. November 2004 E. 3.2.2). Würde man wegen Verletzung der Publikationsvorschriften nach Art. 12b NHG auf Nichtigkeit erkennen, wäre denn auch die Rechtssicherheit erheblich gefährdet.
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Erwägung 4
 
4.1. Wie von der Vorinstanz festgestellt, brachte die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom 28. März 2014 an die Gemeinde zum einen vor, die Baubewilligung sei erloschen, weil von ihr nicht rechtzeitig, innerhalb der Jahresfrist gemäss Art. 91 Abs. 2 KRG, Gebrauch gemacht worden sei. Nach dieser Bestimmung erlöschen Baubewilligungen, wenn mit den Bauarbeiten nicht innert Jahresfrist seit zulässigem Baubeginn begonnen worden ist. Zum anderen machte sie geltend, das Bauvorhaben sei nachträglich wesentlich geändert worden, weshalb die erteilte Baubewilligung nicht mehr gültig und ein neues Baubewilligungsverfahren durchzuführen sei. Damit verbunden verlangte sie die Edition der Bauunterlagen. Das Verwaltungsgericht trat auf diese Rügen nicht ein mit der Begründung, die Beschwerdeführerin habe weder die Feststellung, dass die Baubewilligung infolge verspäteten Baubeginns erloschen sei, noch die Durchführung eines neuen Baubewilligungsverfahrens wegen wesentlicher Änderung des Bauvorhabens verlangt, sondern lediglich den Widerruf bzw. die Feststellung der Nichtigkeit der Baubewilligung beantragt. Es genüge nicht, die Rügen beiläufig in der Begründung aufzuführen, ohne die entsprechenden Rechtsbegehren zu stellen. Auf den Editionsantrag sei zu Recht nicht eingegangen worden, da dieser nicht Verfahrensgegenstand bilde.
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4.2. Als besondere Form der Rechtsverweigerung liegt überspitzter Formalismus unter anderem dann vor, wenn die Behörde an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und dem Bürger den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt (BGE 120 V 413 E. 4b S. 417 mit Hinweisen). Das Verbot weist einen engen Bezug zum Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV) auf: Prozesserklärungen dürfen nicht buchstabengetreu ausgelegt werden, ohne zu fragen, welcher Sinn ihnen vernünftigerweise beizumessen sei (BGE 113 Ia 94 E. 2 S. 96 f.). Insbesondere auf der untersten Stufe der Rechtsmittelleiter dürfen keine hohen Anforderungen gestellt werden (Urteile 1C_236/2014 vom 4. Dezember 2014 E. 3.5; 1C_519/2009 vom 22. September 2010 E. 6). In Zweifelsfällen kann die Behörde zur Nachfrage verpflichtet sein (Urteil 1A.80/2002 vom 18. Juni 2002 E. 4.5).
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4.3. Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer Eingabe vom 28. März 2014 den Widerruf der Baubewilligung, allenfalls die Feststellung deren Nichtigkeit verlangt hat. Dass sie nicht explizit - wie von der Vorinstanz gefordert - ein Rechtsbegehren auf Durchführung eines neuen Baubewilligungsverfahrens resp. auf Feststellung des Erlöschens der Baubewilligung gestellt hat, darf ihr nicht zum Nachteil gereichen und ist auch nicht erforderlich. Denn abgesehen davon, dass sich die Anträge aus den Vorbringen sowie dem Sinn, der diesen vernünftigerweise beizumessen ist, ergeben, können die Begehren auch aus der Begründung in der Rechtsschrift hervorgehen (BGE 133 II 409 E. 1.4.1 S. 415; 136 V 131 E. 1.2 S. 136).
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Erwägung 5
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 11. November 2014 wird aufgehoben. Die Sache wird im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen.
 
2. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 2'000.-- werden im Betrag von Fr. 1'500.-- der Beschwerdegegnerin und im Betrag von Fr. 500.-- der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Breil/Brigels, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 5. Kammer, dem Bundesamt für Raumentwicklung und dem Bundesamt für Umwelt schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 18. September 2015
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Die Gerichtsschreiberin: Pedretti
 
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