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Informationen zum Dokument  BGer 1C_40/2015  Materielle Begründung
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BGer 1C_40/2015 vom 18.09.2015
 
{T 0/2}
 
1C_40/2015
 
 
Urteil vom 18. September 2015
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Merkli, Eusebio,
 
Gerichtsschreiberin Pedretti.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. A.________ AG,
 
2. Bergbahnen B.________ AG,
 
Beschwerdeführerinnen, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Vincent Augustin,
 
gegen
 
Helvetia Nostra,
 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch
 
Rechtsanwalt Rudolf Schaller,
 
Gemeinde Disentis/Mustér,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Otmar Bänziger.
 
Gegenstand
 
Baueinsprache,
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 9. September 2014 des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 5. Kammer.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
D.
 
 
E.
 
 
F.
 
 
G.
 
 
H.
 
Das Verwaltungsgericht und Helvetia Nostra (Beschwerdegegnerin) schliessen auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Gemeinde Disentis/Mustér hat sich nicht vernehmen lassen. Das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) beantragt die Abweisung der Beschwerde.
1
Die Beschwerdeführerinnen halten in der Replik an ihren Anträgen fest.
2
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht und von kantonalem Verfassungsrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und lit.c BGG). Das Bundesgericht wendet das Bundesrecht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Die Verletzung von Grundrechten - einschliesslich die willkürliche Anwendung von kantonalem Recht - prüft es dagegen nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und genügend begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2 S. 232; 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254; je mit Hinweisen).
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Erwägung 2
 
2.1. Die Beschwerdeführerinnen machen zunächst eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) geltend, da die Vorinstanz ihre Rüge nicht beurteilt habe, wonach die Einsprache der Beschwerdegegnerin rechtsungültig sei. Im Wesentlichen bringen sie vor, die Beschwerdegegnerin habe ihre Einsprache gegen das Baugesuch nicht in rätoromanischer Sprache, der Amtssprache der Gemeinde Disentis/Mustér, eingereicht, sondern auf Italienisch. Auch die nachgereichte Einsprache erfülle dieses Kriterium nicht, da sie auf Deutsch verfasst worden sei. Darüber hinaus sei sie verspätetet bei der Gemeinde eingetroffen.
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2.2. Das Verwaltungsgericht führte hierzu aus, es sei an die rechtlichen Erwägungen des Rückweisungsentscheids des Bundesgerichts gebunden. Die Verbindlichkeit beschlage sowohl Erwägungen, die das Bundesgericht selber entschieden habe, als auch solche, die den Rückweisungsauftrag umschrieben. Gemäss Letzterem sei einzig zu prüfen, ob die beiden öffentlich-rechtlichen Verträge geeignet seien, eine Vertrauensgrundlage zu schaffen. Die Behandlung des Nichteintretensentscheids wegen der Sprachen-Problematik werde davon ebenso wenig erfasst wie Ortsplanungsrevision oder der Quartierplan. Es sei ihm deshalb verwehrt, dies zu prüfen. Im Übrigen hätten die Beschwerdeführerinnen vor Bundesgericht beantragen können, auf die Beschwerde sei mangels fristgerechter Einreichung einer Einsprache auf Rätoromanisch nicht einzutreten.
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2.3. Die Beschwerdeführerinnen wenden dagegen ein, die Bindungswirkung des bundesgerichtlichen Urteils beschlage nur die Legitimation der Beschwerdegegnerin und die rechtliche Bedeutung von Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV. Davon nicht erfasst würden das Sprachenerfordernis für die Einsprache und die Thematik der Vertrauensgrundlage hinsichtlich der Ortsplanungsrevision und des Quartierplans. Das Bundesgericht habe sich weder positiv noch negativ dazu geäussert. Sie hätten bereits im früheren Verfahren vor Bundesgericht die Rückweisung an das Verwaltungsgericht damit begründet, erst dadurch werde ermöglicht, die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen zu prüfen. Dazu gehörten die frist- und formgerechte Einspracheerhebung, auf die ohnehin von Amtes wegen einzugehen sei. Indem die Vorinstanz erneut die Beurteilung der Sprachen-Thematik verweigert habe, verletze sie den Gehörsanspruch.
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2.4. Nach der Rechtsprechung sind die Erwägungen eines bundesgerichtlichen Rückweisungsurteils für die Behörde verbindlich, an welche die Angelegenheit zurückgeht. Das kantonale Gericht darf sich deshalb in seinem neuen Entscheid nicht auf Erwägungen stützen, welche das Bundesgericht im Rückweisungsurteil ausdrücklich oder sinngemäss verworfen hat. Hingegen darf der neuerliche Gerichtsentscheid mit Erwägungen begründet werden, welche im letztinstanzlichen Rückweisungsurteil noch nicht angeführt wurden oder zu denen sich das Bundesgericht noch nicht geäussert hat (BGE 133 III 201 E. 4.2 S. 208; 131 III 91 E. 5.2 S. 94; 112 Ia 353 E. 3c/bb S. 354; je mit Hinweisen).
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2.5. Das Bundesgericht führte im Rückweisungsurteil 1C_220/2013 und 1C_312/2013 lediglich aus, dass Natur- und Heimatschutzverbände im Bereich des Zweitwohnungsbaus beschwerdeberechtigt sind und dass Baubewilligungen für solche Bauten in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 %, die zwischen dem 11. März und 31. Dezember 2012 erteilt wurden, auf Beschwerde hin aufzuheben sind (E. 2 f.). Es hat sich demnach ebenso wenig zum Sprachenerfordernis für Einsprachen geäussert wie zur Frage, ob die Ortsplanungsrevision und der Quartierplan besondere Vertrauensgrundlagen darstellen. Der Einfluss der beiden öffentlich-rechtlichen Verträge auf das Verfahren war vor Bundesgericht lediglich für die Frage massgebend, ob die Sache an das Verwaltungsgericht oder an die Gemeinde zurückgewiesen werden müsse (E. 4). Damit sollte der neuerliche Gerichtsentscheid aber nicht auf die Prüfung dieser Vereinbarungen beschränkt werden. Indem das Verwaltungsgericht sich daran gebunden sah, unterschritt es seine Prüfungspflichten und beging damit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
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Erwägung 3
 
3.1. Eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs kann ausnahmsweise als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Rechtsmittelinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie auch die Rechtslage frei überprüfen kann (BGE 140 III 159, nicht publizierte E. 3.2; 137 I 195 E. 2.3.2 S. 197 f.; 136 V 117 E. 4.2.2.2 S. 126 f.; 133 I 201 E. 2.2 S. 204 f.; je mit Hinweisen).
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3.2. Das Bundesgericht verfügt im Verfahren der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten hinsichtlich der sich vorliegend stellenden Rechtsfragen über eine genügend umfassende Kognition, handelt es bei den Sprachenartikeln (Art. 70 BV und Art. 3 der Verfassung des Kantons Graubünden; SR 131.226) und beim Vertrauensschutz (Art. 9 BV) doch um Verfassungsrecht (vgl. oben E. 1). Seine beschränkte Kognition in Sachverhaltsfragen (Art. 105 Abs. 2 BGG) und hinsichtlich der nachgeordneten kantonalen und kommunalen Sprachregelungen hindert im vorliegenden Fall eine Heilung nicht. Dies wird denn auch von den Beschwerdeführerinnen nicht geltend gemacht. Eine Heilung bietet sich an, da es sich nicht um einen schwerwiegenden Mangel handelt, die Beschwerdeführerinnen sich auch materiell zu den Rügen geäussert haben, die Gemeinde ihre Handhabung der Sprachenregelung aufgezeigt und das Verwaltungsgericht daran keinen Anstoss genommen hat und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz unter diesen Umständen bloss als unnötige Verfahrensverlängerung erscheint und einer beförderlichen Behandlung der Rechtsfragen entgegenstünde.
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Erwägung 4
 
4.1. Die Beschwerdeführerinnen bringen vor, Eingaben müssten aufgrund des Sprachgebietsprinzips (Art. 70 Abs. 2 BV), des Sprachengesetzes des Kantons Graubünden (SpG/GR; BR 429.100) und des kommunalen Sprachenreglements (Reglament davart il lungatg ufficial communal, Vischnaunca da Mustér, 1996 [nachfolgend: SpR/Gemeinde Disentis/Mustér]) in rätoromanischer Sprache bzw. im surselvischen Idiom erfolgen, weil dies die Amtssprache der einsprachigen Gemeinde Disentis/Mustér sei. Diesem zwingenden Erfordernis sei die Beschwerdegegnerin mit ihrer innert Frist erhobenen Einsprache in Italienisch nicht nachgekommen. Das Schreiben des Bauamts der Gemeinde vom 16. November 2012, das bestätige, dass einzig Rätoromanisch Amtssprache sei, eine Einsprache aber auch in Deutsch eingereicht werden könne, ändere nichts an dieser Beurteilung. Das Bauamt sei nicht befugt gewesen, Eingaben auf Deutsch zu legitimieren. Das Schreiben stelle einen unzulässigen Verbesserungsauftrag dar und sei nicht geeignet, auf Seiten der Beschwerdegegnerin eine schützenswerte Vertrauensgrundlage zu schaffen. Letztere habe von der auf rätoromanisch erfolgten Publikation des Baugesuchs Kenntnis gehabt und hätte sich entsprechend verhalten müssen. Die verspätete Nachreichung der Einsprache auf Deutsch sei für die Gemeinde unbeachtlich und ihr Nichteintretensentscheid rechtens, ohne dabei den Vorwurf des überspitzten Formalismus auf sich zu ziehen. Die Nachreichung könne auch nicht mit dem Argument legitimiert werden, sie gelte als am Tag der ersten Einsprache als eingegangen. Die zweite Einsprache verletze zudem den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels.
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4.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts gilt die Sprachenfreiheit (Art. 18 BV) nicht absolut. Sie wird durch das Amtssprachen- und Territorialitätsprinzip eingeschränkt: Kantone bestimmen ihre Amtssprachen, wobei sie das Einvernehmen zwischen den Sprachgemeinschaften wahren, auf die herkömmliche sprachliche Zusammensetzung der Gebiete achten und auf die angestammten sprachlichen Minderheiten Rücksicht nehmen (Art. 70 Abs. 2 BV). Der Einzelne hat kein Recht, mit den Behörden in einer beliebigen Sprache zu verkehren, sondern muss - unter Vorbehalt besonderer, vorliegend nicht weiter interessierender Ansprüche (z.B. Art. 31 Abs. BV; Art. 5 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 3 lit. a EMRK) - die jeweilige Amtssprache benützen (BGE 139 I 229 E. 5.5 S. 234 f.; 138 I 123 E. 5.2 S. 126; 136 I 149 E. 4.3 S. 153; 124 III 205 E. 4 S. 207).
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4.2.1. Die Amtssprachen des Kantons Graubünden sind Deutsch, Rätoromanisch und Italienisch (Art. 3 Abs. 1 KV/GR). Nach Art. 3 Abs. 3 KV/GR haben aber auch die Gemeinden Kompetenzen zur Festlegung ihrer Amtssprache: Sie bestimmen ihre Amtssprache im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und im Zusammenwirken mit dem Kanton. Dabei achten sie auf die herkömmliche sprachliche Zusammensetzung und nehmen Rücksicht auf die angestammten sprachlichen Minderheiten. Demnach gilt nach kantonalem Recht für die Festlegung der Amtssprache das Territorialitätsprinzip (BGE 141 I 36 E. 5.5.2 S. 44; Art. 16 Abs. 1 SpG/GR).
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4.2.2. In der Gemeinde Disentis/Mustér ist die Amtssprache Rätoromanisch (Art. 6 Abs. 1 der Gemeindeverfassung 2014). Daraus ergibt sich aber trotz Territorialiätsprinzip nicht notwendigerweise, dass die Eingabe der Beschwerdegegnerin in rätoromanischer Sprache hätte eingereicht werden müssen. Art. 17 SpG/GR, der den Geltungsbereich der Amtssprachen in den Gemeinden regelt, bestimmt lediglich, dass einsprachige Gemeinden ihrerseits verpflichtet sind, in gewissen Bereichen von ihrer Amtssprache Gebrauch zu machen (Abs. 1). Welcher Sprache sich Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Gemeinde zu bedienen haben, wird dadurch nicht festgelegt. Abs. 3 der Bestimmung führt dazu aus, dass die Gemeinden die Einzelheiten über den Anwendungsbereich der Amtssprache im Zusammenwirken mit der Regierung regeln.
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Erwägung 5
 
5.1. Die Beschwerdeführerinnen bringen weiter vor, die Ortsplanungsrevision und der Quartierplan stellten besondere Vertrauensgrundlagen im Sinne von Art. 9 BV dar. Sie hätten deshalb auf den Bau von unbewirtschafteten Zweitwohnungen vertrauen dürfen. Die damit verbundenen Rügen, das Verwaltungsgericht habe auch insoweit das rechtliche Gehör und das Willkürverbot verletzt, decken sich mit dem Vorbringen der Verletzung des Vertrauensschutzes und haben neben diesem keine selbständige Bedeutung.
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5.2. Der in Art. 9 BV verankerte Grundsatz von Treu und Glauben verleiht einer Person unter anderem einen Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen oder sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden. Voraussetzung für eine Berufung auf den Vertrauensschutz ist, dass die betroffene Person sich berechtigterweise auf die Vertrauensgrundlage verlassen durfte und gestützt darauf nachteilige Dispositionen getroffen hat, die sie nicht mehr rückgängig machen kann. Die Berufung auf Treu und Glauben scheitert sodann, wenn ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen (BGE 137 I 69 E. 2.5.1 S. 72 f.; 131 II 627 E. 6.1 S. 636 f.; 129 I 161 E. 4.1 S. 170; je mit Hinweisen).
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5.3. Die Beschwerdeführerinnen vermögen nicht aufzuzeigen, weshalb durch die Ortsplanungsrevision resp. den Quartierplan besondere Vertrauensgrundlagen geschaffen worden sein sollten. Sie räumen denn auch ein, dass die Ortsplanungsrevision keine Zusicherung für die Überbauung mit Zweitwohnungen enthalte und dass keine dieser Planungen explizit ausführe, dass die Erzielung eines ausserordentlichen Erlöses bezweckt werde; doch stelle dieses Ziel, das nur durch den Bau unbewirtschafteter Zweitwohnungen realisiert werden könne, eine implizite, rechtswesentliche Grundlage dar.
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Erwägung 6
 
6.1. Die Beschwerdeführerinnen machen schliesslich geltend, die beiden öffentlich-rechtlichen Verträge aus den Jahren 2008 resp. 2012 stellten besondere Vertrauensgrundlagen im Sinne von Art. 9 BV dar.
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6.2. Öffentlich-rechtliche Verträge sind grundsätzlich gleich wie privatrechtliche nach Treu und Glauben (Vertrauensprinzip) auszulegen. Einer Willensäusserung ist der Sinn zu geben, den ihr der Empfänger aufgrund der Umstände, die ihm im Zeitpunkt des Empfangs bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in guten Treuen beilegen durfte und beilegen musste. Das Bundesgericht prüft die Auslegung öffentlich-rechtlicher Verträge, die sich auf kantonales Recht stützen, unter dem Blickwinkel des Willkürverbots (vgl. BGE 132 I 140 E. 3.2.4 S. 149; 122 I 328 E. 3a S. 333 f.).
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6.3. Die Vorinstanz konnte willkürfrei annehmen, dass es sich bei der ersten öffentlich-rechtlichen Vereinbarung (vgl. Sachverhalt Bst. A) formell um einen Vertrag im Sinne von Art. 19 Abs. 3 KRG handelt. Danach können die Gemeinden mit den Betroffenen vertraglich einen angemessenen Ausgleich festlegen, wenn planerische Massnahmen zu erheblichen Vor- oder Nachteilen führen. Wie es sich mit den getätigten Investitionen im Detail verhält, kann vorliegend offen bleiben, denn aus der Vereinbarung lässt sich keine Zusicherung für den Bau von Zweitwohnungen ableiten. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen sollte nicht erst durch die Überbauung mit Zweitwohnungen ein Mehrwert realisiert werden. Bereits durch die Überführung des Parzellenteils von der zweiten in die erste Nutzungsetappe war mit einer erheblichen Wertsteigerung zu rechnen, die abgeschöpft werden sollte (in Ziff. 3 der Vereinbarung wurde ein Mehrwert von rund Fr. 2'700'000.-- veranschlagt). Ebenso wenig trifft die Behauptung zu, dass der Parzellenteil erst durch die Einzonung effektiv einer Wohnnutzung zugeführt worden sei, denn dieser lag bereits vorher in der Wohnzone 2. Ausserdem beruhte diese Vereinbarung auf Freiwilligkeit. Da sich der Vertrag mit keinem Wort zum Bau von Zweitwohnungen äussert, konnte er keine dahingehenden Erwartungen wecken. Die Beteuerungen der Gemeinde, wonach die Investitionen seitens der Beschwerdeführerinnen im Vertrauen darauf getätigt worden seien, die eingezonte Fläche mit Zweitwohnungen überbauen zu dürfen, ändern daran nichts.
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6.4. Auch hinsichtlich der zweiten öffentlich-rechtlichen Vereinbarung über die Verwendung etwaiger Gewinne aus der Veräusserung von unbewirtschafteten Zweitwohnungen (vgl. Sachverhalt Bst. D) ist die Beurteilung der Vorinstanz zutreffend, wenn sie darin keine explizite Zusicherung für den Bau solcher Wohnungen erblickt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen ist ein Vertrag über die Gewinnverwendung aus dem Zeitwohnungsverkauf nicht gleichbedeutend mit einer Zusage, die vorgesehenen Zweitwohnungen erstellen zu dürfen. Zwar besteht zwischen diesen ein gewisser Zusammenhang; der Vertrag ist aber dem Zweitwohnungsbau nachgelagert und stellt keine Grundlage für diesen dar. Die Beschwerdeführerinnen müssen sich ferner entgegenhalten lassen, dass die öffentlich-rechtliche Vereinbarung vom 7. Dezember 2012 einige Monate nach Inkrafttreten des Art. 75b BV (Art. 195 BV und Art. 15 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die politischen Rechte, BPR; SR 161.1) abgeschlossen wurde. Von der in dieser Bestimmung festgelegten Plafonierung des Zweitwohnungsbaus, die klassische Zweitwohnungen wie die hier vorgesehenen verbietet, hatten sie demnach gewusst. Zudem war sowohl der Entwurf als auch der Inhalt der vom Bundesrat am 22. August 2012 verabschiedeten Zweitwohnungsverordnung damals bereits bekannt. Der Vorentscheid des Gemeindevorstands, auf den die Vereinbarung Bezug nimmt, führt denn auch aus, dass die vorgesehenen Zweitwohnungen nach den Vorschriften des Entwurfs nicht mehr möglich seien, selbst wenn die aus dem Verkauf realisierten Erlöse für die Infrastruktur der Bergbahnen verwendet würden (vgl. Ziff. 11 des Vorentscheids). Der Vorentscheid legte zudem dar, dass die Möglichkeit der Überbauung mit Zweitwohnungen nur unter Vorbehalt der einschlägigen bundesrechtlichen Bestimmungen bestehe, wozu auch Art. 75b BV gehört. Schliesslich beschränkt sich die im Rahmen der Vereinbarung von der Gemeinde abgegebene Zusage darauf, alles zu unternehmen, um dem Bauprojekt zum Durchbruch zu verhelfen; insbesondere solle dieses beförderlich behandelt werden. Angesichts der bestehenden Unsicherheiten und der formulierten Vorbehalte lässt sich aus der Vereinbarung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben keine begründete Erwartung auf die Realisierung des Überbauungsprojekts herleiten.
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Erwägung 7
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten werden im Umfang von Fr. 2'000.-- den Beschwerdeführerinnen auferlegt.
 
3. Die Beschwerdeführerinnen haben die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Disentis/Mustér, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 5. Kammer, und dem Bundesamt für Raumentwicklung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 18. September 2015
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Die Gerichtsschreiberin: Pedretti
 
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