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Informationen zum Dokument  BGer 1C_59/2015  Materielle Begründung
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BGer 1C_59/2015 vom 17.09.2015
 
{T 0/2}
 
1C_59/2015
 
 
Urteil vom 17. September 2015
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler,
 
Gerichtsschreiberin Pedretti.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
B.________AG,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Auskunftsgesuch,
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 11. Dezember 2014 des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
D.
 
 
E.
 
 
F.
 
 
G.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten steht gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts offen (Art. 82 lit. a BGG). Dies trifft vorliegend zu, da es sich um einen Fall in Anwendung des DSG handelt. Ein Ausschlussgrund nach Art. 83 BGG ist nicht gegeben. Die Beschwerdeführerin ist als Adressatin des angefochtenen Entscheids, die am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat, zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten.
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1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Dieses wendet das Bundesgericht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Die Beschwerdeführerin muss sich wenigstens kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzen. Strengere Anforderungen gelten, wenn die Verletzung von Grundrechten - einschliesslich der willkürlichen Anwendung von kantonalem Recht - geltend gemacht wird. Dies prüft das Bundesgericht grundsätzlich nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Hierzu gelten qualifizierte Begründungsanforderungen (BGE 139 I 229 E. 2.2 S. 232; 133 II 249 E. 1.4 S. 254 f.).
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1.3. Vor Bundesgericht bildet einzig das Auskunftsgesuch nach Art. 8 DSG bei der Beschwerdegegnerin Gegenstand des Verfahrens. Soweit die Vorinstanz auf die Anträge der Beschwerdeführerin nicht eingetreten ist, beschränkt sich der Streitgegenstand auf die Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht dies zu Recht getan hat. Treffen seine Erwägungen zu, hat es dabei sein Bewenden. Soweit die Beschwerdeführerin einen Sachentscheid des Bundesgerichts auch zu Anträgen verlangt, auf welche die Vorinstanz nicht eingetreten ist, kann darauf nicht eingetreten werden.
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1.4. Soweit die Beschwerdeführerin beantragt, bei Vorliegen einer vorsätzlichen Verletzung der Auskunftspflicht sei eine Strafklage nach Art. 34 Abs. 1 DSG zu erwägen, geht sie im Ergebnis über das hinaus, was sie vor der Vorinstanz verlangt hatte. Dieses Rechtsbegehren ist daher unzulässig (Art. 99 Abs. 2 BGG).
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1.5. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Insoweit fällt die Tatsachenbehauptung der Beschwerdeführerin, wonach ihr seitens der Beschwerdegegnerin keine Versicherungspolicen zugestellt worden seien, unter das Novenverbot und ist unzulässig.
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Erwägung 2
 
2.1. Die Beschwerdeführerin macht in mehrfacher Hinsicht Sachverhaltsrügen geltend. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge ist substanziiert vorzubringen (Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG).
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2.2. Eine unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts erblickt die Beschwerdeführerin im Umstand, dass sie bei der Beschwerdegegnerin nicht nur obligatorisch krankenversichert war, sondern auch zusatzversichert ist. Auch werde in chronologischer Hinsicht das Telefonat bei der zuständigen Filiale der Beschwerdegegnerin vom 24. Februar 2014 unterschlagen, bei dem zusätzliche wichtige Auskünfte erteilt worden seien. Insbesondere beanstandet die Beschwerdeführerin aber mit Bezug auf die von der Ombudsstelle geforderten Rückforderungsbelege eine mangelhafte Darstellung des Sachverhalts, denn diese könne man so verstehen, dass die der Ombudsstelle zugestellten Belege ab dem Jahr 2003 vollständig seien. Dies treffe aber nicht zu, fehlten in der Zusammenstellung doch die Originalbelege für rund ein Dutzend Rechnungen.
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2.3. Die Beschwerdeführerin begnügt sich damit, ihren rechtlichen Vorbringen eine relativ ausführliche Sachverhaltsdarstellung voranzustellen, in der sie den Verfahrensablauf aus eigener Sicht schildert und teilweise die tatsächlichen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts korrigiert oder ergänzt, ohne in substanziierter Weise darzulegen, inwiefern der vorinstanzlich festgestellte Sachverhalt offensichtlich unrichtig sein soll bzw. die Behebung allfälliger Mängel für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein könnte. Sie verkennt dabei die Bindung des Bundesgerichts an die Feststellungen im angefochtenen Entscheid und vermag den qualifizierten Begründungsanforderungen nicht zu genügen. Die entsprechenden Ausführungen haben deshalb unbeachtet zu bleiben.
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Erwägung 3
 
3.1. Nach Art. 8 DSG kann jede Person vom Inhaber einer Datensammlung Auskunft darüber verlangen, ob Daten über sie bearbeitet werden (Abs. 1). Der Inhaber der Datensammlung muss der betroffenen Person alle über sie in der Datensammlung vorhandenen Daten einschliesslich der verfügbaren Angaben über die Herkunft der Daten (Abs. 2 lit. a) bzw. den Zweck und gegebenenfalls die Rechtsgrundlagen des Bearbeitens sowie die Kategorien der bearbeiteten Personendaten, der an der Sammlung Beteiligten und der Datenempfänger mitteilen (Abs. 2 lit. b).
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3.2. Die zu erteilende Auskunft muss wahr und vollständig sein (vgl. Botschaft zum DSG vom 23. März 1988, BBl 1988 II 413, S. 453), wofür - nach der von der Vorinstanz und in der Lehre vertretenen Auffassung - der Inhaber einer Datensammlung im Streitfall beweispflichtig ist (Belser/Epiney/Waldmann, Datenschutzrecht, Bern 2011, S. 623 f.; Gramigna/Maurer-Lambrou, in: Basler Kommentar zum DSG, 3. Aufl. 2014, N. 51 zu Art. 8 DSG; Oliver Gnehm, Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht, in: Epiney/Nüesch (Hrsg.), Durchsetzung der Rechte der Betroffenen im Bereich des Datenschutzes, Zürich/Basel/Genf 2015, S. 97). Das Auskunftsrecht erstreckt sich nach der Rechtsprechung und dem Gesetzeswortlaut nur auf (noch) vorhandene Daten (BGE 136 II 508 E. 3.7 S. 517). Der Umstand, dass wie hier negative Tatsachen, namentlich das Nichtvorhandensein zusätzlicher, nicht bereits ausgehändigter Akten über die Beschwerdeführerin, bewiesen werden müssen, ändert grundsätzlich nichts an der Beweislast (BGE 139 II 451 E. 2.4 S. 451; 133 V 205 E. 5.5 S. 217 mit Hinweisen).
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3.3. Vorliegend bezweckt die Beschwerdeführerin durch das Auskunftsgesuch Unterlagen zusammenzutragen, um gegen einen behandelnden Arzt haftpflicht- bzw. strafrechtlich vorgehen zu können. Die Beschwerdegegnerin ist an dieser Auseinandersetzung nicht beteiligt und hat demnach kein erkennbares Interesse daran, der Beschwerdeführerin sie betreffende Daten vorzuenthalten. Im Gegenteil, sie ist den Auskunftsgesuchen der Beschwerdeführerin mehrfach nachgekommen und hat ihre Datensammlungen und Archive nach Dokumenten durchsucht und diese zugestellt resp. festgestellt, dass einmal vorhandene Akten sich nicht mehr in ihrem Besitz befinden. Auch hat sie rechtsgenüglich dargelegt, aus den Bestimmungen des KVG könne nicht geschlossen werden, dass sie über zusätzliche die Beschwerdeführerin betreffende Arztberichte verfügt.
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3.4. Die Beschwerdeführerin bemängelt, ihr seien nicht alle Rückforderungsbelege übermittelt worden; insbesondere fehlten solche zu den Rechnungen von Dr. med. D.________, was gegen die Buchführungspflicht verstosse. Als Beleg reicht sie die von der Beschwerdegegnerin zu Handen der Ombudsstelle erstellte Zusammenstellung über die elektronisch erfassten Abrechnungen ab dem Jahr 2003 ein, auf der neben den vorhandenen auch die fehlenden Rechnungen markiert sind . Da sie dieses Beweismittel erstmals vor Bundesgericht einbringt, das zu unterbreiten ihr aber bereits vor der Vorinstanz möglich gewesen wäre, wird das Dokument vom grundsätzlichen Ausschluss von Noven erfasst und ist unbeachtlich (vgl. vorne E. 1.5). Selbst wenn man es aber zuliesse, ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Zusammenstellung belegen sollte, dass die Beschwerdegegnerin noch im Besitze von Arztrechnungen ist. Vielmehr bringt Letztere in ihrem Schreiben vom 25. Juni 2014 glaubhaft vor, diese Rechnungen seien nicht mehr vorhanden, und zwar weder in Papierform noch elektronisch. Ob darin eine Verletzung des Buchführungsrechts resp. der u.a. für Buchungsbelege geltenden zehnjährigen Aufbewahrungspflicht nach Art. 958f Abs. 1 OR zu erblicken ist, kann hier offen bleiben, da diese Frage nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet.
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3.5. Die Beschwerdeschrift enthält mit Bezug auf die Archivierungszeitspanne bis ins Jahr 1993 zurück nur schwer verständliche Ausführungen. Die Information, wonach bei der Beschwerdegegnerin keine Akten vor 1993 archiviert seien, kann aber jedenfalls nicht dahin gehend interpretiert werden, dass bis dahin zurück Unterlagen über die Beschwerdeführerin vorhanden seien.
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3.6. Die Beschwerdeführerin beruft sich ferner auf einzelne Bestimmungen des KVG resp. der Verordnung des EDI über Leistungen in der obligatorischen Krankenversicherung (KLV; SR 832.112.31), die belegen sollen, dass die Beschwerdegegnerin über noch nicht herausgegebene Arztberichte verfügte. Nach Art. 42 Abs. 3 KVG muss der Leistungserbringer dem Schuldner eine detaillierte und verständliche Rechnung zustellen (Satz 1) und ihm auch alle Angaben machen, die er benötigt, um die Berechnung der Vergütung und die Wirtschaftlichkeit der Leistung überprüfen zu können (Satz 2). Hierbei handelt es sich lediglich um Anforderungen an die Rechnungsstellung, welche in Art. 59 der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV; SR 832.102) konkretisiert werden. Die Beschwerdegegnerin bringt diesbezüglich denn auch unwidersprochen vor, gestützt auf diesen Absatz würden keine Arztberichte zugestellt werden. Nach Art. 42 Abs. 4 KVG kann der Versicherer zwar zusätzliche Auskünfte medizinischer Natur verlangen. Indes ergibt sich bereits aus der Formulierung dieser Bestimmung als Kann-Vorschrift, dass der Versicherer nicht zwingend über solche Auskünfte verfügen muss. Auch präzisiert die Rechtsprechung, dass die Auskunftspflicht dem Verhältnismässigkeitsprinzip unterliegt und sich nur auf Angaben erstreckt, die objektiv erforderlich und geeignet sind, um die Wirtschaftlichkeit der Leistung überprüfen zu können (BGE 133 V 359 E. 6.5 S. 363; 131 II 413 E. 2.5 S. 418; vgl. auch Isabelle Häner, Datenschutz in der Krankenversicherung, digma 2003, S. 147 ff.). Schliesslich kann auch aus Art. 3b KLV nichts zu Gunsten der Beschwerdeführerin abgeleitet werden: Nach Abs. 1 dieser Bestimmung hat der behandelnde Arzt dem Vertrauensarzt einen den in lit. a-c definierten Vorgaben entsprechenden Bericht zu unterbreiten, sofern die Psychotherapie nach 40 Sitzungen zu Lasten der Versicherung fortgesetzt werden soll. Auch dieser Bericht darf aber nur die Angaben enthalten, die zur Beurteilung der Leistungspflicht nötig sind (Abs. 2). Ausserdem ergeben sich aus dieser generellen Regelung keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass bei der Beschwerdegegnerin tatsächlich (noch) weitere Berichte vorhanden sind.
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3.7. Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände lässt die Folgerung der Vorinstanz, wonach vorliegend keine ernsthaften Anhaltspunkte für eine unvollständige Aktenherausgabe durch die Beschwerdegegnerin bestehen, keine Bundesrechtswidrigkeit erkennen.
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Erwägung 4
 
4.1. Das Bundesverwaltungsgericht ist gehalten, grundsätzlich von allen Beschwerdeführern einen Vorschuss in der Höhe der mutmasslichen Verfahrenskosten zu erheben (Art. 63 Abs. 4 VwVG [SR 172.021] i.V.m. Art. 37 VGG [SR 173.32]). Es kann nur dann ganz oder teilweise auf einen Vorschuss verzichten, wenn besondere Gründe vorliegen (Satz 3), was hier aber weder ersichtlich noch geltend gemacht wird. Die Vorschussleistung dient dazu, für den Fall, dass die Beschwerdeführer mit ihren Anträgen unterliegen und deshalb kostenpflichtig werden (vgl. Art. 63 Abs. 1 VwVG), die Abgeltung jenes Aufwands sicherzustellen, der dem Gericht durch das betreffende Verfahren entstanden ist. Betragsmässig liegt der erhobene Kostenvorschuss mit Fr. 1'500.-- im vorgegebenen Rahmen (vgl. Art. 63 Abs. 4bis VwVG; Art. 2 f. des Reglements über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]) und ist insofern bundesrechtskonform. Im Unterschied zur Rechtswichtigkeit kann die Angemessenheit der Höhe vor Bundesgericht nicht gerügt und demnach nicht überprüft werden (vgl. Art. 95 ff. BGG). Auch ist nicht zu bemängeln, dass die Verfahrenskosten mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet worden sind, ist die Beschwerdeführerin doch vollumfänglich unterlegen und ist dies in Art. 5 Abs. 3 der Verordnung über die Kosten und Entschädigungen im Verwaltungsverfahren (VKEV; SR 172.041.0) so vorgesehen.
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4.2. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist vom Bundesverwaltungsgericht mit der Begründung abgewiesen worden, die Beschwerdeführerin sei nicht bedürftig (vgl. E. 5.2.2 des angefochtenen Urteils). Dies ist nicht zu beanstanden, da der Ehemann nachweislich über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, die zu berücksichtigen sind (vgl. BGE 115 Ia 193 E. 3a S. 195), und die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe ans Bundesgericht selbst einräumt, die Gerichtskosten mit ihren (letzten) Ersparnissen finanziert zu haben. Auch ist in der Gesuchsabweisung weder eine Ungleichbehandlung noch eine Diskriminierung zu erkennen.
17
 
Erwägung 5
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. 
 
3. 
 
4. 
 
5. 
 
Lausanne, 17. September 2015
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Die Gerichtsschreiberin: Pedretti
 
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