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Informationen zum Dokument  BGer 2C_1107/2014  Materielle Begründung
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BGer 2C_1107/2014 vom 14.09.2015
 
{T 0/2}
 
2C_1107/2014
 
 
Urteil vom 14. September 2015
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichterin Aubry Girardin,
 
Bundesrichter Stadelmann,
 
Gerichtsschreiberin Genner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Beat Hess,
 
gegen
 
Kantonales Steueramt Nidwalden.
 
Gegenstand
 
Steuerdomizil / Steuerperiode 2010,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden, Steuerabteilung, vom 1. September 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Das angefochtene Urteil ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid im Sinn von Art. 90 BGG über die Staatssteuer. Dagegen steht gemäss Art. 82 ff. BGG in Verbindung mit Art. 73 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14) die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht grundsätzlich offen.
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1.2. Feststellungsbegehren sind im Verhältnis zu Leistungs- oder Gestaltungsbegehren subsidiär (BGE 141 II 113 E. 1.7 S. 123). Das mit dem vorliegenden Feststellungsantrag verfolgte Ziel, die Verneinung der Steuerpflicht in der Schweiz für den betreffenden Zeitraum, kann mit der Aufhebung des angefochtenen Urteils erreicht werden. Es fehlt somit diesbezüglich an einem schutzwürdigen Interesse im Sinn von Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG, weshalb darauf nicht einzutreten ist (vgl. Urteile 2C_565/2011 vom 26. Oktober 2012 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 138 II 545; 2C_1118/2014 vom 22. Juni 2015 E. 1; BGE 126 II 300 E. 2c S. 303).
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Erwägung 2
 
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 139 II 404 E. 3 S. 415). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2 S. 232; 136 II 304 E. 2.5 S. 314).
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2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2). Die beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des Sachverhalts unter den gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge ist substanziiert vorzubringen; auf rein appellatorische Kritik an der Sachverhaltsfeststellung geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445 f.).
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2.3. Das Bundesgericht prüft die Anwendung des harmonisierten kantonalen Steuerrechts durch die kantonalen Instanzen gleich wie Bundesrecht mit freier Kognition. In den Bereichen, in denen das Steuerharmonisierungsgesetz den Kantonen einen gewissen Gestaltungsspielraum belässt oder keine Anwendung findet, beschränkt sich die Kognition des Bundesgerichts auf Willkür (BGE 134 II 207 E. 2 S. 210; Urteil 2C_837/2014 vom 23. Februar 2015 E. 2.2).
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Erwägung 3
 
3.1. Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV geltend. Die Vorinstanz habe nicht ausreichend begründet, warum von einem steuerrechtlichen Wohnsitz in V.________ auszugehen sei.
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3.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Verfügung vom 5. Juli 2013 sei nicht rechtsgültig eröffnet worden.
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Erwägung 4
 
4.1. In Art. 4 des Gesetzes des Kantons Nidwalden vom 22. März 2000 über die Steuern des Kantons und der Gemeinden (StG/NW; NG 521.1) ist die Steuerpflicht natürlicher Personen aufgrund persönlicher Zugehörigkeit wie folgt umschrieben:
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2 Natürliche Personen haben im Kanton steuerrechtlichen Wohnsitz, wenn sie sich hier mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhalten oder wenn ihnen das Bundesrecht hier einen besonderen gesetzlichen Wohnsitz zuweist.
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3 Natürliche Personen haben im Kanton steuerrechtlichen Aufenthalt, wenn sie sich hier ungeachtet vorübergehender Unterbrechung aufhalten:
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1. bei Ausübung einer Erwerbstätigkeit während mindestens 30 Tagen;
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2. ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit während mindestens 90 Tagen."
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4.2. Gemäss ständiger bundesgerichtlicher Praxis genügt es für eine Wohnsitzverlegung ins Ausland nicht, die Verbindungen zum bisherigen Wohnsitz zu lösen; entscheidend ist vielmehr, dass nach den gesamten Umständen ein neuer Wohnsitz begründet worden ist. Obschon Art. 3 Abs. 1 und 2 DBG - anders als noch Art. 4 Abs. 1 des Bundesratsbeschlusses vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer direkten Bundessteuer (BdBSt; BS 6 350; in Kraft bis 31. Dezember 1994) - zur Umschreibung des steuerlichen Wohnsitzes nicht mehr ausdrücklich auf das Zivilgesetzbuch (Art. 23-26 ZGB) verweist, hat sich der rechtliche Gehalt dieses Begriffs nicht verändert und lehnt sich weitgehend an den Wohnsitzbegriff des ZGB an (vgl. dazu Botschaft vom 25. Mai 1983 über die Steuerharmonisierung, BBl 1983 III 86 und 155) : Nach wie vor gilt grundsätzlich, dass niemand an mehreren Orten zugleich Wohnsitz haben kann. Gleichermassen bleibt - wie nach altem Recht - der einmal begründete Wohnsitz grundsätzlich bis zum Erwerb eines neuen bestehen (sog. "rémanence du domicile"). Nicht entscheidend ist deshalb, wann sich der Steuerpflichtige am bisherigen Wohnort abgemeldet oder diesen verlassen hat. Begibt er sich ins Ausland, so hat er die direkte Bundessteuer zu entrichten, bis er nachweisbar im Ausland einen neuen Wohnsitz begründet. Eine andere Sichtweise würde eine zu grosse Missbrauchsgefahr nach sich ziehen (BGE 138 II 300 E. 3.3 S. 306 mit zahlreichen Hinweisen; Urteil 2C_793/2013 vom 7. Mai 2014 E. 4.3, in: StE 2014 A 24.21 29). Für die Staatssteuer gilt das Gleiche, weil die Voraussetzungen der Steuerpflicht - wie in E. 4.1 dargelegt - analog der direkten Bundessteuer normiert sind.
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4.3. Der Steuerwohnsitz ist als steuerbegründende Tatsache grundsätzlich von den Steuerbehörden nachzuweisen. Die steuerpflichtige Person ist jedoch zur Mitwirkung und zu umfassender Auskunftserteilung über die für die Besteuerung massgebenden Umstände verpflichtet. Dass eine Wohnsitzverlegung stattgefunden hat, ist somit von der steuerpflichtigen Person darzulegen. Dazu gehört nicht nur die endgültige Lösung der Verbindungen zum bisherigen Wohnsitz, sondern auch die Darstellung der Umstände, welche zur Begründung des neuen Wohnsitzes geführt haben (BGE 138 II 300 E. 3.4 S. 307). Wird der Nachweis der Wohnsitzverlegung nicht erbracht, besteht nach dem Gesagten das bisherige Domizil fort (Urteile 2C_793/2013 vom 7. Mai 2014 E. 4.4, in: StE 2014 A 24.21 29; 2C_1267/2012 vom 1. Juli 2013 E. 3.4, in: ASA 82 S. 72, mit Hinweisen).
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Erwägung 5
 
5.1. Der Beschwerdeführer trägt vor, er habe weder zivilrechtlichen noch steuerrechtlichen Wohnsitz in V.________, denn er habe sich vor geraumer Zeit von der Gemeinde U.________ abmelden lassen und lebe im Ausland. Die Vorinstanz habe willkürlich auf die steuerbegründende Tatsache geschlossen, dass sich sein Wohnsitz in V.________ befunden habe. Zudem habe sich der aktenkundig letzte steuerrechtliche Wohnsitz in U.________ befunden. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung würde dies bedeuten, dass dieser steuerrechtliche Wohnsitz bestehen bleibe, solange kein neuer begründet worden sei. Die Aktenlage reiche nicht aus, um einen neuen Wohnsitz in V.________ zu begründen. Nachdem die Vorinstanz in willkürlicher Weise nicht geprüft habe, ob er - der Beschwerdeführer - das Steuerdomizil in U.________ überhaupt verloren habe, könne offen bleiben, ob er seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt habe.
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5.2. Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden. Es trifft zwar zu, dass die Vorinstanz das Steuerdomizil in V.________ gestützt auf Indizien bestätigt hat. Indessen hat der Beschwerdeführer die Begründung des von ihm behaupteten Wohnsitzes im Ausland zu beweisen (vgl. E. 4.3). Die Frage, ob die Behauptung zutrifft, kann nicht offen gelassen werden, weil davon der Ausgang des Verfahrens abhängt.
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5.3. Ob eine Person sich mit der Absicht dauernden Verbleibens an einem Ort aufhält, ist eine Tatfrage. Das Bundesgericht prüft somit nur, ob die Vorinstanz für das Jahr 2010 willkürlich einen steuerrechtlichen Wohnsitz in der Gemeinde V.________ bejaht hat (vgl. E. 2.2).
17
- Der Lohnausweis der X.________ AG mit Sitz in T.________ BE vom 25. Januar 2011 betreffend die Zeit vom 1. Oktober 2010 bis 31. Dezember 2010 war an A.________, Z.________strasse, V.________ adressiert.
18
- Am 9. November 2011 unterzeichnete der Beschwerdeführer einen Mietvertrag für eine Wohnung in der Gemeinde W.________ OW mit Mietbeginn am 1. Januar 2012. Darin war als (bisherige) Adresse "A.________, Z.________strasse, V.________" angegeben.
19
- Die Antwort des Amts für Justiz und Migration des Kantons Nidwalden vom 20. September 2012 betreffend ein Einreisegesuch der Ehegattin des Beschwerdeführers aus Russland wurde an A.________, Z.________strasse, V.________ gesandt.
20
- Auf dem Lohnausweis des Beschwerdeführers für die Zeit vom  1. Januar 2012 bis 2. März 2012, ausgestellt am 19. November 2013 von der Y.________ GmbH im Auftrag der X.________ AG (nunmehr mit Sitz in S.________), war die Adresse Z.________strasse, V.________ vermerkt.
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Erwägung 6
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Steuerabteilung, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 14. September 2015
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Die Gerichtsschreiberin: Genner
 
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