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Informationen zum Dokument  BGer 5A_251/2015  Materielle Begründung
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BGer 5A_251/2015 vom 10.09.2015
 
{T 0/2}
 
5A_251/2015
 
 
Urteil vom 10. September 2015
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Schöbi, Bovey,
 
Gerichtsschreiber Zingg.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Y.________,
 
vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Marc Russenberger und/oder Dr. Marco Kamber,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. F.________,
 
2. G.________,
 
3. H.________,
 
4. I.________,
 
5. J.________,
 
alle vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Marcel Lustenberger und/oder Urs Boller,
 
Beschwerdegegnerinnen,
 
Betreibungsamt U.________.
 
Gegenstand
 
Nichtigkeit des Zahlungsbefehls,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, obere kantonale Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung, vom 9. März 2015.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Am 1. Oktober 2014 erliess das Betreibungsamt U.________ aufgrund der am 17. September 2014 gestellten Betreibungsbegehren mehrere Zahlungsbefehle gegen Y.________ (Zahlungsbefehle Nr. xxx26 bis Nr. xxx30). Diese wurden am 8. Oktober 2014 zugestellt.
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B. Am 17. Oktober 2014 erhob Y.________ Beschwerde gegen die Zahlungsbefehle an das Kreisgericht Rheintal als untere Aufsichtsbehörde. Er verlangte, die Zahlungsbefehle wegen Rechtsmissbräuchlichkeit für nichtig zu erklären und sie eventualiter aufzuheben. Mit Entscheid vom 24. Dezember 2014 wies das Kreisgericht die Beschwerde ab.
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C. Gegen diesen Entscheid erhob Y.________ am 8. Januar 2015 Beschwerde an das Kantonsgericht St. Gallen als obere Aufsichtsbehörde. Er verlangte, den Entscheid des Kreisgerichts aufzuheben und die in den fünf Betreibungsverfahren ausgestellten Zahlungsbefehle infolge Nichtigkeit, allenfalls mangels Gläubigerberechtigung, aufzuheben und das Betreibungsamt anzuweisen, die Betreibungen zu löschen. Mit Entscheid vom 9. März 2015 wies das Kantonsgericht die Beschwerde ab.
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D. Am 26. März 2015 hat Y.________ (Beschwerdeführer) Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht erhoben. Er verlangt, den Entscheid des Kantonsgerichts vom 9. März 2015 aufzuheben, die in den fünf Betreibungsverfahren ausgestellten Zahlungsbefehle infolge Nichtigkeit aufzuheben und das Betreibungsamt anzuweisen, die Betreibungen zu löschen.
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Erwägungen:
 
1. Die Beschwerde in Zivilsachen ist gegen den Entscheid der oberen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unabhängig vom Streitwert zulässig (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c, Art. 75 BGG).
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Erwägung 2
 
2.1. Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen liegt den zu beurteilenden Betreibungen folgender Sachverhalt zugrunde: Die Anlagestiftung Fondation V.________ habe Darlehen von interessierten Pensionskassen gebündelt und diese an Darlehensnehmer für Immobilienprojekte vergeben. Dabei habe die Fondation V.________ mit der V.________ SA und den Mitgliederkassen zusammengewirkt, ohne dass den Darlehensnehmern die Darlehensgeber offengelegt worden wären. Der Beschwerdeführer sei Aktionär der (Gross-) Muttergesellschaft von Immobilienunternehmungen, die Darlehen der Fondation V.________ entgegen genommen hätten. Persönlich habe er keine Darlehensverträge unterzeichnet. Bei diesem Vorgehen der Darlehensvergabe seien angeblich zahlreiche Pensionskassen - darunter die Beschwerdegegnerinnen - geschädigt worden. Ermittlungen dazu seien offenbar im Gange. Welche Rolle dem Beschwerdeführer zukam, sei umstritten und offenbar ebenfalls Gegenstand von Abklärungen. Die Beschwerdegegnerinnen seien der Auffassung, dass zwischen Personen aus dem Umfeld der Immobiliengesellschaften des Beschwerdeführers und einem Beschuldigten in der "Affäre V.________" eine Zusammenarbeit bestanden haben könnte; sie hätten sich im Strafverfahren als Geschädigte konstituiert. Aufgrund dieser Situation sei - zumindest derzeit - davon auszugehen, dass zwischen den Parteien rechtliche Beziehungen bestehen könnten und darüber jetzt eine Auseinandersetzung stattfinde.
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2.2. In den durch die Beschwerdegegnerinnen gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten Betreibungen hat das Kantonsgericht alsdann keinen Rechtsmissbrauch erkennen können:
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3. Der Beschwerdeführer macht vor Bundesgericht geltend, er und die ihm wirtschaftlich zuzurechnenden Unternehmen hätten unbestrittenermassen die Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung angeboten, falls die Beschwerdegegnerinnen nachweisen würden, dass sie in relevante, über die Fondation V.________ vergebene Darlehen involviert seien. Bei Vertragsschluss hätten die Unternehmungen der Gruppe, die ihm indirekt gehöre, auf eine Offenlegung der Vertragspartner vertraut. Die Ansicht des Kantonsgerichts sei demnach nicht haltbar, dass er es selber zu vertreten habe, wenn er Verträge abschliesse, deren Vertragspartner er nicht kenne, zumal er selber gar keine Verträge unterzeichnet habe. Der Vorbehalt gegenüber der Abgabe der Verjährungsverzichtserklärung sei berechtigt gewesen. Es widerspreche demnach Treu und Glauben, wenn die Beschwerdegegnerinnen diese Offenlegung im Rahmen der Verjährungsverzichtserklärung verweigerten und danach Betreibung zur Unterbrechung der Verjährung einleiteten. Abzuwägen seien auch die auf dem Spiel stehenden Interessen: Der Eintrag im Betreibungsregister stelle für ihn als Geschäftsmann eine erhebliche Bürde dar, wohingegen es den Beschwerdegegnerinnen ein Leichtes gewesen wäre, nachzuweisen, in welche Darlehen sie investiert hätten. Stattdessen habe das Kantonsgericht unbesehen die unbelegte Behauptung der Beschwerdegegnerinnen übernommen, der W.________-Gruppe (die ihm wirtschaftlich zurechenbaren Unternehmungen) Darlehen im Betrag von ca. Fr. 30 Mio. ausgerichtet zu haben.
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Erwägung 4
 
4.1. Das SchKG erlaubt die Einleitung eines Betreibungsverfahrens, ohne dass der Gläubiger den Bestand seiner Forderung nachweisen muss. Ein Zahlungsbefehl als Grundlage des Vollstreckungsverfahrens kann grundsätzlich gegenüber jedermann erwirkt werden, unabhängig davon, ob eine Schuld besteht oder nicht (BGE 113 III 2 E. 2b S. 3; 125 III 149 E. 2a S. 150; Urteil 5A_773/2014 vom 10. Juli 2015 E. 3.1 mit Hinweisen).
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4.2. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers lässt sich kein Rechtsmissbrauch aus den Umständen des Scheiterns der Verjährungsverzichtserklärung und der nachfolgenden Betreibung ableiten. Ein Gläubiger ist nicht verpflichtet, vor einer Betreibung den Schuldner um Abgabe einer solchen Erklärung zu bitten, und der Schuldner ist nicht verpflichtet, einer solchen Bitte nachzukommen. Knüpft der Schuldner die Abgabe einer solchen Erklärung an eine zuvor vom Gläubiger zu erfüllende Bedingung, so ist der Gläubiger frei, ob er sich darauf einlassen will oder nicht. Es stellt keinen Rechtsmissbrauch dar, wenn er stattdessen den gesetzlich vorgesehenen Weg der Verjährungsunterbrechung durch Schuldbetreibung einschlägt (Art. 135 Ziff. 2 OR). Für das Betreibungsamt oder die Aufsichtsbehörde besteht insoweit weder grundsätzlich noch angesichts der behaupteten Umstände des Einzelfalls Raum für eine Abwägung der Interessen des Schuldners gegenüber denjenigen des Gläubigers.
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5. Bei diesem Verfahrensausgang trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt U.________ und dem Kantonsgericht St. Gallen schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 10. September 2015
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Escher
 
Der Gerichtsschreiber: Zingg
 
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