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Informationen zum Dokument  BGer 4A_207/2015  Materielle Begründung
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BGer 4A_207/2015 vom 02.09.2015
 
{T 0/2}
 
4A_207/2015
 
 
Urteil vom 2. September 2015
 
 
I. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
 
Bundesrichterinnen Klett, Hohl,
 
Gerichtsschreiber Th. Widmer.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________ AG,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Felix Weber,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
B.________ AG,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Philipp Straub,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Prozesskostenverlegung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom 6. März 2015.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
Mit Klage vom 10. Juli 2012 vor dem Handelsgericht des Kantons Aargau stellte die B.________ AG (Klägerin) gegen die A.________ AG (Beklagte) das Rechtsbegehren, die Beklagte sei kostenfällig zu verurteilen, der Klägerin den Betrag von Fr. 131'480.55 (Restwerklohnforderung) zuzüglich Verzugszins zu bezahlen, und der in der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes Zürich 5 erhobene Rechtsvorschlag sei in diesem Umfang aufzuheben.
1
 
B.
 
Das Handelsgericht entschied mit Urteil vom 6. März 2015 neu über die Verlegung der Kosten des kantonalen Verfahrens. Es auferlegte die Gerichtskosten von Fr. 12'100.-- wiederum der Beklagten und verpflichtete diese erneut, der Klägerin eine Parteientschädigung von Fr. 22'300.-- zu bezahlen.
2
 
C.
 
Die Beklagte beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen vom 13. April 2015, das Urteil des Handelsgerichts vom 6. März 2015 sei aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
3
"1. Die Gerichtskosten für das Verfahren vor Handelsgericht von Fr. 12'100.00 werden der Beklagten zu 2/3, d.h. im Umfang von Fr. 8'066.65, und der Klägerin zu 1/3, d.h. im Umfang von Fr. 4'033.35, auferlegt. Die Gerichtskosten werden mit den von der Klägerin geleisteten Kostenvorschüssen von Fr. 9'172.00 verrechnet. Der Fehlbetrag von Fr. 2'928.00 hat die Beklagte zu bezahlen. Die Beklagte hat der Klägerin Fr. 5'138.65 direkt zu überweisen.
4
2. Die Beklagte hat der Klägerin eine Parteientschädigung in gerichtlich festgesetzter Höhe von Fr. 7'440.00 zu bezahlen."
5
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
Der angefochtene Entscheid des Handelsgerichts ist ein Endentscheid (Art. 90 BGG) in einer Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG). Gegen Entscheide der als einzige kantonale Instanzen im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG urteilenden Handelsgerichte (Art. 6 ZPO) ist die Beschwerde an das Bundesgericht streitwertunabhängig gegeben (BGE 139 III 67 E. 1.2). Auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb - unter Vorbehalt einer hinreichenden Begründung - auf die Beschwerde einzutreten ist.
6
 
Erwägung 2
 
Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe der aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör fliessenden Pflicht zur Begründung ihres Entscheides nicht genügt, indem sie die Kosten des Verfahrens vor dem Handelsgericht ohne Begründung gleich verlegt habe wie bereits in ihrem ersten Entscheid vom 15. Mai 2014, obwohl die Beschwerdegegnerin (nach dem Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts) im handelsgerichtlichen Verfahren nur mit einem von zwei Rechtsbegehren teilweise durchgedrungen sei. Dass die Beschwerdegegnerin hinsichtlich ihrem zweiten Rechtsbegehren - der Beseitigung des Rechtsvorschlages - vollständig unterlegen sei, werde mit keinem Wort erwähnt. Die Vorinstanz begründe nicht, weshalb und inwieweit die bloss bedingte Zusprechung des Rechtsbegehrens gemäss Ziffer 1 und das vollständige Unterliegen im betreibungsrechtlichen Punkt keine Auswirkungen auf die Kostenverteilung haben solle, obwohl sich diese nach Obsiegen und Unterliegen richte.
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2.1. Die im Gehörsanspruch (Art. 29 Abs. 2 BV) enthaltene Begründungspflicht verlangt von der Behörde, ihren Entscheid so zu begründen, dass der Betroffene den Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Die Begründung muss kurz die wesentlichen Überlegungen nennen, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die es seinen Entscheid stützt (BGE 141 III 28 E. 3.2.4 S. 41; 138 I 232 E. 5.1; 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188).
8
2.2. Die Vorinstanz hielt im angefochtenen Entscheid fest, die handelsgerichtlichen Prozesskosten seien bei teilweiser Gutheissung der Klage ausgangsgemäss der Beschwerdeführerin aufzuerlegen. Es könne bezüglich des Obsiegens- bzw. Unterliegensausmasses (...) auf die zutreffende Erwägung 12 des Urteils des Handelsgerichts vom 15. Mai 2014 verwiesen werden.
9
"Die Prozesskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Hat keine Partei vollständig obsiegt, so werden sie nach dem Ausgang des Verfahrens verteilt (Art. 106 Abs. 2 ZPO). Vorliegend obsiegt die Klägerin bezogen auf ihren eingeklagten Anspruch mit rund 98 % und damit beinahe vollständig. Ein derart überwiegendes Obsiegen wird bei der Verteilung der Prozesskosten praxisgemäss nicht berücksichtigt (BSK ZPO-Rüegg, 2. Aufl., 2013 Art. 106 N. 3 m.w.N.) Folglich sind die Prozesskosten vollumfänglich von der Beklagten zu tragen."
10
Aus dem Verweis auf diese Erwägung ergibt sich ohne weiteres, dass das Handelsgericht der Ansicht ist, die bloss bedingte Zusprechung der Forderung von Fr. 128'900.95 (statt der unbedingten Zusprechung) und die Abweisung des Rechtsbegehrens auf Rechtsöffnung in diesem Umfang (statt der Gewährung einer bedingten Rechtsöffnung) ändere nichts daran, dass die Beschwerdegegnerin im Verfahren insgesamt beinahe vollständig obsiegt habe. Dem Entscheid lassen sich damit die wesentlichen Erwägungen entnehmen, auf welche die Vorinstanz ihren Entscheid gestützt hat, und der Beschwerdeführerin ist es danach möglich, den Entscheid sachgerecht anzufechten. Damit wird er den vorstehend genannten Begründungsanforderungen ohne weiteres gerecht und die Gehörsrüge erweist sich als unbegründet.
11
 
Erwägung 3
 
Die Beschwerdeführerin rügt weiter, der angefochtene Entscheid verletze Art. 106 ZPO, indem darin das Unterliegen der Beschwerdegegnerin bei der Kostenverteilung überhaupt nicht berücksichtigt werde und der nur teilweise unterliegenden Beschwerdeführerin sämtliche Kosten auferlegt würden.
12
3.1. Art. 106 Abs. 1 ZPO stellt den Grundsatz auf, dass die Prozesskosten der unterliegenden Partei auferlegt werden. Hat keine Partei vollständig obsiegt, so werden die Prozesskosten nach dem Ausgang des Verfahrens verteilt (Art. 106 Abs. 2 ZPO). Diese Regelung räumt dem Richter bei der Kostenverteilung ein weites Ermessen ein (Urteile 4A_80/2013 vom 30. Juli 2013 E. 6.4; 4A_364/2013 vom 5. März 2014 E. 18; Denis Tappy, in: CPC, Code de procédure civile commenté, Bohnet und andere [Hrsg.], 2011, N. 3 und 24 zu Art. 106 ZPO; vgl. auch zur ähnlichen Regelung im BGG: Bernard Corboz, in: Commentaire de la LTF, Corboz und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 34 ff. zu Art. 66 BGG). Art. 106 Abs. 2 ZPO spricht generell vom "Ausgang des Verfahrens". Danach kann der Richter bei der Kostenverteilung insbesondere auch das Gewicht der einzelnen Rechtsbegehren innerhalb eines Rechtsstreits berücksichtigten (Alexander Fischer, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 7 zu Art. 106 ZPO; Tappy, a.a.O., N. 34 zu Art. 106 ZPO; Adrian Urwyler, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 5 zu Art. 106 ZPO; Thomas Geiser, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 13 zu Art. 66 BGG) wie auch den Umstand, dass eine Partei in einer grundsätzlichen Frage (vorliegend: grundsätzliche Berechtigung der Werklohnforderung) obsiegt hat, was für die ähnliche Situation, dass die Klage zwar grundsätzlich, nicht aber in der Höhe der Forderung gutgeheissen wurde, überdies in Art. 107 Abs. 1 lit. a ZPO ausdrücklich vorgesehen ist (Urteile 4A_523/2013 vom 31. März 2014 E. 8.2; 4A_80/2013 vom 30. Juli 2013 E. 6.4; Tappy, a.a.O., N. 34 zu Art. 106 ZPO; Viktor Rüegg, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 3 zu Art. 106 ZPO; Urwyler, a.a.O., N. 5 zu Art. 106 ZPO). In der Praxis wird in der Regel ein geringfügiges Unterliegen im Umfang von einigen Prozenten nicht berücksichtigt (Urteil 4A_364/2013 vom 5. März 2014 E. 18; Rüegg, a.a.O., N. 3 zu Art. 106 ZPO; David Jenny, in Sutter-Somm und andere [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 2. Aufl. 2013, N. 10 zu Art. 106 ZPO, der diese Praxis allerdings bei hohen Streitwerten für gesetzeswidrig hält; s. auch Tappy, a.a.O., N. 34 zu Art. 106 ZPO).
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3.2. Die Beschwerdeführerin begründet nicht, inwiefern die Vorinstanz ihr Ermessen in diesem Sinn fehlerhaft ausgeübt haben soll, weshalb ihre Beschwerde in diesem Punkt von vornherein nicht von Erfolg gekrönt sein kann (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 140 III 86 E. 2 S. 89, 115 E. 2 S. 116; 140 V 136 E. 1.1; 138 I 171 E. 1.4).
14
 
Erwägung 4
 
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 2. September 2015
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Kiss
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer
 
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