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Informationen zum Dokument  BGer 2C_112/2015  Materielle Begründung
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BGer 2C_112/2015 vom 27.08.2015
 
{T 0/2}
 
2C_112/2015
 
 
Urteil vom 27. August 2015
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Seiler,
 
Bundesrichterin Aubry Girardin,
 
Bundesrichter Stadelmann,
 
Bundesrichter Haag,
 
Gerichtsschreiberin Genner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
X.________ Foundation,
 
Beschwerdegegnerin,
 
vertreten durch Rechtsanwälte Walter H. Boss und
 
Nelly Iglesias, Bellerivestrasse 241, 8008 Zürich.
 
Gegenstand
 
Internationale Amtshilfe in Steuersachen;
 
Amtshilfe DBA-KR; Akteneinsicht (Namen und Kontaktdaten der Mitarbeitenden der ersuchenden Behörde),
 
Beschwerde gegen die Zwischenverfügung
 
des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I,
 
vom 22. Januar 2015.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Grundlage des Verfahrens ist ein Amtshilfegesuch des NTS vom 4. November 2013, welches sich auf das Abkommen vom 12. Februar 1980 zwischen der Schweiz und der Republik Korea zur Vermeidung von Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (DBA CH-KR; SR 0.672.928.11) stützt. Das Verfahren richtet sich nach dem am 1. Februar 2013 in Kraft getretenen Bundesgesetz vom 28. September 2012 über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz, StAhiG; SR 672.5; vgl. Art. 24 StAhiG e contrario).
1
1.2. Die angefochtene Zwischenverfügung wurde vom Bundesverwaltungsgericht als einer zulässigen Vorinstanz erlassen (Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG) und betrifft eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts, weshalb die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich offen steht (Art. 82 lit. a BGG).
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1.3. Art. 83 lit. h BGG sieht vor, dass die Beschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe, mit Ausnahme der Amtshilfe in Steuersachen. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinn von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt (Art. 84a BGG).
3
1.3.1. Gemäss Art. 84 Abs. 2 BGG liegt ein besonders bedeutender Fall insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist. Das Gesetz enthält nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Art. 84 Abs. 2 BGG eine nicht abschliessende Aufzählung von möglichen besonders bedeutenden Fällen.
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1.3.2. Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder ein besonders bedeutender Fall nach Art. 84 oder 84a BGG vorliegt, so ist auszuführen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist, es sei denn, dies treffe ganz offensichtlich zu (BGE 139 II 404 E. 1.3 S. 410; 139 II 340 E. 4 S. 342 mit weiteren Hinweisen).
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1.3.3. Die Frage, wie Art. 14 Abs. 1 und Art. 15 StAhiG im Kontext des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Akteneinsicht zu beurteilen sind, kann - auch mit Blick auf den Auslandsbezug des Verfahrens - als Grundsatzfrage behandelt werden. Die Beschwerde ist somit unter diesem Gesichtspunkt zulässig.
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1.4. Der angefochtene Entscheid ist eine Zwischenverfügung, welche die Vorinstanz im Rahmen des Verfahrens betreffend Anfechtung einer Schlussverfügung im Sinn von Art. 19 StAhiG erlassen hat. Gegen selbständig eröffnete Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG).
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1.5. Die ESTV ist gemäss Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 der Organisationsverordnung vom 17. Februar 2010 für das Eidgenössische Finanzdepartement (OV-EFD; SR 172.215.1) zur Beschwerdeführung berechtigt (Behördenbeschwerde, vgl. BGE 136 II 359 E. 1.2 S. 362).
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1.6. Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde (vgl. Art. 42 BGG und Art. 100 Abs. 2 lit. b BGG) ist einzutreten.
9
 
Erwägung 2
 
2.1. Für das Verwaltungsverfahren des Bundes und das anschliessende Beschwerdeverfahren konkretisieren Art. 26-28 VwVG (SR 172.021) das Recht auf Akteneinsicht. Gemäss Art. 26 Abs. 1 VwVG hat die Partei oder ihr Vertreter Anspruch darauf, in ihrer Sache Eingaben von Parteien und Vernehmlassungen von Behörden (lit. a), alle als Beweismittel dienende Aktenstücke (lit. b) und Niederschriften eröffneter Verfügungen (lit. c) am Sitz der verfügenden Behörde oder einer durch diese zu bezeichnenden kantonalen Behörde einzusehen. Art. 27 VwVG regelt die Ausnahmen. Gemäss Art. 27 Abs. 1 VwVG darf die Behörde die Einsichtnahme in die Akten nur verweigern, wenn wesentliche öffentliche Interessen des Bundes oder der Kantone, insbesondere die innere oder äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft, die Geheimhaltung erfordern (lit. a), wesentliche private Interessen, insbesondere von Gegenparteien, die Geheimhaltung erfordern (lit. b) oder das Interesse einer noch nicht abgeschlossenen amtlichen Untersuchung es erfordert (lit. c). Die Verweigerung der Einsichtnahme darf sich nur auf die Aktenstücke erstrecken, für die Geheimhaltungsgründe bestehen (Art. 27 Abs. 2 VwVG). Die Einsichtnahme in eigene Eingaben der Partei, ihre als Beweismittel eingereichten Urkunden und ihr eröffnete Verfügungen darf nicht, die Einsichtnahme in Protokolle über eigene Aussagen der Partei nur bis zum Abschluss der Untersuchung verweigert werden (Art. 27 Abs. 3 VwVG). Wird einer Partei die Einsichtnahme in ein Aktenstück verweigert, so darf auf dieses zum Nachteil der Partei nur abgestellt werden, wenn ihr die Behörde von seinem für die Sache wesentlichen Inhalt mündlich oder schriftlich Kenntnis und ihr ausserdem Gelegenheit gegeben hat, sich zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen (Art. 28 VwVG).
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2.2. Auf spezialgesetzlicher Ebene enthält auch das StAhiG Regeln, welche aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör abgeleitet sind. Gemäss Art. 14 Abs. 1 StAhiG informiert die ESTV die betroffene Person über die wesentlichen Teile des Ersuchens; sie informiert die weiteren Personen, von deren Beschwerdeberechtigung sie nach Art. 19 Abs. 2 StAhiG ausgehen muss, über das Amtshilfeverfahren (Art. 14 Abs. 2 StAhiG). Die beschwerdeberechtigten Personen können sich am Verfahren beteiligen und Einsicht in die Akten nehmen (Art. 15 Abs. 1 StAhiG). Soweit die ausländische Behörde Geheimhaltungsgründe hinsichtlich gewisser Aktenstücke glaubhaft macht, kann die ESTV einer beschwerdeberechtigten Person die Einsicht in die entsprechenden Aktenstücke nach Art. 27 VwVG verweigern (Art. 15 Abs. 2 StAhiG).
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Erwägung 3
 
3.1. Die Vorinstanz erwog, die Grundsätze zum Akteneinsichtsrecht würden auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten, sofern das StAhiG keine abweichenden Vorschriften vorsehe. Art. 14 und 15 StAhiG würden den Anspruch auf rechtliches Gehör konkretisieren. Es frage sich, ob sich das Einsichtsrecht betreffend das Amtshilfeersuchen und die Verfahrensakten bei einem Fall der internationalen Amtshilfe in Steuersachen im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach Art. 14 Abs. 1 StAhiG richte bzw. ob diese Vorschrift den Regeln des VwVG vorgehe. Nach dem Wortlaut von Art. 14 Abs. 1 StAhiG sei es die ESTV, welche über die wesentlichen Teile des Ersuchens informiere. Dies spreche dafür, dass diese Vorschrift nur auf das erstinstanzliche Verfahren, nicht aber auf das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht Anwendung finde. Der mit Anhebung des Beschwerdeverfahrens ausgelöste Devolutiveffekt erstrecke sich auch auf die Befugnis, Akteneinsicht zu gewähren oder andere Parteirechte einzuräumen. Deswegen beschränke sich die Tragweite von Art. 14 Abs. 1 StAhiG mit Bezug auf die Parteirechte auf das erstinstanzliche Verfahren. Dieser Schluss ergebe sich auch aus der systematischen Auslegung von Art. 14 Abs. 1 StAhiG. Diese Bestimmung finde sich nicht unter den allgemeinen Bestimmungen im ersten Abschnitt des StAhiG, sondern im dritten Abschnitt mit dem Titel "Informationsbeschaffung". Auch Art. 19 StAhiG, der das Beschwerdeverfahren regle, sei an anderer Stelle im Erlass untergebracht, nämlich im vierten Abschnitt mit dem Titel "Informationsübermittlung". Art. 14 Abs. 1 StAhiG, welcher die Informationspflicht der Behörde auf die wesentlichen Teile des Amtshilfeersuchens beschränke, sei bei verfassungskonformer Auslegung restriktiv zu handhaben; jedenfalls spreche der Grundsatz der Akteneinsicht gemäss Art. 29 Abs. 2 BV dafür, dass Art. 14 Abs. 1 StAhiG die Frage der Akteneinsicht im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht beschlage. Die Beschränkung der Informationspflicht auf die wesentlichen Teile des Amtshilfeersuchens werde auch in der Botschaft zur Änderung des StAhiG mit einem Hinweis auf den Kommentar zu Art. 26 des OECD-Musterabkommens (nachfolgend: OECD-MA) gerechtfertigt. Dies bedeute jedoch nicht zwingend, dass die betroffene Person auch im Beschwerdeverfahren nur über die wesentlichen Teile des Amtshilfeersuchens zu informieren sei. Die Gefahr, dass beispielsweise belastende Beweisstücke vernichtet würden und damit keine Amtshilfe mehr möglich wäre, sei im Beschwerdeverfahren geringer als im erstinstanzlichen Verfahren, da im Beschwerdeverfahren die Informationsbeschaffung stets abgeschlossen sei.
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3.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, aus der Botschaft zur Änderung des StAhiG gehe hervor, dass Art. 14 Abs. 1 StAhiG der Neufassung des OECD-Kommentars zu Art. 26 OECD-MA entspreche. Danach könne der ersuchte Staat die betroffene Person lediglich über das Minimum einer im Ersuchen enthaltenen Information in Kenntnis setzen. Aus dem Kommentar zu Art. 26 Abs. 2 OECD-MA ergebe sich, dass insbesondere auch das Amtshilfeersuchen vertraulich zu behandeln sei und nicht tel quel an die betroffene bzw. beschwerdeberechtigte Person herausgegeben werden dürfe. Von der Geheimhaltungspflicht gemäss Art. 26 Abs. 2 OECD-MA werde auch die Beschwerdeinstanz erfasst. Der OECD-Kommentar sehe lediglich vor, dass die ersuchte Behörde das Amtshilfeersuchen in einem Beschwerdeverfahren dem Gericht offenlegen könne, auch dies jedoch nur, wenn der ersuchende Staat sich nicht dagegen ausspreche. Die Neuformulierung von Art. 14 Abs. 1 StAhiG zeige, dass der Gesetzgeber den Vorbehalt nach Art. 25 Abs. 2 DBA-KR betreffend die Verfahrensrechte der steuerpflichtigen Personen zumindest hinsichtlich der Akteneinsicht nicht für sich habe beanspruchen wollen. Die Geheimhaltungspflicht gemäss OECD-Standard solle nicht durch die Gewährung von Akteneinsicht gemäss schweizerischem Recht eingeschränkt werden. Die Praxis, seit dem 1. August 2014 nur noch über die wesentlichen Teile des Ersuchens zu informieren und damit auch keine Namen oder Kontaktdaten der Mitarbeitenden der ersuchenden Behörde mitzuteilen, würde durch die Bekanntgabe im Beschwerdeverfahren ausgehebelt. Zudem erwachse den betroffenen Personen aus dieser gesetzlichen Regel kein Nachteil. Selbst wenn Art. 14 Abs. 1 StAhiG im Beschwerdeverfahren nicht zur Anwendung komme, wäre die Akteneinsicht auf die wesentlichen Teile zu beschränken. Dies ergebe sich aus Art. 25 Abs. 2 DBA-KR, welcher als Völkerrecht sowohl dem StAhiG als auch dem VwVG vorgehe. Die OECD-Staaten würden viel Wert auf die grundsätzliche Geheimhaltung des Amtshilfeersuchens sowie der Namen und Kontaktdaten von Mitarbeitenden ihrer Behörden legen, insbesondere aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes. Zudem werde befürchtet, dass bei Bekanntwerden dieser Daten der Erfolg von Untersuchungen im jeweiligen Inland gefährdet sei bzw. dass diese Personen für entsprechende Arbeiten nicht mehr eingesetzt werden könnten.
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3.3. Die Beschwerdegegnerin bringt vor, aufgrund des fehlenden Zugangs zu den Akten sei sie nicht in der Lage festzustellen, ob die von der Beschwerdeführerin vorgenommenen Schwärzungen tatsächlich nur die Namen und Kontaktdaten der Mitarbeitenden des NTS beträfen, wie die Beschwerdeführerin ausführe. Deshalb müsse ihr - der Beschwerdegegnerin - nach Massgabe von Art. 29 BV und Art. 29 VwVG volle Einsicht in die der Vernehmlassung der ESTV vom 4. Dezember 2014 beigelegten Akten gewährt werden. Art. 14 Abs. 1 StAhiG sei im dritten Abschnitt des StAhiG unter "Informationsbeschaffung" zu finden und betreffe das nicht streitige Verwaltungsverfahren. Das Gleiche gelte für Art. 15 StAhiG. Die in dieser Bestimmung erwähnten Geheimhaltungsgründe der ausländischen Behörde lägen hier nicht vor und würden von der Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet. Auch im Licht des OECD-Kommentars sei nicht ersichtlich, inwiefern die Akteneinsicht die bereits abgeschlossene Informationsbeschaffung gefährden sollte. Die Schweiz als der ersuchte  Staat sei berechtigt zu entscheiden, inwiefern die Informationen dem betroffenen Steuerzahler übermittelt werden könnten. Weder das OECD-MA noch das DBA-KR würden die Verfahrensrechte der betroffenen beschwerdeberechtigten Person im Bereich der Steueramtshilfe beschränken. Dies ergebe sich schon aus Ziff. 2 lit. e des Protokolls zum DBA-KR. Sie - die Beschwerdegegnerin - wolle wissen, welche Vorwürfe ihr gegenüber erhoben würden. Ihr Interesse sei nicht auf die Namen und Kontaktdaten der Mitarbeitenden des NTS gerichtet, wie die Beschwerdeführerin suggeriere. Dies sei ein Scheinargument, aus dem die Beschwerdeführerin eine angebliche Verletzung von Völkerrecht durch Offenlegung des Amtshilfeersuchens herzuleiten versuche.
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Erwägung 4
 
4.1. Streitig ist einzig die Offenlegung bzw. Schwärzung der Namen und Kontaktdaten der im Amtshilfegesuch genannten Mitarbeitenden des NTS. Die Beschwerdeführerin sieht in Art. 14 Abs. 1 StAhiG die landesrechtliche Grundlage dafür, diese Daten nicht bekannt zu geben, wobei die Bestimmung den internationalen Verpflichtungen entspreche. Die Beschwerdegegnerin besteht auf der vollständigen Akteneinsicht, wobei es ihr nicht um die Namen und Kontaktdaten der Mitarbeitenden des NTS gehe, sondern darum, in das Amtshilfegesuch Einsicht zu nehmen.
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4.2. Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut. Ist der Text nicht klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente. Dabei ist namentlich auf die Entstehungsgeschichte, den Zweck der Norm, die ihr zugrunde liegenden Wertungen und ihre Bedeutung im Kontext mit anderen Bestimmungen abzustellen. Die Materialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Bei der Auslegung neuerer Bestimmungen kommt den Materialien eine besondere Stellung zu, weil veränderte Umstände oder ein gewandeltes Rechtsverständnis eine andere Lösung weniger nahelegen (BGE 141 V 191 E. 3 S. 194 mit Hinweisen).
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4.3. Die ursprüngliche Fassung von Art. 14 Abs. 1 StAhiG vom 28. September 2012 (in Kraft bis 31. Juli 2014; AS 2013 235) lautete:
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4.4. Die ESTV vertritt die Auffassung, Art. 14 Abs. 1 StAhiG sei als lex specialis zu Art. 15 StAhiG zu betrachten. Ein lex-generalis/lex specialis -Verhältnis liegt vor, wenn zwei Bestimmungen den gleichen Sachbereich regeln, die eine Bestimmung jedoch ein abweichendes Tatbestandsmerkmal aufweist und dementsprechend eine von der lex generalis abweichende Rechtsfolge normiert. Dieses Muster ist hier nicht vollkommen verwirklicht. Der gemeinsame Bereich könnte allenfalls darin erblickt werden, dass mit beiden Bestimmungen die Wahrung des rechtlichen Gehörs bezweckt wird. Abweichend von Art. 14 Abs. 1 StAhiG gewährt Art. 15 StAhiG ein Akteneinsichtsrecht. Würde Art. 14 Abs. 1 StAhiG Art. 15 StAhiG vorgehen, ergäbe die Regelung keinen Sinn. Vielmehr ergänzen die beiden Bestimmungen einander in zeitlicher Hinsicht. Dies ergibt sich aus dem Ablauf des Verwaltungsverfahrens nach StAhiG. In der Phase der Informationsbeschaffung besteht zur Wahrung des rechtlichen Gehörs der (weniger weit gehende) Informationsanspruch nach Art. 14 Abs. 1 StAhiG betreffend Eingang des Ersuchens und die damit verbundenen notwendigen Auskünfte. Nach Abschluss der Informationsbeschaffung, aber vor Eröffnung der Schlussverfügung ist den (voraussichtlich) beschwerdeberechtigten Personen nach Massgabe von Art. 15 StAhiG, d.h. unter Vorbehalt von Art. 27 VwVG, Akteneinsicht zu gewähren. Somit verdrängt der gesetzliche Anspruch auf Information das Recht auf Teilnahme am Verfahren und auf Akteneinsicht nicht. Diese Ansprüche werden lediglich so lange aufgeschoben, als die Informationsbeschaffung noch vereitelt werden könnte. Ein ähnlicher Zweck liegt Art. 27 Abs. 3 VwVG zugrunde. Diese Bestimmung erlaubt es, im Interesse der unverfälschten Sachverhaltsfeststellung die Einsichtnahme in Protokolle über eigene Aussagen der Partei bis zum Abschluss der Untersuchung zu verweigern bzw. bis zur Schlussphase des Verwaltungsverfahrens aufzuschieben (Stephan C. Brunner, in: Auer/Müller/ Schindler [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], 2008, N. 45 f. zu Art. 27 VwVG).
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Erwägung 5
 
5.1. Gleich wie im erstinstanzlichen Verfahren kann die Akteneinsicht im Beschwerdeverfahren gestützt auf Art. 27 VwVG beschränkt werden. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin handelt es sich bei Art. 27 Abs. 1 VwVG nicht um eine "kann-Bestimmung". Im Wortlaut kommt vielmehr zum Ausdruck, dass die Akteneinsicht die Regel, deren Verweigerung oder Einschränkung dagegen die Ausnahme bildet (vgl. zu diesem Grundsatz auch Urteil 5A_832/2012 vom 25. Januar 2013 E. 4.2.2; KIENER/RÜTSCHE/KUHN, Öffentliches Verfahrensrecht, 2012, Rz. 609, 622). Die Gründe, welche zu einer Beschränkung des Akteneinsichtsrechts führen können, sind abschliessend aufgezählt. Ein Entschliessungsermessen nach dem Muster "die Behörde kann, muss aber eine Rechtsfolge nicht anordnen" enthält Art. 27 VwVG gerade nicht. Im Gegenteil ist die Behörde verpflichtet, die Akteneinsicht zu gewähren, wenn keine Geheimhaltungsgründe vorliegen.
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5.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die völkerrechtliche Verpflichtung, Informationen aus dem Amtshilfeersuchen auf ein Minimum zu beschränken, fliesse direkt aus Art. 25 Abs. 2 DBA-KR. Das Interesse an der Wahrung dieser Verpflichtung rechtfertige eine Einschränkung des Akteneinsichtsrechts gestützt auf Art. 27 Abs. 1 lit. a VwVG.
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5.3. Daraus ergibt sich, dass entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin keine völkerrechtliche Verpflichtung vorliegt, die Namen und Kontaktdaten der im Amtshilfeersuchen genannten Mitarbeitenden vor der Beschwerdegegnerin geheimzuhalten. Die Vorinstanz hat somit einen Geheimhaltungsgrund im Sinn von Art. 27 Abs. 1 lit. a VwVG zu Recht verneint. Die Geheimhaltungsgründe nach Art. 27 Abs. 1 lit. b und c VwVG werden von der Beschwerdeführerin nicht angerufen, weshalb auf die entsprechende Begründung der Vorinstanz nicht einzugehen ist.
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Erwägung 6
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3. Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.-- zu bezahlen.
 
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 27. August 2015
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Die Gerichtsschreiberin: Genner
 
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