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Informationen zum Dokument  BGer 5A_949/2014  Materielle Begründung
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BGer 5A_949/2014 vom 21.07.2015
 
{T 0/2}
 
5A_949/2014
 
 
Urteil vom 21. Juli 2015
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Marazzi, Bovey,
 
Gerichtsschreiber Zingg.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Robert Simmen,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
B.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gilles Benedick,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Definitive Rechtsöffnung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 28. Oktober 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. A.________ (Beschwerdeführer) ist Alleinerbe der am 27. März 1998 verstorbenen C.________. Mit Urteil des Einzelrichters des Gerichtskreises Locarno-Città vom 31. März 2010 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, D.________ im Sinne eines Rentenvermächtnisses ab dem 1. April 2010 eine indexierte monatliche Rente von Fr. 9'021.44 zu bezahlen. In Abgeltung der ausstehenden Rentenzahlungen bis 30. März 2010 wurde der Beschwerdeführer weiter verpflichtet, D.________ Fr. 775'982.60 nebst 5 % Zins seit dem 12. November 2007 zu bezahlen.
1
A.b. Am 8./13. Mai 2013 schlossen der Beschwerdeführer und D.________ unter Bezugnahme auf diese beiden Urteile eine Vereinbarung, wonach der Beschwerdeführer D.________ den Betrag von insgesamt Fr. 1'000'000.-- in fünf betraglich festgesetzten Raten bezahle. Mit den vereinbarten Zahlungen erklärte sich D.________ für sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erbgang von C.________ als entschädigt. Die Parteien hielten zudem fest, dass eine nicht fristgerechte Zahlung im Sinne des Zahlungsplanes die Auflösung der Vereinbarung zur Folge habe und zwischen ihnen wieder das Urteil des Appellationsgerichts vom 28. März 2013 gelte.
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A.c. Am 8. Mai 2013 zedierte D.________ seine Ansprüche gegenüber dem Beschwerdeführer an B.________ (Beschwerdegegner).
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B. Nachdem der Beschwerdeführer Teilzahlungen im Gesamtbetrag von Fr. 555'200.-- geleistet hatte, verweigerte er ab Januar 2014 weitere Zahlungen.
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C.
 
 
D.
 
 
E.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
 
Erwägung 3
 
3.1. Der Gläubiger kann beim Richter die Aufhebung des Rechtsvorschlags (definitive Rechtsöffnung) verlangen, wenn die Forderung auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Entscheid beruht (Art. 80 Abs. 1 SchKG). Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft (Art. 81 Abs. 1 SchKG).
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3.2. Der Beschwerdeführer und der Rechtsvorgänger des Beschwerdegegners haben nach Ausfällung der beiden als Rechtsöffnungstitel vorgelegten Entscheide am 8./13. Mai 2013 eine Vereinbarung geschlossen, um den Vermächtnisanspruch neu und abweichend von diesen Entscheiden zu regeln. Dabei verpflichtete sich der Beschwerdeführer in Ziff. 1 der Vereinbarung, D.________ per Saldo aller Ansprüche ("a saldo e stralcio di ogni pretesa") Fr. 1'000'000.-- nach einem Abzahlungsplan zu zahlen. D.________ erklärte sich mit den vereinbarten und ausgeführten Zahlungen für alle Ansprüche aus der Erbschaft für befriedigt ("Con i versamenti pattuiti effettuati il signor D.________ sarà definitivamente tacitato per ogni e qualsiasi pretesa passata, presente e futura, derivante dalla successione della signora C.________."). Gemäss Ziff. 5 zieht die nicht fristgemässe Zahlung auch nur einer Rate die Auflösung der Vereinbarung nach sich ("Il mancato versamento di anche un solo pagamento secondo le scadenze indicate al punto 1 comporterà la risoluzione del presente accordo."), was nach Ziff. 6 zur Folge hat, dass zwischen den Parteien wieder das Urteil des Appellationsgerichts gilt, aus dem Vollstreckung verlangt werden kann ("Nel caso di mancato pagamento ai sensi del punto precedente, e di conseguente risoluzione dell'accordo, tra le parti farà stato unicamente la sentenza del 28 marzo 2013 della prima Camera civile del Tribunale d'appello e il signor D.________ e/o il suo cessionario avv. B.________ ne potrà chiedere l'integrale esecuzione."). In lit. f der Präambel begründeten die Parteien das Festhalten am Urteil für den Fall der Nichteinhaltung des Zahlungsplans damit, dass der Beschwerdeführer die zu bezahlende Summe nicht sofort zur Verfügung habe, was D.________ nicht erlaube, sich mit einer blossen Schuldanerkennung im Wege des Vergleichs zu begnügen ("Il signor A.________ purtroppo non dispone nell'immediato di importi rilevanti ai fini di una transazione: tale circostanza non permette al signor D.________ di accettare un semplice riconoscimento di debito in via transattiva, bensì occorrerà prevedere che la sentenza del tribunale d'appello del 28 marzo u.s. potrà essere resa esecutiva in difetto del completo rispetto di un piano di pagamento rateale.").
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Erwägung 3.3
 
3.3.1. Der Beschwerdeführer bestreitet zunächst, dass die soeben genannte Verfallklausel für den Fall der Nichteinhaltung des Zahlungsplans (Ziff. 5 und 6 der Vereinbarung) ausgelöst worden sei. Sie sei als Konventionalstrafe zu betrachten und eine solche könne nur ausgelöst werden, wenn eine pflichtwidrige Nichterfüllung vorliege, nicht aber, wenn der Schuldner Einreden oder Einwendungen gegen die Leistungspflicht erhebe. Er verweigere die Leistung zu Recht, und zwar mache er die Herabsetzungseinrede gemäss Art. 486 Abs. 1 ZGB geltend, da das Vermächtnis den Betrag der Erbschaft übersteige.
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3.3.2. Zur Beurteilung dieses Einwands ist - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht von der rein begrifflichen Frage auszugehen, ob die Verfallklausel eine Konventionalstrafe (Art. 160 ff. OR) darstellt, sondern in erster Linie von Wortlaut und Auslegung der Vereinbarung vom 8./13. Mai 2013. Wie bereits das Obergericht zu Recht ausgeführt hat, lässt sich der Vereinbarung kein Hinweis darauf entnehmen, dass die Vereinbarung nur bei unrechtmässiger Zahlungsverweigerung aufgelöst werden soll. Soweit der Beschwerdeführer aus der angeblichen Rechtsnatur der Klausel als Konventionalstrafe ableiten will, dass nur eine unrechtmässige Zahlungsverweigerung das Dahinfallen der Vereinbarung auslösen konnte, so übergeht er, dass gemäss Art. 163 Abs. 2 OR eine Abrede zulässig ist, wonach die Konventionalstrafe auch dann geschuldet ist, wenn der Schuldner die Leistungsstörung nicht zu vertreten hat. Ohnehin erweckt die Ansicht des Beschwerdeführers Bedenken, Klauseln wie die in Frage stehende als Konventionalstrafe zu qualifizieren (ablehnend Urteil 5A_235/2013 vom 24. Juli 2013 E. 3.4; zum Begriff der Konventionalstrafe BGE 135 III 433 E. 3 S. 436 ff.). Dagegen spricht in der vorliegenden Konstellation insbesondere, dass mit dem Dahinfallen der Vereinbarung bloss ein früherer Rechtszustand wieder auflebt, der von einem rechtskräftigen Urteil angeordnet wurde. Der Schuldner verspricht für den Fall einer Leistungsstörung nicht eine neue Leistung, sondern bloss dasjenige, wozu er bereits rechtskräftig verurteilt wurde. Insbesondere wäre eine Anwendung von Art. 163 Abs. 3 OR (Herabsetzung übermässig hoher Konventionalstrafen) ausgeschlossen, da dies auf eine Neubeurteilung des Urteils hinauslaufen würde. Auf eine abschliessende Diskussion der Frage kann verzichtet werden. Konkret zu prüfen ist bloss, ob der Beschwerdeführer nach der Vereinbarung vom 8./13. Mai 2013 seine Leistungsverweigerung mit der Herabsetzungseinrede gemäss Art. 486 Abs. 1 ZGB begründen konnte und dadurch die Aufhebung der Vereinbarung (und das Wiederaufleben der Tessiner Urteile) verhindern konnte.
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Erwägung 3.4
 
3.4.1. Für diesen Fall bringt der Beschwerdeführer vor, die als Rechtsöffnungstitel vorgelegten Urteile bzw. die ihm darin auferlegten Zahlungspflichten seien dennoch erloschen, und zwar durch Novation (Neuerung; Art. 116 OR). Die Urteile seien durch die Vereinbarung vom 8./13. Mai 2013 ersetzt worden. Nach Auslösung der Verfallklausel könnten sie nicht mehr direkt herangezogen werden, d.h. insbesondere nicht mehr als definitive Rechtsöffnungstitel, sondern ihr Inhalt sei bloss noch mittelbar relevant, nämlich als Teil der Vereinbarung. Bei einem aussergerichtlichen Vergleich liege in der Regel Novation vor (unter Berufung auf BGE 105 II 273 E. 3a S. 277; CLAIRE HUGUENIN, Obligationenrecht, 2. Aufl. 2014, Rz. 4056).
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3.4.2. Novation ist Tilgung einer alten Schuld durch Begründung einer neuen. Darunter ist die vertragliche Einigung von Gläubiger und Schuldner zu verstehen, eine bestehende Obligation untergehen zu lassen und durch eine neue zu ersetzen, also die rechtliche Grundlage des bestehenden Schuldverhältnisses auszuwechseln. Gemäss Art. 116 Abs. 1 OR wird sie nicht vermutet. Der tatsächliche übereinstimmende Wille der Vertragspartner, das alte Schuldverhältnis in seiner Identität zu beseitigen (animus novandi), muss klar zum Ausdruck kommen und ist im Streitfall von derjenigen Partei zu beweisen, welche sich darauf beruft (BGE 135 V 124 E. 4.2 S. 130; 126 III 375 E. 2e/bb S. 381; 107 II 479 E. 3 S. 481).
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3.5. Soweit sich die Herabsetzungseinrede des Beschwerdeführers nicht nur gegen die Vereinbarung vom 8./13. Mai 2013 richten sollte (oben E. 3.3), sondern auch gegen die als Rechtsöffnungstitel vorgelegten Urteile, so ist ihr auch insoweit kein Erfolg beschieden.
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3.6. Die Vorinstanzen haben somit zu Recht aus den vorgelegten Tessiner Urteilen definitive Rechtsöffnung erteilt. Die Beschwerde ist abzuweisen.
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Erwägung 4
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 10'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner mit Fr. 10'000.-- zu entschädigen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, und dem Betreibungsamt U.________ schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 21. Juli 2015
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Escher
 
Der Gerichtsschreiber: Zingg
 
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