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Informationen zum Dokument  BGer 2C_86/2015  Materielle Begründung
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BGer 2C_86/2015 vom 20.07.2015
 
{T 0/2}
 
2C_86/2015
 
 
Urteil vom 20. Juli 2015
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Seiler, Haag,
 
Gerichtsschreiber Hugi Yar.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Simon Krauter,
 
gegen
 
Migrationsamt des Kantons Zürich,
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.
 
Gegenstand
 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungs-
 
gerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung,
 
vom 3. Dezember 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
Die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich und das Staatssekretariat für Migration (SEM) beantragen, die Beschwerde abzuweisen; das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat darauf verzichtet, sich vernehmen zu lassen. A.________ hat sich nicht mehr geäussert.
1
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Gegen den Widerruf der Niederlassungsbewilligung steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offen, weshalb auf die Eingabe des Beschwerdeführers nicht einzutreten ist, soweit er diese auch als subsidiäre Verfassungsbeschwerde verstanden wissen will (vgl. Art. 113 BGG). Soweit er damit den mit dem Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung als gesetzliche Folge (vgl. Art. 64 Abs. 1 lit. c AuG) verbundenen Wegweisungsentscheid anficht, ist auf seine Eingabe nicht einzutreten, da er nicht dartut, dass und inwiefern dieser besondere verfassungsmässige Rechte (Refoulementverbot, Schutz vor unmenschlicher Behandlung, Recht auf Leben usw.) verletzen würde (vgl. BGE 137 II 305 ff.). Der Hinweis, dass er kurz vor dem Lehrabschluss stehe, weshalb der Vollzug der Wegweisung unzumutbar erscheine, genügt hierfür nicht. Anfechtungsobjekt vor Bundesgericht bildet im Übrigen lediglich das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 3. Dezember 2014. Der Antrag des Beschwerdeführers, auch die Verfügung des Migrationsamts vom 2. April 2014 aufzuheben, ist unzulässig (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d i.V.m. Art. 86 Abs. 2 BGG); die entsprechende Verfügung gilt lediglich (inhaltlich) als mitangefochten.
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Erwägung 1.2
 
1.2.1. Das Bundesgericht prüft unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann diesen - soweit entscheidrelevant - nur berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig oder in Verletzung wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt worden ist (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die betroffene Person muss rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der Sachverhalt bzw. die beanstandete Beweiswürdigung klar und eindeutig mangelhaft - mit anderen Worten willkürlich - erscheint (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 133 III 350 E. 1.3).
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1.2.2. Der Beschwerdeführer beschränkt sich weitgehend darauf, die bereits vor dem Verwaltungsgericht erhobenen, von diesem jedoch verworfenen Einwände zu wiederholen und zu behaupten, die Vorinstanz habe die Ausführungen zu seiner Situation nicht hinreichend gewürdigt und den Sachverhalt unzutreffend bzw. ungenügend festgestellt. Mit den Darlegungen im angefochtenen Entscheid zu seinen bereits dort vorgebrachten Argumenten setzt er sich nicht weiterführend auseinander; er stellt sachverhaltsmässig und hinsichtlich der Beweiswürdigung lediglich seine Sicht der Dinge derjenigen der Vorinstanz gegenüber, ohne darzulegen, inwiefern deren tatsächliche Schlussfolgerungen offensichtlich unhaltbar wären. Dies genügt nicht. Der vorliegenden Beurteilung sind deshalb die vorinstanzliche Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung zugrunde zulegen; in rechtlicher Hinsicht sind nur die hinreichend begründeten Ausführungen zu berücksichtigen.
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Erwägung 2
 
2.1. Hinsichtlich des Widerrufs der Niederlassungsbewilligung lässt das angefochtenen Urteil offen, ob der Widerrufsgrund einer längerfristigen Freiheitsstrafe (Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b AuG) bei einem jugendstrafrechtlichen Freiheitsentzug (Art. 25 Abs. 2 JStG) gegeben ist. Jedenfalls ist der Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG erfüllt. Das kantonale Urteil gibt die Rechtslage und die bundesgerichtliche Praxis zutreffend wieder (BGE 135 II 377 E. 4); es entspricht den gesetzlichen und konventionsrechtlichen Vorgaben und verletzt kein Bundesrecht:
5
 
Erwägung 2.2
 
2.2.1. Der Beschwerdeführer hält sich praktisch seit seiner Geburt in der Schweiz auf ("zweite Generation"), doch ist er hier zuerst in (teilweise) eher untergeordneter Weise (sexuelle Belästigung [2004], geringfügiger Diebstahl [2007]), danach jedoch sehr schwer straffällig geworden. Das Jugendgericht Bülach verurteilte ihn am 25. Mai 2010 zu 36 Monaten Freiheitsentzug wegen versuchter Tötung, Diebstahls, versuchten Diebstahls und Widerhandlung gegen das Waffengesetz (aufgeschoben zugunsten von Schutzmassnahmen). Er liess sich weder von den verschiedenen früheren Sanktionen beeindrucken, noch von den von ihm angerufenen familiären Beziehungen davon abhalten, ein schweres Gewaltdelikt mit Gefährdungen von Leib und Leben eines Dritten zu begehen; er stiess seinem Opfer ein "Schmetterlingsmesser" etwa 2.2 Zentimeter unterhalb des rechten Rippenbogens 12 bis 16 Zentimeter tief in den Körper. Während des Massnahmenvollzugs hinderte er mehrfach eine Amtshandlung, liess sich Verstösse gegen das Strassenverkehrsgesetz zuschulden kommen und beging zudem mehrfach Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Handel mit Ritalintabletten).
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2.2.2. Der Beschwerdeführer hat sich im Massnahmenvollzug wenig einsichtig gezeigt. Im psychiatrischen Gutachten, wird darauf hingewiesen, dass sich seine dissozialen Erlebens- und Verhaltensmuster womöglich eher verfestigt hätten; er scheine von einer wirklichen Verantwortungsübernahme weit entfernt; auch wenn er eine gewisse Einsicht mündlich zum Ausdruck gebracht habe, sei angesichts seines Verhaltens zu befürchten, dass seine Erklärungen eher ein sozial erwünschtes Verhalten ausdrückten als ein echtes Problembewusstsein. Die Annahme der Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer sich im Rahmen des Massnahmenvollzugs "weitestgehend" als therapieresistent und nicht bzw. bloss schwer (re) sozialisierbar erwies und deshalb das Risiko neuer schwerwiegender Delikte bestehe, ist nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer floh wiederholt aus dem Massnahmenvollzug und wurde erneut strafbar, was dagegen spricht, dass er tatsächlich eingesehen hat, dass er sein Verhalten ändern muss. Bei der Hinderung einer Amtshandlung versuchte er, sich mit seinen Mittätern in einem entwendeten Auto einer Polizeikontrolle zu entziehen; sie mussten in der Folge durch mehrere Schüsse auf die Räder gestoppt werden.
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2.2.3. Was der Beschwerdeführer hiergegen einwendet, überzeugt nicht: Er tut keine Elemente dar, die einen Entwicklungs- und Reifeprozess bzw. ein tragfähiges Zukunftsprojekt belegen würden, welche geeignet erschienen, die konkretisierte Rückfallgefahr auf ein bei hier aufgewachsenen ausländischen Personen ausländerrechtlich hinzunehmendes Mass zu reduzieren. Seine Einwände beschränken sich darauf, gereift zu sein, wogegen jedoch sein bisheriges Verhalten spricht. Sämtliche Warnungen blieben ohne Erfolg; alle ihm gebotenen Chancen liess er ungenutzt. Seine Abschlussprüfung im Bereich Metallbau dürfte er inzwischen - nach einem ersten Scheitern - wiederholt haben, sodass er beruflich auch in seiner Heimat ein Auskommen finden wird. Er hat zu dieser über Ferienbesuche seine Beziehungen aufrechterhalten; unbestrittenermassen leben seine Grossmutter mütterlicherseits und zwei seiner Tanten immer noch dort, was seine Eingliederung entgegen seinen Behauptungen erleichtern dürfte; im Übrigen lebt er auch in der Schweiz bei seinen Grosseltern und nicht bei den Eltern. Der Beschwerdeführer spricht Deutsch, Spanisch sowie etwas Portugiesisch; mit den kulturellen Aspekten Brasiliens und Südamerikas ist er über die Kreise, in denen er hier verkehrt hat, vertraut; es kann somit nicht gesagt werden, dass ihn nur noch seine Staatsbürgerschaft mit dem Heimatland verbinden würde. Die Behauptung, künftig mit seiner Schweizer Freundin (chilenischer Abstammung) zusammen leben zu wollen, substanziiert er in keiner Weise; diese musste im Übrigen mit Blick auf sein Verhalten davon ausgehen, dass sie die Beziehung zu ihm gegebenenfalls nicht hier würde leben können.
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Erwägung 3
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
1.2. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
 
2. 
 
2.1. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
2.2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 20. Juli 2015
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar
 
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