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Informationen zum Dokument  BGer 9C_255/2015  Materielle Begründung
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BGer 9C_255/2015 vom 17.07.2015
 
{T 0/2}
 
9C_255/2015
 
 
Urteil vom 17. Juli 2015
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
 
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless,
 
Gerichtsschreiber Schmutz.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Pierre Heusser,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV, Molkenstrasse 5/9, 8004 Zürich,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Ergänzungsleistung zur AHV/IV (Rückerstattung),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Februar 2015.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. A.________, geboren 1963, bezog seit September 2001 eine ganze Invalidenrente (mitsamt zwei Kinderrenten). Seit 2003 erhält sie Zusatzleistungen zur AHV/IV. Diese wurden bis Juli 2007 gemeinsam mit beiden Kindern berechnet, ab August 2007 nur noch mit der 1990 geborenen Tochter. Diese liess sich zur Kauffrau mit Eidgenössischem Fachausweis ausbilden. Die Tochter informierte das Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Zürich (nachfolgend: Amt) am 15. August 2011 darüber, dass die Schule keine Praktikumsstelle für sie gefunden habe. Sie werde nun alleine weiter suchen. Mit Schreiben vom 20. Februar 2012 teilte A.________ dem Amt mit, sobald die Operationen der Tochter vorbei seien, werde diese ein Praktikum absolvieren oder weiter zur Schule gehen.
1
A.b. Am 4. Juli 2012 fragte das Amt schriftlich nach, ob die Tochter weiterhin die Schule besuche, ob sie ein Praktikum absolviert oder eine Arbeitsstelle gefunden habe. Am 18. Juli 2012 teilte A.________ dem Amt mit, dass für die Tochter bereits seit August 2011 kein Anspruch auf eine Kinderrente mehr bestehe. In der Folge berechnete das Amt den Anspruch auf Zusatzleistungen für die Zeit vom 1. August 2011 bis 31. August 2012 neu. Mit Verfügung vom 28. August 2012 forderte es einen Betrag von Fr. 25'900.- zurück. Die dagegen erhobene Einsprache wies es mit Entscheid vom 16. November 2012 ab.
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A.c. A.________ stellte am 23. Januar 2013 ein Gesuch um Erlass der Rückerstattung. Mit Verfügung vom 22. April 2013 und Einspracheentscheid vom 11. Juni 2013 wies das Amt das Gesuch ab.
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B. Die von A.________ eingereichte Beschwerde, die sich u.a. gegen die Abweisung des Erlassgesuches richtete, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich diesbezüglich mit Entscheid vom 27. Februar 2015 ab.
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C. A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, Ziff. 1 des vorinstanzlichen Dispositivs sei teilweise aufzuheben. Das Amt sei zu verpflichten, ihr die Rückerstattungsforderung über Fr. 25'900.- zu erlassen. Das Amt sei zudem zu verpflichten, die verrechnungsweise zurückbehaltenen Rückerstattungsbeträge nachzuzahlen.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Gemäss Art. 43 Abs. 1 ATSG prüft der Versicherungsträger die Begehren, nimmt die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vor und holt die erforderlichen Auskünfte ein. Diese Untersuchungspflicht dauert so lange, bis über die für die Beurteilung des streitigen Anspruchs erforderlichen Tatsachen hinreichende Klarheit besteht. Bleiben erhebliche Zweifel an der Vollständigkeit und/oder Richtigkeit der getroffenen Tatsachenfeststellung bestehen, ist weiter zu ermitteln, soweit von zusätzlichen Abklärungsmassnahmen noch neue wesentliche Erkenntnisse erwartet werden können (Urteil 8C_364/2007 vom 19. November 2007 E. 3.2 mit Hinweisen). Welche konkreten Abklärungsmassnahmen für eine rechtsgenügliche Sachverhaltsermittlung geboten sind, lässt sich angesichts der Besonderheiten jedes einzelnen Falles nicht allgemein sagen. Die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes ist eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht im Rahmen der den Parteien obliegenden Begründungs- bzw. Rügepflicht frei prüft (Art. 95 lit. a und Art. 106 Abs. 1 BGG; Urteil 9C_63/2012 vom 17. September 2012 E. 1.3).
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1.2. Es stellt sich die Frage, ob der Beschwerdegegner aufgrund der Offizialmaxime verpflichtet gewesen wäre, nach den Meldungen der Tochter (am 15. August 2011) und der Mutter (am 20. Februar 2012; Eingang ungewiss) weitere Untersuchungsmassnahmen zu treffen. Für die Beschwerdeführerin ist es keine grobfahrlässige Verletzung der Informationspflicht, wenn sie nicht explizit den Wegfall der Kinderrente gemeldet habe, sondern lediglich den Wegfall deren Voraussetzung. Letzteres müsse genügen, da der Beschwerdegegner als fachlich spezialisierte Institution von selber hätte darauf kommen müssen, dass die Kinderrente nun wegfalle. Er wäre darum verpflichtet gewesen, weitere Abklärungen zu treffen.
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1.3. Wie oben ausgeführt, hat die Behörde (nur) weiter zu ermitteln, wenn erhebliche Zweifel an der Vollständigkeit der getroffenen Tatsachenfeststellung bestehen und soweit von Abklärungsmassnahmen noch neue wesentliche Erkenntnisse erwartet werden können. Die Voraussetzungen dafür waren hier nicht gegeben, weil die Mitteilung der Tochter, sie suche nun selber eine Praktikumsstelle, nicht als Mitteilung eines Ausbildungsabbruches gewertet werden kann. Auch die (allfällige) Information durch die Beschwerdeführerin, sobald die Operationen vorbei seien, werde die Tochter ein Praktikum absolvieren oder weiter zur Schule gehen, kann nicht Zweifel daran wecken, dass die Ausbildung nicht weitergeführt werde. Für den Beschwerdegegner war es durchaus naheliegend, zunächst das Weitere abzuwarten, bevor er - mit seinem Schreiben vom 4. Juli 2012 - wieder tätig wurde und der Sachverhalt der Renteneinstellung im Sommer 2011 ans Licht kam.
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Erwägung 2
 
2.1. Gemäss Art. 25 ATSG, der auf Ergänzungsleistungen Anwendung findet (Art. 2 ATSG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 ELG), sind unrechtmässig bezogene Leistungen zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt (Abs. 1 Satz 2).
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2.2. Die Vorinstanz erwog, die Beschwerdeführerin habe beim Wegfall der Kinderrente ohne Weiteres erkennen können (und müssen), dass dies für den Anspruch auf Zusatzleistungen eine Änderung bedeute und damit ein meldepflichtiger Tatbestand vorliege. Dies sei vom Beschwerdegegner in Schreiben zum Voraus klar festgehalten worden. Objektiv liege deshalb eine grobe Fahrlässigkeit vor, weshalb die Ablehnung des Erlassgesuches wegen des Mangels an gutem Glauben zu schützen sei. Zwar mache die Beschwerdeführerin in subjektiver Hinsicht geltend, sie sei psychisch schwer angeschlagen. Es sei ihr jedoch immer möglich gewesen, sich um administrative Belange zu kümmern. So habe sie erforderliche Unterlagen beigebracht und sich gelegentlich telefonisch beim Beschwerdegegner gemeldet, um etwas mitzuteilen oder nachzufragen oder um sich zu beschweren. Das grobfahrlässige Verhalten schliesse den guten Glauben aus, weshalb die Prüfung der Erlassvoraussetzung der grossen Härte sich erübrige.
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2.3. Es ist eine Tatsache, dass Verfügungen des Amtes ein Formular beigeheftet war, in dem ausdrücklich auf die Meldepflicht hingewiesen wurde. Darin war vermerkt, dass jede Änderung der Verhältnisse, welche den Wegfall, die Herabsetzung oder die Erhöhung von Zusatzleistungen zur Folge haben könne, unverzüglich zu melden sei. Die Meldepflicht erstrecke sich auch auf Veränderungen, welche die an den Zusatzleistungen beteiligten Familienmitglieder betreffen würden. Insbesondere zu melden waren die Erhöhung oder Verminderung der Einnahmen und Ausgaben.
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2.4. Dieser Meldepflicht ist die Beschwerdeführerin nicht nachgekommen. Zwar stand sie, wie es in den Akten ausführlich dokumentiert ist, mit dem Beschwerdegegner in permanentem Kontakt, aber die korrekte Meldung des Wegfalls der Kinderrente erfolgte erst mit einer einjährigen Verspätung. Es mag durchaus zutreffen, dass eine frühere Meldung nicht vorsätzlich unterlassen wurde, aber bereits grobe Fahrlässigkeit reicht für die Folge aus. Der vorinstanzliche Schluss, es liege Grobfahrlässigkeit vor, ist auch in Anbetracht des gesundheitlichen Zustandes der Beschwerdeführerin, der gemäss verbindlicher Feststellung der Vorinstanz variiert und sich nicht immer gleich stark auswirkt, rechtens.
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3. Die Beschwerdeführerin lässt darauf hinweisen, aus der Sicht des juristischen Laien hätte eher eine Erhöhung der Zusatzleistungen erfolgen müssen, wenn ein Rentenanspruch weggefallen sei. Mit einer Kürzung habe sie unmöglich rechnen müssen. Dazu ist darauf zu verweisen, dass auch jede Änderung der Verhältnisse, welche die Erhöhung von Zusatzleistungen zur Folge haben könnte, unverzüglich zu melden gewesen wäre (vorne E. 2.3).
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4. Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet. Das vorliegende Urteil erfolgt - unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid, dem das Bundesgericht nichts anzufügen hat - in summarischer Begründung (Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG). Für die Nachzahlung verrechnungsweise zurückbehaltener Leistungen verbleibt kein Raum.
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5. Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 17. Juli 2015
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Glanzmann
 
Der Gerichtsschreiber: Schmutz
 
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