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Informationen zum Dokument  BGer 6B_1130/2014  Materielle Begründung
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BGer 6B_1130/2014 vom 08.06.2015
 
{T 0/2}
 
6B_1130/2014
 
 
Urteil vom 8. Juni 2015
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
 
Gerichtsschreiber Briw.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Kaspar Hemmeler,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Einstellung des Verfahrens; Kosten und Entschädigung (Drohungen),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 8. Oktober 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Beschwerdegegenstand ist der vorinstanzliche Entscheid (Art. 80 Abs. 1 BGG). Auf den Antrag, die Ziff. 4 und 5 der Einstellungsverfügung aufzuheben, ist nicht einzutreten.
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1.2. Die StPO regelt Kosten und Entschädigungen. Entsprechend ist die Beschwerde in Strafsachen gegeben (vgl. BGE 140 IV 213 E. 1.1; 139 IV 206 E. 1).
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1.3. In der Beschwerdebegründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Vor Bundesgericht gilt somit das Rügeprinzip, und zwar nicht nur im Rahmen von Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG (unten E. 2.2), sondern auch unter dem Titel der "Rechtsanwendung von Amtes wegen" (Art. 106 Abs. 1 BGG), denn es prüft die bei ihm angefochtenen Entscheide grundsätzlich nur auf Rechtsverletzungen hin, die von den Beschwerdeführern geltend gemacht und begründet werden (Urteil 6B_360/2014 vom 30. Oktober 2014 E. 3.2 [in BGE 140 IV 213 nicht publizierte Erwägung]; BGE 134 II 244 E. 2.1).
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Erwägung 2
 
2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, nach der Vorinstanz habe er vor Ort gesagt, dass er zu ihm (A.________) nach Hause komme und seine Familie umbringe, wobei er zugebe, dass er diese Drohungen nicht vor Ort, sondern erst später im Spital in Anwesenheit der Polizei ausgesprochen habe. Die Vorinstanz unterlasse es gänzlich, Ausführungen dazu zu machen, in welchem physischen und psychischen Zustand er sich befunden habe, weshalb und durch wen die Polizei alarmiert wurde und unter welchen Umständen er im Spital die Drohung geäussert haben solle.
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2.2. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 134 IV 36 E. 1.4.1; zum Begriff der Willkür BGE 138 I 305 E. 4.3; 137 I 1 E. 2.4). Die Willkürrüge muss in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Es gilt das strenge Rügeprinzip. Auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 140 III 264 E. 2.3; 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 II 489 E. 2.8).
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2.2.1. Der Beschwerdeführer anerkennt jedenfalls im Ergebnis, dass er im Spital in Anwesenheit der Polizei die Drohungen ausgestossen hat (oben E. 2.1, letzter Absatz; Urteil S. 5). Eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung ist weder dargetan noch ersichtlich.
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2.2.2. Weiter bezieht sich die Vorinstanz auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft, "dass der Hauptpunkt des Strafverfahrens die fraglichen Drohungen gewesen seien, was auch zur Annahme des Haftgrundes gemäss Art. 221 Abs. 2 StPO geführt habe. Eine Aufsplittung der Kosten auf die einzelnen Tatbestände sei nicht möglich. Die kausale Kostenverursachung sei über die fraglichen Drohungen entstanden" (Urteil S. 5, E. 4.2).
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2.2.3. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass der Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts zu entnehmen ist, dass dieses "aufgrund der Aussagen [von A.________] und der Tatsache, dass [der Beschwerdeführer] mehrfach einschlägig vorbestraft sei, überzeugt gewesen ist, dass die Drohungen von Seiten [des Beschwerdeführers] stattgefunden haben und die Gefahr bestehe, dass er diese Drohungen in die Tat umsetzen würde, wenn er die Gelegenheit dazu hätte" (Beschwerde S. 10).
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Erwägung 3
 
3.1. Wird das Verfahren eingestellt oder die beschuldigte Person freigesprochen, so können die Verfahrenskosten ganz oder teilweise auferlegt werden, "wenn sie rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat" (Art. 426 Abs. 2 StPO). Diese Bestimmung kodifiziert die Praxis des Bundesgerichts und der EMRK-Organe, wonach eine Kostenauflage möglich ist, wenn die beschuldigte Person in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise gegen eine geschriebene oder ungeschriebene Verhaltensnorm (insbesondere im Sinne von Art. 41 OR oder Art. 28 ZGB) klar verstossen und dadurch die Einleitung des Strafverfahrens veranlasst hat (Urteil 6B_990/2013 vom 10. Juni 2014 E. 1.2). Unter denselben Voraussetzungen können ihr auch die Entschädigung für die Ausübung ihrer Verfahrensrechte und die erlittenen wirtschaftlichen Einbussen sowie die Genugtuung für erstandene Haft ganz oder teilweise verweigert werden (Art. 429 Abs. 1 lit. a - c i.V.m. Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO; ausführlich Urteil 6B_499/2014 vom 30. März 2015 E. 2.1).
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3.2. Die Drohung des Beschwerdeführers, "dass er zu ihm nach Hause komme und seine Familie umbringe", ist eine massive Todesdrohung. In der Einstellungsverfügung vom 16. Juli 2014 wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe gegen A.________ massive Drohungen ausgesprochen und diese in Anwesenheit der Polizei wiederholt. Er verängstigte A.________. Dieser sorgte sich um sein eigenes Leben und um das Wohlbefinden seiner Familie (act. 897).
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3.3. Die vorinstanzliche Annahme im Eventualstandpunkt, die anderen Verhaltensweisen (Beschimpfung und Tätlichkeit respektive einfache Körperverletzung) seien ebenfalls persönlichkeitsverletzend (Urteil S. 6), ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Bleibt indessen die Hauptbegründung bestehen (oben E. 3.2), ist auf die Anfechtung der Eventualbegründung nicht mehr einzutreten (vgl. Urteil 6B_1137/2014 vom 19. Mai 2015 E. 3.2.2).
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3.4. Auch die weiteren Vorbringen sind unbegründet.
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3.4.1. Der Beschwerdeführer bringt zur "Entschädigung in der Höhe der vom Verteidiger eingereichten Kostennote von Fr. 11'741.75" vor, diese sei ihm "für die Ausübung der Verfahrensrechte zuzusprechen" (oben Bst. C). Das nicht substanziierte Vorbringen genügt den Begründungsanforderungen gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG nicht und erweist sich als nicht nachvollziehbar, so dass darauf nicht eingetreten werden kann. Auch aus diesem Grund (sowie oben E. 3.2) ist nicht zu prüfen, in welchem Umfang der Aufwand gegebenenfalls zu entschädigen wäre (vgl. Urteil 6B_336/2014 vom 6. Februar 2015 E. 2.2).
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3.4.2. Der Beschwerdeführer behauptet, die Haft sei rechtswidrig gewesen (oben E. 2.1, zweiter Absatz). Dem Urteil ist indessen nichts zu einer rechtswidrig angewandten Zwangsmassnahme zu entnehmen, und der Beschwerdeführer macht nicht geltend, er hätte eine Haftentschädigung beantragt (Art. 431 StPO; vgl. zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehenes Urteil 6B_385/2014 vom 23. April 2015 E. 3).
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Erwägung 4
 
 
Erwägung 5
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 8. Juni 2015
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Der Gerichtsschreiber: Briw
 
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