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Informationen zum Dokument  BGer 8C_907/2014  Materielle Begründung
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BGer 8C_907/2014 vom 01.06.2015
 
8C_907/2014 {T 0/2}
 
 
Urteil vom 1. Juni 2015
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
 
Bundesrichter Ursprung,
 
Bundesrichterin Heine,
 
Gerichtsschreiber Nabold.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Pfändler,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Unfallversicherung Stadt Zürich, Stadelhoferstrasse 33, 8001 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung (Arbeitsunfähigkeit),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
 
vom 3. November 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Die 1982 geborene A.________ war als Polizistin der Stadtpolizei Zürich bei der Unfallversicherung der Stadt Zürich gegen die Folgen von Unfällen versichert, als sie sich am 10. März 2009 bei einem Fallschirmsprung Verletzungen zuzog. Die Unfallversicherung anerkannte ihre Leistungspflicht für die Folgen dieses Ereignisses und erbrachte die gesetzlichen Leistungen, stellte diese jedoch mit Verfügung vom 14. Dezember 2011 und Einspracheentscheid vom 13. August 2012 per 22. November 2011 ein.
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B. Gegen diesen Einspracheentscheid erhob A.________ Beschwerde vor dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich. Ein im Anschluss an die Verhandlung vom 14. April 2014 gegen den Instruktionsrichter erhobenes Ausstandsbegehren wies das Gericht mit Entscheid vom 11. August 2014 ab. Daraufhin wies das kantonale Gericht die Beschwerde mit Entscheid vom 3. November 2014 unter Mitwirkung des Instruktionsrichters ab.
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C. Mit Beschwerde beantragt A.________, ihr seien unter Aufhebung des Einsprache- und des kantonalen Gerichtsentscheides die gesetzlichen Leistungen zuzusprechen, insbesondere Taggelder basierend auf einer Arbeitsunfähigkeit von 20 %, eventuell eine entsprechende Rente, sowie eine Integritätsentschädigung von 10 % sowie Heilbehandlung. Eventuell sei die Vorinstanz anzuweisen, eine öffentliche Verhandlung mit Zeugenbefragung durchzuführen. Schliesslich sei die Beschwerdegegnerin zur Übernahme der Kosten für das Gutachten der lic. phil. B.________ im Betrag von F. 1'956.80 zu verpflichten.
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Erwägungen:
 
1. Mit Entscheid vom 11. August 2014 wies die Vorinstanz ein Ausstandsgesuch gegen den kantonalen Instruktionsrichter ab. Anders als gewöhnliche Zwischenentscheide (vgl. Art. 93 Abs. 3 BGG) sind Zwischenentscheide, welche die Zuständigkeit oder ein Ausstandsbegehren betreffen, sofort anzufechten; diese Entscheide können später nicht mehr angefochten werden (Art. 92 Abs. 2 BGG). Soweit mit der vorliegenden Beschwerde erneut eine Befangenheit des kantonalen Instruktionsrichter geltend gemacht wird, ist darauf somit nicht einzutreten.
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Erwägung 2
 
2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
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2.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
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3. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe ihre Rechte dadurch verletzt, dass sie nach der Instruktionsverhandlung vom 14. April 2014 keine öffentliche Verhandlung angesetzt habe.
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3.1. Nach Art. 6 Ziff. 1 Satz 1 EMRK hat - unter Vorbehalt der in Satz 2 derselben Bestimmung genannten Ausnahmen - jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht gehört wird, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat.
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3.2. Das erstinstanzliche Sozialversicherungsgericht hat grundsätzlich eine öffentliche Verhandlung anzuordnen, wenn eine solche beantragt wird. Der Antrag auf eine öffentliche Verhandlung im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK muss klar und unmissverständlich gestellt werden. Verlangt eine Partei beispielsweise lediglich eine persönliche Anhörung oder Befragung, ein Parteiverhör, eine Zeugeneinvernahme oder einen Augenschein, liegt bloss ein Beweisantrag vor, welcher das kantonale Gericht noch nicht zur Durchführung einer öffentlichen Verhandlung verpflichtet (BGE 122 V 47 E. 3a S. 55 mit Hinweisen).
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3.3. Die Beschwerdeführerin beantragt, es sei eine öffentliche Verhandlung mit Einvernahme ihrer Vorgesetzten, ihrer Mitarbeiter und ihren Angehörigen als Zeugen durchzuführen. Ein solcher Antrag ist als Beweisantrag zu qualifizieren. Die Vorinstanz durfte daher von einer öffentlichen Verhandlung absehen, ohne eine Konventionsverletzung zu begehen (vgl. auch Urteil 8C_818/2007 vom 6. August 2008 E. 3). Somit braucht nicht näher geprüft zu werden, ob das prozessuale Verhalten der Beschwerdeführerin vor kantonalem Gericht insgesamt auf eine Absicht zur Verfahrensverzögerung schliessen lässt und die Vorinstanz auch aus diesem Grund auf die Ansetzung einer Verhandlung verzichten durfte (vgl. dazu Urteil 8C_273/2013 vom 20. Dezember 2013 E. 1.3).
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Erwägung 4
 
4.1. Materiell streitig sind die Leistungsansprüche der Versicherten für die Zeit ab 23. November 2011. Vorinstanz und Beschwerdegegnerin gingen davon aus, es bestehe in dieser Zeit keine unfallbedingte Einschränkung in der Arbeitsfähigkeit mehr; gleichzeitig verneinten sie eine entschädigungspflichtige Einbusse in der Integrität. Entgegen den Ausführungen der Versicherten ist somit nicht in erster Linie die Unfallkausalität streitig, sondern der Bestand gesundheitlicher Beeinträchtigungen.
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4.2. Das kantonale Gericht hat in umfassender Würdigung der medizinischen Akten, insbesondere aber gestützt auf das interdisziplinäre Gutachten des Dr. med. C.________, Facharzt für Neurologie FMH, und des Prof. Dr. rer. nat. D.________, zertifizierter neuropsychologischer Gutachter SIM, vom 15./22. November 2011 festgestellt, dass die Beschwerdeführerin in der Zeit ab dem 23. November 2011 in der Lage war, ihrer angestammten Tätigkeit als Verkehrspolizistin mit einem vollen Pensum und ohne Leistungseinschränkungen nachzugehen. Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, vermag auch keine geringen Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der fachärztlichen Schlussfolgerungen zu begründen: Da Dr. med. C.________ unbestrittenermassen die MRI-Aufnahmen vom 14. Juli 2009 vorlagen, ist nicht ersichtlich, welchen Nutzen für die vorliegend streitigen Belange ein Beizug der kurz nach dem Unfall vom 10. März 2009 in den USA angefertigten Bilder gehabt hätte (vgl. zu dieser Problematik auch Urteil 8C_252/2014 vom 5. August 2014 E. 3.4 mit weiteren Hinweisen). Gemäss den Angaben des Neuropsychiaters liessen sich keine klinisch relevanten neuropsychologischen Funktionsbeeinträchtigungen objektivieren, welche im Zusammenhang mit der Hirnverletzung vom 10. März 2009 stehen könnten. Die von der Versicherten berichteten subjektiven kognitiven Beeinträchtigungen können gemäss den fachärztlichen Ausführungen mit neuropsychologischen Untersuchungsmethoden zum Vorneherein nicht erfasst werden. Somit spricht der Umstand, dass die Arbeitsschichten der Versicherten teilweise bis zu zwölf Stunden dauern, die Tests aber nicht bei einer entsprechend langen Beanspruchung durchgeführt wurden, nicht gegen die Schlüssigkeit der neuropsychologischen Abklärungen. Da es sich hierbei in erster Linie um eine medizinische Frage handelt und sich zudem die Anforderungen, welchen eine Verkehrspolizistin genügen muss, mit hinreichender Klarheit aus den Akten ergeben, hat die Vorinstanz zu Recht den Antrag auf Einvernahme ihrer Vorgesetzten und Mitarbeitern als Zeuge in antizipierter Beweiswürdigung (BGE 130 II 425 E. 2.1 S. 428 f.) abgewiesen.
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4.3. Konnte die Beschwerdeführerin somit spätestens ab dem 23. November 2011 ihrer angestammten Tätigkeit wieder voll nachgehen, so bestand nach diesem Datum auch nicht mehr die Aussicht, durch eine Fortsetzung der ärztlichen Behandlung noch eine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes zu erzielen. Somit durfte die Unfallversicherung ihre vorübergehenden Leistungen (Taggeld, Heilbehandlung) auf dieses Datum hin abschliessen; eine Invalidenrente ist bei einer vollen Arbeitsfähigkeit in ihrer angestammten Tätigkeit ohne weiteres zu verneinen. Die Versicherte vermag zudem in ihrer Beschwerdeschrift nicht darzutun, inwiefern sie eine entschädigungspflichtige Einbusse in ihrer Integrität erlitten haben sollte. Einsprache- und kantonaler Gerichtsentscheid bestehen demnach zu Recht; die Beschwerde ist abzuweisen.
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5. Die Kosten eines von der versicherten Person veranlassten Gutachtens sind vom Versicherungsträger dann zu übernehmen, wenn sich der Sachverhalt erst aufgrund des neu beigebrachten Untersu-chungsergebnisses schlüssig feststellen lässt und dem Unfallversiche-rer insoweit eine Verletzung der ihm im Rahmen des Untersuchungs-grundsatzes obliegenden Pflicht zur rechtsgenüglichen Sachverhalts-abklärung vorzuwerfen ist (RKUV 2004 Nr. U 503 S. 186, U 282/00  E. 5.1). Dies ist vorliegend nicht der Fall, so dass dem Antrag auf Übernahme der Kosten des Berichts der lic. phil. B.________ vom 21. März 2012 durch die Beschwerdegegnerin nicht stattzugeben ist.
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6. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 1. Juni 2015
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Leuzinger
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold
 
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