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Informationen zum Dokument  BGer 1C_33/2015  Materielle Begründung
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BGer 1C_33/2015 vom 01.06.2015
 
{T 0/2}
 
1C_33/2015
 
 
Urteil vom 1. Juni 2015
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Merkli, Chaix,
 
Gerichtsschreiberin Gerber.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Einwohnergemeinde Erlinsbach,
 
Beschwerdegegnerin, handelnd durch den Gemeinderat Erlinsbach, dieser vertreten
 
durch Rechtsanwalt Dr. Beat Ries,
 
Stadtrat Aarau,
 
Regierungsrat des Kantons Aargau.
 
Gegenstand
 
Baubewilligung,
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 20. November 2014 des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 3. Kammer.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
D.
 
 
E.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
2.1. Die Bau- und Nutzungsordnung der Stadt Aarau vom 24. März 2003 (BNO) unterscheidet Bauzonen (Ziff. 3.1), Landwirtschaftszonen (Ziff. 3.2) und überlagerte Schutzzonen und Schutzobjekte (Ziff. 3.3). Innerhalb der Bauzonen differenziert sie Wohnzonen (Ziff. 3.1.1), Misch- und Arbeitszonen (Ziff. 3.1.2), die Zone für öffentliche Bauten und Anlagen (Ziff. 3.1.3) und Freihaltezonen/Grünzone (Ziff. 3.1.4). Letztere ist wie folgt geregelt:
1
§ 32 BNO Grünzone
2
2 Der Stadtrat entscheidet, welche Bauten dem Zweck der einzelnen Grünzonen entsprechen. Es bleiben zulässig:
3
a) beim Rüchlig südlich der Aare:
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- Künstlerinnen- resp. Künstlerateliers;
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b) auf der Zurlindeninsel:
6
- standortgebundene Umbauten und Erweiterungen der Kraftwerkanlagen,
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- betriebsnotwendige Verwaltungsbauten bis zu maximal einer Verdoppelung des vorhandenen Bauvolumens;
8
c) vom Zollrain bis zum Storchenturm:
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- kleine gedeckte Gartensitzplätze, Geräteschöpfe, Kleintierställe.
10
3 Der Stadtrat bestimmt die Grundmasse und die weiteren Anforderungen.
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2.2. Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass die Grünzone planungsrechtlich Teil des Baugebiets sei. Dies ergebe sich sowohl aus der Gesetzessystematik als auch aus dem Inhalt von § 32 BNO, der in beschränktem Masse bauliche Tätigkeiten erlaube: Nach Abs. 1 diene die Grünzone "vorwiegend", aber nicht ausschliesslich Zwecken der Freihaltung. Dies betreffe alle Grünzonen und nicht nur die in Abs. 2 beispielhaft aufgezählten Gebiete. Ansonsten wäre der erste Satz von Abs. 2, wonach der Stadtrat entscheide, welche Bauten dem Zweck der einzelnen Grünzonen entsprechen, ohne jeden Gehalt.
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2.3. Der Beschwerdeführer rügt, das Verwaltungsgericht habe § 32 BNO willkürlich ausgelegt und zugleich den bundesrechtlichen Grundsatz der Trennung von Bau- und Nichtbauland verletzt. Entscheidend für die Zuweisung einer Zone zur Bau- oder zur Nichtbauzone sei nicht die Gesetzessystematik, sondern der Inhalt der Zonenbestimmung. § 32 Abs. 2 lit. a-c BNO lege abschliessend die in Grünzonen zulässigen Bauten fest, weshalb in den nicht erwähnten Bereichen keinerlei bauliche Nutzung zulässig sei und ausschliesslich der Freihaltungszweck gelte. Es handle sich deshalb um eine Zone nach Art. 18 Abs. 1 RPG, die dem Nichtbaugebiet zuzuordnen sei, zumal das vorliegend streitige Gebiet im Westen unmittelbar an die Landwirtschaftszone angrenze. Das Bauvorhaben hätte daher nur gemäss Art. 24 RPG bewilligt werden dürfen. Dessen Voraussetzungen lägen nicht vor, insbesondere sei keine umfassende Interessenabwägung vorgenommen worden. Es fehle auch an der Standortgebundenheit, weil die streitige Anlage ohne Weiteres in der östlich gelegenen Zone für öffentliche Bauten und Anlagen hätte untergebracht werden können. Der Beschwerdeführer bestreitet, dass eine seriöse Evaluation alternativer Standorte vorgenommen worden sei.
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2.4. Art. 24 RPG ist für Baubewilligungen ausserhalb der Bauzonen anwendbar. Zu prüfen ist daher, ob es sich bei der Grünzone um eine besondere Zone innerhalb oder ausserhalb des Siedlungsgebiets handelt. Dabei kommt es weniger auf die Bezeichnung (als Grünzone, Freihalte- oder Erholungszone), sondern auf ihren Zweck und ihre Lage an: Liegt die Zone innerhalb des Siedlungsgebiets und dient sie dessen Gliederung, dem Erhalt von Grünflächen i.S.v. Art. 3 Abs. 3 lit. e RPG oder dem Schutz ökologisch wertvoller Elemente innerhalb des Siedlungsgebiets, gehört sie funktionell zum Baugebiet. Bauvorhaben sind daher nach Massgabe der kommunalen Zonenvorschriften bzw. der (kommunalen oder kantonalen) Ausnahmevorschriften zu beurteilen (Art. 22 f. RPG) und nicht nach Art. 24 RPG (BGE 116 Ib 377 E. 2a S. 378; Urteil 1A.22/2004 vom 1. Juli 2004 E. 1.2; WALDMANN/HÄNNI, Handkommentar RPG, Bern 2006, Art. 18 N. 26 und 28; BRANDT/MOOR, in: Aemisegger/Kuttler/Moor/Ruch [Hrsg.], RPG-Kommentar, Art. 18 N. 24; vgl. auch Urteil 1C_14/2013 vom 14. Oktober 2013 E. 2.3 zu sogenannten "innenliegenden" Freihaltezonen des Zürcher Rechts, die Teil des Siedlungsgebiets bilden und in denen Art. 24 RPG lediglich durch Verweis nach § 40 Abs. 1 Satz 2 PBG/ZH als kantonales Recht zur Anwendung gelangt). Sind Freihaltezonen dagegen dazu bestimmt, spezifische Nutzungsbedürfnisse ausserhalb der Bauzone abzudecken (z.B. Erholungsgebiete), so handelt es sich um Nichtbauzonen, für die Art. 24 RPG zum Zuge kommt (BGE 118 Ib 503 E. 5c S. 507; WALDMANN/HÄNNI Art. 18 N. 5 S. 430; BRANDT/MOOR, a.a.O. N. 44 ff.).
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2.4.1. Nach aargauischem Konzept liegen Grünzonen innerhalb des Siedlungsgebiets und gehören insofern zum Bauzonenplan; es handelt sich um bewusste Baulücken im Siedlungsgebiet ( CHRISTIAN HÄUPTLI, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Aargau, Bern 2013, § 15 N. 98 f. mit Hinweisen).
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2.4.2. Dieser Konzeption folgt auch die BNO der Stadt Aarau: Die Grünzone wird ausdrücklich zu den Bauzonen (i.S.v. Ziff. 3.1 BNO) gezählt und nicht zur Landwirtschaftszone (wie beispielsweise die Wildparkzone Roggenhausen). § 32 Abs. 2 BNO lässt zudem ausdrücklich gewisse Bauten und Anlagen in Grünzonen zu. Wie ein Blick auf den Zonenplan zeigt, liegen die Grünzonen der Stadt innerhalb des Siedlungsgebiets und dienen vor allem der Trennung von Wohn- und Waldgebieten, der Begrünung von Ufer- und Strassenbereichen sowie Park- und Gartenanlagen.
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2.4.3. Die vorliegend streitige Grünzone stellt insofern einen Sonderfall dar, als sie am Rand des Siedlungsgebiets von Aarau an der Stadt- und Kantonsgrenze liegt und an die Landwirtschaftszone der beiden Gemeinden Erlinsbach (Aargau und Solothurn) angrenzt. Insofern wäre auch die Zuordnung zum Nichtbaugebiet möglich gewesen. Die Stadt Aarau hat die Parzelle jedoch nicht der Landwirtschafts-, sondern der Grünzone als besonderer Bauzone zugewiesen. Diese Zuordnung kann im Baubewilligungsverfahren nur ausnahmsweise akzessorisch überprüft werden. Ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, kann offenbleiben:
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2.5. Ob ein Bauvorhaben innerhalb der Bauzone zonenkonform ist oder ausnahmsweise bewilligt werden kann, beurteilt sich nach selbstständigem kantonalem bzw. kommunalem Recht. Dessen Auslegung und Anwendung prüft das Bundesgericht grundsätzlich nur unter dem Blickwinkel des Willkürverbots.
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2.5.1. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts, wonach § 32 Abs. 2 lit. a-c BNO keine abschliessende Aufzählung der in den Grünzonen zulässigen Bauten enthält, sondern der Stadtrat (unter gewissen Voraussetzungen) auch Bauten und Anlagen in den nicht ausdrücklich aufgezählten Grünzonen bewilligen kann, lässt sich auf den ersten Satz von Abs. 2 stützen (der sonst überflüssig erschiene) und widerspricht auch nicht offensichtlich Abs. 1, der die Freihaltung lediglich als überwiegenden Zweck nennt. Die vom Verwaltungsgericht aus dem Freihaltezweck abgeleiteten Kriterien für die Ermessensausübung des Stadtrats verhindern, dass unbeschränkt Bauten und Anlagen in Freihaltungszonen bewilligt werden dürfen. Unter diesen Umständen liegt jedenfalls keine Willkür vor.
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2.5.2. Auch die Anwendung der so ausgelegten Norm prüft das Bundesgericht grundsätzlich nur auf Willkür hin. Die ausführlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts (in E. 1.4.5) sind unter diesem Blickwinkel nicht zu beanstanden.
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Erwägung 3
 
 
Erwägung 4
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Stadtrat Aarau, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 3. Kammer, und dem Bundesamt für Raumentwicklung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 1. Juni 2015
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Die Gerichtsschreiberin: Gerber
 
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