VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2C_714/2014  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2C_714/2014 vom 15.05.2015
 
{T 0/2}
 
2C_714/2014
 
 
Urteil vom 15. Mai 2015
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Stadelmann, Haag,
 
Gerichtsschreiberin Petry.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. A.B.________,
 
2. C.B.-D.________,
 
Beschwerdeführer,
 
beide vertreten durch Fürsprech X.________,
 
gegen
 
Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern,
 
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern.
 
Gegenstand
 
Aufenthaltsbewilligung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des
 
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
 
vom 11. Juni 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
- Strafbefehl des Bezirksamts Lenzburg vom 25. Mai 2000: Busse von Fr. 200.-- wegen Nichteinholens des schweizerischen Führerausweises, festgestellt am 8. Mai 2000;
1
- Strafbefehl des Bezirksamts Lenzburg vom 18. August 2000: Gefängnisstrafe von sieben Tagen und Busse von Fr. 300.-- wegen Fälschens von Ausweisen und Führens eines Motorfahrzeugs ohne Führerausweis, festgestellt am 20. Mai 2000;
2
- Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 12. März 2002: Zuchthausstrafe von drei Jahren und sechs Monaten sowie unbedingte Landesverweisung von acht Jahren wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, begangen zwischen Dezember 1999 und September 2000, sowie gegen die Waffengesetzgebung, begangen zwischen August und September 2000;
3
- Urteil des Gerichtskreises IV Aarwangen-Wangen vom 29. Juli 2004: Gefängnisstrafe von drei Monaten wegen mehrfachen Fälschens von Ausweisen, begangen am 18. Juni 2004, sowie Verweisungsbruchs, begangen im April 2004.
4
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 139 II 404 E. 3 S. 415). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2 S. 232; 136 II 304 E. 2.5 S. 314).
5
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2 S. 117). Die beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des Sachverhalts unter den gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).
6
 
Erwägung 3
 
3.1. Der Nachzug ausländischer Familienangehöriger von Schweizerinnen und Schweizern wird durch Art. 42 AuG geregelt. Gemäss Art. 42 Abs. 1 AuG hat der ausländische Ehegatte einer Schweizerin Anspruch auf Erteilung und Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, wenn er mit dieser zusammenwohnt. Nach Art. 51 Abs. 1 lit. b AuG erlischt dieser Anspruch, wenn Widerrufsgründe nach Art. 63 AuG vorliegen. Ein solcher Widerrufsgrund ist gegeben, wenn die ausländische Person zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe, d.h. zu einer solchen von mehr als einem Jahr, verurteilt worden ist (Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b AuG; BGE 137 II 297 E. 2.1 S. 299; 135 II 377 E. 4.2 S. 381).
7
3.2. Die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung wegen des Vorliegens von Erlöschensgründen nach Art. 51 AuG setzt eine Verhältnismässigkeitsprüfung voraus (Art. 96 AuG; Urteil 2C_1170/2012 vom 24. Mai 2013 E. 3.2). Da der Beschwerdeführer 1 mit einer Schweizerin verheiratet und Vater von zwei Schweizer Kindern ist, sind vorliegend auch die aus Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV abzuleitenden Anforderungen zu berücksichtigen. Diese Bestimmungen garantieren zwar kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Es kann aber das in Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzen, wenn einer ausländischen Person, deren Familienangehörige sich hier aufhalten, die Anwesenheit untersagt und damit ihr Zusammenleben vereitelt wird (BGE 135 I 143 E. 1.3.1 S. 145; 135 I 153 E. 2.1 S. 154 f.). Das entsprechende, in Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV geschützte Recht ist berührt, wenn eine staatliche Entfernungs- oder Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser möglich bzw. zumutbar wäre, das entsprechende Familienleben andernorts zu pflegen. Der Anspruch gilt aber auch dann nicht absolut: Nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK ist ein Eingriff in das durch Ziff. 1 geschützte Rechtsgut statthaft, soweit er einen Akt bildet, der sich in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, für das wirtschaftliche Wohl des Landes und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesellschaft und Moral sowie der Rechte und Freiheiten anderer als nötig erweist. Die Konvention verlangt, dass die individuellen Interessen an der Erteilung bzw. am Erhalt des Anwesenheitsrechts und der öffentlichen Interessen an dessen Verweigerung gegeneinander abgewogen werden. Das öffentliche Interesse überwiegt, wenn die Massnahme durch ein "herausragendes soziales Bedürfnis" gerechtfertigt und in Bezug auf das rechtmässig verfolgte Ziel verhältnismässig erscheint bzw. einer "fairen" Interessenabwägung entspricht (zum Ganzen BGE 139 I 330 E. 2.1 und 2.2 S. 335 f. mit weiteren Hinweisen).
8
3.3. Eine strafrechtliche Verurteilung verunmöglicht die Erteilung einer (neuen) Aufenthaltsbewilligung nicht zwingend ein für allemal. Soweit der Ausländer, gegen den Fernhaltemassnahmen ergriffen wurden, nach wie vor einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung besitzt und es seinen hier anwesenden nahen Angehörigen nicht zumutbar ist, ihm ins Heimatland zu folgen und dort das Familienleben zu pflegen, kann eine Neubeurteilung angezeigt sein, wenn sich der Betroffene seit der Verurteilung bzw. Strafverbüssung bewährt und er sich über eine angemessene Dauer in seiner Heimat klaglos verhalten hat, so dass eine Integration in die hiesigen Verhältnisse absehbar und eine allfällige Rückfallgefahr vernachlässigbar erscheint (vgl. BGE 130 II 493 E. 5 S. 504; Urteil 2C_995/2014 vom 11. November 2014 E. 3.3).
9
 
Erwägung 4
 
4.1. Die Beschwerdeführer machen im Wesentlichen geltend, es bestehe kein erhebliches öffentliches Interesse mehr an der Fernhaltung des Beschwerdeführers 1. Es müsse von einer Bewährung des Beschwerdeführers 1 ausgegangen werden. Die Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, zu welcher er im Jahr 2002 verurteilt worden sei, beziehe sich auf Straftaten aus dem Jahr 2000. Auch in Bezug auf die Straftaten, die Anlass zum Strafbefehl vom 4. April 2013 gegeben hätten, sei die Fünfjahresfrist abgelaufen, da die Taten in den Jahren 2006-2007 begangen worden seien. Die Straftaten, die zur Verurteilung des Beschwerdeführers 1 im Jahr 2011 Anlass gegeben hätten, seien rein ausländerrechtlicher Natur und könnten die Verweigerung des Familiennachzugs nicht rechtfertigen.
10
4.2. Die Beschwerdeführer verkennen, dass der Ablauf der fünfjährigen ausländerrechtlichen Bewährungsfrist nicht automatisch das Dahinfallen der Erlöschensgründe zur Folge hat. Wie die Vorinstanz unter Verweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zutreffend ausführt, rechtfertigt zwar der Ablauf der Fünfjahresfrist eine Neubeurteilung des Anspruchs auf Familiennachzug nach den Art. 42 ff. AuG; dies bedeutet aber nicht, dass die früheren Straftaten durch den Zeitablauf bereits derart an Gewicht verloren haben, dass sie als Erlöschensgründe ausser Betracht fallen. Vielmehr ist bei der materiellen Beurteilung eine umfassende Güterabwägung vorzunehmen, wobei die durch den Zeitablauf nachlassende Wirkung der Erlöschensgründe gegen die privaten Interessen der betroffenen Personen abzuwägen ist (2C_1170/2012 vom 24. Mai 2013 E. 3.5.2).
11
4.3. Die Vorinstanz ist denn auch zu Recht davon ausgegangen, dass die ausländerrechtliche Bewährungsfrist in Bezug auf die im Jahr 2002 ausgesprochene Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten abgelaufen und eine neue Prüfung vorzunehmen ist. Das Verwaltungsgericht hat jedoch im Rahmen dieser neuen Prüfung erwogen, der Beschwerdeführer 1 habe sich seit seiner Verurteilung wegen massiver Drogendelinquenz im Jahr 2002 nicht klaglos verhalten. Bis ins Jahr 2010 habe er wiederholt gegen die Schweizerische Rechtsordnung verstossen. Im Jahr 2007 sei er zudem erneut im Betäubungsmittelbereich straffällig geworden. Den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen lässt sich ferner entnehmen, dass der Beschwerdeführer 1 die im Jahr 2004 verhängte Einreisesperre wiederholt missachtet hat. Er wurde insgesamt vier Mal in sein Heimatland ausgeschafft, letztmals am 30. September 2010. Im Jahr 2011 wurde er zudem zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen rechtswidriger Einreise und rechtswidrigem Aufenthalt (begangen im April/Mai 2010) verurteilt.
12
4.4. Das Verwaltungsgericht hat sich auch einlässlich mit den privaten Interessen der Beschwerdeführer auseinandergesetzt. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die familiäre Beziehung des Beschwerdeführers 1 zu seiner hier lebenden Schweizer Ehefrau und seinen beiden Kindern, die ebenfalls das Schweizer Bürgerrecht besitzen. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, fällt im Rahmen der Interessenabwägung ins Gewicht, dass die Beschwerdeführerin 2 zum Zeitpunkt der Eheschliessung Kenntnis von der deliktischen Vergangenheit des Beschwerdeführers 1 und der bestehenden Einreisesperre hatte und daher nicht ohne Weiteres davon ausgehen konnte, das Familienleben in der Schweiz leben zu können. Zu beachten ist auch, dass die (heute 28-jährige) eingebürgerte Ehegattin des Beschwerdeführers 1 wie er selbst aus dem Kosovo stammt und mit den dortigen Verhältnissen vertraut ist. Gemäss den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen fand die Hochzeit der Beschwerdeführer im Kosovo statt. Die Beschwerdeführerin 2 hat ihren Ehemann dort auch regelmässig besucht. Eine Übersiedlung der Ehefrau und der Kinder in den Kosovo zwecks Familienvereinigung wäre zwar mit Schwierigkeiten verbunden. Jedoch erscheint dies in der Gesamtbetrachtung nicht geradezu unzumutbar, zumal die beiden Kinder des Ehepaares noch in einem anpassungsfähigen Alter sind.
13
4.5. Unter Würdigung aller Umstände erscheint es derzeit noch vertretbar, wenn das Verwaltungsgericht das öffentliche Interesse an der Fernhaltung des Beschwerdeführers 1 nach wie vor höher gewichtet als die privaten Interessen an seiner dauerhaften Anwesenheit in der Schweiz.
14
 
Erwägung 5
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 15. Mai 2015
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Die Gerichtsschreiberin: Petry
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).