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Informationen zum Dokument  BGer 1C_604/2014  Materielle Begründung
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BGer 1C_604/2014 vom 12.05.2015
 
{T 0/2}
 
1C_604/2014
 
 
Urteil vom 12. Mai 2015
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Merkli, Chaix,
 
Gerichtsschreiberin Gerber.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Elektra-Genossenschaft Hub-Busswil, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Robert Fürer,
 
gegen
 
Eidgenössisches Starkstrominspektorat ESTI.
 
Gegenstand
 
Plangenehmigung Transformatorenstation Weid in Busswil,
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 5. November 2014 des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
D.
 
 
E.
 
 
F.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
2.1. Wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat, ist zwar formell keine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG erforderlich; dagegen ist der materielle Gehalt dieser Bestimmung als Konkretisierung des Grundsatzes der Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet gemäss Art. 75 Abs. 1 BV und Art. 1 Abs. 1 Satz 1 RPG auch im Plangenehmigungsverfahren zu beachten.
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2.2. Die Vorinstanz verneinte die Zonenkonformität der TS Weid in der Landwirtschaftszone gestützt auf Art. 16a Abs. 1 RPG und Art. 34 der Raumplanungsverordnung vom 28. Juni 2000 (RPV, SR 700.1), auch wenn diese ausschliesslich Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzone versorge. Dem ist zuzustimmen: Die Landwirtschaftszone soll vor Überbauungen möglichst freigehalten werden (Art. 16 Abs. 1 RPG); zonenkonform sind Bauten und Anlagen, wenn sie der bodenabhängigen Bewirtschaftung oder der inneren Aufstockung dienen (Art. 16a Abs. 1 RPG); sie müssen für die in Frage stehende Bewirtschaftung nötig sein und ihnen dürfen am vorgesehenen Standort keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (Art. 34 Abs. 4 lit. a und b RPV). Zwar sind Landwirtschaftsbetriebe auf die Versorgung mit Strom angewiesen; mit Strom versorgt werden aber auch zonenwidrig gewordene Bauten ausserhalb der Bauzone. Die hierfür erforderlichen Infrastrukturanlagen (wie z.B. Transformatorenstationen) sind soweit möglich in der Bauzone unterzubringen. Sie gelten daher in der Bauzone als zonenkonform, auch wenn sie ganz oder überwiegend der Versorgung der Landwirtschaftszone dienen. Sie sind nur dann in der Landwirtschaftszone zu bewilligen, wenn ihr Zweck einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert und keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (entsprechend Art. 24 lit. a und b RPG).
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2.3. Die Standortgebundenheit im Sinne von Art. 24 lit. a RPG ist nach ständiger bundesgerichtlicher Praxis zu bejahen, wenn eine Anlage aus technischen oder betriebswirtschaftlichen Gründen oder wegen der Bodenbeschaffenheit auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen ist (positive Standortgebundenheit) oder wenn ein Werk aus bestimmten Gründen in einer Bauzone ausgeschlossen ist (negative Standortgebundenheit) (vgl. BGE 129 II 63 E. 3.1 S. 68; 124 II 252 E. 4a S. 255 f.; 123 II 256 E. 5a S. 261; BERNHARD WALDMANN/PETER HÄNNI, Raumplanungsgesetz, Kommentar, 2006, Art. 24 N. 8 ff.). Dabei ist nicht erforderlich, dass überhaupt kein anderer Standort in Betracht fällt; es müssen jedoch besonders wichtige und objektive Gründe vorliegen, die den vorgesehenen Standort gegenüber anderen Standorten innerhalb der Bauzone als viel vorteilhafter erscheinen lassen (relative Standortgebundenheit; vgl. BGE 123 II 499 E. 3b/cc S. 509; 115 Ib 472 E. 2d 484; je mit Hinweis; WALTER HALLER/PETER KARLEN, Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht, 3. Aufl., Band I, 1999 S. 195 Rz. 711; WALDMANN/HÄNNI, a.a.O., Art. 24 N. 10). Dies setzt eine Interessenabwägung voraus, die sich mit derjenigen nach Art. 24 lit. b RPG überschneidet (Urteil 1A.186/2002 vom 23. Mai 2003, in: ZBl 105/2004 S. 103; RDAF 2005 I S. 591, E. 3).
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Erwägung 3
 
3.1. Die Vorinstanz ging davon aus, das heutige Versorgungsgebiet (Weid) könne auch von einem Standort in der nur wenige hundert Meter entfernten Bauzone aus versorgt werden, sofern ein 240 mm
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3.1.1. Die Beschwerdeführerin beanstandet zunächst, die Vorinstanz habe ungeprüft auf die Ergebnisse des ESTI abgestellt. Sie habe mit der Beschwerde substanziierte Berechnungen der A.________ AG eingereicht; diese zeigten, dass die Spannungshaltung beim Anschluss Weid 1 von der Bauzone aus nicht eingehalten werden könnte, auch nicht mit einem Kabel von 240 mm2 Durchmesser.
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3.1.2. Weiter bestreitet die Beschwerdeführerin, dass sie die mit der Versorgung aus der Bauzone verbundenen Mehrkosten hinnehmen müsse. Diese betrügen nicht nur Fr. 41'500.--, sondern zusammen mit den Rückbaukosten über Franken 100'000.--. Die Rückbaukosten sind jedoch keine standortbedingten Mehrkosten, sondern wurden durch den vorschnellen Bau der TS Weid ohne Plangenehmigung bedingt (vgl. dazu unten E. 4).
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3.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, nur ein Standort ausserhalb der Bauzone ermögliche es, künftig auch das ausserhalb der Bauzone liegende Gebiet Roset von der TS Weid aus zu versorgen. Dieses werde heute vom Elektrizitätswerk (EW) Sirnach mittels einer 940 m langen Freileitung ab der TS Hauweg versorgt.
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3.2.1. Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, es sei an der Beschwerdeführerin, die künftigen Entwicklungen zu beweisen, auf die sie sich berufe. Dies sei ihr jedoch nicht gelungen, insbesondere seien keine konkreten Umsetzungsschritte belegt worden. Damit erscheine der Zusammenschluss mit dem EW Sirnach zwar nicht ganz unwahrscheinlich; dies genüge aber nicht, um von einem grösseren Versorgungsgebiet auszugehen, als zurzeit von der TS Weid versorgt werde. Anzumerken sei, dass selbst im Falle eines Zusammenschlusses der beiden Stromversorgungen die beiden Gebiete Weid und Roset nicht unbedingt oder jedenfalls nicht sofort von der gleichen Transformatorenstation aus versorgt werden müssten; diese Pläne müssten relativ konkret ausgereift sein, um berücksichtigt werden zu können.
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3.2.2. Da die Lebensdauer einer Transformatorenstation 30 bis 40 Jahre beträgt, erscheint es grundsätzlich geboten, bei der Standortbeurteilung vorhersehbaren künftigen Bedürfnissen und Entwicklungen Rechnung zu tragen, auch wenn noch kein konkretes Projekt vorliegt. Allerdings trifft die Beschwerdeführerin insofern eine Mitwirkungspflicht (Art. 13 VwVG) und die objektive Beweislast.
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§ 7 EG Stromversorgung enthält keine Fristen für den Zusammenschluss; vielmehr wird (in Abs. 1) lediglich bestimmt, dass freiwillige Netzzusammenschlüsse oder Zusammenschlüsse in der Betriebsführung vom Kanton beratend unterstützt werden können. Insofern hängt ein künftiger Zusammenschluss wesentlich vom EW Sirnach bzw. dessen Genossenschaftern ab.
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3.2.3. Näher zu prüfen ist, ob - wie die Beschwerdeführerin behauptet - bereits Leerrohre für die künftige Versorgung des Gebiets Roset von der TS Weid verlegt worden sind, die als erste konkrete Umsetzungsschritte für die Ausweitung des Versorgungsgebiets betrachtet werden könnten.
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3.2.4. Insofern durfte das Bundesverwaltungsgericht davon ausgehen, dass die Beschwerdeführerin den ihr obliegenden Nachweis künftiger Entwicklungen, welche den gewählten Standort als viel vorteilhafter erscheinen liessen als einen Standort in der Bauzone, nicht erbracht hat.
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3.3. Zwar läge es im Interesse des Landschaftsschutzes und der Freihaltung der Landwirtschaftszone von Infrastrukturbauten, die bestehende Freileitung zwischen dem EW Sirnach und Roset durch eine unterirdische Versorgungsleitung ab der TS Weid zu ersetzen. Sollte die Freileitung dagegen längerfristig bestehen bleiben oder eine neue Transformatorenstation ausserhalb der Bauzone für die Versorgung des Gebiets Roset ab dem EW Sirnach gebaut werden, wäre die TS Weid nicht standortgebunden, sondern würde eine zusätzliche und unnötige Überbauung der Landwirtschaftszone bedeuten.
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Erwägung 4
 
 
Erwägung 5
 
5.1. Die Beschwerdeführerin macht in erster Linie geltend, das öffentliche Interesse am Rückbau der TS Weid sei gering, weil deren Volumen im Vergleich zu den Wohn- und Ökonomiegebäuden in der Umgebung klein sei; zudem habe sich schon bisher eine auffälligere Transformatorenstation an der Rosetstrasse befunden. Demgegenüber seien die privaten Interessen der Beschwerdeführerin erheblich. Ihr entstünden Mehrkosten von über Fr. 100'000.--: Fr. 41'500 für die Verstärkung des Kabels und Fr. 70'000.-- für den Rückbau. Ihr werde zudem ein wesentlicher Verhandlungsvorteil beim geplanten Zusammenschluss mit dem EW Sirnach genommen, weil die TS Weid von einem Standort in der Bauzone aus künftig den Weiler Roset nicht mitversorgen könne.
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5.2. Die Vorinstanz bejahte die Verhältnismässigkeit des Rückbaus zur Durchsetzung des Prinzips der Trennung von Bau- und Nichtbauzone. Angesichts der unzähligen Transformatorenstationen, die in der Schweiz erforderlich seien, hätte der Verzicht auf die Wiederherstellung eine enorme präjudizielle Wirkung. Es handle sich auch nicht um eine leichte Rechtsverletzung, weil die neue Station zwar besser in die Landschaft eingegliedert sei als die frühere Station, aber immer noch freistehend und deutlich sichtbar sei.
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5.3. Diese Erwägungen überzeugen. Die Trennung des Baugebiets vom Nichtbaugebiet gehört zu den wichtigsten Prinzipien des Raumplanungsrechts (BGE 132 II 21 E. 6.4 S. 40 mit Hinweis). Ins Gewicht fällt auch das öffentliche Interesse an einem ordentlichen Vollzug des Bau-, Planungs- und Umweltrechts durch die Kantone und den Bund (Urteil 1C_397/2007 vom 27. Mai 2008, in: URP 2008 S. 590; RDAF 2009 I S. 521, E. 3). Die Beschwerdeführerin war bei der Erstellung der neuen Station bösgläubig, weil sie wusste, dass sie mit dem Bau erst nach Vorliegen einer rechtsgültigen Plangenehmigung beginnen durfte (oben E. 4). Zwar kann sie sich trotzdem auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit berufen; die Behörden dürfen jedoch aus grundsätzlichen Erwägungen, nämlich zum Schutz der Rechtsgleichheit und der baurechtlichen Ordnung, dem Interesse an der Wiederherstellung erhöhtes Gewicht beimessen und die der Bauherrschaft erwachsenden Nachteile nicht oder nur in verringertem Masse berücksichtigen (BGE 132 II 21 E. 6.4 S. 39 f.; 123 II 248 E. 4a S. 255). Würde aufgrund der geringen Grösse der Baute auf die Wiederherstellung verzichtet, könnte dies als Signal verstanden werden, dass Transformatorenstationen und andere Kleinbauten folgenlos ausserhalb der Bauzone errichtet werden können, trotz fehlender Bewilligung und Standortabklärung. Dies gilt es zu vermeiden.
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5.4. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn die Notwendigkeit eines Standorts der TS Weid ausserhalb der Bauzone für die künftige Versorgung des Weilers Roset in einem Wiedererwägungsgesuch belegt werden könnte (oben E. 3.3). Zwar ist dem ESTI zuzustimmen, dass auch ausserhalb der Bauzone weitere Alternativstandorte hätten geprüft werden müssen, und es aus raumplanerischer Sicht vorzuziehen wäre, die TS Weid in ein bestehendes Gebäude zu integrieren (z.B. Hof Taneweid) oder daran anzubauen. Der Grundsatz der Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet wäre aber in diesem Fall nicht verletzt und die negative Präjudizwirkung entfiele aufgrund des neuen Gesuchs. Insgesamt würde die Landschaft durch den Abbau der Freileitung entlastet. Unter diesen Umständen wäre es unverhältnismässig, auf dem Abbruch der bestehenden TS Weid zu beharren; es würde vielmehr genügen, in der Plangenehmigungsverfügung festzuhalten, dass der Standort im Fall eines Ersatzes oder einer wesentlichen Änderung neu zu prüfen sei.
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5.5. Die angesetzte Frist von einem Jahr ab Rechtskraft der Verfügung beginnt erst mit dem heutigen Entscheid zu laufen, weshalb es sich erübrigt, sie zu verlängern. Sie lässt der Beschwerdeführerin genügend Zeit, um ein neues Plangenehmigungsgesuch einzureichen, sei es für eine neue Station innerhalb der Bauzone oder (zusammen mit dem EW Sirnach) für ein Wiedererwägungsgesuch am selben Standort.
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Erwägung 6
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
 
4. Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Eidgenössischen Starkstrominspektorat ESTI, dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, und dem Bundesamt für Raumentwicklung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 12. Mai 2015
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Die Gerichtsschreiberin: Gerber
 
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