VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 1C_24/2015  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 1C_24/2015 vom 24.04.2015
 
{T 0/2}
 
1C_24/2015
 
 
Urteil vom 24. April 2015
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Merkli, Eusebio,
 
Gerichtsschreiberin Gerber.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Bau- und Gastgewerbeinspektorat Basel-Stadt.
 
Gegenstand
 
Bauentscheid,
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 4. November 2014 des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht.
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
D.
 
 
E.
 
 
F.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
2.1. Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, die Vorinstanz habe ihrem Entscheid einen offensichtlich unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt. Sie habe insbesondere die erheblichen Auswirkungen der Neuinterpretation von Auflage Ziff. 6 durch das AUE für den massgeblichen Beurteilungspegel verkannt.
1
2.2. Die Vorinstanz hat sich mit der Frage des massgeblichen Schallpegels nicht auseinandergesetzt. Sie ging jedoch davon aus, dass der behauptete Sinneswandel des AUE von vornherein nicht geeignet sei, eine Wiedererwägung des Entscheids zu begründen: Soweit sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt stelle, dass die Behörden die ursprüngliche Verfügung neuerdings falsch auslegten, bedürfe es keiner Wiedererwägung; vielmehr wäre die ursprüngliche Verfügung allenfalls zu erläutern oder in einem Vollstreckungsverfahren auszulegen.
2
2.3. Diese Auffassung ist grundsätzlich nicht zu beanstanden: Wäre Ziff. 6 des Bauentscheids als Begrenzung des Stundenpegels gemäss SLV zu verstehen, wie der Beschwerdeführer geltend macht (u.a. mit Hinweis auf die Aussagen des ehemaligen Verantwortlichen des AUE und der Aktennotiz der Mitarbeiterin des AUE vom 24. Mai 2011), so wäre die nachträgliche Uminterpretation des AUE rechtswidrig. In diesem Fall bedürfte es keiner Wiedererwägung des Bauentscheids, sondern es müsste dessen Sinn verbindlich geklärt werden. Hierfür hätte der Beschwerdeführer im Anschluss an die Verwarnung durch das AUE wegen Verstosses gegen die Schallpegellimite von 93 dB (A) eine rekursfähige Verfügung verlangen können; darauf wurde er im Schreiben vom 28. Juni 2010 ausdrücklich hingewiesen. Denkbar wäre auch ein Antrag auf Erlass einer Feststellungsverfügung. Diese Rechtsbehelfe standen dem Beschwerdeführer noch nach der "Kehrtwendung" des AUE zur Verfügung, und nicht nur im ursprünglichen Baubewilligungsverfahren.
3
2.4. Etwas anderes könnte allenfalls gelten, wenn die "neue" Interpretation der Auflage Ziff. 6 durch das AUE (im Sinne einer absoluten Begrenzung auf einen 10-Sekunden-Pegel von 93 dB (A) ) massgeblich wäre, weil sie dem objektiven Sinn der Auflage entspräche, auch wenn dies zunächst vom Beschwerdeführer und von den Mitarbeitern des AUE anders verstanden wurde. In diesem Fall liesse sich argumentieren, dass der Beschwerdeführer auf ein Wiederaufnahmegesuch angewiesen sei, weil ihm erst nach Rechtskraft der Verfügung der "wahre" Inhalt der Auflage bewusst geworden sei und er sich zuvor - aufgrund der unrichtigen Auskünfte der Mitarbeiter des AUE - auf eine andere, ihm günstigere Auslegung der Auflage verlassen durfte.
4
 
Erwägung 3
 
3.1. Der Beschwerdeführer macht dagegen geltend, die Interessen potenzieller Nachbarn seien erst im Rahmen der beantragten Wiedererwägung zu berücksichtigen gewesen. Im Übrigen sei schon der ursprüngliche Bauentscheid im vereinfachten Verfahren ergangen, weshalb auch die beantragte Wiedererwägung in diesem Verfahren erfolgen müsse. Es handle sich zweifellos um ein Vorhaben von geringer Bedeutung i.S.v. § 31 der Basler Bau- und Planungsverordnung (BPV/BS; Nr. 730.110), das keiner öffentlichen Anzeige bedürfe. Sein Betrieb erzeuge auch keine Immissionen, die über den Grenzwerten liegen, was sich aus verschiedenen Schreiben des AUE und dem Ergänzungsgutachten der Gruner AG ergebe. Damit lägen jedenfalls keine berechtigten Lärmklagen der Nachbarschaft vor.
5
3.2. Art. 29 Abs. 1 BV enthält einen bundesrechtlichen Anspruch auf Wiedererwägung unter bestimmten Voraussetzungen, regelt aber nicht, in welchem Verfahren dieser Anspruch geltend zu machen ist. Dies ergibt sich aus dem zugrunde liegenden Recht, hier also aus dem Bau- und Umweltrecht.
6
3.3. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach die Aufhebung einer (zumindest auch) nachbarschützenden Lärmschutzauflage eines Bauentscheids im ordentlichen Baubewilligungsverfahren erfolgen müsse, um eventuell betroffenen Nachbarn das rechtliche Gehör zu gewähren, trägt Art. 29 Abs. 2 BV Rechnung und ist aus bundesrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden:
7
3.3.1. Das Verwaltungsgericht hat dargelegt, dass die Festsetzung eines Innenraumpegels von 93 dB (A) im Bauentscheid vom 19. Februar 2010 nicht nur aus Gründen des Publikumsschutzes erfolgte, sondern auch, um die Richtwerte an den gemessenen Punkten in der Nachbarschaft einzuhalten. Auslöser hierfür waren Lärmreklamationen der Nachbarschaft. Insofern kann die Aufhebung oder Änderung der Auflage Ziff. 6 die Interessen der Nachbarschaft berühren. Dies gilt selbst dann, wenn alle massgeblichen Grenzwerte eingehalten werden und die Auflage materiellrechtlich falsch wäre, wie der Beschwerdeführer geltend macht. Da die Aufhebung des in Ziff. 6 enthaltenen Schallpegels dazu führen könnte, dass lautere Musik in der Bar gespielt wird und deshalb höhere Lärmimmissionen bei den Nachbarn auftreten, muss diesen das rechtliche Gehör gewährt werden, bevor die ihnen günstige Auflage Ziff. 6 aufgehoben oder abgeändert wird.
8
3.3.2. Zwar wäre es möglich, die Interessen der Nachbarn (z.B. durch eine öffentliche Anzeige) in einem speziellen Wiedererwägungsverfahren (ohne Baubegehren) zu wahren. Da jedoch die Abänderung einer rechtskräftigen Baubewilligung verlangt wird, erscheint es sachgerecht und jedenfalls nicht willkürlich, diese Prüfung im Baubewilligungsverfahren vorzunehmen. Dieses setzt die Einreichung eines Baubegehrens auf einem amtlichen Formular voraus (§ 38 Abs. 1 BPV/BS). Darauf wurde der Beschwerdeführer bereits vom BGI aufmerksam gemacht. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ihm dieses Vorgehen nicht hätte zugemutet werden können. Unter diesen Umständen ist das Nichteintreten der kantonalen Behörden auf den als "Wiedererwägungsgesuch" bezeichneten und nicht auf einem amtlichen Formular verfassten Antrag nicht bundesrechtswidrig.
9
3.3.3. Der vom Beschwerdeführer postulierte Gleichlauf, wonach eine im vereinfachten Verfahren erlassene Auflage auch nur im vereinfachten Verfahren wieder aufgehoben werden müsse, erscheint nicht zwingend. Jedenfalls ist es unter Willkürgesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz aufgrund der potenziellen Betroffenheit von Nachbarn eine öffentliche Anzeige des Vorhabens gemäss § 30 PBV/BS verlangt, auch wenn eine solche im früheren Baubewilligungsverfahren (möglicherweise zu Unrecht) unterblieben war.
10
 
Erwägung 4
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
 
4. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bau- und Gastgewerbeinspektorat Basel-Stadt, dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht und dem Bundesamt für Umwelt schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 24. April 2015
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Die Gerichtsschreiberin: Gerber
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).